Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.12.2023, Az. 1 ABR 28/22

1. Senat | REWIS RS 2023, 10420

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Gegenstand

Vorlage von Bewerbungsunterlagen - digitales Leserecht


Leitsatz

Der Arbeitgeber, der den Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle mithilfe eines Softwareprogramms digital durchführt, genügt seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er dessen Mitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein auf die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes - mithilfe von zur Verfügung gestellten Laptops jederzeit nutzbares - Einsichtsrecht gewährt und die Möglichkeit besteht, Notizen anzufertigen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 13. Oktober 2022 - 2 TaBV 1/22 - wird, soweit sie sich gegen die Entscheidung über den Antrag zu 1. richtet, zurückgewiesen.

Bezüglich des Antrags zu 2. wird das Verfahren eingestellt.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme.

2

Die Arbeitgeberin - ein Unternehmen der [X.]etränkeindustrie - beschäftigt regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Sie unterhält in [X.] einen Betrieb, in dem der beteiligte Betriebsrat gebildet ist. Die Mitglieder des [X.] verfügen über [X.]aptops, die sie für ihre [X.]tätigkeit nutzen können.

3

Die Arbeitgeberin verwendet in ihrem Unternehmen eine Software zum „[X.]“. Das Programm verwaltet [X.]. Stellenausschreibungen und enthält ein internes und externes Bewerberportal. Ausweislich der Anlage 3b der hierzu geschlossenen [X.] 01/2019 ([X.]) müssen sich externe Bewerber einen Account anlegen, um am Bewerbungsprozess teilzunehmen. Bewerbungen, die dennoch in Papierform eingehen, werden zuvor manuell erfasst. Die weitere Bearbeitung erfolgt, nachdem der jeweilige Nutzer seine Zustimmung zur Datenverarbeitung erteilt hat (Nr. 2.3 der Anlage 3b zur [X.]). Den Mitgliedern des [X.] steht ein Einsichtsrecht in die in Nr. 8 der Anlage 3b zur [X.] aufgeführten „Datenfelder“ des Programms zu. Sie enthalten [X.]. die persönlichen Angaben des Bewerbers, sein „Anschreiben“ und seinen [X.]ebenslauf sowie etwaige Zeugnisse und Zertifikate.

4

Die Arbeitgeberin schrieb im Frühjahr 2021 die Stelle eines „Prozess- und Projektspezialisten Technik“ aus. Hierauf gingen 33 externe Bewerbungen ein. Die „Bewerbungsunterlagen“ wurden im Programm „[X.]“ hinterlegt.

5

Die Arbeitgeberin bat den Betriebsrat am 8. Juni 2021 um Zustimmung zu der beabsichtigten Einstellung von [X.] Als „geplantes Eintrittsdatum“ war der 1. Oktober 2021 angegeben. Nachdem dem Betriebsrat auf seine Bitte hin die Protokolle der Bewerbungsgespräche und die Stellenbeschreibung nachgereicht worden waren, verweigerte er mit Schreiben vom 24. Juni 2021 die Zustimmung zu der geplanten Einstellung. Am 7. Juli 2021 ersuchte die Arbeitgeberin den Betriebsrat erneut um Zustimmung zu der geplanten Einstellung, die er mit Schreiben vom 12. Juli 2021 verweigerte.

6

Anfang August 2021 beantragte die Arbeitgeberin die gerichtliche Zustimmungsersetzung. Das Arbeitsgericht entschied über den Antrag am 10. November 2021. Am 15. November 2021 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie werde Herrn [X.] ab dem 1. Dezember 2021 vorläufig einstellen. Nachdem der Betriebsrat die Dringlichkeit dieser Maßnahme bestritten hatte, leitete die Arbeitgeberin am 23. November 2021 ein weiteres, auf eine entsprechende Feststellung gerichtetes Beschlussverfahren ein. Beide Verfahren wurden in der Beschwerdeinstanz vom [X.]andesarbeitsgericht zur gemeinsamen Anhörung und Entscheidung verbunden.

