Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 152/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 167

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII [X.]/12
Verkündet am:

19. Dezember 2012

Vorusso,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 535 Abs. 1 Satz 2, § 536
a)
Zu den Voraussetzungen einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung in [X.] auf die Mietsache (im [X.] an [X.], Urteil vom 23.
September 2009 -
VIII
ZR 300/08, [X.], 1133).
b)
Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, bestimmt sich der zum vertrags-gemäßen Gebrauch geeignete Zustand der Mietsache nach der Verkehrsan-schauung unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von [X.] und Glauben.
c)
Eine vorübergehende erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund von [X.] stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in [X.] üblichen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der vermieteten Wohnung dar.

[X.], Urteil vom 19. Dezember 2012 -
VIII [X.]/12 -
LG [X.]

AG [X.]-Pankow/[X.]

-
2
-

Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2012
durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die [X.]in Dr.
Hessel sowie die [X.] Dr.
[X.] und Dr.
Schneider

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der [X.] des [X.]s [X.]
vom 17. April 2012
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.][X.] vom 22. März 2011
wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagten sind seit dem
Jahr 2004 Mieter einer Wohnung der Kläge-rin in [X.]. Das Mietshaus befindet sich in der [X.]

, die zu Mietbeginn keine unmittelbare Verbindung mit der davor liegenden P.

[X.]

hat-te. Von
Juni 2009 bis November 2010 wurde
der stadteinwärts fahrende [X.]
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kehr, den bis dahin
die P.

[X.]

aufgenommen hatte, über die [X.]

geleitet, die zu diesem Zweck als Einbahnstraße und mit einem direkten
Zugang zur P.

[X.]

ausgestattet wurde. Der Grund für die
geänderte Verkehrsführung lag
in (vorübergehenden) umfangreichen [X.] auf der gesamten Länge der P.

[X.]

. Die Beklagten minderten wegen der gestiegenen Lärmbelastung die Miete
ab Oktober
2009.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung rückständi-ger Miete von Oktober 2009 bis November 2010 in Höhe von insgesamt e-ben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Verurteilung der Beklagten -
unter Klageabweisung im Übrigen -
auf ermäßigt.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsge-richtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die von den Beklagten zu zahlende Miete sei ab 1. Dezember 2009 ge-mäß § 536 Abs. 1 Satz 2 [X.] um 10
% gemindert, weil die Lärmbelästigung durch die umgeleiteten Verkehrsströme erheblich über dem bei Vertragsschluss 2
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stillschweigend vereinbarten Zustand
liege. Für die
Monate Oktober und No-vember 2009 stehe
den Beklagten dagegen
kein Recht
auf
Minderung zu.
Zwar sei es anerkannt, dass Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs durch Baulärm, auch von Straßenbaustellen, zu einer Mietminde-rung führen könnten. Die Kammer halte
es jedoch in Anlehnung an vorange-gangene Instanzrechtsprechung ([X.], [X.], 317; AG Frankfurt/
Oder, [X.], 268) für angemessen, mittelbare Beeinträchtigungen durch hoheitliche Straßenbaumaßnahmen -
wie hier die erhöhte Lärmbelastung auf-grund der temporären
Umleitung von Verkehrsströmen
-
grundsätzlich als das allgemeine Lebensrisiko eines jeden Bürgers einzuordnen, dessen Folgen ihn nicht zur Minderung der Miete berechtigten. Dies finde jedoch dort seine [X.], wo die Beeinträchtigungen den zeitlichen Umfang dessen überschritten, womit ein Mieter als allgemeines Lebensrisiko rechnen müsse. Diese Grenze sei bei [X.]n Lärmbelästigungen
nach Ablauf von sechs Mona-ten ab Beginn der erhöhten Lärmbelastung zu ziehen.
II.
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Den Beklagten
steht
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hinsichtlich des gesamten streitgegenständlichen [X.]raums kein Recht
auf Minderung der vereinbarten Miete zu.
1. Gemäß § 536 Abs. 1 [X.] ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes
gemindert, wenn die
Mietsache zur [X.] der Überlassung an den
Mieter einen Mangel
aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt
oder (erheblich) mindert,
oder ein solcher Mangel während der Mietzeit ent-steht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn
der
tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertrag-6
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lich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den [X.] (Senatsurteile vom 23. Septem-ber
2009 -
VIII ZR 300/08, [X.], 1133
Rn. 11; vom 17. Juni 2009 -
VIII ZR 131/08, [X.], 2442 Rn. 9; vom 6. Oktober 2004 -
VIII ZR 355/03, [X.], 218 unter [X.]), die auch durch
schlüssiges Verhalten (konkludent) getrof-fen werden
können (Senatsurteil
vom 23. September 2009 -
VIII ZR 300/08, aaO Rn. 14; Senatsbeschluss vom 2. November 2006 -
VIII ZR 52/05, [X.], 774
Rn. 2). Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können [X.]
auch Umstände
sein, die von außen
auf die Mietsache unmittelbar einwir-ken
(sog. Umweltfehler; vgl. zu diesem Begriff: [X.]/Häublein, 6.
Aufl., § 536 Rn. 14 f.; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 536 Rn. 29a; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2011, § 536 Rn. 26 ff.; [X.]/
[X.], [X.], 13. Aufl., § 536 Rn. 8 ff.), wie etwa Immissionen, denen
die Mietsache ausgesetzt ist (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2009 -
VIII ZR 300/08, aaO Rn. 12 ff:, [X.], Urteil vom 21. September 2005 -
XII ZR 66/03, [X.], 899
Rn. 19). Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsa-che fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des
vereinbarten Nutzungszwecks
und des Grundsatzes
von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2009 -
VIII ZR 300/08, aaO; [X.],
Urteil vom 10. Mai 2006 -
XII ZR 23/04, [X.], 582 Rn. 10).
2. Ausgehend von diesen
rechtlichen Vorgaben begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, die gegenüber dem Zustand bei Vertragsschluss in der Wohnung [X.] erhöhte Lärmbelastung stelle jedenfalls ab dem siebten Monat seit dem Entstehen der erhöhten Lärmwerte einen zur Minderung be-rechtigenden Mangel der Mietsache dar, durchgreifenden Bedenken.

