Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.03.2017, Az. 2 B 4/16

2. Senat | REWIS RS 2017, 13945

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Antrag auf Gewährung eines vorübergehenden Kindererziehungszuschlags


Gründe

1

Die allein auf grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte [X.]eschwerde ist unbegründet.

2

1. Die 1948 geborene Klägerin, deren [X.]eamtenverhältnis 1973 begründet und die wegen Dienstunfähigkeit zum 1. Dezember 2006 vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde, begehrt, ihr für die [X.] von Dezember 2006 bis Juni 2009 den vorübergehenden Kindererziehungszuschlag ([X.]) für ihre drei 1980, 1983 und 1986 geborenen Söhne zu gewähren.

3

Das beklagte Land berücksichtigte im Versorgungsfestsetzungsbescheid [X.] und Erziehungsurlaub in den Jahren 1981 (124 Tage), 1983/84 (182 Tage) und 1986/87 (182 Tage). Im September 2007 erklärte die Klägerin gegenüber dem [X.]eklagten, für sie bestehe wegen Pflegetätigkeit voraussichtlich ein Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]); parallel bat sie, den [X.] zu erhöhen oder einen Pflegezuschlag "gem. § 50 [X.]" zu gewähren. Im Mai 2010 begehrte sie beim [X.]eklagten u.a. nochmals, ihr einen "vorübergehenden Pflegezuschlag" zukommen zu lassen. Der [X.]eklagte wies die Klägerin sodann im Mai 2011 darauf hin, dass ihr ein vorübergehender [X.] gezahlt werden könne, wenn sie aufgrund [X.] in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sei. Nach [X.]eantragung bewilligte der [X.]eklagte der Klägerin auf der Grundlage der Inhalte des Feststellungsbescheids der [X.] und des Versicherungsverlaufs über die in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigenden [X.]en vorübergehend einen [X.] für ihre drei Kinder rückwirkend ab Juli 2009.

4

Der gegen die Ablehnung der Zulagengewährung bereits ab [X.]eginn des Ruhestands gerichtete Widerspruch blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat den [X.]eklagten verpflichtet, der Klägerin den vorübergehenden [X.] für ihre drei Kinder weiter rückwirkend auch für den [X.]raum von Dezember 2006 bis Juni 2009 zu gewähren. Im [X.]erufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur [X.]egründung hat es insbesondere ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 50e Abs. 1 Satz 1 [X.] erfülle. Denn es fehle für den streitbefangenen [X.]raum schon an einem Antrag für entsprechende Leistungen; beantragt habe die Klägerin solche Leistungen erstmals im Mai 2011. Vorangegangene Anträge hätten sich ausdrücklich auf andere Leistungen bezogen. Unabhängig davon stünden der Klägerin auch keine Leistungen nach § 50a [X.] zu. Denn die Kinder der Klägerin seien vor dem 1. Januar 1992, aber nach [X.]egründung des [X.]eamtenverhältnisses geboren.

5

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

6

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender [X.]edeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 [X.] 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 5 und vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Die Prüfung des [X.] ist dabei auf die mit der [X.]eschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

7

Die [X.]eschwerdebegründung zeigt eine grundsätzliche [X.]edeutung nicht auf.

8

a) Die von der [X.]eschwerde zunächst aufgeworfene Frage,

ob von einem Antrag gem. § 50e [X.] sämtliche in [X.]etracht kommenden Zuschläge erfasst werden, die vorübergehend gewährt werden können, oder es notwendig ist, in dem Antrag jeden in [X.]etracht kommenden Zuschlag wie vorliegend insbesondere auch den Zuschlag nach § 50a [X.] gesondert zu erwähnen,

