Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.08.2013, Az. VIII R 15/12

8. Senat | REWIS RS 2013, 3634

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Gegenstand

(Auftragsprüfung nach § 195 Satz 2 AO; Voraussetzungen für die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung wegen mangelnder Bestimmtheit)


Leitsatz

1. Die Prüfungsanordnung des beauftragten Finanzamts ist hinreichend begründet, wenn sie die für die Ermessensausübung auch des beauftragenden Finanzamts maßgebenden Erwägungen enthält.

2. Eine Prüfungsanordnung ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig, wenn für den Steuerpflichtigen der Regelungsgehalt nicht ernsthaft zweifelhaft sein kann.

3. Das vorübergehende Bestehen von zwei Prüfungsanordnungen, die sich inhaltlich nicht widersprechen, führt nicht zu deren Nichtigkeit.

Tatbestand

1

I. Die [X.]eteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung.

2

Im November 2009 bat der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) das Wohnsitzfinanzamt des [X.] und Revisionsbeklagten (Kläger), das [X.], um die [X.]efugnis zum Erlass einer Prüfungsanordnung und zur Durchführung der sich anschließenden [X.]ußenprüfung. Das [X.] begründete dies damit, dass bei dem Konzern [X.] in [X.] ([X.]-Konzern) eine [X.]ußenprüfung durchgeführt werde (Prüfungszeitraum 2001 bis 2004). [X.]um Konzernbereich gehöre "nachstehendes Unternehmen: Eheleute X[X.] und [X.]" (darunter der Kläger). Unter Hinweis auf die §§ 13 ff. der [X.]etriebsprüfungsordnung ([X.]pO) sei es zweckmäßig, dieses Unternehmen von [X.] aus zu prüfen, weil sich dort die [X.]uchführung und die [X.]uskunftspersonen befänden. Es drohe die Verjährung des Prüfungszeitraums 2002.

3

Noch im November 2009 teilte das [X.] dem [X.] mit, es übertrage ihm die [X.]efugnis zur [X.]nordnung und Durchführung einer [X.]ußenprüfung bei dem Kläger gemäß § 195 Satz 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) und § 5 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]pO. Der Prüfungszeitraum solle die Jahre 2001 bis 2004 betreffen. Dies geschah, nachdem das Finanzgericht ([X.]) mit Urteil vom 18. März 2009  4 K 91/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2009, 1182) eine Prüfungsanordnung des [X.] aus dem [X.] für die Jahre 2001 bis 2004 mangels örtlicher [X.]uständigkeit des [X.] aufgehoben hatte. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das [X.]-Urteil wies der [X.]undesfinanzhof ([X.]FH) mit [X.]eschluss vom 14. Januar 2010 VIII [X.] 104/09 ([X.]FH/NV 2010, 605) zurück.

4

Mit Prüfungsanordnung vom 1. Dezember 2009 ordnete das [X.] gegenüber dem Kläger die Durchführung einer [X.]ußenprüfung an. Die Prüfungsanordnung stützte es auf § 193 [X.]bs. 2 Nr. 1 [X.] i.V.m. §§ 194 bis 196 [X.], gab als Prüfungsgegenstand "Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer 2002 - 2004" an und führte zur [X.]egründung u.a. aus, das [X.] sei vom zuständigen [X.] mit der Prüfung beauftragt worden; die Prüfung erfolge im [X.]usammenhang mit der laufenden [X.]ußenprüfung der Firmengruppe [X.] und umfasse nicht die Sachverhalte (Tat im prozessualen Sinn), welche durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom 6. März 2009 abgedeckt würden. Der Einleitung des Steuerstrafverfahrens ging eine Selbstanzeige des [X.] voraus, die Einkünfte aus Kapitalvermögen ausländischer Herkunft betraf.

5

Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Das [X.] hob die Prüfungsanordnung des [X.] vom 1. Dezember 2009 mit seinem in E[X.] 2012, 1111 veröffentlichten Urteil auf. Es ließ offen, ob die Prüfungsanordnung nichtig sei; jedenfalls sei sie ermessensfehlerhaft und deshalb rechtswidrig. Sie lasse nämlich in Verbindung mit der Einspruchsentscheidung nicht erkennen, welche konkrete unternehmerische [X.]etätigung des [X.] nach [X.]uffassung des [X.] den Grund für die Erteilung des [X.] bilde und weshalb diese unternehmerische [X.]etätigung einen Konzernbezug aufweise. Wenn ausgeführt werde, zum Konzernbereich gehöre nachstehendes Unternehmen "Eheleute ...", suggeriere dies ein gemeinsames Unternehmen der Eheleute, das es aber nicht gebe. So gehe das [X.] in seiner Einspruchsentscheidung selbst von separaten Unternehmen der Eheleute aus.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], die es auf Verletzung von § 195 Satz 2 [X.] und § 5 [X.] stützt.

