Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2020, Az. 4 StR 374/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1410

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Gegenstand

Strafverfahren: Besetzungsrüge wegen urlaubsbedingter Verhinderung eines Richters


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. November 2018, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch in den Fällen II.1. und 4. der Urteilsgründe, auch hinsichtlich des Mitangeklagten [X.], dahin geändert, dass die Angeklagten der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig sind;

b) aufgehoben

aa) im Strafausspruch in den tateinheitlich [X.] Fällen II.3. und 7. der Urteilsgründe mit den Feststellungen, soweit sich die Tat auf die Selbstladepistole [X.] 34 und die Selbstladepistole [X.] jeweils mit Magazin und [X.] bezieht,

bb) im [X.],

cc) im Ausspruch über die Einziehung der Selbstladepistole [X.] 34 mit Magazin und [X.] und der Selbstladepistole [X.] mit Magazin und [X.].

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes halbautomatischer Kurzwaffen zum Verschießen von [X.] in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner [X.] getroffen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und mit Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

1. Soweit für die Entscheidung von Bedeutung, hat das [X.] folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

Der Mitangeklagte [X.]hatte Kontakt zu Drogenhändlern in [X.], die eine größere Menge Kokain und Ecstasy-Tabletten mit einem Lastkraftwagen in die [X.] bringen lassen wollten. Der Angeklagte bot an, den Transport zu übernehmen, wofür er 80.000 Euro erhielt, von denen er 5.000 Euro an den Mitangeklagten [X.]weitergab. Am 4. und 5. März 2015 holte er die Betäubungsmittel, zehn Kilogramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 75 % [X.] und mindestens 400.000 Ecstasy-Tabletten, in drei Teillieferungen selbst aus [X.] nach [X.]; eine vierte Teillieferung ließ er von einer unbekannt gebliebenen Person holen. Dem Angeklagten und dem Mitangeklagten [X.]gelang es aber nicht, in dem von den Drogenhändlern gewünschten [X.]raum einen Fernfahrer zu finden, der die Betäubungsmittel auf seiner Fahrt in die [X.] mitnehmen würde. Die Drogenhändler bestanden deshalb auf der Rückabwicklung des Geschäfts. Sie holten das Rauschgift am 13. März 2015 wieder ab, der Angeklagte zahlte ihnen 75.000 Euro zurück; den Restbetrag forderten sie vom Mitangeklagten [X.]   (Fall 1 der Urteilsgründe).

4

Am 17. März 2015 ließ der Angeklagte durch einen Boten eine funktionsfähige Faustfeuerwaffe [X.], zwei leere Magazine und 42 Schachteln mit 2.100 Schuss Munition zu dem [X.] Fernfahrer S.    nach [X.] bringen, der Waffe und Munition in die [X.] transportieren sollte. S.    wurde nach Überqueren der [X.] festgenommen, Waffe und Munition wurden sichergestellt (Fall 3 der Urteilsgründe).

5

Anfang Mai 2015 sollten im Auftrag der [X.] Drogenhändler fünf Kilogramm Kokain aus [X.] in die [X.] transportiert werden. Der Mitangeklagte [X.]warb einen [X.] Lastkraftwagenfahrer für den Transport an. Der Angeklagte holte das in eine Werkzeugkiste eingebaute Kokain am 5. Mai 2015 in [X.] ab und händigte es dem [X.] Lastkraftwagenfahrer auf der Raststätte [X.] aus. Auch zahlte er ihm aus eigenen Mitteln einen Vorschuss auf den Kurierlohn. Der Mitangeklagte stand währenddessen mit beiden in Telefonverbindung und gab Anweisungen für das Treffen. Das Rauschgift wurde nach Einreise in die [X.] von [X.] Behörden sichergestellt (Fall 4 der Urteilsgründe).

6

Am 1. März 2016 wurden bei der Durchsuchung des [X.] des Angeklagten im [X.] seines [X.]  eine Selbstladepistole „[X.] 34“ mit Magazin und [X.] und eine Selbstladepistole „[X.]“ mit Magazin und [X.] aufgefunden. Im Schlafzimmer der Eheleute D.     befand sich ein Magazin mit zwölf Patronen des Kalibers 9 x 19 mm und in einem der Kellerräume ein funktionsunfähiges Gewehr „[X.]“. Auf dem Gelände des [X.] des Angeklagten in [X.] wurden in einem Kraftfahrzeug 72 Schuss Munition unterschiedlichen Kalibers gefunden (Fall 7 der Urteilsgründe).

