Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2005, Az. I ZR 190/02

I. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3929

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/02 Verkündet am: 21. April 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

Optometrische Leistungen III

[X.] § 1 Abs. 2; UWG § 4 Nr. 11

Eine hinreichende Aufklärung über die mit der berührungslosen Augeninnen-druckmessung (Tonometrie) und der Prüfung des Gesichtsfeldes mittels einer Computermessung (automatische Perimetrie) durch Optiker verbundene mittel-bare Gesundheitsgefährdung erfordert keine Schriftlichkeit des aufklärenden Hinweises.

[X.], Urt. v. 21. April 2005 - [X.]/02 - [X.] [X.]

- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 21. April 2005 durch [X.] Dr. Ullmann und [X.] [X.], [X.], [X.] und Dr. Bergmann für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 2. Juli 2002 wird auf Kosten der Klägerin zu-rückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte, die ein Optikergeschäft betreibt, bot im Jahre 1994 berüh-rungslose Augeninnendruckmessungen (Tonometrie) und Prüfungen des [X.] mittels einer Computermessung (automatische Perimetrie) an und erbrachte diese Leistungen auch in ihren Geschäftsräumen.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren [X.], hat dies als Verstoß gegen § 1 UWG a.F. i.V. mit § 1 Abs. 2 [X.] beanstandet. - 3 - Das [X.] hat der auf Unterlassung gerichteten Klage im [X.] stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil des [X.]s teilweise abgeändert und der [X.] untersagt, in ihrem Augenoptikergeschäft Tonometrie und Perimetrie anzubieten und durch-zuführen sowie für diese Dienstleistungen zu werben, ohne den Kunden vor Durchführung bzw. in der Werbung darauf hinzuweisen, daß nur eine Untersu-chung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen kann.
Hinsichtlich des Angebots und der Durchführung der Tonometrie und der Perimetrie in dem Geschäft der [X.] sowie der Werbung für die Tonome-trie hat der Senat auf die Revision der Klägerin das Urteil des Berufungsge-richts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit aufge-hoben, als die ausgesprochenen Verbote den Zusatz "ohne den Kunden vor Durchführung der Maßnahme (bzw. in der Werbung) darauf hinzuweisen, daß nur eine Untersuchung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Be-fund ausschließen kann" enthielten, und hat im Umfang der Aufhebung auf die Berufung der Klägerin das Urteil des [X.]s dahingehend abgeändert, daß dieser Zusatz entfällt ([X.], Urt. v. 10.12.1998 - I ZR 137/96, [X.], 512 = [X.], 315 - Optometrische Leistungen I).
Auf die Verfassungsbeschwerde der [X.] hat das Bundesverfas-sungsgericht (2. Kammer des [X.]) dieses Urteil durch Beschluß vom 7. August 2000 - 1 BvR 254/99 wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG auf-gehoben und das Verfahren an den [X.] zurückverwiesen ([X.] NJW 2000, 2736). - 4 - Der Senat hat daraufhin auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil im Kostenpunkt und im Umfang der ausgesprochenen Verbote hinsichtlich des Anbietens und der Durchführung der Tonometrie und der Perimetrie sowie hin-sichtlich der Werbung für Tonometrie aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen ([X.], Urt. v. 21.6.2001 - I ZR 197/00, [X.], 1170 = [X.], 1166 - Optometrische Leistungen II).
Nach Zurückverweisung hat die Klägerin mit ihrem Hauptantrag weiterhin ein generelles Verbot der beanstandeten Dienstleistungen begehrt.
Hilfsweise hat sie beantragt, der [X.] Angebot und Durchführung der Tonometrie und der Perimetrie zu untersagen, wenn nicht zuvor bestimmte aufklärende Hinweise gegeben werden. Den Inhalt der Hinweise hat die Kläge-rin in mehreren [X.] umschrieben. Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Zurückweisung der Beru-fung der Klägerin im übrigen gemäß den Berufungsanträgen zu 6 und 7 verur-teilt ([X.] OLG-Rep 2002, 347).
