Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.05.2011, Az. 2 WD 9/10

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2011, 6785

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Gegenstand

Schusswaffenmissbrauch; Regelmaßnahme; Herabsetzung im Dienstgrad


Leitsatz

Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist eine Herabsetzung im Dienstgrad, wenn ein Soldat vorsätzlich gegen Dienstvorschriften im Umgang mit Schusswaffen verstößt.

Tatbestand

1

1. Der 1984 geborene frühere Soldat ist verheiratet und Vater eines vor elf Wochen geborenen Kindes. Nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife trat er im Juli 2004 bei der [X.] in M. seinen Dienst an und wurde am 4. Juli 2004 als Offizieranwärter in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde auf insgesamt sechs Jahre festgesetzt und endete am 30. Juni 2010. Seitdem studiert er Informatik.

2

Die Zahlung der [X.], die sich gegenwärtig 1 800 bis 1 900 € belaufen, wird am 30. Juni 2011 eingestellt werden. Die Übergangsbeihilfe wurde wegen des anhängigen Disziplinarverfahrens nur teilweise ausgezahlt. Der frühere Soldat bedient einen Hauskredit in Höhe von 800 € monatlich.

3

2. Nach der allgemeinen Grundausbildung wurde der frühere Soldat in die ... [X.] [X.] versetzt, um dort den [X.] zu absolvieren. Da er ihn jedoch nicht im ersten Anlauf bestanden hatte, wurde er in den ... [X.] überführt und zunächst wieder zur Dienstleistung in die [X.] kommandiert. Seine Teilnahme am [X.] (Teil 1) war sodann erfolgreich, so dass er zum 1. Juli 2006 zum Fahnenjunker befördert wurde. Die erfolgreich absolvierten Lehrgänge "Einzelkämpfer" sowie "Schießlehrer Ausbildungsklasse Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen" waren eingebunden in den [X.] Teil 2, welchen der frühere Soldat vom 25. September 2006 bis 2. März 2007 mit Erfolg absolvierte. Zum 1. April 2007 wurde er zur [X.] nach [X.] versetzt und zugleich zum Fähnrich ernannt. Vom 11. Dezember 2007 bis 11. Juni 2008 war er zur Teilnahme am [X.] an die [X.] versetzt. Den Lehrgang bestand er mit "befriedigend". Anschließend leistete der frühere Soldat wieder Dienst in der [X.], wobei er zum 1. Januar 2008 zum [X.] ernannt wurde. Wegen des verfahrensgegenständlichen Vorfalls wurde er ab dem 23. September 2008 in die Stabskompanie der ... Brigade kommandiert.

4

3. In der im Mai 2008 von der [X.] erstellten Beurteilung wird der frühere Soldat als leistungswilliger Offizieranwärter beschrieben. Seine Stärken lägen in der unvoreingenommenen Betrachtung von komplexen Problemstellungen. Hier vermöge er interessante Aspekte herauszuarbeiten und sie in seine Beurteilung einzubeziehen. Seine Vorstellungen und Ideen vertrete er engagiert und schwungvoll. Sein Auftreten sei es ebenso; er solle sich aber stets an der zukünftigen Aufgabe als Offizier, Führer, Ausbilder und Erzieher orientieren. Motivation und Wille zum Erfolg brächten ihn zu insgesamt befriedigenden Leistungen. Er sei im Kreise seiner Kameraden anerkannt und aufgrund seiner offenen, aber auch kritischen Art ein gesuchter Gesprächspartner. Vorgesetzte schätzten an ihm seine Motivation und seinen Eifer für die Sache. Mit dem Soldatenberuf habe er sich identifiziert, sein berufliches Selbstverständnis sei ausgeprägt. Insgesamt könne ihm eine positive Leistungsprognose bescheinigt werden. Über seine Eignung zum Berufssoldaten könne erst nach einer Bewährung in der Truppe entschieden werden.

5

In der vom 3. März 2010 datierenden Beurteilung erhielt der frühere Soldat im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung 5,40. Im Einzelnen heißt es, der Soldat habe sich in die neue Aufgabe schnell eingefunden, die Aufgabenbereiche erkannt und arbeite vollmotiviert mit. Er habe eine Projektarbeit übernommen, die üblicherweise für Offiziere mit weitaus höherem Erfahrungsspektrum vorgesehen sei. Die anfangs notwendige Lenkung seiner Arbeitsweise sei in eine sehr selbstständige Bearbeitung der Aufgaben übergegangen. Der Soldat trete im täglichen Dienstbetrieb stets korrekt und diszipliniert auf. Formale Disziplin sei für ihn selbstverständlich, was er auch von seinem untergebenen Bereich einfordere. Der Soldat habe trotz der hohen persönlichen Belastung seine Leistungsfähigkeit und seinen Leistungswillen voll unter Beweis gestellt, so dass er zum Offizier geeignet sei. Er sei hoch motiviert und engagiere sich. Die Belastungen aufgrund des schwebenden Disziplinarverfahrens könne er aus der täglichen Arbeit ausblenden. Komplexe Vorgänge in der Bearbeitung seiner Projekte bearbeite er koordiniert und mit Weitblick. Probleme löse er selbstständig und binde frühzeitig seine Vorgesetzten mit ein. Durch die Flexibilität im Handeln und Denken schaffe er sich notwendige Freiräume. Auch in Belastungssituationen behalte er einen kühlen Kopf, arbeite effektiv und sorgfältig. Er habe ein gefestigtes berufliches und soldatisches Selbstverständnis und sich innerhalb der kurzen Zeit im Brigadestab deutlich weiterentwickelt. Von einem eher schüchternen, unerfahrenen Offizieranwärter sei er zu einem gereiften, selbstbewussten gestandenen Menschen geworden. Für Führungsverwendungen sei er besonders gut geeignet.

