Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.03.2024, Az. V B 34/23 (AdV)

5. Senat | REWIS RS 2024, 1142

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Gegenstand

(Aussetzungsverfahren: Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der AbgabenordnungAO) und Unionsrecht


Leitsatz

Bei summarischer Prüfung bestehen für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit von §§ 233a, 238 Abs. 1 AO mit dem Unionsrecht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei einer zeitlichen Verlagerung des Vorsteuerabzugs und der sich hieraus ergebenden zweifachen Anwendung von § 233a AO in Bezug auf mehrere Besteuerungszeiträume, die einerseits zum Entstehen von Erstattungs- und anderseits zum Entstehen von Nachzahlungszinsen führt, die Erstattungs- die Nachzahlungszinsen erheblich übersteigen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] vom 12.05.2023 - 1 V 115/23 A (U) wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bezog in den Jahren 2008 bis 2011 und ebenso im Streitjahr 2014 im Inland steuerpflichtige [X.], die sie für im Inland steuerpflichtige Lieferungen wie auch für steuerfreie Ausfuhrlieferungen oder innergemeinschaftliche Lieferungen verwendete. Für die Jahre 2008 bis 2011 ergaben sich aufgrund von [X.] Vergütungsansprüche zu Gunsten der Antragstellerin, für die aufgrund einer jeweils vom Antrags- und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung ([X.]) erteilten Zustimmung Steuerfestsetzungen unter Nachprüfungsvorbehalt vorlagen.

2

Im [X.] an eine Außenprüfung versagte das [X.] durch die [X.] vom 01.09.2015 für die Jahre 2008 bis 2010 und vom 21.10.2015 für das [X.] einen von der Antragstellerin für die Jahre 2008 bis 2011 in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug von insgesamt 53.569.270,94 €, da die diesem zugrunde liegenden Rechnungen mangels hinreichender Angaben nicht ordnungsgemäß seien und den von den Lieferanten hierzu im September 2014 vorgenommenen [X.] keine Rückwirkung zukäme. Aufgrund der [X.] stimmte das [X.] am 03.11.2015 der Umsatzsteuerjahreserklärung 2014 zu, in welcher der sich ohnehin für dieses Jahr ergebende Vergütungsanspruch um 53.569.270,94 € erhöht wurde. Die sich für die Jahre 2008 bis 2011 ergebenden und zudem nach § 233a [X.] zu verzinsenden [X.] wurden mit dem betragsgleichen, aber nicht nach § 233a [X.] zu verzinsenden Erstattungsanspruch für das [X.] verrechnet.

3

Auf Klage der Antragstellerin gegen die Abzugsversagung für das [X.] entschied das Finanzgericht ([X.]), dass die Antragstellerin entgegen der Rechtsauffassung des [X.] bereits im [X.] zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei. Im [X.] hieran änderte das [X.] die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2011 erneut und machte die von ihm zuvor angenommene Verlagerung des Vorsteuerabzugs aus den Jahren 2008 bis 2011 in das [X.] rückgängig. Daher wurde in den [X.]n vom 26.07.2018 der Vorsteuerabzug, wie von der Antragstellerin ursprünglich angenommen, gewährt. Die für diese Jahre aufgrund der ursprünglichen [X.] vom 01.09.2015 und 21.10.2015 angenommene Verzinsung zu Lasten der Antragstellerin entfiel. Stattdessen kam es nunmehr für die Jahre 2008 bis 2011 zu einer Festsetzung von Erstattungszinsen nach § 233a [X.] in Höhe von 8.571.075 €. Zudem änderte das [X.] mit Bescheid vom 11.06.2018 die Umsatzsteuerfestsetzung für 2014 und machte insoweit den nunmehr wieder zeitlich vorverlagerten Vorsteuerabzug rückgängig. Gleichzeitig wurden in diesem Bescheid Nachzahlungszinsen nach § 233a [X.] in Höhe von 6.964.002 € festgesetzt. Es kam wiederum zu einer Verrechnung der sich nunmehr für die Jahre 2008 bis 2011 ergebenden Erstattungsansprüche mit der Nachforderung für 2014.

4

Gegen die [X.] legte die Antragstellerin ohne Erfolg Einspruch ein und beantragte [X.] ohne Erfolg-- Aussetzung der Vollziehung (AdV). Auch die Klage und der beim [X.] gestellte Aussetzungsantrag blieben erfolglos, wie sich aus dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2023, 1509 veröffentlichten Urteil vom 23.06.2023 - 1 K 1869/22 U und dem in E[X.] 2023, 1358 veröffentlichten Beschluss vom 12.05.2023 - 1 V 115/23 A (U) des [X.] ergibt. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer das Hauptsacheverfahren betreffenden Revision (beim [X.] --[X.]-- anhängig unter dem Aktenzeichen V R 14/23) und der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres AdV-Antrags.