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Kläge-rin ihre Berufungsanträge zu 2 bis 5 weiter, mit denen sie begehrt, daß die Auf-klärung - über den vom Berufungsgericht zuerkannten Inhalt hinaus - durch ei-ne schriftliche, vom Kunden zu unterzeichnende Belehrung erfolgen und hin-sichtlich der Tonometrie einen Hinweis auf eine statistische Fehlerquote der Messungen von 50 % enthalten muß.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
- 5 - Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat den Hauptantrag zu 1 sowie die [X.] der Klägerin zu 2 bis 5 abgewiesen und die Beklagte nach den [X.] zu 6 und 7 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der auf ein generelles Verbot der von der [X.] angebotenen To-nometrie und Perimetrie gerichtete Hauptantrag bleibe bereits aufgrund der Entscheidung des [X.] vom 7. August 2000 ohne Erfolg. Es stehe nur eine mittelbare Gefahr für die Volksgesundheit in Frage, der durch einen deutlichen Hinweis darauf, daß durch die Meßverfahren allein ein gefähr-liches Glaukom weder festgestellt noch ausgeschlossen werden könne, wirk-sam begegnet werden könne. Die [X.] zu 2 bis 4 seien schon deshalb unbegründet, weil die Klägerin damit etwas verlange, das nicht den [X.] an eine objektive Information der Kunden über mögliche Risiken genü-ge. Der Hilfsantrag zu 5 enthalte Anforderungen (Schriftform, Unterschrift des Kunden, Hinweis auf die Mißerfolgsquote der Messungen), die nicht erforderlich seien, um die mittelbare Gesundheitsgefahr auszuräumen. Die Beklagte könne daher nur gemäß dem Hilfsantrag zu 6 verurteilt werden.
I[X.] Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht an-genommen, daß die Klägerin von der [X.] nicht verlangen kann, die To-nometrie und die Perimetrie nur mit den in den [X.] zu 2 bis 5 um-schriebenen Hinweisen anzubieten und durchzuführen.
1. Die in der Tonometrie und der Perimetrie liegende Ausübung der [X.] 2 [X.] ohne die dazu nach § 1 Abs. 1 [X.] erfor-- 6 - derliche Erlaubnis sowie die Werbung hierfür sind keine nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlauteren [X.]handlungen, wenn einer mittelbaren Gefährdung der Gesundheit der Kunden durch einen aufklärenden Hinweis, daß ein krank-hafter Befund zuverlässig nur durch einen Augenarzt ausgeschlossen werden kann, hinreichend begegnet wird (vgl. [X.] NJW 2000, 2736 f.). Rechtsfeh-lerfrei hat das Berufungsgericht festgestellt, daß eine solche mittelbare [X.]sgefährdung nicht erst durch die von der Klägerin in ihren Anträgen zu 2 bis 5 verlangten Hinweise ausgeschlossen ist, sondern insoweit bereits die im Antrag zu 6 formulierten Hinweise genügen.
2. Die Revision wendet sich insbesondere dagegen, daß das Berufungs-gericht sowohl eine schriftliche Erteilung der Hinweise als auch eine Bestäti-gung des Erhalts der Hinweise durch eine Unterschrift des Kunden für entbehr-lich erachtet hat. Ferner hält sie bei der Tonometrie einen Hinweis, daß die Messungen für sich betrachtet statistisch in über 50 % der Fälle einen vorhan-denen Grünen Star (Glaukom) nicht aufdecken, für notwendig. Entgegen der Ansicht der Revision lassen die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht derartige Hinweise zum Schutz der Gesundheit für nicht erforderlich gehalten hat, einen Rechtsfehler nicht erkennen.
a) Bestehen die mit einer Tätigkeit verbundenen Gefahren für die [X.] nur darin, daß notwendige ärztliche Hilfe vernachlässigt oder versäumt wird, so muß lediglich sichergestellt werden, daß ein solches Unterlassen [X.] Behandlung durch das in Rede stehende Verhalten nicht veranlaßt oder gestärkt wird (vgl. [X.], [X.]. [X.] - 1 BvR 784/03, NJW-RR 2004, 705). Dazu kann ein ausdrücklicher Hinweis, daß die betreffen-de Tätigkeit eine ärztliche Behandlung nicht ersetzt, genügen. Die Feststellung, welche Anforderungen an einen solchen Hinweis im Einzelfall zu stellen sind, - 7 - obliegt dem Tatrichter, dem dabei ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. [X.] NJW-RR 2004, 705; [X.] [X.], 1170, 1173 - Optometrische Leistungen II).