ist auf der Grundlage der tragenden Feststellungen des [X.]erufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Sie wäre deshalb in einem Revisionsverfahren nicht zu klären. Im angefochtenen [X.]eschluss hat das [X.]erufungsgericht entscheidungstragend u.a. festgestellt, dass es überhaupt an einem Antrag nach § 14a [X.] i.V.m. § 50a bis § 50e [X.] gefehlt hat, ohne dass dies von der [X.]eschwerde mit Verfahrensrügen angegriffen worden ist. Ein nicht gestellter Antrag, gleich nach welcher Variante der bei vorzeitigem Ruhestand möglichen vorübergehenden Zuschläge nach § 14a [X.] i.V.m. § 50a bis § 50e [X.], versperrt auch eine sonst ggf. mögliche sachdienliche erweiternde Antragsauslegung. Denn das Gesetz unterscheidet bei der kinderbezogenen versorgungsrechtlichen Zuschlagsgewährung grundlegend zwischen dauerhaften Zuschlägen (§ 50a bis 50d [X.]), die von Amts wegen gezahlt werden, und vorübergehenden Zuschlägen (§ 50e [X.]), die gemäß § 50e Abs. 3 Satz 1 [X.] nur auf Antrag gewährt werden.

9

b) Der weiter aufgeworfenen Frage zur [X.]edeutung der Antragsfrist nach § 50e Abs. 3 [X.], die wörtlich lautet,

"Führt eine rügelose Einlassung[en] der zuständigen [X.]ehörde, wie hier dem [X.], im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren und die Tatsache, dass sich die zuständige [X.]ehörde nicht darauf beruft, dass die Antragsfrist nach § 50e Abs. 3 [X.] nicht eingehalten wurde dazu, dass das [X.] als eingehalten gilt?",

kommt deshalb keine grundsätzliche [X.]edeutung zu, weil sie sich auf der Grundlage des Gesetzestextes klar und eindeutig beantworten lässt. Die vorübergehende Leistung wird gemäß § 50e Abs. 3 Satz 1 [X.] auf Antrag gewährt. Der Antrag ist zwar an keine besondere Form gebunden. Auf das vom Gesetzgeber in § 50e Abs. 3 Satz 1 [X.] ausnahmslos postulierte [X.] kann eine [X.]ehörde aber nicht verzichten. Ein Tätigwerden von Amts wegen ist damit ausgeschlossen (vgl. auch [X.], [X.], 2013, § 50e Rn. 19). Dafür spricht auch die weitere Ausdifferenzierung der [X.] in § 50e Abs. 3 Sätze 2 und 3 [X.]. Danach gelten Anträge, die innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des [X.]eamten in den Ruhestand gestellt werden, als zum [X.]punkt des Ruhestandseintritts gestellt (Satz 2), während für Anträge, die zu einem späteren [X.]punkt gestellt werden, die Leistung erst vom [X.]eginn des Antragsmonats an gewährt wird (Satz 3). Käme es auf einen Antrag nicht an, wäre die ausdifferenzierte gesetzliche Antragssystematik überflüssig und unverständlich.

c) Auch die ferner gestellte Frage,

ob die Tatsache, dass die Klägerin durch ihren Dienstherrn bzw. das [X.] nicht darauf aufmerksam gemacht wurde, dazu führt, dass sie einen solchen Anspruch auf eine vorübergehende Gewährung eines [X.] gem. §§ 50e und 50a [X.] hat und dass ihr das [X.] nach § 50e Abs. 3 [X.] nicht mehr entgegengehalten werden kann und der später von ihr gestellte Antrag als zum [X.]punkt des Eintritts in den Ruhestand gestellt gelten muss,

ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Wörtlich betrachtet erschöpft sie sich in der Prüfung einer Einzelfallwürdigung. Das [X.]eschwerdevorbringen beschränkt sich auf Angriffe gegen die Richtigkeit der Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht. An der rechtsgrundsätzlichen [X.]edeutung fehlt es, weil die von der [X.]eschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage durch die besonderen Umstände des Einzelfalls - hier des konkreten Verhaltens der Versorgungsbehörde gegenüber der Klägerin zunächst infolge vermeintlich pflichtwidriger Nichtbelehrung über das [X.] nach § 50e [X.] und später durch rügelose Einlassung - geprägt und nicht von fallübergreifender, allgemeiner [X.]edeutung ist.

