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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kinderexistenzminimum für den Veranlagungszeitraum 1985
L e i t s a t z
zum Beschluß des [X.] vom 10. November 1998
- 2 BvR 1220/93 -
Zum von [X.] wegen zu berücksichtigenden einkommensteuerlichen [X.] für ein Kind in dem Veranlagungszeitraum 1985.
[X.]
- 2 BvR 1220/93 -
gegen a) | den Beschluß des [X.] vom 7. Mai 1993 - [X.]/92 -, |
b) | das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 7. Juli 1992 - 9 K 251/87 [X.]- |
mittelbar gegen § 54 Abs. 1 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1991
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der [X.]innen und [X.]
Präsidentin [X.],
Kirchhof,
Winter,
[X.],
Jentsch,
Hassemer,
Broß,
Osterloh
am 10. November 1998 beschlossen:
Streitig sind einzelne, als Werbungkosten geltend gemachte Aufwendungen sowie die verfassungsrechtlich gebotene Höhe des einkommensteuerlichen [X.]s im Veranlagungszeitraum 1985.
1. Die Beschwerdeführer, Eheleute, wurden im Streitjahr 1985 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt; einkommensteuerlich wurde ein Kind berücksichtigt. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die durch die Beschlüsse des [X.]s zum [X.]([X.] 82, 60; 82, 198) veranlaßte, ihnen aber im Ergebnis nicht genügende Neuregelung des [X.] in § 54 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1991 ([X.] 1322 ff.; vgl. Begründung zum Gesetzentwurf des Steueränderungsgesetzes 1991, BTDrucks 12/219, [X.], 23 ff., 34). Außerdem streiten sie um die Anerkennung von Umzugskosten, Anschaffungskosten für einen Aktenkoffer und Kreditkartengebühren als Werbungskosten.
2. Das Finanzamt hat die geltend gemachten Werbungskosten nicht berücksichtigt und nur den im Gesetz vorgesehenen Kinderfreibetrag in Höhe von 2.432 DM anerkannt. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht zurück. Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neuregelung des § 32 Abs. 8 EStG durch § 54 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1991.
Die gegen die Entscheidung des [X.]erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der [X.] zurück.
Die Beschwerdeführer wenden sich mit der [X.]beschwerde gegen die finanzgerichtlichen Entscheidungen und rügen die Verletzung ihrer Grundrechte insbesondere aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 [X.].
Die Neuregelung der Kinderfreibeträge gemäß § 54 Abs. 1 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1991 sei noch immer in verfassungswidriger Weise zu niedrig. Das [X.] habe für das [X.] in seiner Entscheidung vom 29. Mai 1990 ([X.] 82, 60) festgestellt, daß das Existenzminimum eines Kindes mindestens 390 DM pro Monat betrage. Hochgerechnet auf das Streitjahr 1985 seien daher mindestens 430 DM pro Monat und somit 5.160 DM pro Jahr als Existenzminimum eines Kindes zugrunde zu legen.
Soweit sich die Beschwerdeführer gegen § 54 Abs. 1 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1991 und insoweit gegen die darauf beruhenden finanzgerichtlichen Entscheidungen wenden, ist die [X.]beschwerde zulässig und begründet. § 54 Abs. 1 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1991 war in seiner Anwendung auf den Veranlagungszeitraum 1985 in dem aus der [X.]ersichtlichen Umfang mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. [[X.]-4371-9996-e41f2fa8d8ea]Art. 6 Abs. 1 [X.][/ref] unvereinbar. Im übrigen wird die [X.]beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2, § 93b Satz 2, § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerf[X.]).
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 54 Abs. 1 EStG gelten die im Beschluß vom 10. November 1998 im Verfahren 2 BvL 42/93 dargelegten Maßstäbe entsprechend. Nach den dort getroffenen Klarstellungen bildet das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden darf. Der Wohnbedarf ist nach dem Mehrbedarf, nicht nach der Pro-Kopf-Methode zu ermitteln. Das damit quantifizierte steuerliche Existenzminimum ist für alle Steuerpflichtigen - unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz - in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen.