5

Im Beschwerdeverfahren macht die Antragstellerin geltend, dass § 233a [X.] unionsrechtswidrig sei. Da Nachzahlungszinsen unionsrechtlich als Sanktionsmaßnahme einzuordnen seien, gelte die diesbezügliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]). Der [X.] habe in seinem Beschluss vom 03.09.2018 - VIII B 15/18 ([X.]/NV 2018, 1279, Rz 20) ausgeführt, dass § 233a [X.] "in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein sanktionierender, rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung wirke". Auch die Bundesregierung habe das so gesehen, wie sich aus dem [X.]-Urteil [X.] vom 15.09.2016 - [X.]/14, [X.]:[X.], Rz 42 ergebe. Das [X.] habe den Charakter der [X.], die nach rein nationalem Verständnis einen anderen Zweck als nach unionsrechtlichem Verständnis verfolgten, zu Unrecht nur nach nationalem Recht, nicht aber nach Unionsrecht bewertet. Die [X.] verstoße im konkreten Fall gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den [X.], weil dem [X.] zu keinem Zeitpunkt auch nur ein vorübergehender finanzieller Nachteil infolge der unzutreffenden Umsatzsteuerfestsetzung entstanden sei, während sie, die Antragstellerin, zu keinem Zeitpunkt einen auch nur vorübergehenden finanziellen Vorteil erzielt habe. Auch treffe sie keinerlei Verschulden, da sie nur aufgrund der (fehlerhaften) rechtlichen Sichtweise des [X.] gehandelt und den Vorsteuerabzug deshalb vorübergehend dem Besteuerungszeitraum 2014 zugeordnet habe, was aus Sicht des [X.] nun Nachzahlungszinsen auslösen solle. Die [X.] führe beim Steuerpflichtigen zu einer definitiven Belastung. Wenn diese nicht durch ein sanktionswürdiges und -bedürftiges Verhalten gerechtfertigt werde, liege hierin ein Verstoß gegen den [X.]. Der [X.] habe in der Vergangenheit klargestellt, dass der [X.] verletzt werde, wenn dem Steuerpflichtigen bei der Erstattung des Vorsteuerabzugs die Zahlung von Erstattungszinsen versagt werde ([X.]-Urteile INSS vom 12.05.2021 - [X.]/19, [X.]:[X.]; [X.] vom 13.10.2022 - [X.]/21, [X.]:C:2022:790). Daraus ergebe sich, dass der [X.] auch im Rahmen der [X.] beachtlich sei. An der [X.] ändere auch nichts, dass die Möglichkeit bestehe, ein Billigkeitsverfahren durchzuführen. Umstände wie beispielsweise das Verschulden des Steuerpflichtigen oder der Finanzverwaltung würden hierin gerade nicht berücksichtigt. Das Billigkeitsverfahren sei seiner Konzeption nach nur für "Härtefälle" ausgestaltet. Unverhältnismäßige [X.]en seien gerade keine Ausnahmen, die durch das Billigkeitsverfahren ausgeglichen werden könnten. Das Billigkeitsverfahren stelle darüber hinaus ein zweites, gesondertes Verfahren dar. Der Verweis darauf erschwere die Durchsetzbarkeit des Unionsrechts übermäßig. Zum einen sei ein solches Vorgehen prozessökonomisch nicht sinnvoll. Zum anderen erlege der Verweis auf ein weiteres Verfahren dem Steuerpflichtigen das Prozess- und Kostenrisiko für zwei getrennte Verfahren auf. Dies gelte insbesondere, weil in einem Eilverfahren im Zusammenhang mit einem Billigkeitsverfahren gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) strengere Anforderungen gestellt würden. Der Verweis auf ein Billigkeitsverfahren verstoße außerdem gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. [X.] erfolgten erst auf Antrag. [X.] seien die Mitgliedstaaten jedoch verpflichtet, den sich unmittelbar aus dem Unionsrecht ergebenden Anspruch von Amts wegen zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung könne nicht einbezogen werden, dass auch Erstattungszinsen zu ihren, der Antragstellerin, Gunsten festgesetzt worden seien und diese sogar die Nachzahlungszinsen überstiegen, denn sie, die Antragstellerin, berufe sich ausdrücklich nur hinsichtlich der Nachzahlungszinsen auf das Unionsrecht. Eine solche "Rosinenpickerei" sei möglich. Der [X.] habe bereits entschieden, dass der Steuerpflichtige sich bei einem einheitlichen Sachverhalt gleichzeitig einmal auf das Unionsrecht und einmal auf die nationale Rechtslage berufen dürfe ([X.]-Urteil [X.] [X.] vom 03.09.2014 - [X.]/12, [X.]:[X.], Rz 49).

6

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des [X.] aufzuheben und die Vollziehung des Bescheids über Zinsen zur Umsatzsteuer 2014 vom 11.06.2018 rückwirkend zum Fälligkeitszeitpunkt in vollem Umfang ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

7

Das [X.] beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

8

§ 233a [X.] sei nicht unionsrechtswidrig. Die Antragstellerin berufe sich hierbei zu Unrecht auf die Rechtsprechung des [X.]. Die angeführten Urteile seien nicht auf die Verzinsung gemäß § 233a [X.] übertragbar, denn bei allen zitierten Urteilen seien Regelungen betroffen gewesen, die unmittelbar an ein Verhalten des Unternehmers anknüpften, das repressiv oder präventiv lenkend geahndet werden solle. Dies treffe auf § 233a [X.] jedoch nicht zu. Die Verzinsung nach § 233a [X.] habe keinen Sanktionscharakter, auch nicht in unionsrechtlicher Sicht. Die Verzinsung sanktioniere gerade nicht die Nichtentrichtung der Steuer (anders als zum Beispiel Säumniszuschläge), sondern knüpfe allein an den Festsetzungszeitpunkt und damit nicht an eine Verhaltensweise des Unternehmers an.

Gründe

II.

