Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2014, Az. XII ZB 164/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4005

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]
164/14

vom

16. Juli 2014

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 18
[X.] § 27
BGB § 1610 a
Der Versorgungsausgleich zugunsten eines contergangeschädigten Ehegatten kann nicht nach §
27 [X.] mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass der [X.] wegen seiner [X.] auf die [X.] des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen sei.
[X.], Beschluss vom 16. Juli 2014 -
XII [X.] 164/14 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 16.
Juli 2014 durch [X.] und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Der Antrag der Antragstellerin auf Verfahrenskostenhilfe wird [X.], weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichen-de Aussicht auf Erfolg bietet.

Gründe:
I.
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um [X.].
Der 1961 geborene Ehemann war in der Ehezeit als Garten-
und Land-schaftsbauarchitekt selbständig; sein Unternehmen ist mittlerweile
insolvent. Zuvor hatte er im Rahmen eines erfolglosen Sanierungsversuchs seine private Altersvorsorge aufgelöst und in das Unternehmen eingebracht. Sonstige Ver-sorgungsanrechte hat der Ehemann in der Ehezeit nicht erworben. Der Ehe-mann
ist [X.] und bezieht eine steuer-
und sozialabgaben-freie [X.] von der Beteiligten zu
3 ([X.]), deren Höhe zunächst monatlich 1.116

e-bung des Rentenniveaus im Jahre 2013 auf mittlerweile monatlich 3.686

(zu-züglich einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.840

erhöht wurde. Ausgezahlt wird dem Ehemann bis Ende Januar 2016
lediglich ein um monat-1
2

-
3
-

lich 523,56

seiner Rente [X.] der 2000er Jahre kapitalisieren ließ.
Die 1966 geborene Ehefrau ist Krankenschwester. Sie ist schwerbe-
hindert und bezieht neben [X.] aus einer Teilzeitbeschäftigung (15
Wochenstunden) eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.
Das Amtsgericht
hat den Versorgungsausgleich nach §
27 [X.] ausgeschlossen, weil die Ehefrau auf ihre Versorgungsanrechte dringend an-gewiesen sei und sich die Versorgungssituation des Ehemannes in Ansehung seiner [X.] nicht wesentlich verbessern würde. Auf die Beschwerde des Ehemannes hat das Beschwerdegericht die Entscheidung abgeändert und den Versorgungsausgleich durch interne Teilung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung zu Lasten der Ehefrau durchge-führt.
Die Ehefrau begehrt
Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der zu-gelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragte Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der An-tragsgegnerin
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§
76 Abs.
1 FamFG iVm
§
114 ZPO)
verspricht.
3
4
5
6
7

-
4
-

1. Unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Rechts-
beschwerde
durch das Beschwerdegericht stellen sich im vorliegenden Fall [X.] Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§
70 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1
FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entschei-dungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann
(Senatsbe-schluss vom 24.
April 2013

XII
ZR
159/12

FamRZ 2013, 1199 Rn.
4 mwN). [X.] sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft oder schwierig ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten wer-den und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. [X.] FamRZ 2010, 1235, 1236).
So liegt der Fall hier nicht.
a)
Die [X.] gehört

was nicht in Zweifel gezogen wird
nicht zu den gemäß §
2 Abs.
2 [X.] in den Versorgungsausgleich ein-
zubeziehenden Anrechten, weil sie aus [X.] gezahlt wird und weder durch Arbeit noch durch Vermögen erworben worden ist. Das Be-schwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde deswegen auch lediglich wegen der Frage zugelassen, ob
der Bezug einer
[X.] im Rahmen des §
27 [X.]
bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] berücksichtigt werden dürfe.
b) Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nach dem
geltenden Recht eindeutig zu beantworten ist.
aa) Gemäß
§
18 Abs.
1 [X.] bleiben Leistungen nach dem Conter-ganstiftungsgesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sons-tigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem [X.], [X.], Fünften und [X.] und dem Bürger-8
9
10
11