b) Rechtlich unbedenklich hat das Berufungsgericht angenommen, daß der [X.] im vorliegenden Fall nicht vorgeschrieben werden kann, die Hin-weise schriftlich zu erteilen. Die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichts, daß die erforderliche umfassende objektive Information der Kunden über die mittel-baren Gesundheitsgefahren der von den Augenoptikern durchgeführten Tono-metrie und Perimetrie inhaltlich auch mündlich erfolgen kann, wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Wie das Berufungsgericht zu Recht anführt, hat die mündliche Aufklärung den Vorteil, daß auf den [X.] des jeweiligen Kunden Rücksicht genommen werden kann und ihm Rückfragen möglich sind. Soweit die Revision demgegenüber maßgeblich darauf abstellen will, daß mündliche Erläuterungen dem Kunden nicht in gleicher Weise wie schriftliche Hinweise auch nach der Untersuchung noch zur Verfügung stehen, kommt diesem Umstand im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Es genügt, wenn dem Kunden durch den mündlichen Hinweis deutlich gemacht wird, daß durch die Meßverfahren allein ein gefährliches Glaukom weder festgestellt noch ausgeschlossen werden kann, sondern es dazu der ärztlichen Untersuchung bedarf. Nicht notwendig ist dagegen, daß dem Kunden alle Einzelheiten der Aufklärung dauerhaft im Bewußtsein bleiben.
Entgegen der Ansicht der Revision entspricht eine Verpflichtung zu schriftlicher Aufklärung auch nicht der normalen Praxis im Gesundheitswesen. Insbesondere der ärztlichen Aufklärungspflicht wird im Gegenteil grundsätzlich nur durch ein Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient genügt und ge-rade nicht durch Aushändigung und Unterzeichnung von Formularen und [X.] 8 - blättern (vgl. [X.], Urt. v. 8.1.1985 - VI ZR 15/83, NJW 1985, 1399; Urt. v. 25.3.2003 - VI ZR 131/02, NJW 2003, 2012, 2013). Die Notwendigkeit einer schriftlichen Aufklärung sowie einer schriftlichen Bestätigung durch den Kunden läßt sich auch nicht mit den damit verbundenen Beweismöglichkeiten begrün-den. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für eine hinreichende Auf-klärung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Ob die Aufklärung schriftlich oder mündlich erteilt wird, hat darauf keinen Einfluß. Von einer Pflicht zur Dokumentation geht auch die Klägerin nicht aus.
c) Die Ansicht des Berufungsgerichts, ein Hinweis, daß durch die Tono-metrie in etwa 50 % der Fälle ein Glaukom nicht erkannt werden könne, sei nicht erforderlich, um die mittelbare Gesundheitsgefährdung auszuräumen, ist gleichfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Rüge der Revision, ein solcher Hinweis sei geboten, weil die Kunden der [X.] die von dieser beworbenen und angebotenen Untersuchungen, anders als das Berufungsge-richt angenommen habe, offenbar durchaus im Sinne einer Diagnose auffaßten, zumindest aus den ihnen mitgeteilten Meßergebnissen diagnostische Rück-schlüsse zögen, ist unbegründet. Nach den von der Revision insoweit nicht an-gegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts beruht der Umstand, daß durch die Tonometrie in etwa 50 % der Fälle ein Glaukom nicht erkannt werden kann, nicht auf einer Ungenauigkeit des [X.] als solchen. Vielmehr ist dies darauf zurückzuführen, daß bei einem in erheblicher Zahl vorkommen-den Normaldruckglaukom kein erhöhter Augeninnendruck festzustellen ist und außerdem aufgrund tageszeitlicher Schwankungen, die sich gerade bei einer Glaukomerkrankung ergeben können, einige Glaukome bei der Tonometrie nicht auffallen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei ausreichend, wenn die Beklagte auf diese Umstände ausdrücklich hinweise und damit den allgemeinen Hinweis verbinde, daß die Messung allein noch keine Feststellung - 9 - des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins eines Glaukoms erlaube, son-dern dies nur durch einen Augenarzt auf der Grundlage weiterer Untersuchun-gen festgestellt werden könne, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
II[X.] Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

[X.] [X.]

Büscher Bergmann

Meta

I ZR 190/02

21.04.2005

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2005, Az. I ZR 190/02 (REWIS RS 2005, 3929)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3929

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