9

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass der mit dem angefochtenen Zinsbescheid gegen die Antragstellerin festgesetzte Zinsanspruch für den hier zu betrachtenden Verzinsungszeitraum (bis zum 31.12.2018) nach dem nationalen Recht entsprechend dem Beschluss des [X.] ([X.]) vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 ([X.]E 158, 282) rechtmäßig ist und zudem auch den Anforderungen entspricht, die sich aus dem [X.]srecht ergeben.

1. Nach § 128 Abs. 3 [X.]. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 [X.]O ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, [X.]n ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder [X.]n die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O liegen bereits dann vor, [X.]n bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 30.03.2021 - V B 63/20 (AdV), [X.], 1212 und vom 08.04.2009 - I B 223/08, [X.], 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. [X.] vom 07.09.2011 - I B 157/10, [X.], 215, [X.], 590, Rz 12). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen ([X.] vom 07.09.2011 - I B 157/10, [X.], 215, [X.], 590, Rz 12). Ernstliche Zweifel können sich auch aus einem möglichen Verstoß des Steuergesetzes gegen eine unionsrechtliche Bestimmung ergeben (vgl. [X.] vom 12.12.2013 - XI B 88/13, [X.], 550, Rz 15).

2. Führt die Festsetzung der Umsatzsteuer zu einem Unterschiedsbetrag, ist dieser gemäß § 233a Abs. 1 Satz 1 [X.] zu verzinsen. Der Unterschiedsbetrag bestimmt sich nach § 233a Abs. 3 [X.]. Der [X.] beginnt gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 [X.] 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist und endet gemäß § 233a Abs. 2 Satz 3 [X.] mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Die Zinsen betragen --soweit der hier streitige Zeitraum betroffen ist-- für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

§ 233a [X.] dient allein der Abschöpfung potentieller [X.], da es nicht darauf ankommt, ob und gegebenenfalls durch [X.] die verzögerte Steuerfestsetzung schuldhaft oder nicht schuldhaft verursacht wurde, so dass die bei An[X.]dung dieser Vorschrift entstehenden Zinsen weder eine Sanktion noch ein Druckmittel, sondern eine Entschädigung für die Kapitalnutzung ohne weitergehende Lenkungsfunktion sind ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 126). Mit den nach § 233a [X.] entstehenden Nachzahlungs- wie auch Erstattungszinsen wirkt die Vorschrift entsprechend diesem Regelungszweck gleichermaßen zu Gunsten und zu Lasten der Steuerpflichtigen und stellt einen Ausgleich zwischen den zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Steuer herangezogenen Steuerschuldnern her ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 248). Dieser Gleichlauf von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen bestätigt die § 233a [X.] zukommende Ausgleichsfunktion ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 176). Damit unterscheidet sich die [X.] nach § 233a [X.] insbesondere von den gemäß § 240 [X.] entstehenden Säumniszuschlägen, die für Zeiträume einer festgesetzten, aber bei Fälligkeit nicht entrichteten Steuer anfallen.

3. Nach nationalem Recht bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zinsfestsetzung. Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass § 233a [X.] in Bezug auf die vorgesehenen Voraussetzungen zutreffend ange[X.]det wurde.

Zudem entspricht die festgesetzte Verzinsung für den hier streitigen Zeitraum (bis zum 31.12.2018) der durch das [X.] angeordneten Weitergeltung der für den Streitzeitraum bestehenden Verzinsungsregelung. Zwar sieht das [X.] § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] als verfassungswidrig an, soweit für [X.] ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von einhalb Prozent für jeden Monat zugrunde gelegt wird, da die mit der Regelung bewirkte Ungleichbehandlung für diesen Zeitraum verfassungsrechtlich nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zu rechtfertigen ist ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 101). Dabei führt die An[X.]dung des § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen, die dem Fiskus aufgrund einer Steuerfestsetzung einen bestimmten Steuerbetrag schulden. Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, werden gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit festgesetzt wird, ungleich behandelt ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 102). Es handelt sich dabei um eine Ungleichbehandlung der zinszahlungspflichtigen gegenüber den nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 102). Die Benachteiligung der Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit (zutreffend) festgesetzt wird und die daher zinszahlungspflichtig sind, bemisst das [X.] nach strengeren [X.] ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 109 ff. und Rz 116 ff.). Dabei genügte § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] anfänglich diesen Rechtfertigungsanforderungen. Die Regelung ist jedoch verfassungswidrig geworden und verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 121), da typisierende [X.] in der Lage sein müssen, ihren Erhebungszweck hinreichend und damit realitätsgerecht abzubilden ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 151 ff.). Dies verneint das [X.] für [X.] ab dem 01.01.2014, da die [X.] im [X.] mit dem typisierten Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] nunmehr insofern eine überschießende Wirkung entfaltet, als sich der gesetzliche Zinssatz von monatlich 0,5 % spätestens im [X.] als evident realitätsfern erweist und nicht mehr in der Lage ist, den durch eine späte Heranziehung zur Steuer entstehenden potentiellen Vorteil hinreichend abzubilden ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 214 ff.). Jedoch sah das [X.] eine Fortgeltung des § 233a [X.]. § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] für [X.] vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2018 --sowohl für Nachzahlungs- als auch für [X.] als geboten an, ohne dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, auch für diesen Zeitraum rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen ([X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 246 ff.).