6

Ein gegen den früheren Soldaten wegen des hier streitigen Dienstvergehens eingeleitetes Strafverfahren wegen Nötigung und Bedrohung wurde von der Staatsanwaltschaft am 19. August 2008 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Sowohl das [X.] als auch das [X.] (vom 10. Februar 2011) enthalten keine Eintragungen.

7

1. In dem mit Verfügung des Befehlshabers des [X.] vom 1. April 2009 ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die [X.] mit [X.] vom 26. Juni 2009 dem früheren Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt:

"Der Soldat zog zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2007, wahrscheinlich im zweiten oder dritten Quartal, während seines Wachdienstes in der ...kaserne in ... [X.], wahrscheinlich in seiner Funktion als [X.], im Verlauf eines Gespräches mit dem heutigen [X.], [X.], die Pistole [X.] aus dem Holster, lud diese fertig, hielt die fertiggeladene Waffe dem heutigen [X.] an den Kopf, richtete zumindest aber die Waffe aus maximal 0,5 Metern Entfernung in einhändiger Schussposition auf den Zeugen [X.] und fragte ihn zumindest sinngemäß, wie er sich jetzt fühle. Dabei wusste der Soldat, dass es gemäß [X.] Ziff. 612 verboten ist, auf Personen zu zielen (außer im Verlauf von Übungen mit [X.] und im Einsatz), zumindest hätte er dies wissen können und müssen."

8

Da das Dienstvergehen keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweise und keine über den Rahmen des § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] hinausgehende Disziplinarmaßnahme geboten sei, werde der Erlass eines [X.]s angeregt.

9

2. Der Ankündigung des Vorsitzenden der [X.] des [X.], durch [X.] ein Beförderungsverbot von zwölf Monaten zu verhängen, hat die [X.] widersprochen. Nach deshalb durchgeführter Verhandlung hat das [X.] den früheren Soldaten mit Urteil vom 9. Dezember 2009 in den Dienstgrad eines Fähnrichs herabgesetzt. Aufgrund der Einlassungen, soweit ihnen gefolgt werden könne, und unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen Hauptgefreiter [X.], [X.] und [X.] sowie des [X.] Oberstleutnant [X.] stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Soldat das angeschuldigte Dienstvergehen tatsächlich begangen habe.

Der Soldat habe mit seinem Verhalten vorsätzlich gegen die Verpflichtung verstoßen, Untergebene fürsorglich zu behandeln und die Rechte, Würde und Ehre von Kameraden zu achten. Das Richten der Waffe auf den Untergebenen sei nämlich zumindest mit der potenziellen Gefahr verbunden gewesen, diesen zu verletzen. Zudem liege ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Gehorsamspflicht vor, weil die [X.] durch den Staatssekretär in Vertretung des [X.] unterzeichnet worden sei und somit ein Befehl vorliege. Darüber hinaus habe der Soldat seine Verpflichtung zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten vorsätzlich verletzt.

Soweit es die Bemessung der Disziplinarmaßnahme betreffe, sei zu berücksichtigen, dass der Soldat wenige Wochen vor dem Vorfall einen Schießlehrerlehrgang absolviert habe und deswegen in ganz besonderer Art und Weise mit den für Waffen geltenden Sicherheitsbestimmungen vertraut gewesen sei. Ebenfalls zu seinen Lasten müsse sich auswirken, dass er die Tat begangen habe, während er Aufgaben eines Wachvorgesetzten wahrgenommen habe. Damit sei eine Dienstgradherabsetzung unvermeidbar. Zur Frage, in welchem Umfang sie erforderlich erscheine, sei allerdings zu Gunsten des Soldaten zu berücksichtigen, dass er sich nach diesem Vorfall nicht nur beanstandungsfrei geführt, sondern auch ordentliche und erfreuliche Leistungen erbracht habe. Insofern liege eine gewisse Nachbewährung vor. Deswegen sei es der Kammer möglich, die Dienstgradherabsetzung auf die eines Fähnrichs zu beschränken.

3. Gegen das dem früheren Soldaten am 11. Januar 2010 zugestellte Urteil hat er durch seinen Verteidiger am 9. Februar 2010 beim [X.] in vollem Umfang Berufung eingelegt und beantragt, ihn freizusprechen. Er betreibe das Verfahren, weil er als Reserveoffizier bei künftigen [X.] den Dienstgrad [X.] tragen möchte und eine Dienstgradherabsetzung als verletzend empfinde. Im Übrigen führt er im Wesentlichen aus:

Der angeschuldigte Sachverhalt treffe nicht zu. Die Kammer habe die erhobenen Beweise unrichtig gewürdigt. So möge - irgendwann - ein solcher Vorfall im Bereich des Haupttores der [X.] stattgefunden haben; er sei an diesem Geschehen jedoch nicht beteiligt gewesen. Zudem habe er bereits darauf hingewiesen, dass auf der Wache in [X.] keine [X.] - wie von den Zeugen behauptet - erlaubt gewesen seien. Der erhobene Vorwurf beruhe auf Angaben von Zeugen, die sich zudem erst nach mehr als einem Jahr an einen derartigen Vorfall zu erinnern können glaubten. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden.