7

2. Das [X.] hat die Taten in den Fällen 1 und 4 der Urteilsgründe als gemeinschaftliche Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigt. Der Angeklagte und der Mitangeklagte [X.]hätten jeweils ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Erfolg der Tat, objektive Tatherrschaft und einen Willen zur Tatherrschaft gehabt. Im Fall 3 der Urteilsgründe habe sich der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von [X.] gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2b [X.] in Verbindung mit unerlaubtem Besitz von Munition gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2b [X.] strafbar gemacht, im Fall 7 wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von [X.] gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2b [X.] in Verbindung mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2a [X.] und von Munition gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2b [X.]. Weil nach den Feststellungen nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte die tatsächliche Gewalt über die vorgenannten Waffen und Munition zumindest teilweise gleichzeitig ausgeübt habe, träfen die verschiedenen Verstöße gegen das [X.] zusammen.

II.

8

Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die Verfahrensrüge 2 (Verletzung des Fragerechts) ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unzulässig. [X.] Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge 1, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 338 Nr. 1 StPO beanstandet:

9

1. a) Der Verfahrensgang hat sich nach dem Vortrag der Revision wie folgt dargestellt:

Nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.]s Hagen für das [X.] war für das vorliegende Verfahren die 3. große [X.] zuständig, die mit dem Vorsitzenden [X.] am [X.] Be.    , dem [X.] am [X.] B.   und dem [X.] am [X.] K.    besetzt war. Die [X.] eröffnete das Hauptverfahren mit Beschluss vom 2. November 2016; vom Vorsitzenden wurden 25 [X.] in der [X.] vom 29. November 2016 bis zum 21. März 2017 angesetzt, u.a. am 13. und am 22. Dezember 2016. Der Verteidiger erhielt die Ladung mit der Mitteilung der Besetzung der [X.], u.a. mit den vorgenannten drei Berufsrichtern, am 11. November 2016. Am 18. November 2016 wurde mitgeteilt, dass an Stelle des [X.]s am [X.] K.    [X.] [X.]an der Hauptverhandlung teilnehmen werde. Auf eine telefonische Anfrage des Verteidigers nach dem Grund der Besetzungsänderung soll ihm der Vorsitzende mitgeteilt haben, „man wolle Herrn [X.] am [X.] K.    die Teilnahme an dem Umfangsverfahren ersparen, da er zum Jahreswechsel in eine andere Kammer versetzt werde, deshalb habe er Urlaub nun angemeldet“.

Die Verteidigung erhob daraufhin am ersten Hauptverhandlungstag, dem 29. November 2016, rechtzeitig einen [X.] hinsichtlich des [X.]s [X.]. Es fehle an einer begründeten Feststellung der Verhinderung des [X.]s am [X.] K.   , der erst nach der Terminierung am 18. November 2016 für die [X.] vom 19. bis zum 23. Dezember 2016 Urlaub beantragt und bewilligt bekommen habe. Auch liege keine unvermeidbare Verhinderung vor, vielmehr wäre der Terminkollision durch eine Änderung der Terminierung zu begegnen gewesen. Nach Erhebung des [X.] teilte der Vorsitzende mit, dass [X.] am [X.] K.    am 23. November 2016 auch Urlaub für den 13. Dezember 2016 beantragt und bewilligt erhalten habe. Die [X.] wies am selben Tag den [X.] durch Beschluss zurück. Einer förmlichen Feststellung der Verhinderung von [X.] am [X.] K.    habe es nicht bedurft, weil die Verhinderung wegen Urlaubs offensichtlich sei. Der Eintritt des [X.] hätte sich durch eine Aufhebung der Verhandlungstermine vom 13. und 22. Dezember 2016 nicht abwenden lassen, weil zwischen den anberaumten [X.] am 12. Dezember 2016 und dem 4. Januar 2017 die Höchstdauer der [X.] des § 229 Abs. 1 StPO überschritten worden wäre. Ein Versuch, einen weiteren Verhandlungstermin einzuschieben, sei wegen der Vielzahl der Verfahrensbeteiligten nicht erfolgversprechend gewesen. Auch die Gegenvorstellung der Verteidigung wies die [X.] unter Bezugnahme auf die Gründe dieses Beschlusses zurück.

b) Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass [X.] [X.]nicht sein gesetzlicher [X.] gewesen sei. Er sieht einen offensichtlichen Verhinderungsgrund nur in Erholungsurlaub, der vor einer Kollision mit später entstandenen Terminen beantragt und bewilligt war. Die Verhinderung des [X.]s am [X.] K.    hätte zudem durch Aufhebung der [X.] vom 13. und 22. Dezember 2016, wobei die [X.] des § 229 Abs. 1 StPO gewahrt geblieben wäre, beseitigt werden können.

2. Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.

a) Soweit die Revision nunmehr geltend macht, [X.] am [X.] K.    habe gezielt Urlaub genommen, um sich wegen einer geplanten Versetzung in eine andere [X.] zum Jahreswechsel die Teilnahme an dem bis in das neue Geschäftsjahr terminierten [X.] zu ersparen, ist die Rüge bereits präkludiert. Der Angeklagte hat diesen Einwand nicht zum Gegenstand seiner Besetzungsrüge gemacht.

Die Zulässigkeit einer Besetzungsrüge setzt voraus (§ 338 Abs. 1 Nr. 1b StPO), dass der [X.] bereits in der Hauptverhandlung vor dem [X.] „rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form“ geltend gemacht worden ist. Die Vorschrift des § 338 Abs. 1 Nr. 1b StPO nimmt damit Bezug auf § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO, der bestimmt, dass die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben sind. Alle Beanstandungen müssen gleichzeitig geltend gemacht werden (§ 222b Abs. 1 Satz 3 StPO). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht statthaft ([X.]/[X.] StPO, 63. Aufl., § 222 b Rn. 7; Gmel in [X.], 8. Aufl., § 222b Rn. 9). Mit der erst im Revisionsverfahren vorgetragenen Begründung kann der Angeklagte deshalb nicht mehr gehört werden.

b) In dem verbleibenden Umfang ist die Rüge unbegründet.

aa) Eine förmliche Feststellung der Verhinderung von [X.] am [X.] K.   durch den Präsidenten des [X.]s war nicht erforderlich, weil eine Verhinderung durch Urlaub offenkundig ist ([X.], Beschluss vom 5. April 1989 – 2 StR 39/89, [X.]R StPO § 338 Nr. 1 Vertreter 2; Urteil vom 18. April 2001 – 2 [X.], [X.], 491). Dies gilt auch dann, wenn von dem Urlaub des Mitglieds des [X.] nur einzelne Sitzungstage einer auf mehrere Tage anberaumten Hauptverhandlung betroffen sind (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2002 – 5 StR 60/02, [X.]R StPO § 338 Nr. 1 Vertreter 6) oder der Urlaub erst beantragt und bewilligt wird, nachdem ein Verfahren bereits terminiert und eine Besetzungsmitteilung erfolgt war. Die grundsätzliche Bestimmung des gesetzlichen [X.]s durch die Terminierung führt nicht dazu, dass damit die mitwirkenden [X.] unabänderlich feststünden, da auch nach einer Terminsbestimmung eine Änderung der [X.]bank eintreten kann, etwa durch Krankheit, Abordnung, Eintritt in den Ruhestand, anderweitige vorrangige Dienstgeschäfte oder auch Urlaub, zumal wenn weitläufig im Voraus terminiert wird. Es begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken, wenn einem nach dem Geschäftsverteilungsplan für die Mitwirkung an dem Verfahren bestimmten [X.] auch nach der Terminierung einer Hauptverhandlung und nach Mitteilung der Besetzung [X.] gewährt wird, die als Sitzungstage anberaumt sind, wenn dies mit den dienstlichen Belangen zu vereinbaren ist.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision war der Vorsitzende auch nicht gehalten, den Eintritt des [X.] durch kurzfristige Änderung der Terminierung Rechnung zu tragen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2010 – 4 [X.]; Urteil vom 14. September 2016 – 5 [X.] Rn. 25).

Eine Verhinderung tritt auch dann ein, wenn sie an einzelnen anberaumten [X.]n, nicht notwendig bereits am ersten Hauptverhandlungstag, besteht. Ob ein Vorsitzender in diesem Falle für die Hauptverhandlung einen Vertreter heranzieht oder ob er eine Verhinderung an einzelnen Tagen durch eine Umterminierung zu beseitigen sucht, ist seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen. Dabei ist u.a. zu beachten, dass das Beschleunigungsgebot in Haftsachen eine besonders zügige Terminierung verlangt. Im Übrigen sind die Möglichkeiten eines Vorsitzenden zur Terminierung einer [X.] in der Regel schon faktisch durch die weiteren bei dem jeweiligen Spruchkörper anhängigen Verfahren und durch die nicht uneingeschränkte terminliche Verfügbarkeit der weiteren Verfahrensbeteiligten begrenzt. Umstände, die auf einen willkürlichen Ermessensfehlgebrauch schließen ließen, trägt die Revision nicht vor.