Nach diesen Maßstäben ist der Familienleistungsausgleich für ein Kind im Veranlagungszeitraum 1985 verfassungswidrig. Der existenznotwendige Mindestbedarf für ein Kind im Veranlagungszeitraum 1985 beträgt danach 3.924 DM. Dieser Mindestbedarf errechnet sich aus dem Sozialhilferegelsatz für Kinder in Höhe von 235 DM, einmaligen Leistungen in Höhe von 35 DM, einem Mietmehrbedarf in Höhe von 46 DM und Heizkosten in Höhe von 11 DM für jedes Kind pro Monat. Daraus ergibt sich ein [X.] von 327 DM, ein Jahresbedarf von 3.924 DM. Das Einkommensteuergesetz berücksichtigt den Bedarf des Kindes der Beschwerdeführer jedoch - unter Zugrundelegung ihres individuellen Grenzsteuersatzes - nur in Höhe von 3.682 DM und bleibt damit um 242 DM hinter der von [X.] wegen erforderlichen Mindestberücksichtigung zurück.
Die Abweichungen des gesetzlich berücksichtigten vom verfassungsrechtlich gebotenen Mindestbedarf gibt nachstehende Tabelle zusammenfassend wieder:
Veranlagungszeitraum 1985 1 Kind | |||
gesetzliche Berücksichtigung | Bedarf | Differenz | |
bei Grenzsteuersatz | |||
30 % | 4.432 | 3.924 | + 508 |
40 % | 3.932 | 3.924 | + 8 |
44 % | 3.795 | 3.924 | - 129 |
48 % | 3.682 | 3.924 | - 242 |
50 % | 3.632 | 3.924 | - 292 |
56 % | 3.503 | 3.924 | - 421 |
Das Verfahren war an den [X.] zurückzuverweisen. In dem Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision der Beschwerdeführer ist zwar mit dieser Entscheidung die von ihnen ursprünglich geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung entfallen; der Zugang zur Revision ist aber auch ihnen aufgrund der nun vorliegenden Entscheidung des [X.]s eröffnet, weil die angegriffene Entscheidung des Finanzgerichts von dieser Entscheidung abweicht (nachträgliche Divergenz, vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Der [X.] wird zu prüfen haben, ob er die Einkommensteuer der Beschwerdeführer auch ohne gesetzliche Änderung des § 54 Abs. 1 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1991 entsprechend dem Grundgedanken der §§ 163, [X.] in der Höhe erlassen kann, die sich ergäbe, wenn das von [X.] wegen zu berücksichtigende Kindesexistenzminimum in Form eines [X.] um 242 DM erhöht wäre.
Das [X.] hat eine [X.]pflicht zum Billigkeitserlaß festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem "ungewollten Überhang" führen würde (vgl. z.B. [X.] 48, 102 <116>). In ähnlicher Weise könnte der [X.] sich zu der Prüfung veranlaßt sehen, im Ausgangsverfahren und in allen bei ihm anhängigen Parallelverfahren eine verfassungsrechtlich veranlaßte Herabsetzung der Steuerschuld zu prüfen, die auch ohne Durchführung eines getrennten Billigkeitsverfahrens den dort das Revisionsverfahren führenden Eltern ihr verfassungsrechtlich gebotenes Kindesexistenzminimum gewährt und damit eine gesetzliche Neuregelung mit Wirkung für zurückliegende Veranlagungsjahre in wenigen Fällen erübrigt. Anderenfalls wäre der Gesetzgeber verpflichtet, in den noch nicht bestandskräftig gewordenen Fällen die Benachteiligung der betroffenen Steuerpflichtigen zu beheben. In jedem Fall steht es ihm frei, die verfassungsrechtlich gebotene Änderung durch eine Anhebung des einkommensteuerlichen [X.], durch eine Anhebung des Kindergeldes oder durch eine anderweitige Ausgleichsregelung vorzunehmen (vgl. [X.] 82, 60 <97>; 82, 198 <208>).
Die Entscheidung über die [X.]beruht auf § 34a Abs. 2 BVerf[X.].
[X.] | Kirchhof | Winter |
[X.] | Jentsch | Hassemer |
Broß | Osterloh |
Meta
10.11.1998
Sachgebiet: BvR
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 10.11.1998, Az. 2 BvR 1220/93 (REWIS RS 1998, 39)
Papierfundstellen: REWIS RS 1998, 39 BVerfGE 99, 268-273 REWIS RS 1998, 39
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