Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.02.2024, Az. 3 StR 480/23

3. Strafsenat | REWIS RS 2024, 1852

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Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Juli 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Die [X.] hat den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die ebenfalls erhobene Sachrüge nicht mehr ankommt.

2

Das [X.] hat auf Antrag des erwachsenen Angeklagten gemäß § 171a [X.] unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Die Öffentlichkeit ist zur Verkündung der Urteilsformel nicht wiederhergestellt worden, so dass auch diese in nicht öffentlicher Hauptverhandlung stattgefunden hat.

3

Ein solches prozessuales Vorgehen verletzt § 173 Abs. 1 [X.] und begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 [X.].

4

Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz ist die Verkündung der Urteilsformel in nicht öffentlicher Sitzung grundsätzlich unzulässig ([X.], Urteile vom 22. Mai 1953 - 2 StR 539/52, [X.]St 4, 279; vom 8. Oktober 1969 - 3 [X.], juris Rn. 7; Beschlüsse vom 8. Juli 1970 - 3 [X.], juris Rn. 3; vom 24. Oktober 1979 - 3 [X.], juris Rn. 2; [X.], [X.], 26. Aufl., § 338 Rn. 112; MüKo[X.]/[X.]/[X.], § 338 Rn. 126). Ausnahmen sind nach § 48 Abs. 1 und 3 Satz 2, § 104 Abs. 1 Nr. 4a, § 109 Abs. 1 Satz 5 JGG insoweit nur in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende vorgesehen ([X.], Urteil vom 6. November 1996 - 2 StR 391/96, [X.]St 42, 294, 295 f.).

5

Es führt zu keiner abweichenden Beurteilung, dass der Angeklagte den Ausschluss der Öffentlichkeit - generell und auch bei der Urteilsverkündung, dies allerdings unter Hinweis auf § 173 Abs. 2 [X.] - selbst beantragt hatte. Denn die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens sind grundsätzlich unverzichtbar und nicht disponibel (MüKo[X.]/[X.]/[X.], § 338 Rn. 127; KK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 338 Rn. 90 mwN; s. auch [X.], Urteil vom 13. Februar 1968 - 5 StR 706/67, [X.]St 22, 83, 85). Der Angeklagte hat das Anfechtungsrecht durch die Antragstellung auch nicht verwirkt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 4. Dezember 2007 - 5 [X.], [X.]R [X.] § 338 Nr. 6 Ausschluss 5 Rn. 10 f.; Beschluss vom 9. April 2013 - 5 [X.], [X.]R [X.] § 174 Abs. 1 Satz 1 Ausschluss 4 Rn. 16; s. auch [X.], Beschluss vom 26. November 1997 - 5 StR 561/97, [X.]R [X.] § 338 Nr. 5 Verteidiger 4; Urteil vom 10. Dezember 1997 - 3 [X.], [X.], 267; Beschlüsse vom 13. Dezember 2005 - 5 [X.], [X.]R [X.] § 218 Ladung 6; vom 15. Dezember 2005 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 24 Abs. 2 Befangenheit 16 Rn. 14 ff.).

6

Der Verfahrensfehler hat die Aufhebung des Urteils im Ganzen zur Folge.

Schäfer     

      

Berg     

      

Erbguth

      

Kreicker     

      

Voigt     

      

Meta

3 StR 480/23

21.02.2024

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 4. Juli 2023, Az: 1 KLs 2/23

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.02.2024, Az. 3 StR 480/23 (REWIS RS 2024, 1852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1852

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5 StR 612/12

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