Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.08.2022, Az. XI R 32/19

11. Senat | REWIS RS 2022, 7540

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Gegenstand

Erweiterung einer Anschlussprüfung


Leitsatz

1. Die Erweiterung einer nach § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 zulässigen ersten Anschlussprüfung von einem auf drei Jahre bedarf keiner besonderen Begründung.

2. Für die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen sind auch bei Prüfungsanordnungen die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 11.09.2019 - 3 K 3090/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1998 gegründete und 1999 in das Handelsregister eingetragene GmbH. Gegenstand ihres Unternehmens ist … . Sie ist kein Großbetrieb i.S. des § 3 der Betriebsprüfungsordnung vom 15.03.2000 --[X.] 2000-- ([X.], 368).

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) führte bei der [X.] erstmals eine Außenprüfung durch, die die Jahre 2002 bis 2004 umfasste.

3

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 15.11.2013 fand bei der Klägerin eine zweite Außenprüfung für die [X.] und 2009 statt. Noch während diese Prüfung andauerte, erging am 01.12.2015 eine weitere Prüfungsanordnung für die Jahre 2010 bis 2012, die die Klägerin anfocht. Im anschließenden Klageverfahren nahm sie die Klage hinsichtlich der Anfechtung der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung für das [X.] zurück; das Verfahren wurde insoweit eingestellt. Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 21.02.2017 - 6 K 6153/16 (nicht veröffentlicht) im verbleibenden Umfang statt und hob die Prüfungsanordnung hinsichtlich der [X.] und 2012 auf.

4

Mit der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung vom 04.12.2017 verfügte das [X.], dass die am 01.12.2015 angeordnete Außenprüfung (für das [X.]) auf die [X.] und 2012 erweitert werde. Es sei [X.] die Begründung des [X.]-- mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen. Die im Rahmen der Prüfung der [X.] und 2009 festgestellten Mängel der Ordnungsgemäßheit der Buchführung hätten sich auch für den Zeitraum 2010 bestätigt. Entsprechende steuerliche Würdigungen seien daher für die [X.] und 2012 ebenso wenig auszuschließen.

5

Die Klägerin legte hiergegen am 18.12.2017 Einspruch ein. Die Außenprüfung für die [X.] und 2009 wurde im Laufe des [X.] am 08.06.2018 abgeschlossen. Das [X.] wies anschließend den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019).

6

Das [X.] wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2020, 149 veröffentlichten Urteil ab. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2000, wonach in der Regel nur drei Jahre gleichzeitig geprüft werden dürften, liege nicht vor. Im Zeitpunkt der (für die Beurteilung von Ermessensentscheidungen maßgeblichen) letzten Verwaltungsentscheidung (der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019) sei die Prüfung für die [X.] und 2009 bereits abgeschlossen gewesen, so dass nach der Erweiterung des [X.] nur drei Jahre, nämlich die Jahre 2010 bis 2012, zu prüfen gewesen seien, was keiner besonderen Begründung i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] 2000 bedürfe. Es könne offenbleiben, ob die in der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 getroffenen Ermessenserwägungen ausreichend seien.

7

Die Frist zur Begründung der von der Klägerin fristgemäß eingelegten Revision wurde antragsgemäß bis zum [X.] verlängert. Die vollständige, elf Seiten umfassende und unterschriebene Revisionsbegründung wurde von ihrer Prozessbevollmächtigten als [X.] im Anhang einer am [X.] um 23:55 Uhr gesendeten E-Mail an den [X.] ([X.]) übermittelt. Die Prozessbevollmächtigte teilte in dieser E-Mail zugleich mit, dass es trotz mehrfacher Versuche nicht gelungen sei, das Dokument innerhalb der in wenigen Minuten ablaufenden [X.] als [X.] zu übersenden. Ihrem am 11.12.2019 eingereichten Wiedereinsetzungsantrag waren u.a. die vollständige und unterschriebene Revisionsbegründung sowie [X.] vom [X.] über Abbruch und Fehlschlag einer Übertragung der [X.] um 23:38:14 Uhr bzw. 23:58:39 Uhr sowie eines weiteren Fehlschlags von einem anderen [X.] aus am 11.12.2019 um 00:54 Uhr, der mangels Umstellung des Telefaxgeräts auf Winterzeit bereits am [X.] um 23:54 Uhr erfolgt sei, beigefügt.