4. Bei summarischer Prüfung bestehen für [X.] bis zum 31.12.2018 auch keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit von §§ 233a, 238 Abs. 1 [X.] mit dem --auch in § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] erwähnten-- [X.]srecht. Dies gilt jedenfalls dann, [X.]n --wie im [X.] bei einer zeitlichen Verlagerung des Vorsteuerabzugs und der sich hieraus ergebenden zweifachen An[X.]dung von § 233a [X.] in Bezug auf mehrere [X.], die einerseits zum Entstehen von [X.] und anderseits zum Entstehen von Nachzahlungszinsen führt, die [X.] die Nachzahlungszinsen erheblich übersteigen.

a) Die Antragstellerin kann sich hinsichtlich der angefochtenen Zinsfestsetzung nicht auf einen An[X.]dungsvorrang einer gesonderten Regelung des [X.]srechts berufen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteile vom 11.10.2012 - V R 9/10, [X.], 570, [X.], 279 und vom 21.11.2013 - V R 11/11, [X.], 111, [X.], 819, Leitsatz 2), da das [X.]srecht keine gesonderte Vorschrift beinhaltet, die unmittelbar eine Verzinsung für Zeiträume vor der Umsatzsteuerfestsetzung --und zudem bezogen auf den hier vorliegenden [X.] unter für die Antragstellerin günstigeren Bedingungen vorsieht.

b) Im Hinblick auf § 233a [X.] hat der nationale Gesetzgeber entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine sich aus Art. 273 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ([X.] --MwStSystRL--) ergebenden Beschränkungen zu beachten.

aa) Nach Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten --vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze-- weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.

Bei Ausübung dieser Befugnis sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das [X.]srecht und seine allgemeinen Grundsätze und damit zum Beispiel auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ([X.] vom 21.11.2018 - [X.]/16, [X.]:C:2018:932, Rz 35; [X.] vom 15.04.2021 - C-935/19, [X.]:C:2021:287, Rz 26 und Direktor na Direktsia "Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika" vom 13.10.2022 - [X.]/21, [X.]:[X.], Rz 72).

bb) Diese in Bezug auf Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL bestehenden Verpflichtungen sind für die An[X.]dung des § 233a [X.] unbeachtlich.

(1) § 233a [X.] begründet gleichermaßen das Entstehen von Nachzahlungs- wie auch von Erstattungszinsen, so dass die Vorschrift aufgrund eines einheitlichen Regelungszwecks zu Lasten wie auch zu Gunsten des Unternehmers wirkt (s. oben II.2.) und dementsprechend durch das [X.] auch eine einheitliche Fortgeltung angeordnet wurde (s. oben II.3. und [X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 248 ff.), so dass entgegen Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL keine --ausschließlich-- pflichtenbegründende Regelung vorliegt.

(2) Weiter handelt es sich bei der Verzinsung nach § 233a [X.] --ungeachtet der steuersystematischen Stellung dieser Vorschrift im Fünften Teil der [X.] jedenfalls für Zwecke des Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL nicht um eine Pflicht, "um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen".

Als derartige Pflicht ist beispielsweise die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen anzusehen, da diese bei einer Nichtabführung der Mehrwertsteuer innerhalb der durch die [X.] festgelegten zwingenden Fristen dazu beiträgt, gemäß Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL eine genaue Erhebung dieser Steuer dadurch sicherzustellen, dass zum einen der Staatskasse der --durch die fehlende Verfügbarkeit der verspätet abgeführten [X.] entstandene Schaden für den Zeitraum ab Fälligkeit bis zur tatsächlichen Entrichtung ausgeglichen wird und zum anderen die betroffenen Personen auch dazu gebracht werden, die Mehrwertsteuer innerhalb dieser Fristen oder so schnell wie möglich nach Ablauf dieser Fristen zu entrichten (vgl. [X.]-Urteil Direktor na Direktsia "Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika" vom 13.10.2022 - [X.]/21, [X.]:[X.], Rz 88 ff.).

Danach bezieht sich die genaue Erhebung der Steuer auf Maßnahmen ab der Fälligkeit, nicht aber auf Pflichten für Zeiträume vor der Fälligkeit. Da § 233a [X.] allein der Abschöpfung potentieller [X.] dient (s. oben II.2.), ist die Verzinsungspflicht für Zeiträume vor der Fälligkeit nach § 233a [X.] keine Pflicht zur Sicherstellung der Steuererhebung im Sinne von Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL. Sie ist insbesondere kein Mittel zur Durchsetzung der ab Fälligkeit bestehenden Zahlungspflicht im Sinne der vorstehenden [X.]-Rechtsprechung.

(3) Da es für den Verzinsungstatbestand des § 233a [X.] ausschließlich auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung ankommt, sanktioniert die Vorschrift weder in anderer Weise Rechtsverstöße noch werden "Verhaltensweisen mit einer Zahlungspflicht" verbunden. Daher kommt es entgegen [X.] ([X.] --[X.]-- 2023, 305, 307) nicht in Betracht, der Vorschrift unionsrechtlich einen "Funktionswechsel" von einer reinen Ausgleichsvorschrift zu einer Sanktionsbestimmung im Sinne von Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL zuzuschreiben. Darüber hinaus spricht hiergegen, dass der Steuerpflichtige durch sein Verhalten wie etwa bei Außenprüfungen das Entstehen von Nachzahlungszinsen nicht beeinflussen kann (vgl. hierzu z.B. [X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, [X.]E 158, 282, Rz 119). Schließlich hat der [X.] zwar nationalen [X.] im Bereich der Mehrwertsteuer Sanktionscharakter beigemessen. Dies bezieht sich aber ausschließlich auf Verzugszinsen, Geldbußen und andere Abgaben, die --wie zum Beispiel Säumniszuschläge nach § 240 [X.]-- aufgrund der verspäteten Zahlung einer festgesetzten Steuer zu entrichten sind ([X.]-Urteile Fatorie vom 06.02.2014 - [X.]/12, [X.]:[X.], Rz 50 zu Verzugszinsen; [X.] vom 02.05.2018 - [X.]/15, [X.]:C:2018:295, Rz 48 ff. zu Geldbußen), nicht aber auf die zum Ausgleich (s. oben II.2.) vorzunehmende Verzinsung nach § 233a [X.].