-
5
-

lichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze ist

wie die Formulierung "insbesondere"
verdeutlicht

nicht abschließend (vgl. BT-Drucks. 15/5654, S.
13) und schließt deshalb das Versorgungsausgleichsgesetz nicht aus. §
18 Abs.
2 Satz
1 [X.] bestimmt darüber hinaus, dass Verpflichtun-gen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch das [X.] nicht be-rührt werden. Im Versorgungsausgleich würde die Ausgleichspflicht des Ehe-gatten mit den höheren Versorgungsanrechten jedoch durchaus berührt, wenn man (auch) die dem
ausgleichsberechtigten Ehegatten gewährten Leistungen nach dem [X.] zum
Anlass nehmen würde, den auf §
1 Abs.
1 [X.] beruhenden Anspruch des Contergangeschädigten auf Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nach §
27 [X.] herabzusetzen oder auszuschließen. Zwingende gesetzessyste-matische Gründe, welche die Schlussfolgerung nahelegen könnten, dass §
18 [X.] der Berücksichtigung von Leistungen nach dem [X.] zumindest bei der Anwendung von Härte-
oder Billigkeitsregelungen des bürgerlichen Rechts nicht entgegenstünde, bestehen nicht. Hätte der [X.] dies gewollt, hätte er es

wie beispielsweise in §
11 Satz
4 [X.] und der dort enthaltenen Bezugnahme auf §§
1579, 1611 Abs.
1 BGB

ausdrücklich anordnen können.
[X.]) Im Übrigen gehört die
[X.] nach allgemeiner Auffassung ([X.]/Brudermüller BGB 73.
Aufl. §
1610
a Rn.
3; MünchKommBGB/[X.] 6.
Aufl. §
1610
a Rn.
10; Soergel/Seibl BGB 13.
Aufl. §
1610
a Rn.
5; [X.]/[X.] BGB 13.
Aufl. §
1610
a Rn.
6; Botur in [X.]/Poppen/[X.] Un-terhaltsrecht 2.
Aufl. §
1610
a BGB Rn.
5; [X.]/[X.]/[X.] 3.
Aufl. §
1610
a Rn.
4; Heiß/Heiß in Heiß/[X.] Unterhaltsrecht [Bearbeitungs-stand: 2014] 3.
Kap. Rn.
111; [X.]/[X.] 2007, 223, 226; vgl. auch
BT-Drucks. 15/5654, S.
13) zu den Sozialleistungen, die für Aufwendungen [X.]

-
6
-

folge eines Körper-
oder Gesundheitsschadens gewährt werden und bei denen gemäß §
1610
a BGB bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruches vermu-tet wird, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Auch wenn die Vorschriften des [X.] keine unmittelbare Verweisung auf §
1610
a BGB enthalten, wer-den die Grundsätze des §
1610
a BGB auch
im Rahmen des §
27 [X.] bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sein, ob der Unterhalt des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch anderweitige Einkünfte gedeckt ist (vgl. auch [X.] FamRZ 1995, 1277, 1278). Denn wenn und soweit eine dem [X.]n aus [X.] gezahlte Sozial-leistung lediglich
schadensbedingten Mehraufwand abdecken soll, bezweckt sie keine [X.] Absicherung für Alter oder Invalidität und kann daher
auch keinen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen (vgl. bereits [X.]/[X.] BGB [2000] §
1587
c Rn.
22; Soergel/[X.] BGB 13.
Aufl. §
1587
c Rn.
13).
Zwar stellt §
1610
a BGB lediglich eine widerlegbare gesetzliche Vermu-tung auf, so dass die ausgleichspflichtige Person
den Gegenbeweis dafür füh-ren könnte, dass die ausgleichsberechtigte Person, die eine [X.] bezieht, in voller Höhe ihrer Rente tatsächlich keinen durch Körper-
und Ge-sundheitsschaden bedingten Mehrbedarf hat. Gerade diesen Gegenbeweis wollte der Gesetzgeber aber durch die Fassung des §
18 [X.] ausschlie-ßen; es sollte ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes klargestellt werden, dass die Leistungen nach dem neuen [X.] "als echte Zusatzleistungen"
erhalten bleiben (BT-Drucks. 15/5654, S.
13). Nach diesen Intentionen des Gesetzgebers ist es

trotz der mittlerweile nicht uner-heblichen Höhe der Leistungen nach dem [X.]

nicht möglich, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung 13

-
7
-

abzusehen, die ausgleichsberechtigte Person sei bereits mit ihrer [X.] ausreichend versorgt.
2.
Ergeben sich somit keine Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung bedürften, kommt es für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in der [X.] allein auf die Er-
folgsaussichten in der Sache an (Senatsbeschlüsse
vom 24.
April 2013

XII
ZR
159/12

FamRZ 2013, 1199 Rn.
9 und vom 16.
Oktober 2013

XII
[X.]
176/12

FamRZ 2014, 105 Rn.
36). Diese bestehen
nicht.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.06.2013 -
3 F 369/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 24.02.2014 -
7 UF 188/13 -

14

Meta

XII ZB 164/14

16.07.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2014, Az. XII ZB 164/14 (REWIS RS 2014, 4005)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4005

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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