8

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Sie bringt im Wesentlichen vor, das [X.] gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass es allein auf die Sachlage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung ankomme und dem Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Anordnung über die Erweiterung des [X.] keine Bedeutung beizumessen sei. Dies führe zur rechtswidrigen Umgehung der nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] 2000 erforderlichen Begründung, wogegen sich der Steuerpflichtige nicht wehren könne. Der Zeitpunkt der möglicherweise "bewusst" hinausgezögerten Bearbeitung einer Einspruchsentscheidung könne keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung haben. Mit der streitgegenständlichen Erweiterung habe der Prüfungszeitraum fünf Jahre (2008 bis 2012) betragen, da die Prüfung der [X.] bis 2009 erst am 08.06.2018 und somit nach dem 04.12.2017 abgeschlossen worden sei. Die Erweiterung des [X.] dergestalt müsse substantiiert begründet werden, was vorliegend nicht der Fall sei.

9

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung sowie die Anordnung über die Erweiterung des [X.] vom 04.12.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revisionsbegründung sei nicht innerhalb der verlängerten [X.] beim [X.] eingegangen; Wiedereinsetzung in die versäumte Frist sei der Klägerin nicht zu gewähren. Das [X.] ist hilfsweise mit der Vorentscheidung der Ansicht, dass es auf die Umstände im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankomme. Die Prüfungsanordnung vom 04.12.2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 habe daher keine Begründung nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] 2000 enthalten müssen. Gleichwohl seien die dort getroffenen Ermessenserwägungen zur Erweiterung des [X.] ausreichend und rechtmäßig.

Entscheidungsgründe

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

A. Die Revision der Klägerin ist zulässig, da ihr, der Klägerin, jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der [X.] zu gewähren ist.

1. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O ist die gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]O innerhalb der Revisionsfrist von einem Monat einzulegende Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Frist kann --wie hier-- nach § 120 Abs. 2 Satz 3 [X.]O auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Diese verlängerte Frist lief im Streitfall nach § 54 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) am [X.], einem Dienstag, ab.

2. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob die vor Ablauf der [X.] als [X.] im Anhang einer E-Mail eingegangene, vollständige und auf dem eingescannten Dokument unterschriebene Revisionsbegründung wirksam ist. Der Klägerin ist jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 [X.]O wegen Versäumung der [X.] zu gewähren. Es wurde glaubhaft gemacht, dass die Frist schuldlos aufgrund nicht vorhersehbarer technischer Probleme versäumt wurde. Im Übrigen bestehen angesichts der übermittelten E-Mail keine Zweifel daran, dass die Revisionsbegründung vor Ablauf der verlängerten [X.] bereits gefertigt und unterschrieben war.

B. Die Revision hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das [X.] hat zu Recht dahin erkannt, dass es sich bei der Prüfung der Jahre 2010 bis 2012 um eine zulässige erste Anschlussprüfung handelte, die den nach § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2000 maximal zulässigen Prüfungszeitraum von drei Jahren nicht überschritt.

1. Die Erweiterung einer nach § 4 Abs. 3 Satz 3 [X.] 2000 zulässigen ersten Anschlussprüfung von einem auf drei Jahre bedarf keiner besonderen Begründung.

a) Ob und in welchem Umfang bei einem Steuerpflichtigen nach § 193 der Abgabenordnung ([X.]) eine Außenprüfung angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nach § 102 [X.]O nur darauf zu prüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen der [X.] eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks (§ 5 [X.]) fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 28.09.2011 - VIII R 8/09, [X.], 298, [X.], 395, Rz 20; vom 15.06.2016 - III R 8/15, [X.], 203, [X.], 25, Rz 15; [X.] vom 11.12.2019 - II B 67/18, [X.], 360, Rz 5).

In Bezug auf die Ermessensausübung bei der Anordnung sowie der Durchführung einer Außenprüfung hat sich die Finanzverwaltung durch die Regelungen in der [X.] für die Betriebsprüfung --hier der [X.] 2000-- eine Selbstbindung auferlegt (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 19.08.1998 - XI R 37/97, [X.], 506, [X.] 1999, 7, unter [X.]; vom [X.] - I R 20/99, [X.], 1447, unter II.2.; [X.] in [X.], 360, Rz 5). So hat die Finanzverwaltung in § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2000 hinsichtlich des [X.] der zu prüfenden Betriebe ihr Auswahlermessen dahingehend ausgeübt, dass für Großbetriebe i.S. des § 3 [X.] 2000 der Prüfungszeitraum lückenlos an den vorhergehenden anschließen soll. Bei anderen Betrieben --zu denen auch der der Klägerin [X.] soll der Prüfungszeitraum dagegen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2000 nicht mehr als drei zusammenhängende [X.] umfassen. Diese Beschränkung der Prüfung auf drei [X.] gilt nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] 2000 jedoch nicht, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder wenn der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht.