(4) Unerheblich für die hier zu beurteilende Frage ist schließlich entgegen der Auffassung der Antragstellerin das [X.]-Urteil [X.] vom 15.09.2016 - [X.]/14, [X.]:[X.], Rz 41 f. Danach besteht für die Mitgliedstaaten die Befugnis, Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung der formellen Bedingungen für die Ausübung des [X.] vorzusehen, wobei jedoch zur Ahndung der Nichtbefolgung formeller Anforderungen andere Sanktionen als die Versagung des [X.] für das Jahr der Rechnungsausstellung in Betracht kommen, wie etwa die Auferlegung einer Geldbuße oder einer finanziellen Sanktion, die in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht. Danach geht eine Regelung, nach der die mit der An[X.]dung von Nachzahlungszinsen verbundene spätere Ausübung des [X.] in jedem Fall eintritt, ohne Berücksichtigung der Umstände, die eine Berichtigung der ursprünglich ausgestellten Rechnung erforderlich machen, über das hinaus, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.

Der [X.] beanstandet damit die Versagung des Vorsteuerabzugs aufgrund formeller Rechnungsmängel und weist dabei lediglich ergänzend auf eine sich hieraus ergebende Verzinsungsfolge hin. Eine [X.]srechtswidrigkeit der Verzinsung kann diesem Urteil daher nicht entnommen werden kann.

c) Eine Rechtswidrigkeit von § 233a [X.] ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen des [X.]srechts, die trotz der den Mitgliedstaaten zustehenden Verfahrensautonomie von diesen zu beachten sind.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] sind die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem [X.]srecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats ([X.]-Urteil [X.] vom 15.03.2007 - [X.]/05, [X.]:[X.], Rz 40). Mangels [X.] zu einer verfahrensrechtlichen Frage ist es daher nach diesem Grundsatz Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, entsprechende Regeln festzulegen ([X.] vom 26.04.2017 - [X.]/15, [X.]:[X.], Rz 31; [X.]. vom 11.04.2019 - [X.]/17, [X.]:[X.], Rz 39). So fällt zum Beispiel die Durchführung des in Art. 183 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehenen Anspruchs auf Erstattung des [X.] in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ([X.]-Urteile Enel Maritsa [X.] 3 vom 12.05.2011 - [X.]07/10, [X.]:C:2011:298, Rz 29; [X.] vom 24.10.2013 - [X.]/12, [X.]:[X.], Rz 20; [X.] vom 28.02.2018 - [X.]/16, [X.]:C:2018:121, Rz 22; [X.] vom 12.05.2021 - [X.]/19, [X.]:[X.], Rz 48; [X.] vom 10.02.2022 - [X.]/20, [X.]:C:2022:92, Rz 24).

Dabei kommt es in Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung den innerstaatlichen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten zu, die Bedingungen für die Zahlung solcher Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode für die Zinsen (einfache Verzinsung oder Zahlung von Zinseszinsen) und damit allgemein die "Modalitäten der Festsetzung von Zinsen" festzulegen ([X.]-Urteil [X.] vom 13.10.2022 - [X.]/21, [X.]:C:2022:790, Rz 33 und Rz 39). Insoweit sieht der [X.] die Mitgliedstaaten als berechtigt an, zur Sicherstellung eines Ausgleichs durch Vorschriften, die von der Steuerverwaltung einfach gehandhabt und kontrolliert werden können, pauschalierte Verzugszinsen vorzusehen. Übersteigen derartige Ausgleichszinsen in bestimmten Einzelfällen den tatsächlichen Schaden, sieht dies der [X.] als unbeachtliche Folge eines Systems des pauschalierten Schadensersatzes an, der seinem Wesen nach nicht die tatsächlichen Verluste widerspiegelt, sondern die Verluste, die der Steuerpflichtige nach Einschätzung des nationalen Gesetzgebers erleiden kann ([X.]-Urteil [X.] vom 28.02.2018 - [X.]/16, [X.]:C:2018:121, Rz 36).