Eine willkürliche Verfahrensweise ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Begründung der [X.] im Beschluss vom 29. November 2016, bei einer Aufhebung der [X.] am 13. und 22. Dezember 2016 werde die Höchstdauer einer gemäß § 229 Abs. 1 StPO zulässigen Unterbrechung überschritten, nicht zutreffend ist mit Blick auf die anberaumten [X.] vom 12. Dezember 2016 und 4. Januar 2017, an denen der zuständige [X.] nicht verhindert war (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Februar 2016 – 1 [X.], [X.]R StPO § 229 Abs. 3 Beschluss 1). Dieser naheliegend auf einem Zählfehler beruhende Irrtum führt jedoch nicht dazu, dass die Entscheidung als willkürlich anzusehen ist, was das Revisionsgericht hier angesichts der Art der erhobenen Einwendungen allein prüft (vgl. zur Rechtsmäßigkeitsprüfung bei Geschäftsverteilungs- und Vertretungsregelungen [X.], Urteil vom 9. April 2009 – 3 [X.], [X.]St 53, 268; Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 [X.], [X.], 226), zumal auch der ersatzlose Wegfall von zwei [X.]n in einer eng terminierten Haftsache eine Besetzungsänderung nicht dem Vorwurf der Willkür aussetzen würde.

III.

Der sachlich-rechtlichen Prüfung hält das Urteil teilweise nicht stand.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in den Fällen 1 und 4 der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] zum Handeltreiben muss für eine zutreffende Einordnung des Tatbeitrags eines Kuriers auf das Umsatzgeschäft insgesamt abgestellt werden. Maßgeblich ist für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe dabei, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. [X.], Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 [X.], [X.]St 51, 219; Urteil vom 7. Februar 2008 – 5 [X.], [X.], 1460 jeweils mwN). Erschöpft sich der Tatbeitrag eines Drogenkuriers im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, liegt selbst dann keine Täterschaft vor, wenn ihm Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben (Senatsbeschlüsse vom 12. August 2014 – 4 [X.]; vom 3. Juli 2014 – 4 [X.] und vom 22. August 2012 – 4 StR 272/12, [X.], 375; [X.], Beschluss vom 4. Februar 2014 – 3 [X.], [X.], 111 jeweils mwN). Dies gilt entsprechend für denjenigen, der den eigentlichen Kurier anwirbt ([X.], Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 5 [X.] Rn. 6, [X.], 392, 393). Eine andere Bewertung kommt nur in Betracht, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder zu erzielenden Gewinn erhalten soll.

Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe die [X.] in die [X.] übernommen und im Fall 3 der Urteilsgründe das Rauschgift in einer Werkzeugkiste aus [X.] zu dem weiteren Kurier in [X.] gebracht. Mit dem An- und Verkauf des Rauschgifts hatte der Angeklagte nichts zu tun, er hatte auch keinerlei Einfluss auf die Bestimmung von Art und Menge des zu transportierenden Rauschgifts.

Der Schuldspruch ist daher dahin zu ändern, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig ist.

Die rechtsfehlerhafte Würdigung der Beteiligungsform des Handeltreibens durch die [X.] betrifft den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]   in gleicher Weise wie den Angeklagten D.    . Die Schuldspruchänderung ist daher gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten zu erstrecken (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. Mai 1996 – 1 StR 245/96, [X.], 507 f.; vom 31. Juli 1996 – 3 StR 269/96, [X.], 379 bei Kusch).

§ 265 StPO hindert eine Schuldspruchberichtigung nicht, da auszuschließen ist, dass sich die Angeklagten D.     und [X.]anders als geschehen hätten verteidigen können. Die Aussprüche über die gegen die Angeklagten verhängten Strafen bleiben von der Änderung des Schuldspruchs unberührt. Der Senat schließt aus, dass das [X.] bei einer zutreffenden rechtlichen Würdigung auf geringere als die verhängten Strafen erkannt hätte. Der wesentliche Schuldgehalt der Tat liegt sowohl vom äußeren Erscheinungsbild als auch vom Gewicht der Straftat her, wie sie in der gesetzlichen Strafandrohung zum Ausdruck kommt, in der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln. Die [X.] hat in beiden Fällen nicht zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt, dass jeweils zwei Tatbestände verwirklicht worden sind.