7

Die Arbeitgeberin hat gemeint, die Zustimmung des [X.] sei zu ersetzen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß unterrichtet worden. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] verlange nicht, dass ihm die „Bewerbungsunterlagen“ in Papierform vorgelegt werden müssten. Ein [X.]rund für die Verweigerung der Zustimmung bestehe nicht.

8

Die Arbeitgeberin hat - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Einstellung von Herrn [X.] als Prozess- und Projektspezialist Technik in dem Bereich Instandhaltung zu ersetzen;

        

2.    

festzustellen, dass die Einstellung von Herrn [X.] als Prozess- und Projektspezialist Technik ab dem 1. Dezember 2021 in dem Bereich Instandhaltung aus sachlichen [X.]ründen dringend erforderlich war.

9

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen, und die Auffassung vertreten, die Zustimmung könne nicht ersetzt werden. Er sei nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Die „Bewerbungsunterlagen“ hätten ihm in Papierform vorgelegt werden müssen. Unabhängig hiervon bestünden auch [X.]ründe für die Verweigerung der Zustimmung.

Das Arbeitsgericht hat den - dort in der Hauptsache zur Entscheidung gestellten - Antrag der Arbeitgeberin auf Feststellung, dass die Zustimmung des [X.] zur Einstellung von Herrn [X.] als erteilt gilt, abgewiesen. Dem als Hilfsantrag angebrachten Zustimmungsersetzungsantrag hat es stattgegeben. Hiergegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Dem Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrV[X.] hat das Arbeitsgericht ebenfalls entsprochen. [X.]egen diesen Beschluss haben der Betriebsrat Beschwerde und die Arbeitgeberin [X.] eingelegt. Das [X.]andesarbeitsgericht hat beide Beschwerden des [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren auf vollständige Antragsabweisung weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist unbegründet. Das [X.]andesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der Einstellung von Herrn [X.] zu ersetzen ist. Der hierauf gerichtete Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig und begründet. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 2.

I. Der Zustimmungsersetzungsantrag hat Erfolg.

1. Der Antrag zu 1. ist zulässig. Für ihn besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu BA[X.] 12. Juni 2019 - 1 ABR 5/18 - Rn. 14 mwN, BA[X.]E 167, 43). Die Arbeitgeberin, die in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, benötigt zu der Einstellung von Herrn [X.] die Zustimmung des [X.] nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.].

2. Der Antrag ist auch begründet.

a) [X.]egenstand des Verfahrens ist die betriebsverfassungsrechtliche Befugnis der Arbeitgeberin, die geplante Einstellung auf der [X.]rundlage des mit Schreiben vom 8. Juni 2021 eingeleiteten Zustimmungsverfahrens endgültig durchzuführen. Die Arbeitgeberin hat dieses Zustimmungsersuchen nicht dadurch zurückgezogen, dass sie den Betriebsrat am 7. Juli 2021 erneut um Zustimmung gebeten hat. Ein neues Zustimmungsverfahren zu einer eigenständigen personellen Einzelmaßnahme hätte sie damit nur dann eingeleitet, wenn sie von der ursprünglich geplanten Einstellung Abstand genommen hätte (vgl. dazu etwa BA[X.] 28. Febr[X.]r 2006 - 1 [X.] - Rn. 24 ff., BA[X.]E 117, 123; 14. Dezember 2004 - 1 [X.] - Rn. 14, BA[X.]E 113, 102). Dies war nicht der Fall. Die Arbeitgeberin strebte vielmehr weiterhin - entsprechend ihrem „ersten“ Ersuchen - die endgültige künftige Einstellung von Herrn [X.] an. Dem Schreiben vom 7. Juli 2021 lag weder eine neue Stellenausschreibung noch eine erneut vorgenommene Bewerberauswahl zugrunde. Die Arbeitgeberin verschob lediglich das zunächst beabsichtigte Einstellungsdatum um einen Monat und teilte dies dem Betriebsrat - zusammen mit weiteren ergänzenden Informationen über die geplante Einstellung - mit.