bb) Besteht somit für den nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, --auch pauschalierte-- [X.] für den Bereich der Umsatzsteuer zu treffen, dürfen derartige innerstaatliche Vorschriften --wie vorliegend § 233a [X.]-- aber weder ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige rein innerstaatliche Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), noch dürfen sie die Ausübung der vom [X.]srecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder sie übermäßig erschweren ([X.]), wie der [X.] mehrfach entschieden hat ([X.] vom 26.04.2017 - [X.]/15, [X.]:[X.], Rz 31; [X.]. vom 11.04.2019 - [X.]/17, [X.]:[X.], Rz 39). Dies ist dahingehend zu verstehen, dass es auf eine jedenfalls eigenständige Prüfung anderer unionsrechtlicher Grundsätze zumindest nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht ankommt, da der Grundsatz der Verfahrensautonomie abgesehen von den vorstehenden Erfordernissen hiervon freistellt. Soweit der [X.] in seinem Urteil [X.] vom 28.02.2018 - [X.]/16, [X.]:C:2018:121, Rz 20 bis 25 neben dem Grundsatz der Verfahrensautonomie auch auf den [X.] abgestellt hat, beruhte dies auf der Verpflichtung, zur Umsetzung von Art. 183 MwStSystRL Erstattungszinsen vorzusehen. Eine derartige Umsetzungspflicht fehlt vorliegend (s. oben II.4.a).

cc) Das nationale Recht entspricht den beiden somit maßgeblichen Grundsätzen. So wird der Äquivalenzgrundsatz bereits dadurch gewahrt, dass § 233a [X.] unterschiedslos sowohl auf unionsrechtlich harmonisierte als auch auf nicht harmonisierte Steuern --und damit sowohl auf grenzüberschreitende als auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte-- anzu[X.]den ist, wie sich bereits aus dessen Absatz 1 Satz 1 ergibt (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 233a [X.] Rz 25 und 26).

Es liegt auch kein Verstoß gegen den [X.] vor, da die Ausübung der vom [X.]srecht verliehenen Rechte durch die nach § 233a [X.] vorzunehmende Verzinsung weder praktisch unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert wird. Dies ergibt sich im Streitfall entgegen der Auffassung der Antragstellerin bereits daraus, dass bei einer zeitlichen Verlagerung des Vorsteuerabzugs und der sich hieraus ergebenden zweifachen An[X.]dung von § 233a [X.] in Bezug auf dann (mindestens) zwei [X.], die einerseits zum Entstehen von [X.] und anderseits zum Entstehen von Nachzahlungszinsen führt, bei der Prüfung, ob die An[X.]dung dieser Vorschrift zu einer übermäßigen Erschwernis für die Antragstellerin führt, nicht außer Betracht bleiben kann, dass die [X.] die Nachzahlungszinsen, wie im Streitfall, erheblich übersteigen. Damit fehlt es bei der mit einer zeitlichen Abzugsverlagerung not[X.]digerweise vorzunehmenden Gesamtbetrachtung aufgrund des sich zu Gunsten der Antragstellerin ergebenden Zinssaldos bereits dem Grunde nach an einer "Erschwernis".

Soweit die Antragstellerin gegen eine derartige "Gesamtbetrachtung" auf das [X.]-Urteil [X.] UK vom 03.09.2014 - [X.]/12, [X.]:[X.], Rz 49 verweist, lässt sie außer Betracht, dass sich dieses Urteil "auf einen anderen, die gleichen Gegenstände betreffenden Umsatz" und damit auf unterschiedliche Umsätze bezieht, während es vorliegend um die zeitliche Verlagerung ein- und desselben Umsatzes geht. Weiter erschließt es sich nicht, weshalb der von der Antragstellerin zudem angeführte [X.] gegen eine zusammenfassende Betrachtung der [X.] und Nachzahlungszinsen sprechen sollte.

Zudem genügt es, dass nach dem nationalen Recht die Möglichkeit besteht, einen Zinserlass aus Billigkeitsgründen gemäß §§ 163, 227 [X.]. § 239 Abs. 1 [X.] zu beantragen (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 03.12.2019 - VIII R 25/17, [X.], 501, [X.], 214, Rz 13; vom 23.02.2023 - V R 30/20, [X.], 506, [X.] 2023, 1079 und nunmehr auch § 233a Abs. 8 Satz 4 [X.] in der Fassung des [X.] zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom [X.], [X.], 1142, der gemäß Art. 97 § 15 Abs. 14 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung in allen am 21.07.2022 anhängigen Verfahren anzu[X.]den ist), so dass übermäßige Besteuerungsfolgen im Einzelfall verhindert werden können. Ohne dass hierüber im vorliegenden Verfahren abschließend zu entscheiden wäre, sind Zinsfestsetzungs- und Zinsbilligkeitsverfahren in ihrem jeweiligen An[X.]dungsbereich auch hinreichend eindeutig abgrenzbar, wie die Prüfung des vorliegenden Streitfalls durch den Senat zeigt, so dass die Bestimmung des jeweils zutreffenden [X.] auch nicht zu Beurteilungsschwierigkeiten führt. Im Übrigen lässt die Antragstellerin mit ihren weiteren Ein[X.]dungen gegen die Berücksichtigung eines Billigkeitsverfahrens außer Betracht, dass in diesem gleichermaßen Gerechtigkeitsgesichtspunkte wie auch der Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 23.02.2023 - V R 30/20, [X.], 506, [X.] 2023, 1079, Rz 14), so dass sich die Annahme der Antragstellerin, bestimmte Umstände seien von vornherein nicht berücksichtigungsfähig, als unzutreffend erweist. Schließlich ist die Frage, ob sich eine übermäßige Erschwernis daraus ergeben könnte, dass einstweiliger Rechtsschutz zu einem Billigkeitsverfahren nur nach § 114 [X.]O und nicht gemäß § 69 [X.]O in Betracht kommt, vorliegend unerheblich, da Gründe für einen Billigkeitserlass der festgesetzten Nachzahlungszinsen jedenfalls im summarischen Verfahren nicht ersichtlich sind.

