Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2015, Az. XII ZB 92/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7465

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/15

vom

28. Juli 2015

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1903
Zur
Anordnung eines [X.] für Vermögensangelegenheiten bei einem vermögenden Betroffenen.

[X.], Beschluss vom 28. Juli 2015 -
XII [X.]/15 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 28. Juli 2015
durch
den Vor-sitzenden [X.], die Richterin Weber-Monecke
und [X.], Dr. Günter und
Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 26. Januar 2015
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.]
zu-rückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
[X.]: 5

Gründe:
I.
Der
49jährige Betroffene leidet an einer phasenhaft verlaufenden schi-zoaffektiven Psychose, wegen derer er
seine
Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann.
Das Amtsgericht bestellte
erstmals
2008 einen Berufsbetreuer
für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung zum Zwecke der Heilbehandlung, [X.] und Rehabilitation, Vermögenssorge ohne das Recht zur Wohnungsauflösung und Vertretung gegenüber Pflegediensten, 1
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Pflegeeinrichtungen, Behörden sowie Leistungsträgern.
Später verlängerte das Amtsgericht die Betreuung bis zum 29. August 2016 und ordnete einen Einwilli-gungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge bis zum 29. August 2013 an.
Mit
Beschluss vom 21. Januar 2014 hat
das Amtsgericht den Einwilli-gungsvorbehalt
verlängert.
Dagegen hat der Betroffene
Beschwerde eingelegt, die das [X.] zurückgewiesen
hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde des Betroffenen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Verlängerung des [X.] sei zum Schutz des -
im Wesent-lichen aus
Grundbesitz im Wert von rd. 716n
-
Vermögens des Beschwerdeführers notwendig. Das bisherige Verhalten zeige, dass er der-zeit nicht in der Lage sei, sich um sein umfängliches Vermögen zu kümmern. Aus rückständigen Krankenkassenbeiträgen
sowie
rückständiger Miete und
Nutzungsentschädigung seien Verbindlichkeiten in Höhe von rd. 147.000

f-gelaufen. Der Betroffene sei sich nicht darüber im Klaren, welche Maßnahmen notwendig seien, um sein derzeitiges Vermögen auch für die Zukunft zu erhal-ten. So wende er sich ohne erkennbaren Grund gegen den vom Betreuer einge-leiteten Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen, deren Ertrag gering sei und deren Verkaufserlös zur Tilgung seiner vorhandenen Schulden und Instandhal-tung der vermieteten Immobilien sinnvoll verwendet werden könne.
Es [X.] daher die Gefahr, dass der Betroffene
sich ohne die Anordnung eines Einwil-3
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ligungsvorbehalts wirksam gegen Maßnahmen wende, die der Betreuer zur ge-botenen Schuldentilgung vornehmen möchte.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Be-treuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist.
Für die Verlängerung der Anordnung eines
Ein-willigungsvorbehalts gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung die-ser Maßnahme entsprechend. Die Verlängerung setzt somit voraus, dass die konkrete Gefahr für das Vermögen des Betroffenen nach wie vor besteht ([X.]/[X.] 6. Aufl. § 1903 Rn. 41).
Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. [X.]sbeschluss vom 27. Juli 2011 -
XII [X.] 118/11
-
FamRZ 2011, 1577, Rn.
18 ff.).
a) Die Anordnung des [X.]
muss erforderlich sein, um eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten abzu-wenden
(vgl. BT-Drucks. 11/4528 S.
137). Die drohende Selbstschädigung muss gewichtig sein und sich als wesentliche Beeinträchtigung des Wohls
des Betreuten in seiner konkreten Lebenssituation darstellen ([X.]/[X.] 6. Aufl. § 1903 Rn. 9).
Die Gefahr für das Vermögen des Betreuten kann sich auch daraus er-geben, dass er sein umfangreiches Vermögen, das aus Grundstücken oder ei-nem Betrieb besteht, nicht überblicken und verwalten kann (BayObLG FamRZ 1995, 1518, 1519; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 1903 Rn. 9). Allerdings kann ein Einwilligungsvorbehalt auch bei einem umfangreichen Vermögen des 6
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Betreuten nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen ([X.]/[X.] BGB [2013] § 1903 Rn. 52).
Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwil-ligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann ([X.]/[X.] 6. Aufl. §
1903 Rn.
16; Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht §
1903 BGB Rn.
21; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 136).
Untauglich ist der Einwilligungs-vorbehalt hingegen als Disziplinierungsinstrument bei bloßen Meinungsver-schiedenheiten zwischen Betreuer und Betreutem ([X.]/[X.] 6.
Aufl. § 1903 Rn. 40 mwN).
b) Dass nach diesen Maßstäben die Voraussetzungen für eine [X.] des [X.] vorliegen, hat das [X.] nicht aus-reichend festgestellt.
aa) Das [X.] hat hervorgehoben, dass der Betroffene nicht in der Lage
sei, sich um sein umfängliches Vermögen zu kümmern. Er sei sich nicht darüber im Klaren, welche Maßnahmen notwendig seien, um sein derzeitiges Vermögen auch für die Zukunft zu erhalten.
Dies
rechtfertigt für sich genommen allerdings zunächst nur
die Anord-nung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge, nicht aber schon die Anordnung eines [X.].
bb) Weiter hat das [X.] ausgeführt, es seien aus rückständigen Krankenkassenbeiträgen und Schulden aus einem Mietverhältnis [X.] in Höhe von rd. 147.000