b) Das Zustimmungsverfahren wurde ordnungsgemäß eingeleitet.

aa) Die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrV[X.] setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des [X.] iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] voraus. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die geplante personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu informieren. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrV[X.] genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist. Bei einer Einstellung sind nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrV[X.] insbesondere der in Aussicht genommene Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen (BA[X.] 12. Juni 2019 - 1 ABR 5/18 - Rn. 29, BA[X.]E 167, 43).

[X.]) Diesen Anforderungen wird die Unterrichtung gerecht.

(1) Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 8. Juni 2021 die notwendigen persönlichen Daten von Herrn [X.], die Position, die er im Betrieb bekleiden sollte, und seine vorgesehene Eingruppierung mit. Sie überließ dem Betriebsrat in der Folgezeit die für die neu geschaffene Stelle eines Prozess- und Projektspezialisten angefertigte Stellenbeschreibung und die Protokolle der mit Herrn [X.] geführten Bewerbungsgespräche. Ferner unterrichtete sie ihn mit Schreiben vom 7. Juli 2021 ergänzend über die voraussichtlichen Auswirkungen der geplanten Einstellung.

(2) Die Arbeitgeberin kam zudem ihrer Verpflichtung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] nach, dem Betriebsrat die erforderlichen „Bewerbungsunterlagen“ vorzulegen. Den Mitgliedern des [X.] stand nach Nr. 8 der Anlage 3b zur [X.] ein Einsichtsrecht in die dort näher aufgeführten „Datenfelder“ des Programms „[X.]“ zu. Mithilfe der zur Verfügung stehenden [X.]aptops konnten sie daher jederzeit die im Programm hinterlegten Anschreiben und [X.]ebensläufe sowie - sofern übermittelt - Zeugnisse und Zertifikate der insgesamt 33 externen Bewerber um die Stelle eines „Prozess- und Projektspezialisten Technik“ einsehen. Anders als der Betriebsrat meint, war die Arbeitgeberin nicht gehalten, ihm die „Bewerbungsunterlagen“ der Interessenten in Papierform vorzulegen. Dies ergibt die Auslegung von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.].