Am 24. Juni 2009 habe seine Anhörung bei der [X.] stattgefunden. In einem Vier-Augen-Gespräch habe der Verteidiger mit dem Wehrdisziplinaranwalt die Sach- und Rechtslage erörtert und darauf hingewiesen, dass der frühere Soldat die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen habe, er jedoch eine rasche Beendigung des Verfahrens anstrebe. Deshalb hätten Verteidiger und Wehrdisziplinaranwalt die Möglichkeit einer raschen Erledigung des Verfahrens durch [X.] besprochen. Der Vertreter der [X.] habe erklärt, er werde als angemessene Disziplinarmaßnahme die Verhängung eines Beförderungsverbots dann beantragen, wenn der Sachverhalt unstreitig gestellt werde. Vor diesem Hintergrund habe der frühere Soldat in seiner Vernehmung vom 24. Juni 2009 erklärt, er könne nicht mehr ausschließen, dass der Vorfall sich so abgespielt habe. In der [X.] habe die [X.] dann auch mitgeteilt, dass die Maßnahmezumessungsgründe keine über ein Beförderungsverbot hinausgehende Disziplinarmaßnahme geböten. Daraufhin habe der Vorsitzende des [X.]s mitgeteilt, dass er beabsichtige, das Verfahren durch einen [X.] abzuschließen und er erwäge, ein Beförderungsverbot für die Dauer von zwölf Monaten zu verhängen. Unter dem 16. Juli 2009 habe die [X.] dann jedoch mitgeteilt, dass sie der vorgesehenen Maßnahme nicht zustimme. Vor dem Hintergrund dieses [X.] sei er - der frühere Soldat - nicht mehr bereit, etwas einzuräumen, was er nicht getan habe.

Verschiedene Indizien würden dafür sprechen, dass eine Personenverwechslung vorliege. Dafür spreche insbesondere, dass der frühere Soldat die Zeugen nicht gekannt habe und die Zeugen ihn kaum und nur vom Sehen her kennen würden. Die Bekundungen der Zeugen gingen auch auseinander, was die Art des Holsters angehe. Auch bezüglich der angeblichen Entfernung der Waffe zum Kopf des Zeugen [X.] würden die Angaben schwanken. Die Zeugen hätten zudem berichtet, dass am [X.] auch ein [X.] Wachsoldat gestanden habe. Dieser Wachsoldat sei bislang nicht angehört worden, obwohl seine Wahrnehmung zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich sei. Das vorgeworfene Verhalten passe auch nicht zum Persönlichkeits- und Leistungsbild des früheren Soldaten.

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 [X.] form- und fristgerecht eingelegte Berufung des früheren Soldaten ist nicht begründet. Die Truppendienstkammer hat ihn mit dem angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht zum Fähnrich degradiert. Dass der frühere Soldat während des Berufungsverfahrens aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist, steht der Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens nicht entgegen, § 82 Abs. 1 [X.]. Der [X.] hat allerdings klargestellt, dass es sich nun um eine Herabsetzung in den Dienstgrad eines Fähnrichs der Reserve handelt.

2. Das Rechtsmittel ist vom früheren Soldaten in vollem Umfang eingelegt worden. Der [X.] hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (a)), diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen (b)) sowie über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (c)).

a) Der frühere Soldat hat an einem im Einzelnen nicht mehr feststellbaren Tag im [X.]halbjahr 2007 im Zeitraum von 17:00 bis 18:00 Uhr als Offizier vom Wachdienst am Haupttor der ...-Kaserne und in Gegenwart des [X.] und des [X.] ohne rechtfertigenden Grund auf den Kopf des [X.] in geringer Entfernung, maximal in einer Entfernung von 2 Metern, für kurze Zeit seine Dienstpistole gerichtet, nachdem er sie unmittelbar zuvor aus dem Holster gezogen und in Gegenwart dieser Zeugen fertig geladen hatte. Dabei fragte er den [X.], der sich dadurch nicht bedroht sah, wie er sich fühle.

Dieser Sachverhalt steht auf der Grundlage der Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung erneut vernommenen Zeugen [X.] und [X.], der durch Verlesung in die Berufungshauptverhandlung eingeführten erstinstanzlichen Aussage des Zeugen [X.], der Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung erstmals vernommenen Wachsoldaten der [X.] und der Aussage des [X.], Oberstleutnant S., zur Überzeugung des Gerichts fest.

Nach § 261 StPO hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Dabei kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die persönliche Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Das Gericht muss von der persönlichen Schuld des Angeschuldigten überzeugt sein. Der Begriff der Überzeugung schließt allerdings die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufes nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung ist es allein Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen.

