Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.07.2010, Az. IV B 55/09

4. Senat | REWIS RS 2010, 4774

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Gegenstand

Keine Vorlage der Vollmacht in mündlicher Verhandlung - Klageabweisung - Verfahrensverstoß


Leitsatz

NV: Wird der Prozessbevollmächtigte ohne Vorlage einer Vollmacht einstweilen zur Prozessführung zugelassen, so kann ein Endurteil erst nach Ablauf der für die Beibringung der Vollmacht (bzw. Beibringung der Genehmigungen betr. die bisherigen Prozessführung) zu setzenden angemessenen Frist ergehen .

Tatbestand

1

I. An der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --T-GbR-- waren im Streitjahr (2006) neben [X.] drei weitere Gesellschafter beteiligt. Die Gesellschaft wurde aufgrund des [X.] vom 30. Juni 2000 aufgelöst; sie bestand jedoch --wie zwischen den Beteiligten unstreitig-- als Liquidationsgesellschaft jedenfalls bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ([X.]) fort. Für die gegen den [X.] 2006 erhobene Klage haben die Prozessbevollmächtigten zunächst nur eine von [X.] unterschriebene [X.] vorgelegt. Die Bevollmächtigten (Steuerberater …) hatten in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2009 [X.] gestellt; der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte beantragt, die Klage abzuweisen. Letzterem hat das [X.] entsprochen, da [X.] die [X.] die [X.] lediglich von [X.] unterzeichnet worden sei und es demnach an einer wirksamen Vertretung der T-GbR fehle. Die Prozessbevollmächtigten haben am 3. April 2009 dem [X.] eine von den Mitgesellschaftern am 8. September 2007 unterzeichnete [X.] eingereicht, die [X.] dazu ermächtigt, die T-GbR in allen steuerlichen Angelegenheiten (einschließlich etwaiger Rechtsstreitigkeiten vor den Finanzgerichten) zu vertreten.

Entscheidungsgründe

2

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet.

3

1. Der Vortrag der Klägerin, das [X.] habe unter Verstoß gegen Vorschriften des Verfahrensrechts die Klage als unzulässig abgewiesen, ist auf die Geltendmachung eines [X.] gerichtet (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80). Die Rüge muss bereits deshalb durchgreifen, weil das [X.] gegen § 89 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 [X.]O verstoßen hat. Da die Vorinstanz den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Steuerberatern … gestattet hat, für die Klägerin (Sach-)Anträge zu stellen, und das [X.] dem nicht widersprochen hat, war hiermit die einstweilige Zulassung der Steuerberater … zur Prozessführung gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 ZPO verbunden. Folge hiervon war, dass --was die Vorinstanz offensichtlich verkannt [X.] ein Endurteil erst nach Ablauf der für die Nachreichung der Prozessvollmacht (bzw. Beibringung der Genehmigungen bezüglich der bisherigen Prozessführung) zu setzenden (angemessenen) Frist ergehen durfte (Urteil des [X.] --BFH-- vom 6. September 1989 II R 62/87, [X.], 203, [X.] 1989, 1021; [X.] vom 6. Februar 2009 [X.]/08, juris; Gräber/Stapperfend, a.a.[X.], § 62 Rz 76). Der Umstand, dass das [X.] bereits vor der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2009 --schriftsätzlich-- auf die gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis aller Gesellschafter einer aufgelösten [X.] hingewiesen hat (vgl. §§ 730 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2, 714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. §§ 58 Abs. 2, 62 Abs. 6 [X.]O; dazu z.B. [X.] vom 27. Dezember 2006 [X.]/05, [X.], 747), vermag hieran nichts zu ändern.

4

2. Der Senat übt das ihm nach § 116 Abs. 6 [X.]O zustehende Ermessen dahin aus, dass er das vorinstanzliche Urteil aufhebt und die Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 116 Rz 65).

Meta

IV B 55/09

15.07.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 31. März 2009, Az: 8 K 2956/07 F, Urteil

§ 62 FGO, § 155 FGO, § 89 Abs 1 S 1 ZPO, § 89 Abs 1 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.07.2010, Az. IV B 55/09 (REWIS RS 2010, 4774)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4774

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