(a) Die sprachliche Fassung der Norm steht der Annahme, ein Arbeitgeber könne seine Vorlagepflicht gegenüber dem Betriebsrat durch die [X.]ewährung eines jederzeitigen digitalen [X.]eserechts - wie hier nach Nr. 8 der Anlage 3b zur [X.] - erfüllen, nicht entgegen. Zwar zeigen die Begriffe „Bewerbungsunterlagen“ und „vor(zu)legen“, dass dem [X.] in [X.] getretenen § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] - entsprechend der damaligen [X.]ebenswirklichkeit - die Vorstellung zugrunde liegt, derartige Unterlagen würden stets in physisch verkörperter Form eingereicht und müssten dem Betriebsrat daher auch in dieser Form überlassen werden (in diesem Sinn auch BA[X.] 3. Dezember 1985 - 1 [X.] - zu [X.] 1 der [X.]ründe, BA[X.]E 50, 236, wo „Urkunden“, „Sachen“ und „Schriftstücke“ benannt werden). Umgangssprachlich beschreibt eine „Unterlage“ etwas „schriftlich Niedergelegtes, das als Beweis, Beleg, Bestätigung … für etwas dient“ (vgl. [X.] [X.] 9. Aufl. Stichwort „Unterlage“; ähnlich auch [X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „Unterlage“: „als Beweisstück, Nachweis, Beleg dienende, schriftliche Aufzeichnungen“). Das Verb „vorlegen“ bedeutet typischerweise „etwas vor jemanden zur Ansicht, Begutachtung, Bearbeitung … hinlegen“ (vgl. [X.] [X.] 9. Aufl. Stichwort „vorlegen“) oder etwas „vorzeigen, zeigen, vorweisen“ ([X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „vorlegen“). Der durch den Wortlaut der Norm vermittelte Wortsinn lässt jedoch erkennen, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat digital verfügbare „Bewerbungsunterlagen“ auch nur in dieser Form zur Verfügung stellen muss. Bei einem funktionalen Verständnis sind solche „Unterlagen“ alle Interessenbekundungen und dem Arbeitgeber zu diesem Zweck übermittelten Daten, die von den Bewerbern übersandt werden. In welchem Format die Einreichung dieser Angaben beim Arbeitgeber erfolgt, ist für ihre Eigenschaft als [X.]rundlage für dessen spätere Auswahlentscheidung unerheblich. Zudem geht das [X.]esetz - wie der in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] verwendete bestimmte Artikel („die“) zeigt - davon aus, der Arbeitgeber müsse dem Betriebsrat grundsätzlich auch nur die ihm selbst übermittelten „Original“-Unterlagen zur Verfügung stellen (in diesem Sinn auch BA[X.] 3. Dezember 1985 - 1 [X.] - zu [X.] 4 und 5 der [X.]ründe, aaO). Dies lässt den Schluss zu, dass er nicht gehalten ist, dem Betriebsrat digital über ein Bewerberportal eingegangene „Bewerbungsunterlagen“ in Papierform zu überlassen.

(b) Ein solches Verständnis entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung.

(aa) Die [X.] und Vorlagepflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] soll dem Betriebsrat zum einen diejenigen Informationen verschaffen, die er benötigt, um sein Recht zur Stellungnahme sachgerecht ausüben zu können. Der Arbeitgeber hat ihn daher so zu unterrichten, dass er aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die [X.]age versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrV[X.] genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Zum anderen soll der Betriebsrat vor einer Einstellung die Möglichkeit haben, Anregungen für die Auswahl der Bewerber zu geben und [X.]esichtspunkte vorzubringen, die aus seiner Sicht für die Berücksichtigung eines anderen - als dem vom Arbeitgeber ausgewählten - Stellenbewerbers sprechen (vgl. BA[X.] 21. Oktober 2014 - 1 [X.] - Rn. 28 mwN). Dies erfordert, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Unterlagen aller Stellenbewerber in der Regel so überlässt, dass sie ihm für die Dauer der gesetzlichen Entscheidungsfrist über das Zustimmungsgesuch - einschließlich der Sitzung, in der hierüber beschlossen wird - zur Verfügung stehen (vgl. BA[X.] 14. Dezember 2004 - 1 [X.] - zu [X.] 2 b aa der [X.]ründe, BA[X.]E 113, 109; 3. Dezember 1985 - 1 [X.] - zu [X.] 1 und 2 der [X.]ründe, BA[X.]E 50, 236).

([X.]) Diesen Vorgaben ist genügt, wenn der Arbeitgeber - wie hier - den Mitgliedern des [X.] für die Dauer des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrV[X.] ein auf die digital vorhandenen „Bewerbungsunterlagen“ aller Interessenten bezogenes Einsichts- und [X.]eserecht gewährt. Damit hat der Betriebsrat die Möglichkeit, sich diejenigen Informationen zu verschaffen, die er benötigt, um eine Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 BetrV[X.] abgeben zu können. Der jederzeit mögliche Zugriff auf die hinterlegten Bewerberdaten mithilfe der vorhandenen [X.]aptops erlaubt es ihm, eigene Vorschläge für eine Auswahl zu unterbreiten oder auf Umstände hinzuweisen, die nach seiner Auffassung für einen anderen Bewerber sprechen. Darüber hinaus ist sichergestellt, dass die „Unterlagen“ den Mitgliedern des [X.] auch während der Sitzung, in der der Beschluss gefasst wird, ohne Weiteres zur Verfügung stehen. Sie haben damit die Möglichkeit, sich mit den Personalien aller Bewerber vertraut zu machen und darüber zu diskutieren (vgl. zu diesem Aspekt BA[X.] 3. Dezember 1985 - 1 [X.] - zu [X.] 2 der [X.]ründe, BA[X.]E 50, 236). Der Betriebsrat hat in diesem Fall auch den gleichen Informationsstand wie der Arbeitgeber, der die Bewerberauswahl ebenfalls anhand der im System erfassten Angaben durchführt (vgl. hierzu BA[X.] 14. Dezember 2004 - 1 [X.] - zu [X.] 2 b [X.] (2) der [X.]ründe, BA[X.]E 113, 109).

