Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2001, Az. VI ZR 268/00

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2499

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/00Verkündet am:22. Mai 2001Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinZPO §§ 411 Abs. 4 Satz 2, 296 Abs. 1, 286 B, 402, 397a)Das Gericht muß die Frist nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO wegen der damit [X.] einschneidenden Folgen für die [X.] in [X.])Einem Antrag der [X.], den gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung [X.] schriftlichen Gutachtens zu laden, muß das Gericht stattgeben, es sei dennder Antrag ist verspätet oder rechtsmißbräuchlich gestellt worden.[X.], Urteil vom 22. Mai 2001 - [X.]/00 - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.]Dressler und [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] [X.] vom [X.] aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin beansprucht Schadensersatz für die Folgen eines nach [X.] durch den [X.] erlittenen Schlaganfalles.Im Frühjahr 1995 stellte der Beklagte bei der Klägerin durch einen Ab-strich eine Präkanzerose an der Gebärmutter fest. Am 21. April 1995 fand [X.] in der Praxis des [X.] ein Gespräch zwischen den [X.]en in An-wesenheit des Ehemannes der Klägerin statt. Der Beklagte entfernte die Ge-bärmutter der Klägerin am 3. Mai 1995 mittels eines Bauchschnittes. [X.] Komplikationen wurde die Klägerin am Morgen des 5. Mai 1995- 3 -gegen 5 Uhr in ihrem Bett in der Pflegeabteilung des [X.] in [X.], in dem der Beklagte Belegarzt war, mit einem Schlaganfall aufgefun-den. Sie ist seitdem rechtsseitig gelähmt und auf die Betreuung durch ihrenEhemann angewiesen. Durch die spätere histologische Untersuchung bestä-tigte sich der Krebsverdacht nicht.Die Klägerin behauptet, eine Gebärmutterentfernung mittels einesBauchschnittes sei nicht indiziert gewesen. Es hätte eine Konisation ausge-reicht, um eine Gewebeprobe für eine histologische Untersuchung zu entneh-men. Bei einem solchen Eingriff mit wesentlich leichterer Narkose hätte [X.] keinen Schlaganfall erlitten. Sie macht geltend, der [X.] habe sie unzureichend über die Alternative zur [X.] sowie überderen Risiken aufgeklärt. Sie verlangt Ersatz materiellen und immateriellenSchadens sowie die Feststellung der Einstandspflicht des [X.] für zu-künftige Schäden, die aufgrund der ärztlichen Behandlung im [X.] der [X.] am 3. Mai 1995 noch entstehen werden.Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg.Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre [X.] weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht ist aufgrund der Vernehmung des Ehemannes derKlägerin als Zeugen und des [X.] als [X.] der Auffassung, daß die Klä-- 4 -gerin ordnungsgemäß und ausreichend aufgeklärt worden sei. Der Beklagtehabe bei dem Gespräch am 21. April 1995 zur Verdeutlichung seiner Ausfüh-rungen eine Skizze erstellt und auf der [X.] "Besprechung desBefundes, der Vorgehensweise, Konisation oder [X.]. [X.]; [X.]; ..."eingetragen. Daraus sei zu folgern, daß er über die Konisation als Alternativezur [X.] mit der Klägerin gesprochen habe. Auf Grund des schriftlichenGutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. [X.] könne auch [X.] einer fehlenden Indikation für die Bauchoperation vor der Abklärung [X.] durch eine Gewebeuntersuchung ausgegangen werden. [X.] mündlichen Anhörung des Gutachters habe es trotz des Antrages der Klä-gerin nicht bedurft. In erster Instanz sei dieser zu Recht als verspätet zurück-gewiesen worden, weil die Frist zur Antragstellung nicht beachtet worden unddie Anhörung erst zwei Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlungverlangt worden sei. Diese habe im Termin nicht mehr durchgeführt [X.]. Gemäß § 528 Abs. 3 ZPO bleibe die Klägerin deshalb in der [X.] mit ihrem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen ausge-schlossen. Eine solche sei auch nicht von Amts wegen geboten. Sowohl [X.] als auch der Widerspruch zur abweichenden Auffassung des [X.] der Schlichtungsstelle Dr. S. seien auf Grund des schriftlichen Gut-achtens zur Überzeugung des Gerichts geklärt.II.Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind teilweise begrün-det und führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverwei-sung an das [X.] 5 -1. a) Ohne Erfolg beanstandet die Revision allerdings, daß das [X.] zum Inhalt des [X.] mit der Klägerin den [X.]n als [X.] von Amts wegen vernommen hat, obwohl Anhaltspunkte fürein durch die [X.]vernehmung zu erwartendes Beweisergebnis gefehlt [X.].Die Vernehmung der [X.] darf zwar nur angeordnet werden, wenn auf-grund einer vorangegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen [X.] bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisendeTatsache spricht. Das hierbei dem Tatrichter eingeräumte Ermessen ist [X.] darauf überprüfbar, ob es rechtsfehlerhaft ausgeübt wordenist oder die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung verkannt wordensind (st.Rspr., [X.] Urteile vom 5. Juli 1989 - [X.] - NJW 1989, 3222und vom 16. Juli 1998 - [X.] - NJW 1999, 363 m.w.N.). Ein [X.] durch das Berufungsgericht ist aber nicht gegeben.Einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Aufklärung hat das [X.] nämlich mit Recht darin gesehen, daß die Klägerin ein Merkblattzum Aufklärungsgespräch unterzeichnet hat (vgl. zur Indizwirkung der [X.], schriftlichen Einwilligungserklärung Senatsurteile vom29. September 1998 - [X.]/97 - [X.], 190 und vom 8. Januar 1985- [X.] - [X.], 361). Ein weiteres Indiz wurde berechtigt mit [X.] Zeugen [X.] bestätigten Dauer des [X.] von 15 bis 30Minuten angenommen. Zwar konnte sich der Zeuge [X.] nicht daran erinnern,daß dabei über Risiken oder Alternativen der Behandlung gesprochen [X.], er bekundete aber, daß ihm der Beklagte auf Nachfrage mögliche [X.] erläutert habe. Mit Recht hat sich das Berufungsgericht hierzu [X.] auf die Einträge des [X.] auf dem Karteiblatt für die Klägerin und- 6 -die anläßlich des Gespräches am 21. April 1995 gefertigte Skizze gestützt.Aufgrund dieser Indizien konnte erwartet werden, daß der Beweis durch die[X.]vernehmung des [X.] geführt werden würde.Die Anordnung der Vernehmung des [X.] von Amts wegen warunter dem weiteren Gesichtspunkt der Chancengleichheit für die Prozeßpartei-en gerechtfertigt. Für den Inhalt des [X.] stand der Klägerinihr dabei anwesender Ehemann als Zeuge zur Seite. Hingegen war der [X.], obwohl beweispflichtig, [X.] (vgl. Senatsurteil vom 14. [X.] - [X.], 451). Diese Einseitigkeit der Beweismöglich-keiten ist im Rahmen des Ermessensgebrauchs nach § 448 ZPO ebenfalls zuberücksichtigen (vgl. [X.] Urteil vom 16. Juli 1998 - [X.] - [X.],994, 995 m.w.[X.]) Das Berufungsgericht hat auch die Aussage des [X.] in unan-greifbarer Weise gewürdigt. Es hat sein Beweisergebnis aufgrund einer umfas-senden Abwägung der Bekundungen des Zeugen [X.], des [X.], des [X.] der Eintragungen in der Patientenkartei und der angefertigtenSkizze gefunden. Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze istersichtlich nicht gegeben und wird von der Revision auch nicht [X.] Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß das schriftliche Gutachten desgerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. [X.], auf das sich das [X.] hat, keine ausreichende Grundlage für die richterliche Überzeugungsbil-dung biete, sondern den Anträgen der Klägerin auf mündliche Erläuterunghätte stattgegeben werden [X.]) Das Berufungsgericht durfte die Zurückweisung des Antrages derKlägerin auf mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen durch- 7 -das [X.] nicht nach § 296 Abs. 1 i.V.m. § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO fürgerechtfertigt halten, nachdem das [X.] diese auf § 296 Abs. 2 ZPOgestützt hatte. Der Ausschluß von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die [X.] im ersten Rechtszug vorgebracht worden sind, kommt im zweiten [X.] nur unter den Voraussetzungen des § 528 Abs. 3 ZPO in Betracht. Danachist erforderlich, daß die in erster Instanz erfolgte Ausschließung [X.]. Die Befugnis des Berufungsgerichts beschränkt sich insoweit darauf, dieRechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen. Dagegen [X.] ihm verwehrt, die Zurückweisung auf einen anderen als den vom erstin-stanzlichen Gericht angegebenen Grund zu stützen. Das im Rechtszug über-geordnete Gericht darf weder eine von der Vorinstanz unterlassene Zurückwei-sung nachholen noch die Zurückweisung auf eine andere als die von der [X.] angewandte Vorschrift stützen (st.Rspr., [X.] Urteile vom 9. [X.] - NJW 1981, 2255 ff.; vom 13. Dezember 1989 - [X.]