Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.03.2013, Az. 9 AZR 455/11

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land die Erstattung des Kaufpreises für ein Schulbuch.

Der Kläger ist beim beklagten Land als Lehrer angestellt. Er hatte im Schuljahr 2008/2009 in der fünften Klasse an der Hauptschule in [X.] Mathematik zu unterrichten. Träger der Schule ist die Stadt [X.]. Das beklagte Land stellte dem Kläger das von der Klassenkonferenz für den Unterricht bestimmte Schulbuch zu [X.]eginn des Schuljahres im August 2008 nicht zur Verfügung. [X.]ereits im Vorjahr hatte der Kläger das beklagte Land erfolglos aufgefordert, ihm ein für den Unterricht erforderliches Schulbuch zu überlassen. Nachdem der Leiter der Hauptschule die Überlassung des für den Mathematikunterricht im Schuljahr 2008/2009 benötigten Schulbuchs aus der Schulbibliothek abgelehnt hatte, kaufte der Kläger das [X.]uch selbst. Der Kläger, der bereit war, das Schulbuch dem beklagten Land zu übereignen, verlangte von diesem ohne Erfolg die Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 14,36 Euro.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

Das beklagte Land hat die Abweisung der Klage mit der [X.]egründung beantragt, die Kosten für Lehrmittel und damit auch für Schulbücher habe die Stadt [X.] als Trägerin der Hauptschule zu tragen. Der Kläger solle sich an die Gemeinde wenden oder die Kosten für den Erwerb des Schulbuchs im Rahmen der Steuererklärung geltend machen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die [X.]erufung des [X.] hat das [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Revision des beklagten [X.] ist nicht begründet. Zu Recht hat das [X.]arbeitsgericht das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts auf die [X.]erufung des [X.] abgeändert. Das beklagte Land ist verpflichtet, dem Kläger den Kaufpreis für das Schulbuch zu erstatten.

I. Der Anspruch des [X.] folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 670 [X.]G[X.].

1. Gemäß § 670 [X.]G[X.] ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der [X.]eauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. § 670 [X.]G[X.] kann auf Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden (st. Rspr., vgl. [X.] 12. April 2011 - 9 [X.] - Rn. 25 mwN). Macht der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen, die nicht durch die Vergütung abgegolten sind, ist der Arbeitgeber deshalb zum Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet (vgl. [X.] 16. Oktober 2007 - 9 [X.]/07 - Rn. 23, [X.]E 124, 210).

a) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 670 [X.]G[X.] liegen vor. Der Kaufpreis für das Schulbuch ist eine Aufwendung, die der Kläger zwecks Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und damit im Interesse des beklagten [X.] tätigte. Entgegen der Auffassung des beklagten [X.] ist es einem angestellten Lehrer grundsätzlich nicht zumutbar, die Kosten für die [X.]eschaffung von Arbeitsmitteln, die zur sachgerechten Durchführung des Unterrichts zwingend erforderlich sind, selbst zu tragen (vgl. zu beamteten Lehrkräften: [X.] 26. Februar 2008 -  2 A 11288/07  - zu (1) der Gründe). Darüber, dass der Kläger ohne das Schulbuch nicht ordnungsgemäß Mathematikunterricht hätte erteilen können, besteht kein Streit.

b) Der Einwand des beklagten [X.], der Kläger habe das [X.]uch zu [X.]eginn des Schuljahres vorschnell eigenmächtig erworben und ihm damit die Möglichkeit einer anderweitigen [X.]eschaffung genommen, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]arbeitsgerichts hat das beklagte Land weder vor noch kurz nach dem [X.]eginn des Schuljahres Dispositionen getroffen, die auf die [X.]eschaffung oder Überlassung des für einen ordnungsgemäßen Mathematikunterricht erforderlichen Schulbuchs gerichtet waren. Vielmehr hat es dem Kläger mehrere Monate nach [X.]eginn des Schuljahres - wie bereits im Vorjahr - in einem Schreiben vom 7. November 2008 mitgeteilt, Lehrmittel wie Schulbücher seien nicht von ihm, sondern vom Schulträger zur Verfügung zu stellen.

c) Die Revision rügt vergeblich, der Kläger habe das Schulbuch für den Eigenbedarf erworben. Das [X.]arbeitsgericht ist in den Entscheidungsgründen davon ausgegangen, der Kläger habe lediglich die Nutzung des [X.] erstrebt, nicht aber endgültiges Eigentum an ihm begründen wollen. Der Senat ist an diese Feststellungen des [X.]arbeitsgerichts gebunden (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn das beklagte Land hat sie nicht in gehöriger Weise angegriffen, insbesondere hat es nicht die [X.]erichtigung des Tatbestands nach § 320 Abs. 1 ZPO beantragt. Zwar behandelt § 320 ZPO nur die [X.]erichtigung des Tatbestands, nicht auch die der Entscheidungsgründe. Zum Tatbestand im Sinne dieser Norm gehört jedoch auch das in den Entscheidungsgründen enthaltene tatsächliche Vorbringen der Parteien (vgl. [X.] 23. Februar 2005 - 4 [X.] - zu II 4 b bb (1) der Gründe, [X.]E 114, 33).

d) Soweit das beklagte Land seine Passivlegitimation in Abrede stellt, übersieht es, dass § 670 [X.]G[X.] im Streitfall allein es selbst, nicht aber die Stadt [X.] verpflichtet.

aa) Gemäß § 112 Abs. 1 Halbsatz 1 des [X.] ([X.]) idF vom 3. März 1998 ([X.]. GV[X.]l. S. 137), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 17. Juli 2012 ([X.]. GV[X.]l. S. 244), trägt das beklagte Land die persönlichen Kosten für die Lehrkräfte an öffentlichen Schulen. Zu den persönlichen Kosten zählen die Personalausgaben im Sinne des [X.]haushaltsrechts und die Reisekosten (§ 112 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Demgegenüber fallen dem Schulträger die sächlichen Kosten der öffentlichen Schulen zur Last (§ 113 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Hierzu gehören auch die persönlichen Kosten, soweit diese nicht das beklagte Land trägt (§ 113 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

bb) Die genannten Vorschriften regeln die Kostentragungspflicht im Innenverhältnis zwischen Dienstherr und Schulträger. Die Stellung des beklagten [X.] als Schuldner des von dem Kläger erhobenen Aufwendungsersatzanspruchs wird durch etwaige Erstattungsansprüche des beklagten [X.] gegenüber der Stadt [X.] nicht berührt. Selbst wenn der Kläger einen Erstattungsanspruch gegen die Stadt [X.] hätte, entlastete dies das beklagte Land nicht. In diesem Falle ständen dem Kläger zwei Schuldner gegenüber, deren Haftung sich nach den Regeln über die Gesamtschuld (§ 421 [X.]G[X.]) richtete.

2. Das beklagte Land ist verpflichtet, den zu erstattenden [X.]etrag mit einem Zinssatz iHv. fünf Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit dem 6. April 2009 zu verzinsen, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 [X.]G[X.].

II. [X.] beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 97 Abs. 1, §§ 565, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Der Kläger hat seine Revision zurückgenommen. Die Revision der [X.]eklagten war nicht erfolgreich.