Zwar ist zur Überführung des Angeschuldigten demzufolge keine mathematische Gewissheit erforderlich. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen und erschöpfend sein. Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen, sowie diese Tatsachen und deren Würdigung in den Urteilsgründen darzulegen. Allein damit wird die Unschuldsvermutung widerlegt. Hängt die Entscheidung bei gegensätzlichen Aussagen des Angeschuldigten und von Zeugen allein davon ab, welchen Angaben das Gericht glaubt, dann müssen, damit es nicht zu einer Verurteilung aufgrund einer subjektiven Fehlbeurteilung der Zeugenaussagen kommt, alle Umstände, denen eine indizielle Bedeutung für die Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten zukommen kann, in die Beweiswürdigung eingestellt werden (Urteil vom 3. Juli 2003 - BVerwG 1 [X.] 3.03 - [X.] 235.01 § 91 [X.] 2002 Nr. 1 = [X.] 2004, 166).

Nach Maßgabe und unter Beachtung dieser Grundsätze besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass tatsächlich der frühere Soldat und nicht ein anderer [X.] Wachsoldat das angeschuldigte Dienstvergehen begangen hat. Die Aussagen der erstinstanzlich vernommenen [X.] waren bereits in der Verhandlung vor dem [X.] hinsichtlich des [X.] und namentlich zur Person des angeschuldigten Soldaten eindeutig. Die erneute Vernehmung der [X.] [X.] und [X.] in der Berufungshauptverhandlung haben das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme bestätigt. Die Aussagen des [X.], Oberstleutnant S., zu seiner Sicht der seinerzeitigen Aktenlage ändern daran nichts, weil seine Einschätzung ausschließlich auf einer Sichtung der Akten und nicht auf einer unmittelbaren Wahrnehmung des Geschehens beruht.

Der Zeuge [X.] hat zwar in der Berufungshauptverhandlung erklärt, den früheren Soldaten nicht (mehr) zu "hundert Prozent" identifizieren zu können. Diese Einschränkung erfolgte jedoch erst, nachdem er zuvor den früheren Soldaten identifiziert hatte und der [X.]svorsitzende ihn auf die besondere Bedeutung der Feststellung aufmerksam gemacht hatte. Dem Zeugen ging es - auch nach seiner Aussage - nachvollziehbar darum, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass seit seiner letzten Aussage vor dem [X.] ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist und der frühere Soldat jetzt - wie vom Zeugen in der Berufungshauptverhandlung allerdings sogleich erkannt - [X.] trägt. Seine erstinstanzliche Aussage, in der er den früheren Soldaten als den Täter identifiziert hatte, hat er denn auch eindeutig bestätigt. Völlig eindeutig und keinen Zweifel daran lassend, dass es sich bei dem in der Berufungshauptverhandlung anwesenden früheren Soldaten um die Person handelt, die das angeschuldigte Dienstvergehen begangen hat, hat sich der Zeuge [X.] geäußert. Er hat auch dezidiert festgestellt, dass keine schlechten Witterungs-, insbesondere Lichtverhältnisse bestanden, die eine Identifizierung hätten erschweren können. Der Aussage des erstinstanzlich vernommenen und angesichts seiner schweren Erkrankung nicht reise- und vernehmungsfähigen Zeugen [X.] lässt sich ebenfalls entnehmen, dass der frühere Soldat von ihm eindeutig identifiziert worden ist.

aa) An der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen zur Überzeugung des Gerichts, das insoweit auch deren Charakterisierung durch ihren Disziplinarvorgesetzten [X.] in seine Würdigung mit einbezogen hat, keine Zweifel; Entsprechendes gilt für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen. Zudem hat der frühere Soldat selbst durchgehend bekräftigt, er verfüge über keine Anhaltspunkte dafür, warum die Zeugen unzutreffende Aussagen machen sollten. Dies gilt umso mehr, als der frühere Soldat nach Aussage der Tatzeugen, aber auch nach eigener Aussage in keiner Weise in Entscheidungsprozesse über den beruflichen Werdegang der [X.] Tatzeugen eingebunden gewesen ist, so dass es auch hier kein Motiv gab, sich für unliebsame Entscheidungen des früheren Soldaten zu revanchieren.

[X.]) Die von früheren Soldaten gegen die Richtigkeit der Zeugenaussagen vorgetragenen Gründe vermögen vor allem auch unter Einbeziehung des persönlichen Eindrucks, den der [X.] von den Zeugen [X.] und [X.] gewonnen hat, nicht zu überzeugen:

aaa) Dass der Sachverhalt von diesen Zeugen offiziellen Stellen erst nach einem Jahr zur Kenntnis gebracht worden ist, spricht nicht gegen, sondern die Umstände, unter denen dies geschah, sprechen vielmehr für sie und ihre Glaubwürdigkeit. Unstreitig wurde der Vorfall von den Zeugen beiläufig thematisiert und somit nicht gezielt an offizielle Stellen herangetragen. Dabei liegen auch nach Aussage des früheren Soldaten keine Hinweise darauf vor, dass die Oberfeldwebel, die den Zeugen zur Meldung des Vorfalls rieten, den früheren Soldaten bewusst hätten schädigen wollen. Zudem streiten auch keine objektiven Umstände dafür, dass die Zeugen den früheren Soldaten diskreditieren wollten. Der Zeuge [X.] hat den Vorfall nicht ansatzweise dramatisiert, sondern ihn vielmehr eher dadurch bagatellisiert, dass er erklärte, sich nicht bedroht gefühlt zu haben. In der Berufungshauptverhandlung hat er den Vorgang sogar als "Lappalie" und als kein Ereignis bezeichnet, das für ihn traumatisch gewesen sei. Entsprechendes gilt für den Zeugen [X.], der von einer "Blödelei" gesprochen hat. Bei keinem der Zeugen sind Motive für ein kollusives Zusammenwirken oder ein irgendwie gearteter Belastungseifer erkennbar geworden.