7

Das [X.] beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Prüfungsanordnung sei nichtig, weil sich das [X.] auf zwei Prüfungsanordnungen berufe, die sich widersprächen. [X.]ußerdem sei die Prüfungsanordnung mangels hinreichender [X.]ngaben zu Grund, Steuerart und [X.]eitraum und der unternehmerischen Tätigkeit der Eheleute zu unbestimmt, damit ermessensfehlerhaft und rechtswidrig. Im [X.]uftrag des Finanzamts [X.] seien keinerlei Gründe genannt, weshalb das [X.] beauftragt worden sei.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Entscheidung in der Sache selbst. Die Klage ist abzuweisen. [X.] hat das [X.] die hier streitige Prüfungsanordnung aufgehoben und damit § 195 Satz [X.] verletzt. Die Prüfungsanordnung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. [X.]ußenprüfungen werden von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt (§ 195 Satz 1 [X.]). Sie können andere Finanzbehörden mit der [X.]ußenprüfung beauftragen (§ 195 Satz [X.]). Die beauftragte Finanzbehörde darf anstelle der an sich zuständigen Finanzbehörde die [X.]ußenprüfung durchführen; sie ist zum Erlass der Prüfungsanordnung befugt, aus der sich die Ermessenserwägungen für den [X.]uftrag ergeben müssen, wozu es auch gehört, über einen Einspruch zu entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 2013 IX R 27/12, [X.], 21, [X.], 570, m.w.N.). Die maßgebenden Erwägungen für eine [X.]uftragsprüfung ergeben sich aus den §§ 13 bis 18 BpO. Danach finden Prüfungen zusammenhängender Unternehmen unter einheitlichen Gesichtspunkten und einheitlicher Leitung statt (eingehend dazu Schallmoser in [X.]/[X.]/ [X.], § 195 [X.] Rz 44).

2. Das im Streitfall für die Besteuerung des [X.] nach Maßgabe des § 19 [X.]bs. 1 [X.] zuständige Finanzamt war zunächst das Finanzamt [X.] Durch innerdienstliches Schreiben vom November 2009 hatte dieses das [X.] mit der Durchführung der [X.]ußenprüfung bei dem Kläger beauftragt. Dem [X.]uftrag lag eine Ermessensentscheidung der beauftragenden Finanzbehörde zugrunde.

a) Die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung setzt voraus, dass sie mit Gründen versehen ist, die die Ermessenserwägungen der Behörde erkennen lässt. Diese Erwägungen müssen sich aus dem betreffenden Verwaltungsakt ergeben (§ 126 [X.]bs. 1 Nr. [X.]). Sie können allerdings --unter den Einschränkungen des § 102 Satz 2 [X.]O bis zum [X.]bschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens-- nachgeholt werden (§ 126 [X.]bs. [X.]).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Prüfungsanordnung nicht zu beanstanden. Sie enthält die für die Ermessensausübung auch des beauftragenden Finanzamts --des Finanzamts [X.] maßgebenden Erwägungen der einheitlichen Prüfung des [X.] im Konzernbereich des [X.]. [X.]us der Prüfungsanordnung ergeben sich der Steuerpflichtige (der Kläger), der Prüfungsumfang (Einkommensteuer und gesonderte Feststellungen sowie Umsatzsteuer 2002 bis 2004) und die tragenden Ermessenserwägungen für die [X.]uftragsprüfung (einheitliche Prüfung des [X.]). Entgegen der [X.]uffassung der Vorinstanz bedurfte es keiner weiteren [X.]usführungen, "aus welchem Grund diese unternehmerische Betätigung" des [X.] einen Bezug zum Z-Konzern aufweist. Dieser Bezug war nämlich für alle Beteiligten klar und vom [X.] überdies nochmals in seiner Einspruchsentscheidung ausgeführt: Die [X.]ufsichtsratstätigkeit im Zusammenhang mit den sonstigen Firmen der "Z-Gruppe".