(c) [X.]esetzessystematische Erwägungen stehen einem solchen Normverständnis nicht entgegen. Zwar räumt § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] dem Betriebsrat grundsätzlich ein Recht auf (vorübergehende) Überlassung der „Bewerbungsunterlagen“ und nicht lediglich ein „[X.]“ ein, wie es in § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrV[X.] für die [X.] vorgesehen ist. Das den [X.]mitgliedern zu gewährende Einsichts- und [X.]eserecht geht jedoch über eine bloße Befugnis zur jederzeitigen Einsichtnahme in die Unterlagen hinaus. Die [X.]mitglieder haben von [X.]esetzes wegen die - insoweit auch nicht durch die [X.] einschränkbare - Möglichkeit, sich (erforderlichenfalls umfangreiche) Notizen zu machen oder sog. Screenshots anzufertigen. Schon aus diesem [X.]rund stehen dem Betriebsrat damit weitergehende Befugnisse als nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrV[X.] zu (vgl. dazu BA[X.] 10. Oktober 2006 - 1 [X.] - Rn. 41 mwN, BA[X.]E 119, 356).

(d) Auch die [X.]esetzeshistorie gebietet keine andere Auslegung. Der Umstand, dass die sprachliche Fassung des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] durch das [X.]esetz zur Förderung der [X.]wahlen und der [X.]arbeit in einer digitalen Arbeitswelt ([X.]) vom 14. Juni 2021 (B[X.]Bl. I S. 1762) nicht an die fortschreitende Digitalisierung angepasst wurde, lässt nicht den Schluss zu, die Vorlage von Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat habe stets in Papierform zu erfolgen. Wie die durch das [X.] modifizierten gesetzlichen Bestimmungen erkennen lassen, hat der [X.]esetzgeber einen Bedarf für Änderungen insoweit nur bei der Möglichkeit zur Teilnahme an einer [X.]sitzung mittels Video- und Telefonkonferenz sowie bei der Unterzeichnung (Signatur) und Niederlegung von Betriebsvereinbarungen und Einigungsstellensprüchen in elektronischer Form gesehen. Dies zeigt, dass er - anders als der Betriebsrat meint - die Regelung des § 99 BetrV[X.] trotz der ihm bekannten Veränderungen in der Arbeitswirklichkeit für ausreichend hält, um den sich hieraus ergebenden Anforderungen gerecht zu werden.

(e) Datenschutzrechtliche Erwägungen führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Das digitale Einsichtsrecht des [X.] beschränkt sich im [X.] auf diejenigen Unterlagen, die - wenn sie physisch vorhanden wären - dem Betriebsrat in dieser Form hätten überlassen werden müssen. Die darin liegende Datenverarbeitung ist nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und Abs. 3 DS[X.]VO iVm. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDS[X.] erforderlich, weil sie der Erfüllung einer in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrV[X.] vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers dient (vgl. ausf. dazu BA[X.] 9. Mai 2023 - 1 [X.] - Rn. 62 ff.). Zudem sind die Mitglieder des [X.] in jedem Fall verpflichtet, über die ihnen in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer Stillschweigen zu bewahren.