Indessen
wird nicht aufgezeigt, dass ohne Anordnung des [X.] die Gefahr
einer derartigen
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Schuldenbildung fortbesteht.
Die laufenden Verbindlichkeiten zu begleichen,
ist der Betreuer auch ohne Einwilligungsvorbehalt in der Lage. Inwieweit sich aus den -
ohnehin nur angedeuteten -
Schädigungen, die der Betroffene seinem Vermögen in der Vergangenheit zugefügt hat, Gefährdungen für die Zukunft ableiten ließen (vgl. Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht §
1903 BGB Rn.
17), ist demgegenüber nicht aufgezeigt.
[X.]) Ebensowenig
trägt die Begründung des [X.]s, der Betroffene wende sich ohne erkennbaren Grund gegen den vom Betreuer eingeleiteten Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen, deren Ertrag gering sei und deren Verkaufserlös zur Tilgung seiner vorhandenen Schulden und Instandhaltung der vermieteten Immobilien sinnvoll verwendet werden könne. Daraus entstünde die Gefahr, dass der Betroffene
sich ohne die Anordnung eines Einwilligungs-vorbehalts wirksam gegen Maßnahmen wende, die der Betreuer zur gebotenen Schuldentilgung vornehmen möchte.
Diese Erwägungen lassen, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt,
be-reits nicht erkennen, inwieweit das [X.] berücksichtigt hat, dass der vom Betreuer vorgesehene Grundstücksverkauf bereits beurkundet
und betreuungs-gerichtlich genehmigt war. Es fehlte lediglich noch an der Rechtskraft des [X.], welche zehn Tage nach dem Erlass des hier [X.] Beschlusses dadurch eintrat, dass das [X.] die Beschwerde des Betroffenen gegen die betreuungsgerichtliche Genehmigung zurückwies. Konkrete Feststellungen dazu, dass weitere
erhebliche Gefahren
durch selbst-gefährdende Handlungen des Betroffenen
außerhalb der [X.] über die Verwertung der
Grundstücke
bestehen, sind nicht getroffen.

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c) Der angefochtene Beschluss kann daher
keinen Bestand haben. Der [X.] kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da
es noch weiterer Feststellungen über die Erforderlichkeit eines [X.]
bedarf.
[X.] Weber-Monecke
Schilling

Günter Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.01.2014 -
41 [X.]/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 26.01.2015 -
9 T 135/14 -

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Meta

XII ZB 92/15

28.07.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2015, Az. XII ZB 92/15 (REWIS RS 2015, 7465)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7465

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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