Aber auch wenn das [X.]eschwerdevorbringen zugunsten der Klägerin der Sache nach dahin versteht, dass es ihr grundsätzlich und abstrakt um die Klärung der Frage der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Hinblick auf eventuelle Vorabbelehrungen über [X.] und Antragsfristen nach § 50e Abs. 3 [X.] geht, ändert dies im Ergebnis nichts. Auch in diesem Fall bedürfte es keines Revisionsverfahrens, weil sich die Antwort auf die Frage klar und eindeutig aus dem Gesetzestext ergibt. Die maßgebliche Vorschrift, § 50e [X.], regelt allein ein [X.], nicht aber eine behördliche Hinweis- oder [X.]elehrungspflicht im Hinblick auf dieses Erfordernis. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen [X.]eamten und Ruhestandsbeamten (§ 78 [X.], § 45 [X.]eamtStG) gebietet eine solche Hinweis- oder [X.]elehrungspflicht nicht (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - 6 C 105.74 - [X.]VerwGE 52, 70 <79> und [X.]eschluss vom 29. Juni 2016 - 2 [X.] 118.15 - [X.] 237.9 § 83 [X.] Nr. 1 Rn. 11). Die generelle Fürsorgepflicht geht nicht über das hinaus, was dem [X.]eamten oder früheren [X.]eamten abschließend durch gesetzliche Regelungen eingeräumt ist. Die durch [X.] im Einzelnen nach Art und Umfang begrenzten Ansprüche des [X.]eamten können deshalb nicht durch Rückgriff auf die [X.] erweitert werden ([X.]VerwG, Urteile vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - [X.]VerwGE 112, 308 <309 f.> und vom 2. Februar 2017 - 2 C 22.16 - Rn. 22 ff.).

d) Auch die von der [X.]eschwerde schließlich aufgeworfenen Fragen,

ob es sich bei § 50e [X.] um eine Rechtsgrundverweisung handelt, bei der sämtliche Anspruchsvoraussetzungen der in [X.]ezug genommenen Zulagen wie vorliegend § 50a [X.] vorliegen müssen, um einen Anspruch auf vorübergehende Gewährung dieser Zulagen zu haben oder ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung dieser Zulagen auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 50a Abs. 1 bzw. Abs. 8 [X.] hat und,

ob ein Anspruch auf einen Kindererziehungszuschlag gem. §§ 50e und 50a [X.] erst ab der Änderung des § 56 Abs. 4 [X.] im Juli 2009 oder bereits für den vorhergehenden [X.]raum besteht,

bedürfen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Ihnen mangelt es von vornherein an der Entscheidungserheblichkeit, weil diese Rechtsfragen nicht eine allein tragende [X.]egründung des angefochtenen [X.]eschlusses betreffen. [X.] sind nur solche Rechtsfragen, die das [X.]erufungsgericht entschieden hat, nicht aber solche, die sich erst stellen würden, wenn es anders entschieden hätte ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 29. Juni 1992 - 3 [X.] 102.91 - [X.] 418.04 Heilpraktiker Nr. 17 S. 5 f. und vom 11. Oktober 2005 - 10 [X.] 8.05 - juris Rn. 4). Da das [X.]erufungsgericht für die Klageabweisung tragend auf den bis Mai 2011 fehlenden Antrag der Klägerin nach § 50e [X.] abgestellt hat, haben sich für das Gericht die Fragen nach den inhaltlichen Anspruchsvoraussetzungen gemäß den § 50a und § 50e [X.] von vornherein nicht stellen können. Sie würden sich - wie dargelegt - mangels durchgreifender [X.] gegen diese Feststellungen auch in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG.

Meta

2 B 4/16

16.03.2017

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. Oktober 2015, Az: 3 A 348/13, Beschluss

§ 78 BBG, § 45 BeamtStG, § 50e BeamtStG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.03.2017, Az. 2 B 4/16 (REWIS RS 2017, 13945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13945

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 C 17/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Keine Erhöhung des Mindestruhegehalts nach § 14 Abs. 4 BeamtVG um Kindererziehungs- und Kindererziehungsergänzungszuschläge


B 5 R 46/21 R (Bundessozialgericht)

Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Beamten für ein vor 1992 geborenes Kind …


2 C 11/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Berechnung der Höchstgrenze des Kindererziehungsergänzungszuschlags


2 C 1/16, 2 C 2/16, 2 C 1/16, 2 C 2/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Reichweite des Gleichheitssatzes


M 12 K 19.1249 (VG München)

Kein Anspruch auf einen doppelten Kindererziehungszuschlag für Zwillinge nach Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.