Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.02.2011, Az. VIII B 246/09

8. Senat | REWIS RS 2011, 9408

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Gegenstand

Weitere Außenprüfung nach einem prüfungsfreien Jahr


Leitsatz

NV: Die Frage, ob bei einem Betrieb, der kein Großbetrieb ist, nach nur einem prüfungsfreien Jahr eine weitere Außenprüfung zulässig ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist als Arzt freiberuflich tätig.

2

Für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 wurde eine Außenprüfung durchgeführt, die wegen des Verdachts auf leichtfertige Steuerverkürzung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer [X.] auf die Jahre 1996 und 1997 erweitert wurde. Für das [X.] wurden Änderungen entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung für die Vorjahre vorgenommen.

3

2008 ordnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine weitere Außenprüfung an, die sich auf die Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 2002 bis 2004 bezog.

4

Der Kläger hält nach lediglich einem prüfungsfreien Jahr diese erneute Prüfung, die sich zudem auf die Umsatzsteuer erstreckt, für willkürlich und schikanös. Für diese quasi Anschlussprüfung fehle es an einer besonderen Begründung. Die Steuerfahndung habe ferner bei einer Durchsuchung, die sich auf den Zeitraum der ersten Außenprüfung bezieht, ungerechtfertigte Handlungen vorgenommen.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

6

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

8

1. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung.

9

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O; vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 3. Februar 2009 [X.]/08, [X.], 887). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln.

b) Nach diesen Maßstäben bedarf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage

"Welche Grundsätze gelten bei der Auswahl und dem Prüfungsturnus von Steuerpflichtigen, die nicht Großbetriebe im Sinne der Betriebsprüfungsordnung sind, insbesondere welche konkreten Maßstäbe sind für die Wahrung der Verhältnismäßigkeit und die Beachtung des [X.] anzulegen?"

keiner erneuten Klärung durch eine weitere Revisionsentscheidung des [X.].

aa) Es ist höchstrichterlich geklärt, dass nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen zulässig ist, die einen gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, oder die --wie im Streitfall der [X.] freiberuflich tätig sind. Den Umfang der Außenprüfung bestimmt die Finanzverwaltung in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung (§ 196 [X.]; ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteile vom 8. Dezember 1993 [X.], [X.] 1994, 500, m.w.N.; vom 19. August 2009 [X.]/08, [X.] 2010, 5). Die Bestimmung des [X.] ist eine von den Gerichten nur gemäß § 102 [X.]O zu überprüfende Ermessensentscheidung.

bb) § 194 Abs. 1 Satz 2 [X.] lässt zu, dass einer oder mehrere Prüfungszeiträume geprüft werden. Da die Finanzbehörden aufgrund ihrer begrenzten Prüfungskapazitäten nicht sämtliche gemäß § 193 Abs. 1 [X.] der Außenprüfung unterliegenden Steuerpflichtigen für alle [X.] prüfen können, müssen sie unter den zu prüfenden Betrieben und hinsichtlich des [X.] eine Auswahl treffen. In § 4 Abs. 2 Satz 1 der Betriebsprüfungsordnung ([X.] 2000) vom 15. März 2000 ([X.], 368 - zuletzt geändert durch die [X.] zur Änderung der [X.], der [X.] und der Vollziehungsanweisung vom 22. Januar 2008, [X.], 274) hat die Finanzverwaltung dieses Auswahlermessen für Großbetriebe i.S. des § 3 [X.] 2000 dahingehend ausgeübt, dass bei ihnen der Prüfungszeitraum lückenlos an den vorhergehenden anschließen soll. Bei anderen Betrieben --wie denen des [X.] soll der Prüfungszeitraum dagegen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2000 in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende [X.] umfassen. Diese Beschränkung der Prüfung auf drei [X.] gilt nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] 2000 jedoch nicht, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht. [X.] erklärt § 4 Abs. 3 Satz 3 [X.] 2000 ausdrücklich für zulässig. Die Finanzbehörden dürfen ferner die prophylaktische Wirkung nutzen, die in der Unberechenbarkeit eines prüfungsfreien Zeitraums zwischen den turnusmäßigen Prüfungen liegt (vgl. [X.]-Urteil vom 2. September 1988 III R 280/84, [X.], 425, [X.] 1989, 4, m.w.N.). Der Kläger zitiert selbst die einschlägige Rechtsprechung, wonach die Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf eine berechenbare Prüfungspause haben (vgl. [X.]-Urteil vom 16. November 1989 IV R 29/89, [X.], 28, [X.] 1990, 272).

cc) Im Streitfall hat sich das Finanzgericht ([X.]) mit dem Problem der Ermessensausübung durch die Finanzverwaltung auseinandergesetzt und ist nach Abwägung der Umstände des Einzelfalles zu dem Schluss gekommen, die angefochtene Prüfungsanordnung verstoße weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch sei sie willkürlich oder schikanös. Insbesondere habe das [X.] in der Einspruchsentscheidung die Argumente des [X.] aufgegriffen und daher eine Begründung der Prüfungsanordnung nachgeholt.

Der Kläger übersieht, dass sich für den Erlass einer Prüfungsanordnung keine konkreten und allgemein gültigen Maßstäbe zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und Beachtung des [X.] entwickeln lassen. Eine Prüfungsanordnung erfordert eine auf den Einzelfall bezogene Beurteilung durch die Finanzverwaltung und wird grundsätzlich durch die Finanzgerichte als Tatsachengerichte überprüft.

dd) Der Kläger meint zu Unrecht, die Außenprüfung sei nur zulässig, wenn keine Einzelermittlungen möglich sind.

Der Gesetzgeber hat einen solchen Subsidiaritätsgrundsatz ausdrücklich für die Prüfungsanordnungen nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und damit nur für andere als die in Abs. 1 genannten Steuerpflichtigen normiert. Die tatbestandlich [X.] in § 193 Abs. 1 [X.] unterstellt damit grundsätzlich die Prüfungsbedürftigkeit u.a. der freiberuflich Tätigen; sie erklärt sich daraus, dass sich die steuerlichen Verhältnisse eines Unternehmers im Allgemeinen erst durch Einsicht in die Buchführung und die sonstigen betrieblichen Aufzeichnungen kontrollieren lassen (vgl. [X.] vom 11. August 2005 XI B 207/04, [X.] 2006, 9).

ee) Der Kläger meint schließlich zu Unrecht, die Eingriffe der Steuerfahndung in seinen privaten Lebensbereich während der Vorprüfung führten auch zur Rechtswidrigkeit der erneuten Außenprüfung. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass [X.] und Steuerstrafverfahren grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinanderstehen (vgl. [X.]-Urteil vom 23. Januar 2002 [X.], 11/01, [X.]E 198, 7, [X.] 2002, 328).

Meta

VIII B 246/09

16.02.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 14. Oktober 2009, Az: 3 K 474/08, Urteil

§ 193 Abs 1 AO, § 193 Abs 2 Nr 2 AO, § 194 Abs 1 S 2 AO, § 196 AO, § 102 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 4 Abs 2 S 1 BpO 2000, § 4 Abs 3 S 1 BpO 2000, § 4 Abs 3 S 2 BpO 2000, § 4 Abs 3 S 3 BpO 2000

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.02.2011, Az. VIII B 246/09 (REWIS RS 2011, 9408)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9408

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