d) Weiter ist auf [X.] des [X.]srechts --ebenso jedenfalls bei summarischer Prüfung-- weder eine dem [X.]-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 ([X.]E 158, 282) und Art. 3 Abs. 1 GG entsprechende Gleichheits- noch eine ergänzende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.

aa) Zwar sind gemäß Art. 20 der [X.] ([X.]GrdRCh) --Art. 3 Abs. 1 GG im Grundsatz entsprechend-- alle Personen vor dem Gesetz gleich. Die [X.] gilt gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]GrdRCh für die Mitgliedstaaten jedoch ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der [X.]. Auch in Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 52 [X.]GrdRCh), der zu den allgemeinen Grundsätzen des [X.]srechts gehört, müssen ausschließlich nationale Regelungen, die in den An[X.]dungsbereich des [X.]srechts fallen oder dieses durchführen, mit diesem vereinbar sein ([X.]-Urteil [X.] vom 04.05.2023 - [X.]/21, [X.]:C:2023:367, Rz 49).

bb) Die "Durchführung des Rechts der [X.]" setzt einen Zusammenhang zwischen einem [X.]srechtsakt und der fraglichen nationalen Maßnahme voraus, der darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder dass der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann. Dabei sind die Grundrechte der [X.] im Verhältnis zu einer nationalen Regelung unan[X.]dbar, [X.]n die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich keine spezifischen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schaffen. Daher ist allein der Umstand, dass eine nationale Maßnahme in einen Bereich fällt, in dem die [X.] über Zuständigkeiten verfügt, nicht geeignet, diese Maßnahme in den An[X.]dungsbereich des [X.]srechts zu bringen und dadurch die An[X.]dbarkeit der [X.] auszulösen ([X.]-Urteil [X.] Deutschland vom 07.07.2022 - [X.]/21 und [X.]/21, [X.]:C:2022:529, Rz 40 und 41).

Bei der Frage, ob die Mitgliedstaaten [X.]srecht durchführen, ist weiter zu beachten, dass das [X.]srecht die Vorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Sanktionen wegen Verstoßes gegen steuerliche Verpflichtungen nicht harmonisiert hat. Deshalb stellen steuerliche Sanktionen und ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung nur dann eine Durchführung des [X.]srechts im Sinne von Art. 51 Abs. 1 [X.]GrdRCh dar, [X.]n die Mitgliedstaaten hiermit wie im Bereich der Mehrwertsteuer ihre Verpflichtung erfüllen, alle Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Erhebung sämtlicher Steuern zu gewährleisten, die den Eigenmitteln der [X.] zufließen ([X.]-Urteil [X.] MC Szolgáltató Zrt. vom 13.01.2022 - [X.]/20, [X.]:[X.], Rz 35 bis 38 zu Sanktionen und Steuerverfahren im Bereich der Körperschaftsteuer unter Bezugnahme auf das [X.]-Urteil [X.] vom 26.02.2013 - [X.]/10, [X.]:C:2013:105, Rz 26 f.).

cc) Im Streitfall kommt danach eine Prüfung von Art. 20 [X.]GrdRCh wie auch des in Art. 52 [X.]GrdRCh erwähnten --unionsrechtlichen-- Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht in Betracht.

(1) Es besteht bereits kein hinreichender Zusammenhang zwischen § 233a [X.] und einem [X.]srechtsakt. Als solcher ist auch nicht Art. 273 MwStSystRL in Betracht zu ziehen, da sich dieser auf Sanktionen bezieht, während es vorliegend um eine davon zu unterscheidende Ausgleichsregelung geht (s. oben [X.]). Für die Annahme einer Durchführung von [X.]srecht reicht es daher nicht aus, dass die unionsrechtlich harmonisierte Mehrwertsteuererhebung ebenso wie andere Steuerarten der durch § 233a [X.] geschaffenen Ausgleichsregelung unterliegt, da durch diese Harmonisierung "keine spezifischen Verpflichtungen" für den Sachbereich dieser Ausgleichregelung geschaffen werden und sich diese Zinsregelung somit nur mittelbar auf die Mehrwertsteuerharmonisierung auswirkt.

(2) Geht der [X.] in Bezug auf das Gebiet der Sanktionen wegen Verstoßes gegen steuerliche Verpflichtungen von einer Durchführung des [X.]srechts nur insoweit aus, als diese --wie im Bereich der [X.] dazu dienen, alle Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Erhebung sämtlicher Steuern zu gewährleisten, die den Eigenmitteln der [X.] zufließen, ergibt sich auch hieraus in Bezug auf § 233a [X.] keine Durchführung von [X.]srecht. Insoweit ist wiederum maßgeblich, dass es sich um eine Ausgleichsregelung für Zeiträume bis zu einer Steuerfestsetzung und damit nicht um eine die Erhebung festgesetzter Steuern dienende Sanktion handelt (s. oben [X.]).

(3) Stellen Zinsen nach § 233a [X.] somit keine Durchführung von [X.]srecht im Sinne eines Druckmittels zur Erhebung von Steuern dar, die den Eigenmitteln der [X.] zufließen, kommt weitergehend auch keine Durchführung von [X.]srecht unter dem Aspekt in Betracht, dass diese Zinsen selbst zu den Eigenmitteln der [X.] gehören. Denn die nach § 233a [X.] zu vereinnahmenden Zinsen fließen --anders als der [X.]santeil an der [X.] nicht den Eigenmitteln der [X.] zu.