[X.]b) Dass der frühere Soldat die Zeugen nicht gekannt haben will und vor allem die Zeugen ihn nur vom Sehen her gekannt haben, nimmt ihren Aussagen nicht ihr Gewicht. Für die Identifikation ausreichend ist, dass diese Zeugen den früheren Soldaten optisch erkannt haben; inwieweit sie ihm auch in sonstiger Hinsicht nahestanden - sie selbst sprechen von einem schlicht kameradschaftlichen Verhältnis -, spielt für die Fähigkeit zur Identifizierung keine Rolle.

ccc) Der Einwand, das angeschuldigte Verhalten passe nicht zum Persönlichkeits- und Leistungsbild des früheren Soldaten, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Dabei kann dahingestellt bleiben, wie die Aussage des früheren Soldaten in seiner Vernehmung am 24. Juni 2009 zu werten ist, er habe früher nicht nur übereilt geredet, sondern auch gehandelt. Selbst wenn die Tat persönlichkeitsfremd gewesen sein sollte, schließt dies nicht ihre Begehung aus. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Aussage in der aktuellen dienstlichen Beurteilung nicht negativ zu verstehen ist, der frühere Soldat habe sich in der kurzen Zeit im Brigadestab "deutlich weiterentwickelt".

[X.]d) Soweit der Verteidiger des früheren Soldaten einwendet, die Bekundungen der Zeugen gingen auseinander, was die Art des Holsters angehe, überzeugt dies nicht; dasselbe gilt für den Einwand, die Angaben der [X.] Tatzeugen über die Entfernung zwischen Pistole und Kopf des Zeugen [X.] differierten. Die Differenzen betreffen entscheidungsunerhebliche Umstände - so die Entfernung von Waffe zum Kopf (vgl. Urteil vom 30. März 2011 - BVerwG 2 [X.] 5.10 - juris Rn. 34) - und stellen vor allem den Kernvorwurf nicht infrage. Beide in der Berufungshauptverhandlung vernommenen [X.] Tatzeugen haben zudem nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass durch den inzwischen erheblichen zeitlichen Abstand nicht mehr jedes Detail präsent sei, sie sich jedoch auch gegenwärtig noch sicher seien, anlässlich früherer Vernehmungen wahrheitsgemäß ausgesagt zu haben. Angesichts dessen und der bereits dargelegten Umstände können die Differenzen vernünftigerweise nicht das Gewicht erlangen, die Glaubwürdigkeit der [X.] Tatzeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen in Frage zu stellen. Die augenscheinliche Vorsicht, mit der sie aussagten, spricht vielmehr für sie.

cc) Die Aussagen der Wachsoldaten der [X.] begründen auch keinen vernünftigen Zweifel an der Täterschaft des früheren Soldaten. Sie haben zwar ausgesagt, sich an einen Vorfall der angeschuldigten Art nicht erinnern zu können; ungeachtet dessen, dass sie damit die vom früheren Soldaten behauptete [X.] gerade nicht bestätigt haben, begründet auch dies jedoch keine vernünftigen Zweifel daran, dass sich der Vorfall gleichwohl zugetragen hat. Die Annahme, der Vorfall sei von den erstinstanzlich vernommenen Zeugen schlicht erfunden worden, steht nicht nur mit deren glaubhaften Aussagen, sondern auch mit früheren Aussagen des früheren Soldaten in Widerspruch. Er selbst hat schon vor Einreichung der Anschuldigungsschrift beim [X.] und bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht ausgeschlossen, sich wie angeschuldigt verhalten zu haben, und lediglich behauptet, sich daran dann jedenfalls nicht (mehr) erinnern zu können. Im Rahmen der [X.] hatte sich der frühere Soldat wie folgt eingelassen:

"Ich kann [X.] nicht erinnern, an irgendeinem Tag im vorgeworfenen Zeitraum die Pistole [X.] aus dem Holster gezogen, fertig geladen und auf den heutigen [X.] gerichtet, gar ihm die Waffe an den Kopf gehalten zu haben. Ich hatte allerdings seit der Vorwurf [X.] erhoben wurde, reichlich Zeit, über den Vorwurf nachzudenken. Aus heutiger Sicht kann ich nicht mehr ausschließen, dass die Zeugen die Wahrheit sagen und sich der Vorfall so abgespielt hat wie von den Zeugen bekundet. Wenn dies so war, dann wollte ich auf keinen Fall dem [X.] ein Leid antun oder ihm einen Schrecken einjagen, sondern vielleicht aus Übereifer irgendetwas demonstrieren. Das war natürlich der schlechteste Weg, etwas zu demonstrieren.

Frage:

Neigen Sie denn zu derartigen unbedachten Demonstrationen? Ein Hinweis darauf könnte sich aus Ihren Beurteilungsvermerken ergeben, wobei teilweise auch übereiltes Handeln Ihren Arbeitsstil prägt und Sie als junger Vorgesetzter auf dem Gebiet zeitgemäßer Menschenführung nach anfänglichen Schwierigkeiten festigen und praktische Erfahrungen sammeln konnten.