(3) Soweit der Betriebsrat im Anhörungstermin vor dem Senat erstmals geltend gemacht hat, die Unterrichtung sei auch deshalb nicht ordnungsgemäß gewesen, weil es bei der Verwendung der Software „[X.]“ zu technischen Problemen gekommen sei und die Namen der Bewerber anonymisiert gewesen seien, handelt es sich um neuen Sachvortrag. Dieser ist in der Rechtsbeschwerde nach § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 Arb[X.][X.] iVm. § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig.

c) Die Zustimmung des [X.] gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrV[X.] als erteilt. Dies steht aufgrund der präjudiziellen Wirkung der insoweit rechtskräftigen (§ 322 Abs. 1 ZPO) Entscheidung des Arbeitsgerichts, mit der es den erstinstanzlichen Antrag der Arbeitgeberin auf eine entsprechende Feststellung abgewiesen hat, bindend fest (vgl. zur präjudiziellen Wirkung rechtskräftiger Beschlüsse BA[X.] 21. September 1989 - 1 [X.] - zu [X.] 3 c der [X.]ründe).

d) Die Zustimmung ist jedoch zu ersetzen.

aa) Der Betriebsrat hat seine Zustimmung mit Schreiben vom 12. Juli 2021 zu Unrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrV[X.] verweigert.

(1) Die Vorschrift erfordert die durch Tatsachen begründete Besorgnis, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer, auch wenn sie nicht gekündigt werden, sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen [X.]ründen gerechtfertigt wäre. Ein sonstiger Nachteil liegt vor, wenn sich die tatsächliche oder rechtliche Stellung eines Arbeitnehmers nicht unerheblich verschlechtert. Regelungszweck des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrV[X.] ist die Erhaltung des Status quo der bereits im Betrieb tätigen Arbeitnehmer (vgl. BA[X.] 26. Oktober 2004 - 1 [X.] - zu [X.] 3 b aa der [X.]ründe, BA[X.]E 112, 251).

(2) Derartige Nachteile, die den schon beschäftigten Arbeitnehmern durch die Einstellung von Herrn [X.] als „Prozess- und Projektspezialist Technik“ im Bereich Instandhaltung entstehen könnten, sind weder vom Betriebsrat dargetan noch ersichtlich. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin - anders als vom Betriebsrat gewünscht - anstelle der von ihr geplanten Maßnahme keinen Elektriker einstellt, begründet keinen durch die Einstellung von Herrn [X.] bedingten Nachteil der bereits beschäftigten Elektriker. Dass es für diese Arbeitnehmer infolge seiner Einstellung zu Mehrarbeit oder Arbeitsverdichtung kommen wird, ist nicht erkennbar.

[X.]) Auf die weiteren von ihm im laufenden Zustimmungsersetzungsverfahren geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe kann sich der Betriebsrat nicht berufen. Diese [X.]ründe hat er in seinen Zustimmungsverweigerungsschreiben nicht vorgebracht. Ein Nachschieben weiterer [X.]ründe nach Ablauf der Wochenfrist scheidet aus (vgl. BA[X.] 13. August 2019 - 1 [X.] - Rn. 40 mwN, BA[X.]E 167, 252).

II. Im Hinblick auf den Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrV[X.] war das Verfahren einzustellen (vgl. dazu BA[X.] 10. März 2009 - 1 [X.] - Rn. 48 f. mwN, BA[X.]E 130, 1).

        

    [X.]allner    

        

    Rinck    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    N. Schuster    

        

    Rose    

                 

Meta

1 ABR 28/22

13.12.2023

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Halle (Saale), 10. November 2021, Az: 7 BV 71/21 NMB, Beschluss

§ 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 99 Abs 4 BetrVG, § 99 Abs 2 Nr 3 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.12.2023, Az. 1 ABR 28/22 (REWIS RS 2023, 10420)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10420

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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