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a) Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht nicht näher begründete Annahme, die Parteien hätten bei Abschluss des [X.] hinsichtlich zukünftiger,
von [X.] verursachter
Lärmbelästigungen den zur
[X.] des Vertragsschlusses bestehenden Zustand für die gesamte [X.] des auf unbestimmte [X.] geschlossenen Mietvertrags als unverändert be-stehend bleibend "stillschweigend vereinbart".
Auch eine
konkludente
Vereinba-rung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Für die Annah-me einer solchen Willensübereinstimmung bezüglich eines sogenannten
Um-weltfehlers reicht es jedoch nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss ei-nen von außen auf die Mietsache einwirkenden
Umstand
-
wie hier den
in der Wohnung zu vernehmenden
Straßenlärm
-
in einer für ihn vorteilhaften
Weise wahrnimmt (etwa: "ruhige Lage") und er sich (möglicherweise auch) wegen die-ses Umstands
dafür entscheidet, die Wohnung anzumieten. Zur
konkludent ge-schlossenen
Beschaffenheitsvereinbarung wird dieser Umstand vielmehr nur, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu [X.] Empfängerhorizont (§§ 133, 157 [X.]) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer dieses bei Vertragsschluss
bestehenden Umstands über die unbestimmte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriteri-um für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht,
und der [X.] dem
zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer diesbezüglichen Willensübereinstimmung
selbst dann nicht,
wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der [X.] darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2009 -
VIII ZR 300/08, aaO Rn. 14). Die Voraussetzungen, unter denen hiernach eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung angenommen werden kann, ergeben sich weder aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen noch aus den sonstigen Umständen.

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b)
Auch die Bestimmung des zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigne-ten
Zustands nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des ver-einbarten Nutzungszwecks
und des Grundsatzes von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) führt nicht dazu, dass in
der
durch die [X.] Umleitung des
Verkehrs
verursachten
erhöhten
Lärmbelastung ein Mangel zu sehen wäre, der die Beklagten in dem streitgegenständlichen [X.]raum zur Minderung berechtig-te.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Be-rufungsgericht in seinem Urteil Bezug nimmt, stellen die von den Beklagten vorgetragenen (gegenüber den Verhältnissen bei Vertragsschluss
erhöhten) Lärmwerte,
ausgehend von der im [X.]er Mietspiegel 2009 aufgestellten Grenze der Verkehrslärmbelastung,
keine hohe Belastung dar. Unter Berück-sichtigung dessen, dass sich die vermietete
Wohnung in der [X.]er Innenstadt befindet, mithin in einer Lage, bei der jederzeit mit Straßenbauarbeiten größe-ren Umfangs und längerer Dauer zu rechnen ist, haben die Beklagten
diese (erhöhte) Lärmbelastung [X.] hinzunehmen. Davon ist im Ansatz auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Für seine Annahme, die vereinbarte Miete sei ab dem siebten Monat nach Eintreten der erhöhten Lärm-belastung gemindert, ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar. Denn eine
vorübergehende erhöhte Lärmbelastung stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls dann, wenn sie sich -
wie hier -
innerhalb der in [X.]er Innen-stadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen
zur
Minderung berechtigenden
Man-gel dar.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist, keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO). Da weitere tatrichterliche Feststellungen nicht zu treffen sind und 11
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der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache
selbst zu entscheiden (§
563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des die Klage im vollen Umfang zusprechenden amtsgerichtlichen Urteils durch Zu-rückweisung der Berufung.
[X.]
[X.] am [X.] Dr. Frellesen

Dr. Hessel

ist
dienstunfähig erkrankt und

daher gehindert zu unter-

schreiben.

[X.]

Karlsruhe, den 16.01.2013

Dr. [X.]
Dr. Schneider

Vorinstanzen:
AG [X.]-Pankow/[X.], Entscheidung vom 22.03.2011 -
8 C 413/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 17.04.2012 -
65 [X.] -

Meta

VIII ZR 152/12

19.12.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 152/12 (REWIS RS 2012, 167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 167

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 152/12

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