2. Im Fall 7 der Urteilsgründe hält die Beweiswürdigung, aufgrund derer die [X.] auch die im [X.] des [X.] des Angeklagten aufgefundenen Selbstladepistolen dem Angeklagten zuordnet, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten hat die [X.] insoweit wie folgt begründet: „Schließlich beruht die Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten D.    auch auf den Ausführungen der Sachverständigen Dr. M.    , die die im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen vom 01.03.2016 sichergestellten Waffen und Patronen daktyloskopisch untersucht hat und die von ihr gefundenen Ergebnisse in der Hauptverhandlung im Einzelnen erläutert hat. Danach fanden sich an der Innenseite des [X.], des Verschlusses und des Griffstücks der ‚[X.]‘ jeweils Anhaftungen, die nach der vorgenommenen molekulargenetischen Untersuchung hauptsächlich dem Angeklagten D.    als Spurenverursacher zugeordnet werden konnten… Dem steht auch nicht entgegen, dass die beiden Selbstladepistolen im [X.] seines [X.] gefunden wurden. Auch diese beiden Waffen sind dem Angeklagten zuzuordnen, da sich zumindest auf einer der beiden Pistolen zweifelsfrei ihm zuzuordnende Fingerspuren befanden…“

a) Nach diesen Urteilsausführungen ist zum einen bereits unklar, ob außer molekulargenetischen Spuren auch daktyloskopische Spuren des Angeklagten an einer der Selbstladepistolen gesichert werden konnten. Zum anderen aber entspricht die Darstellung des Beweisergebnisses des molekulargenetischen Vergleichsgutachtens nicht den Anforderungen der Rechtsprechung.

Nach der neueren Rechtsprechung muss in den in der forensischen Praxis gebräuchlichen Verfahren lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt werden, sofern sich die Untersuchungen auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen ([X.], Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, [X.]St 63, 187). Bei Mischspuren, d.h. solchen Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. [X.]/Fimmers/[X.]/[X.], NStZ 2007, 447), ist jedoch in den Urteilsgründen weiterhin mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. November 2019 – 4 [X.], NJW 2020, 350; vom 22. Mai 2019 – 1 StR 79/19 Rn. 6; vom 24. Januar 2019 – 1 [X.] Rn. 8 f.; vom 6. Februar 2019 – 1 StR 499/18, [X.], 427, 428; jeweils mwN).

b) Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Den Ausführungen der [X.], dass die Anhaftungen nach der molekulargenetischen Untersuchung „hauptsächlich“ dem Angeklagten D.     zugeordnet werden konnten, ist zu entnehmen, dass es sich bei den Spuren um Mischspuren mit eindeutigem Hauptverursacher handelt. Die Zahl der möglichen Spurenverursacher nennt das Urteil nicht. Darüber hinaus fehlt es an der erforderlichen Darstellung der untersuchten Systeme und den sich ergebenden Übereinstimmungen. Dem Urteil sind auch die Ergebnisse der biostatistischen Berechnung nicht zu entnehmen.

c) Der Rechtsfehler führt nicht zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 3 und 7 der Urteilsgründe, weil der Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe im Fall 3 der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei festgestellt ist. Allerdings ist die [X.] bei der Strafzumessung von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen. Sie hat ausdrücklich strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte gleichzeitig die tatsächliche Gewalt über mehrere halbautomatische Selbstladepistolen ausübte. Der Senat hebt deshalb die Einzelstrafe in den Fällen 3 und 7 der Urteilsgründe mit den Feststellungen insoweit auf, als sie den Besitz an den im [X.] des [X.] aufgefundenen halbautomatischen Selbstladepistolen betreffen. Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

Die Einziehung der Selbstladepistolen [X.] 34 und [X.], jeweils mit Magazin und [X.], hat angesichts der aufgehobenen Feststellungen zum Besitz an diesen Waffen keinen Bestand.

Sost-Scheible     

        

     Roggenbuck     

        

[X.]

        

Rin[X.] [X.] ist im Urlaub
und daher gehindert zu
unterschreiben.

                          
        

Sost-Scheible

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 374/19

18.03.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 15. November 2018, Az: 43 KLs 7/16

§ 222b Abs 1 S 2 StPO, § 229 Abs 1 StPO, § 338 Nr 1 Buchst b StPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2020, Az. 4 StR 374/19 (REWIS RS 2020, 1410)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1410

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