b) Vorliegend ist eine erste Anschlussprüfung gegeben, für die keine besondere Begründung erforderlich war.

aa) [X.] sind nach § 4 Abs. 3 Satz 3 [X.] 2000 zulässig. Weder der [X.] noch der [X.] 2000 ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.], 203, [X.], 25, Rz 17; [X.] vom 15.10.2021 - VIII B 130/20, [X.], 97, Rz 6). Dies gilt nicht nur für Großbetriebe, sondern auch für Mittelbetriebe sowie Klein- und Kleinstbetriebe (vgl. [X.] in [X.], 97, Rz 6). Danach sind [X.] grundsätzlich zulässig; weitere [X.] sind nicht ausgeschlossen (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.], 203, [X.], 25, Rz 19; [X.] vom 09.11.2010 - VIII S 8/10, [X.], 297, Rz 15; in [X.], 97, Rz 7). § 4 Abs. 3 Satz 3 [X.] 2000 lässt [X.] nicht nur ausdrücklich zu, sondern macht sie auch nicht von besonderen Voraussetzungen abhängig (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 203, [X.], 25, Rz 25). Die Anordnung einer ersten Anschlussprüfung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung (vgl. zur zweiten Anschlussprüfung [X.]-Urteil in [X.], 203, [X.], 25, Rz 22 ff.). Für eine erste Anschlussprüfung bedarf es zudem keiner besonderen Begründung (vgl. [X.] vom 29.05.2007 - I B 140/06, [X.]/NV 2007, 2050, unter 1.a; vom 19.11.2009 - IV B 62/09, [X.]/NV 2010, 595, unter [X.]b cc).

bb) Da bei der Klägerin aufgrund der Anordnung vom 15.11.2013 die [X.] bis 2009 geprüft wurden, handelt es sich bei der am 01.12.2015 bestandskräftig angeordneten Prüfung des Jahres 2010 um eine erste Anschlussprüfung. Die dagegen gerichtete Klage wurde von der Klägerin zurückgenommen, so dass insoweit eine bestandskräftige Prüfungsanordnung vorliegt (vgl. § 124 Abs. 2 [X.]).

c) Die Erweiterung des [X.] dieser ersten Anschlussprüfung durch die Prüfungsanordnung vom 04.12.2017 ist rechtmäßig.

aa) Dem Erlass der streitgegenständlichen Anordnung der Erweiterung des [X.] vom 04.12.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 steht die Rechtskraft des Urteils vom 21.02.2017 - 6 K 6153/16 (nicht veröffentlicht) nicht entgegen. Das [X.] hat damit zwar die vorausgegangene Prüfungsanordnung vom 15.11.2013 hinsichtlich des hier gleichfalls betroffenen [X.] der [X.] und 2012 aufgehoben. Dies ist nach den Feststellungen des [X.] in der den Streitfall betreffenden Vorentscheidung jedoch allein deswegen geschehen, weil Gründe für die Erweiterung des [X.] i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] 2000 nicht vorgebracht worden waren. Nur auf diese Begründung erstreckt sich die Rechtskraft dieses Urteils i.S. des § 110 Abs. 1 Satz 1 [X.]O (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 110 [X.]O Rz 59 ff.). Wie die Aufhebung eines Verwaltungsakts wegen eines [X.] nicht den Erlass eines neuen, ggf. auch inhaltsgleichen Verwaltungsakts in einem fehlerfreien Verfahren hindert, so steht auch die Aufhebung der Anordnung der Erweiterung des [X.] durch ein rechtskräftiges Urteil dem Erlass einer neuen Prüfungsanordnung nicht im Wege (vgl. [X.]-Urteile vom 07.11.1985 - IV R 6/85, [X.]E 145, 23, [X.] 1986, 435, unter 1.; vom 20.10.1988 - IV R 104/86, [X.]E 155, 4, [X.] 1989, 180, unter 1.; vom 14.09.1993 - VIII R 56/92, [X.]/NV 1994, 677, unter [X.]). Eine echte Kassation einer Prüfungsanordnung, wie sie in Gestalt des [X.]-Urteils vom 21.02.2017 - 6 K 6153/16 vorliegt, hindert nicht den Erlass einer neuen Prüfungsanordnung für die betreffenden [X.] (vgl. auch Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 110 Rz 47).

bb) Das [X.] hat zudem im Streitfall zu Recht die Erweiterung des [X.] für zulässig erachtet.

(1) Die am 01.12.2015 für das [X.] angeordnete erste Anschlussprüfung (s. oben [X.] bb) wurde nach Maßgabe der hier angefochtenen Anordnung vom 04.12.2017 um die [X.] und 2012 erweitert, so dass die erste Anschlussprüfung nunmehr drei Jahre umfasste, was keiner besonderen Begründung bedurfte.