Antwort:

Diese Formulieren beziehen sich wohl auf mein 'loses [X.] Mundwerk'. Ich habe früher häufig zuerst geredet und dann darüber nachgedacht. Dies hat sich aus meiner Sicht gerade während meiner Kommandierung in den Stab ... Brigade erheblich gebessert.

Frage:

Haben Sie denn früher insbesondere zum Tatzeitpunkt auch gelegentlich erst gehandelt und dann gedacht?

Antwort:

Dazu fällt [X.] außer dem Vorwurf, wenn es sich denn so ereignet hat, nichts ein.

Frage:

Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass die drei Belastungszeugen [X.], [X.] und [X.] Sie zu Unrecht belasten?

Antwort:

Nein, dafür habe ich keine Anhaltspunkte.

Frage:

Haben Sie Erkenntnisse, dass einer der drei Zeugen oder möglicherweise alle drei schon einmal Geschichten erzählt haben, die sich so nicht ereignet haben?

Antwort:

Nein, von solchen habe ich keine Kenntnis.

...

Der frühere Soldat hatte Gelegenheit zum [X.].

Er erklärt wie folgt:

Wenn es so stattgefunden hat, was ich nicht ausschließen kann, dann tut [X.] die gesamte Situation leid. Ich würde sie ungeschehen machen und bereue es zutiefst. Dadurch dass ich jetzt ein Jahr Bedenkzeit im Brigadestab der ... Brigade hatte, hatte ich die Möglichkeit, mein Verhalten in Bezug auf übereiltes Handeln und übereiltes Reden zu überdenken."

In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hatte der frühere Soldat zur Sache u.a. ausgeführt:

"Zu diesem Zeitpunkt war ich wohl als [X.] eingesetzt, da ich im Besitz einer Pistole, [X.], war. In meiner Erinnerung hat das Ganze so nicht stattgefunden, ich kann [X.] so nicht daran erinnern. Es kann so stattgefunden haben, aber ohne jegliche Böswilligkeit, ohne damit eine Bedrohung auslösen zu wollen. In meiner Erinnerung hat es nicht stattgefunden, vielleicht weil es für [X.] eine Lappalie war, einfach nicht wichtig. Ich hatte nun eineinhalb [X.] zum Nachdenken. Ich habe entweder keine Erinnerung daran, weil es nicht stattgefunden hat, oder weil ich [X.] nicht daran erinnern kann. Komplett ausschließen kann ich es nicht, dass es stattgefunden hat."

Soweit der frühere Soldat dem nun im Berufungsverfahren entgegenhält, seine früheren Aussagen seien durch einen "Deal" zwischen [X.] und seinem Verteidiger - gerichtet auf den schnellen Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zum Zwecke der zeitnahen Studienaufnahme - motiviert gewesen, überzeugt dies nicht. Denn spätestens nachdem die [X.] dem Erlass des vom [X.] angekündigten [X.] widersprochen und spätestens seit sie auf eine demzufolge schärfere Disziplinarmaßnahme als ein Beförderungsverbot plädiert hatte, bestand für den bereits seinerzeit anwaltlich vertretenen früheren Soldaten zu dem Zeitpunkt, zu dem das [X.] ihm die Gelegenheit des letzten Wortes gab, keine Veranlassung mehr, sein "Wort zu halten" und weiterhin nicht auszuschließen, das Dienstvergehen begangen zu haben. Dies gilt umso mehr, als zu diesem Zeitpunkt ein Studium bei der [X.] nicht mehr ernsthaft in Betracht kam.

b) Der frühere Soldat hat mit seinem Fehlverhalten vorsätzlich gegen die Pflicht zum treuen Dienen (aa), die Gehorsamspflicht ([X.]), die Fürsorge- (cc) und die Kameradschaftspflicht ([X.]) und die dienstliche Wohlverhaltenspflicht (ee) verstoßen.

aa) Das Fehlverhalten begründet einen Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 [X.], der trotz seines subsidiären Charakters deshalb zur Anwendung gelangt, weil das Fehlverhalten (Straftat) nicht die in §§ 8 ff. [X.] normierten Dienstpflichten betrifft (vgl. Urteil vom 22. August 2007 - BVerwG 2 [X.] 27.06 - BVerwGE 129, 181 <193> = [X.] 449 § 11 [X.] Nr. 2 S. 9). Die Pflicht nach § 7 [X.] gebietet dem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal zu erfüllen; auch durch eine Schlechterfüllung kann gegen sie verstoßen werden (Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 2 [X.] 13.09 - juris). Sie setzt sich zusammen aus einer Vielzahl von soldatischen Einzelpflichten, unter anderem der Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze (Urteil vom 22. April 2009 - BVerwG 2 [X.] 12.08 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 28).

Ein Verstoß gegen die Rechtsordnung liegt schon deshalb vor, weil der frühere Soldat die Pistole vorsätzlich auf den Kopf des Zeugen [X.] gerichtet, damit von der Waffe entgegen [X.] der [X.] rechtswidrigen Gebrauch gemacht und dadurch den Straftatbestand des § 46 [X.] verwirklicht hat (Urteil vom 22. April 2009 a.a.[X.]). Ob er darüber hinaus noch eine Wachverfehlung nach § 44 Abs. 2 [X.] oder - trotz der bagatellisierenden Einschätzung des Zeugen [X.] - eine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 [X.] begangen hat, kann deshalb dahingestellt bleiben. Ohne Bedeutung bleibt auch die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens, zumal ihr augenscheinlich keine Prüfung wehrstrafrechtlicher Normen zugrunde lag.