Nach § 3 Abs. 5 Satz 2 [X.] steht das Aufkommen der Zinsen --mit Ausnahme der Zinsen auf Einfuhr- und [X.] den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Zu diesen gehört die [X.] nicht, da es sich nach Art. 106 GG bestimmt, wem die Ertragshoheit über die jeweiligen Steuern zusteht (Wernsmann in [X.], § 3 [X.] Rz 504). Dabei ordnet Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG an, dass das Aufkommen der Umsatzsteuer dem [X.] und den Ländern gemeinsam zusteht, so dass der [X.] nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes keine Ertragskompetenz hinsichtlich der Umsatzsteuer zusteht.

Dementsprechend handelt es sich bei den an die [X.] abzuführenden [X.] finanzverfassungsrechtlich um eine "haushaltspflichtige Staatsausgabe", die nur allgemein vom [X.] zu finanzieren ist, wobei die Mittel hierfür nicht einmal not[X.]dig unmittelbar aus dessen Anteil am Umsatzsteueraufkommen zu entnehmen sind (Seiler in [X.]/[X.]/[X.], [X.]. z. GG, Art. 106 Rz 71).

Eine Ertragskompetenz der [X.] am Umsatzsteueraufkommen, die gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 [X.] eine Beteiligung am Zinsaufkommen begründen könnte, scheidet im Übrigen auch im Hinblick auf die Definition der Mehrwertsteuer-Eigenmittel aus. Denn diese berechnen sich insbesondere mangels Harmonisierung der Steuersätze nur nach Maßgabe einer "normativierten, aber gemeinsamen Bemessungsgrundlage", so dass eine "Quotierung der [X.]" nicht möglich ist (Hidien, Europarecht 1997, 95, 105). So handelt es sich bei den [X.] nicht um einen Anteil am tatsächlichen Aufkommen der nationalen Umsatzsteuer, sondern um "Einnahmen, die sich aus der An[X.]dung eines für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Satzes auf die nach [X.]svorschriften bestimmten harmonisierten [X.] ergeben" (vgl. z.B. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2014/335/[X.], Euratom des Rates vom 26.05.2014 über das Eigenmittelsystem der Europäischen [X.], Amtsblatt der Europäischen [X.] Nr. L 168 vom 07.06.2014, S. 105) und damit um einen von der Verzinsung nach § 233a [X.] unabhängigen --und insoweit "fiktiven"-- Wert. Auf dieser Grundlage sind Zinsen nicht in die harmonisierte [X.] einzubeziehen (Anzinger in [X.]/Hey/[X.] [Hrsg.], 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Festschrift für den [X.]esfinanzhof, 2018, S. 1801, 1816).

(4) [X.] kann, ob § 233a [X.] insoweit als Durchführung von [X.]srecht anzusehen sein könnte, als die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, unter Verstoß gegen Vorschriften des [X.]srechts und damit zu Unrecht erhobene Steuern nicht nur zu erstatten, sondern auch zu verzinsen (vgl. z.B. zuletzt [X.]-Urteil [X.] vom 22.02.2024 - [X.]/22, [X.]:C:2024:147, Rz 31 und 31). Denn im Streitfall geht es nicht um eine Verzinsung zu Gunsten, sondern zu Lasten der Antragstellerin. Daher handelt es sich auch nicht um eine Erstattung gemäß Art. 183 MwStSystRL, bei der gleichfalls die Grundsätze des [X.]srechts zu beachten sein können (vgl. z.B. [X.]-Urteil [X.] vom 12.05.2021 - [X.]/19, [X.]:[X.], Rz 40).

(5) Einer im Schrifttum vertretenen Auffassung, die in § 233a [X.] eine Durchführung von [X.]srecht sieht ([X.], [X.] 2023, 257, 267 und 268 insbesondere insoweit ohne Unterscheidung zwischen den hier vorliegenden Ausgleichs- und den davon zu trennenden Verzugszinsen; vgl. auch [X.] in Tipke/[X.], Einführung zur [X.], Rz 47 und 50), schließt sich der Senat aus den vorstehenden Gründen nicht an. Ob auch bei einer unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung die Verhältnismäßigkeit zu bejahen ist (so [X.] Saarland, Urteil vom 13.11.2023 - 1 K 1313/21, E[X.] 2024, 272), ist daher nicht zu entscheiden.

5. Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Abgesehen davon kommt eine AdV wegen unbilliger Härte mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht in Betracht (vgl. hierzu [X.] vom 02.11.2004 - XI S 15/04, [X.] 2005, 490, unter II.3.; vom 26.10.2011 - I S 7/11, [X.] 2012, 583, Rz 11 sowie vom 19.02.2018 - II B 75/16, [X.] 2018, 706, Rz 53).

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V B 34/23 (AdV)

01.03.2024

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 12. Mai 2023, Az: 1 V 115/23 A (U), Beschluss

§ 69 FGO, § 233a AO, § 238 Abs 1 AO, Art 273 Abs 1 EGRL 112/2006, Art 3 Abs 1 GG, Art 106 Abs 3 S 1 GG, § 3 Abs 5 S 2 AO, Art 20 Abs 3 GG, § 240 AO, Art 20 EUGrdRCh, Art 52 EUGrdRCh

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.03.2024, Az. V B 34/23 (AdV) (REWIS RS 2024, 1142)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1142

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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