/82 - NJW 1990, 1302 ff.; vom 27. Juni 1991 - [X.] - NJW 1991,2774).b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlte im übrigenauch für eine Zurückweisung des Antrages der Klägerin gemäß § 296 Abs. 1ZPO eine wirksame Fristsetzung zur Antragsstellung nach § 411 Abs. 4 Satz 2ZPO.Präklusionsvorschriften haben strengen Ausnahmecharakter, weil [X.] Grundrecht auf rechtliches Gehör einschränken und sich [X.] auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung auswirken.Sie ziehen damit einschneidende Folgen für die säumige [X.] nach sich. [X.] steht unter dem besonderen Gebot der Rechtssicherheit [X.]. Deshalb muß das Gericht - nicht der Vorsitzende (vgl. [X.] 8 -sielak, ZPO, 2. Aufl. § 411 Rdn. 7) - den Inhalt seiner Verfügung, mit der eseine Frist im Sinne des § 296 Abs. 1 ZPO setzt, klar und eindeutig abfassen,so daß bei der betroffenen [X.] von Anfang an vernünftigerweise keine Fehl-vorstellungen über die gravierenden Folgen der mit der Nichtbeachtung derFrist verbundenen Rechtsfolgen aufkommen können (vgl. [X.] Urteil vom5. März 1990 - [X.]/89 - NJW 1990, 2389 ff. und vom 27. Juni 1991- [X.] - aaO). Diesen Voraussetzungen genügte die Verfügung vom2. Juli 1999 nicht. Mit ihr hat lediglich der [X.] angeordnet, [X.] [X.]en bis 5. August 1999 Gelegenheit gegeben wird, zum [X.] zu nehmen. Offensichtlich handelte es sich dabei nur um eine Verfü-gung, mit der nach Eingang des schriftlichen Gutachtens der Dialog zwischenden [X.]en über dessen Inhalt eröffnet, aber auch zeitlich begrenzt und dernächste Termin für die mündliche Verhandlung vorbereitet werden sollte. [X.] hinausgehende Bedeutung durfte das Berufungsgericht dieser Verfü-gung nicht beimessen. Der Antrag der Klägerin im Schriftsatz vom28. September 1999 war deshalb in der Berufungsinstanz nicht nach § 528Abs. 3 ZPO ausgeschlossen.c) Das Berufungsgericht hat, indem es davon abgesehen hat, den [X.] Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden, denprozessualen Anspruch der Klägerin auf mündliche Befragung des Sachver-ständigen verletzt, §§ 397, 402 ZPO. Auch wenn das Berufungsgericht auf-grund des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. [X.] die [X.] der fehlenden Indikation für die Hysterektomie selbst für ausreichend [X.] erachtet hat, konnte die Klägerin verlangen, daß dem Sachverständigendie Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hielt, zur mündli-chen Beantwortung vorgelegt werden (st.Rspr., vgl. Senatsurteile vom- 9 -7. Oktober 1997 - [X.] - [X.], 342 und vom 17. Dezember1996 - [X.] - [X.], 509 ff. m.w.[X.] Klägerin hat in den Schriftsätzen vom 5. August 1999,28. September 1999, 17. Februar 2000 und 11. Mai 2000 auf den Widerspruchzwischen der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. [X.] undder Auffassung des Gutachters im Schlichtungsverfahren Dr. S. hingewiesen.Prof. Dr. [X.] hatte entgegen dem medizinischen Standard eine primäre Hyster-ektomie ohne vorherige Konisation bei der Klägerin für vertretbar gehalten, [X.] keinen Kinderwunsch mehr gehabt habe und aufgrund ihres Überge-wichts als Risikopatientin für die Narkose einzustufen gewesen sei. [X.] ausgeführt, daß es nach dem üblichen medizinischen Standarderforderlich gewesen sei, den Befund durch eine Konisation abzuklären undmöglicherweise die Portio zu sanieren, gerade weil es sich bei der Klägerinwegen ihrer starken Übergewichtigkeit um eine Risikopatientin gehandelt habe.Bei richtiger Vorgehensweise wäre der Schaden höchstwahrscheinlich nichteingetreten, weil sich nämlich bei einer Konisation oder einer Biopsie die ge-samte operative Belastung und Narkosezeit auf ein Minimum beschränkt hätte.Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht den Anträgen derKlägerin auf Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zur mündlichen Er-läuterung seines Gutachtens und gleichzeitige Anhörung des [X.].[X.]Dr. Dressler[X.][X.]Pauge

Meta

VI ZR 268/00

22.05.2001

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.05.2001, Az. VI ZR 268/00 (REWIS RS 2001, 2499)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2499

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