[X.]) Zutreffend hat das [X.] auch einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Gehorsamspflicht nach § 11 Abs. 1 [X.] i.V.m. [X.] der [X.] bejaht, weil die [X.] vom Vertreter des Bundesverteidigungsministers unterzeichnet worden ist und somit die [X.] einen Befehl darstellt (vgl. Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 [X.] 2.06 - BVerwGE 127, 1 <23 f.> = [X.] 449 § 10 [X.] Nr. 55 S. 18 f.).

cc) Ein Verstoß des früheren Soldaten gegen seine Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 [X.]) liegt vor, weil sie die Pflicht eines jeden militärischen Vorgesetzten beinhaltet, Untergebene nach Recht und Gesetz zu behandeln. Der Untergebene muss das berechtigte Gefühl haben, dass er vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet wird, sondern dass dieser sich bei allen Handlungen und Maßnahmen vom Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Soldaten leiten lässt und dass er stets bemüht ist, ihn vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren. Insbesondere muss der Vorgesetzte die körperliche Integrität sowie die Ehre und Würde des Untergebenen strikt achten (Urteil vom 22. April 2009 a.a.[X.]). Eine Schusswaffe auf einen anderen Kameraden zu richten, ist damit unvereinbar. Dabei ist ohne rechtlichen Belang und bedurfte deshalb auch vorliegend keiner weiteren Aufklärung, wie gering die Zielentfernung war. Schusswaffen sind gerade darauf angelegt, auch über größere Distanzen, von denen hier nicht ansatzweise gesprochen werden kann, tödliche oder jedenfalls erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (Urteil vom 30. März 2011 a.a.[X.]).

[X.]) Ferner hat der frühere Soldat damit auch gegen seine Kameradschaftspflicht verstoßen (§ 12 [X.]). Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten. Inhalt und bestimmende Faktoren der Pflicht zur Kameradschaft sind das gegenseitige Vertrauen der Soldaten der [X.], das Bewusstsein, sich jederzeit, vor allem in Krisen- und Notzeiten, aufeinander verlassen zu können, sowie die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz. Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe; zugleich disqualifiziert er sich in seiner Vorgesetztenstellung (Urteil vom 22. April 2009 a.a.[X.]).

Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dieses [X.]gebot gilt innerhalb wie außerhalb der [X.]. Es liegt der Wehrverfassung der [X.] zugrunde und bedarf gerade auch im militärischen Bereich strikter Beachtung, wie der [X.] in gefestigter Rechtsprechung hervorgehoben hat. Dies kommt auch in § 6 [X.] (staatsbürgerliche Rechte des Soldaten) und in den entsprechenden Prinzipien der Inneren Führung der [X.] ("Staatsbürger in Uniform") unmissverständlich zum Ausdruck. Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich des in § 12 Satz 2 [X.] enthaltenen Anspruchs auf Achtung der persönlichen Ehre jedes Soldaten. Eine ehrverletzende Behandlung eines Untergebenen, erst recht eine die Menschenwürde missachtende Verhaltensweise, hat nichts mit der Erfüllung eines militärischen Auftrags oder eines sonstigen dienstlichen Zwecks zu tun. Sie zerstört im Gegenteil die Autorität eines Vorgesetzten und untergräbt das gegenseitige Vertrauen sowie die Bereitschaft von Soldaten, füreinander einzustehen. Deshalb muss nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s strikt dafür Sorge getragen werden, dass die der militärischen Gewalt unterworfenen Soldaten nicht unter Übergriffen von Vorgesetzten zu leiden haben (Urteil vom 19. September 2001 - BVerwG 2 [X.] 9.01 - juris Rn. 10 ), mag im Einzelfall - wie vorliegend - der entwürdigend behandelte Soldat dies subjektiv auch nicht so empfunden haben.

ee) Schließlich liegt ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 [X.]) vor. Diese Pflicht ist kein Selbstzweck, sondern hat eindeutig funktionalen Bezug zur Erfüllung des Auftrages der [X.] nach dem Grundgesetz und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob gegebenenfalls eine ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das angeschuldigte Verhalten dazu geeignet ist (Urteil vom 22. April 2009 a.a.[X.] Rn. 33).

Der frühere Soldat hat durch sein Verhalten dem inneren Gefüge der Truppe - insbesondere im Verhältnis der Vorgesetzten zu Untergebenen - und zugleich seiner eigenen Autorität und seinem Ansehen schwer geschadet. Autorität und Ansehen des Vorgesetzten - vor allem als Vorbild für Untergebene - leben von dem Vertrauen, das ihm aufgrund pflichtgemäßen Verhaltens entgegengebracht werden kann. Der frühere Soldat tat vorliegend als Wachhabender genau das Gegenteil dessen, was allen Soldaten als korrekter Umgang mit der Waffe vermittelt wird. Er legte eine Verhaltensweise an den Tag, die geeignet ist, Untergebene in ihrem Vertrauen auf eine korrekte Anwendung dienstlicher Vorschriften nachhaltig zu beeinträchtigen.

c) Die vom [X.] verhängte Disziplinarmaßnahme wird dem Unrechtsgehalt des Dienstvergehens gerecht.

aa) Die vom [X.] verhängte Disziplinarmaßnahme der Herabsetzung im Dienstgrad ist auch bei dem früheren Soldaten gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] grundsätzlich zulässig, weil er [X.] bezieht und deshalb gem. § 1 Abs. 3 [X.] als Soldat im Ruhestand gilt.