(2) Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die somit die Jahre 2010 bis 2012 umfassende erste Anschlussprüfung in ermessensfehlerhafter Weise übermäßig belastet würde. Das [X.] führte bei der 1998 gegründeten Klägerin bisher Außenprüfungen (nur) für die Jahre 2002 bis 2004 sowie 2008 bis 2009 durch. Gegen eine übermäßige Belastung der Klägerin spricht zudem, dass --wie das [X.] noch in der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 ausgeführt hat und sich nicht als ermessensfehlerhaft erweist-- sich die im Rahmen der Prüfung der [X.] und 2009 festgestellten Mängel der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung auch für den Zeitraum 2010 bestätigt hätten und entsprechende Würdigungen für die [X.] und 2012 nicht auszuschließen seien. Dies indiziert jedenfalls einen entsprechenden Prüfungsbedarf.

cc) Daher liegt auch --entgegen dem [X.] keine rechtswidrige Umgehung des § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2000 vor.

2. Darüber hinaus hat das [X.] auch deshalb nicht gegen § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] 2000 verstoßen, weil --wovon das [X.] zutreffend ausgegangen ist-- jedenfalls im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung am 12.03.2019 der von dieser Verwaltungsregelung erfasste Fall eines mehr als drei zusammenhängende [X.] umfassenden [X.] nicht gegeben war.

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltung gemäß § 102 [X.]O ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. bezogen auf den Streitfall die Einspruchsentscheidung vom 12.03.2019 (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 23.11.2000 - III R 52/98, [X.]/NV 2001, 882, unter 1.; vom 12.08.2009 - XI R 4/08, [X.]/NV 2010, 393, unter [X.]; vom 14.12.2021 - VII R 14/19, [X.], 401, Rz 22; [X.] in Tipke/[X.], § 5 [X.] Rz 77 und § 102 [X.]O Rz 7; Lange in [X.], § 102 [X.]O Rz 61; Gräber/Stapperfend, a.a.[X.], § 102 Rz 13). Dies gilt auch für Prüfungsanordnungen (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.], 298, [X.], 395, unter [X.]d) oder ihre Erweiterung (vgl. [X.]-Urteile vom 01.08.1984 - I R 138/80, [X.]E 142, 198, [X.] 1985, 350, unter [X.]b bb; vom 28.04.1988 - IV R 106/86, [X.]E 153, 210, [X.] 1988, 857, unter 4.; in [X.], 506, [X.] 1999, 7, unter [X.]; [X.] vom 27.10.2003 - III B 13/03, [X.]/NV 2004, 312, unter 1.c).

b) Gegenteiliges folgt --anders als die Klägerin meint-- nicht aus § 102 Satz 2 [X.]O und dem [X.]surteil vom [X.] ([X.], 775). Soweit der [X.] dort in Rz 21 ausgeführt hat, dass eine Heilung der behördlichen Entscheidung bei fehlerhaftem [X.] oder Auswahlermessen, Über- oder Unterschreitung des Ermessens sowie bei erheblichen Mängeln in der Sachverhaltsermittlung im Wege einer Ergänzung nach § 102 Satz 2 [X.]O, mithin im finanzgerichtlichen Verfahren, nicht mehr möglich ist, betrifft dies nicht die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist.

c) Im Streitfall ist mithin zu berücksichtigen, dass die Prüfung für die [X.] und 2009 im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung am 12.03.2019 bereits abgeschlossen war und die getroffene Prüfungserweiterung jedenfalls durch die in der Einspruchsentscheidung gegebene Begründung gedeckt ist.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 32/19

03.08.2022

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 11. September 2019, Az: 3 K 3090/19, Urteil

§ 5 AO, § 193 Abs 1 AO, § 4 Abs 3 S 1 BpO 2000, § 4 Abs 3 S 2 BpO 2000, § 4 Abs 3 S 3 BpO 2000, § 54 FGO, § 56 Abs 1 FGO, § 56 Abs 2 S 1 Halbs 2 FGO, § 102 S 1 FGO, § 120 Abs 1 S 1 FGO, § 120 Abs 2 S 1 Halbs 1 FGO, § 120 Abs 2 S 3 FGO, § 126a FGO, § 135 Abs 2 FGO, § 222 Abs 1 ZPO, § 187 Abs 1 BGB, § 188 Abs 2 BGB, § 102 S 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.08.2022, Az. XI R 32/19 (REWIS RS 2022, 7540)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7540

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