Es kommt entgegen der Vorentscheidung nicht auf die Formulierung der Bitte des [X.] um Erteilung des [X.] an. [X.]bgesehen davon suggeriert dieses behördeninterne Schreiben, anders als die Vorinstanz meint, kein gemeinsames Unternehmen des [X.] zusammen mit seiner Ehefrau. Die [X.]usführungen in diesem Schreiben sind im Kontext der [X.]kten und der Vorprüfungen so zu verstehen, wie sie schließlich in der Prüfungsanordnung in Gestalt der Einspruchsentscheidung umgesetzt wurden. [X.]uch der entscheidende [X.]kt des [X.] nimmt keinen Bezug auf ein gemeinsames Unternehmen der Eheleute, sondern überträgt die Befugnis zur Prüfung beider Steuerpflichtiger --der Eheleute (des [X.] und seiner Ehefrau)-- auf das F[X.]

3. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und die Klage abzuweisen. [X.]uch wenn das [X.] darauf nicht näher eingegangen ist, scheidet eine Nichtigkeit der Prüfungsanordnung, auf die sich der Kläger beruft, ersichtlich aus:

a) Die streitige Prüfungsanordnung vom 1. Dezember 2009 sollte "neben die Prüfungsanordnung ... vom 11.12.2006" treten, die vom [X.] mangels Zuständigkeit des [X.] mit Urteil in E[X.] 2009, 1182 aufgehoben worden war. Zwar ist das Urteil des [X.] erst mit [X.] in [X.], 605, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] zurückgewiesen worden ist, rechtskräftig geworden. Das vorübergehende gleichzeitige Bestehen beider Prüfungsanordnungen führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung gemäß § 125 [X.], da sich die beiden Prüfungsanordnungen in ihrem Regelungsgehalt hinsichtlich des [X.] (2002 bis 2004), des Steuerpflichtigen (dem Kläger) und der zu prüfenden Steuerarten (Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer) nicht widersprochen haben. [X.]llein der Umstand, dass das [X.] seine Zuständigkeit für die [X.]ußenprüfung in der zweiten Prüfungsanordnung auf die Beauftragung durch das Finanzamt [X.] gemäß § 195 Satz [X.] gestützt hat, führt nicht dazu, dass die Prüfungsanordnung aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen konnte (§ 125 [X.]bs. 2 Nr. [X.]). Denn die Frage der örtlichen Zuständigkeit ist nicht Bestandteil des [X.] der Prüfungsanordnung i.S. des § 118 [X.], sondern Voraussetzung für deren formelle Rechtmäßigkeit, die im vorliegenden Fall erfüllt ist.

b) Die Prüfungsanordnung ist auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit nach § 125 [X.] nichtig. Ein Verwaltungsakt leidet an schweren und offenkundigen Mängeln und ist deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht gemäß § 119 [X.] so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Der Regelungsinhalt einer Prüfungsanordnung (§ 196 [X.]) besteht darin, dass dem Steuerpflichtigen aufgegeben wird, die Prüfung in dem in der [X.]nordnung näher umschriebenen Umfang zu dulden (BFH-Urteil vom 13. Oktober 2005 IV R 55/04, [X.], 387, [X.], 404). Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt der Prüfungsanordnung aus der Sicht des [X.] als dem Empfänger dieses Verwaltungsakts (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1991 [X.], [X.] 1992, 435).

Danach konnte für den Kläger der Regelungsgehalt der Prüfungsanordnung vom 1. Dezember 2009 nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Prüfungsgegenstand war Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer 2002 bis 2004 mit [X.]usnahme der "Sachverhalte ..., welche durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom [X.] abgedeckt" wurden. Dass das [X.] in der Prüfungsanordnung in diesem Zusammenhang den Begriff der "Tat im prozessualen Sinne" verwendet hat, konnte bei dem Kläger, der aufgrund seiner Selbstanzeige und dem Schreiben der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamts C den Umfang des eingeleiteten Steuerstrafverfahrens kannte, keine wirklichen Verständnisschwierigkeiten auslösen, da für alle Beteiligten klar ersichtlich war, dass es sich um die vom Kläger bis zur Selbstanzeige nicht erklärten Kapitaleinkünfte ausländischer Herkunft handelte.

Meta

VIII R 15/12

06.08.2013

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 25. Januar 2012, Az: 4 K 3252/10, Urteil

§ 19 AO, § 125 AO, § 126 Abs 1 Nr 2 AO, § 193 Abs 2 Nr 1 AO, § 195 S 1 AO, § 195 S 2 AO, § 5 Abs 1 S 1 BpO 2000, § 13 BpO 2000, § 5 AO, § 102 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.08.2013, Az. VIII R 15/12 (REWIS RS 2013, 3634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3634

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