[X.]) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von [X.] wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten. Bei der Bestimmung der Art und des Maßes der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 [X.] Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

aaa) Eigenart und Schwere des vom [X.] festgestellten Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt der Verstoß des früheren Soldaten gegen die Verpflichtung, mit Waffen den Vorschriften entsprechend umzugehen und die Würde von Kameraden zu achten, außerordentlich schwer. Der Soldat hat mit seinem Verhalten vor Untergebenen in der exponierten Position eines Wachhabenden ein kaum noch zu überbietendes Negativbeispiel dafür gesetzt, wie mit Kameraden und Waffen gerade nicht umgegangen werden darf (Urteil vom 30. März 2011 a.a.[X.] Rn. 45). Zudem hatte der frühere Soldat im [X.] 2007 seine Ausbildung zum Schießlehrer beendet, so dass ihm die für die Verwendung von Waffen maßgeblichen Vorschriften in besonderer Weise präsent waren.

[X.]b) Die Auswirkungen des Fehlverhaltens des früheren Soldaten halten sich in Grenzen, soweit es den unmittelbar betroffenen Zeugen [X.] betrifft, der - wie auch die sonstigen Tatzeugen - erklärt hat, das Verhalten des früheren Soldaten nicht als bedrohlich empfunden zu haben. Dies ändert allerdings nichts daran, dass der frühere Soldat wegen des verfahrensgegenständlichen Vorfalls in den ... der Stabskompanie der ... Brigade kommandiert worden ist und der Vorfall in der Truppe auch bekannt wurde.

ccc) Für das Maß der Schuld fällt die bewusste und gewollte, d.h. vorsätzliche Begehensweise des früheren Soldaten entscheidend ins Gewicht. Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich.

[X.]d) [X.] für sein pflichtwidriges Verhalten haben sich dem [X.] nicht erschlossen. Er selbst hat insoweit lediglich zu Beginn des Verfahrens erklärt, wenn der Vorfall überhaupt stattgefunden haben sollte, sei dies "ohne jegliche Böswilligkeit" geschehen. Er habe (so an anderer Stelle) dem [X.] weder Leid antun oder ihm einen Schrecken einjagen, sondern vielleicht aus Übereifer irgendetwas demonstrieren wollen. Selbst eine solche Motivation würde ihn nicht entlasten, sondern für eine unreife Persönlichkeit sprechen.

eee) Die Persönlichkeit und die bisherige Führung des früheren Soldaten geben zwar nicht zu Beanstandungen, aber auch - anders als vom [X.] angenommen - zu einer positiven Bewertung keinen Anlass. Die Leistungen bleiben bemessungsneutral.

cc) Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der [X.] von einem zweistufigen Prüfungsschema aus.

aaa) Auf der ersten Stufe ist im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine [X.] für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen" zu bestimmen. Dabei entspricht es der Rechtsprechung des [X.]s, dass Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich eine Herabsetzung im Dienstgrad dann ist, wenn ein Soldat vorsätzlich gegen Dienstvorschriften im Umgang mit der Schusswaffe verstoßen hat, etwa indem er eine Waffe auf einen Wehrpflichtigen richtet (Urteil vom 30. März 2011 a.a.[X.] Rn. 58).

[X.]b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 [X.] normierten Bemessungskriterien Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten [X.] eröffnen. Dabei ist vor allem anhand der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Für die "Eigenart und Schwere des Dienstvergehens" kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der [X.] in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des [X.]" hat der [X.] neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den [X.] in Betracht zu ziehen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist nicht ersichtlich, welche Umstände es gebieten könnten, von der vom [X.] verhängten [X.] abzuweichen. Dies gilt auch für den Umfang der Herabsetzung im Dienstgrad, zumal der frühere Soldat zum 1. Januar 2008 nicht zum [X.] befördert worden wäre, wenn schon damals der Verdacht bestanden hätte, er habe Mitte 2007 ein Dienstvergehen begangen; unter diesen Umständen bestand sogar das Risiko einer Entlassung gem. § 55 Abs. 5 [X.]. Der frühere Soldat hat während des [X.] in exponierter ([X.] nicht nur eine Waffe, sondern auch eine fertig geladene Waffe auf den Kopf des [X.] gerichtet, wodurch sich das objektive Gefährdungspotenzial beträchtlich erhöht hatte. Soweit der frühere Soldat auch diesen Umstand bestritten hat, folgt der [X.] aus den bereits an früherer Stelle dargelegten Gründen den Aussagen der Zeugen [X.] und [X.], die eindeutig erklärt haben, den Ladevorgang gesehen (Zeuge C.) bzw. ein entsprechendes Ladegeräusch gehört zu haben (Zeuge R.).

Meta

2 WD 9/10

12.05.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Urteil

Sachgebiet: WD

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 9. Dezember 2009, Az: S 6 VL 17/09, Urteil

§ 261 StPO, § 31 WStrG, § 44 Abs 2 WStrG, § 46 WStrG, § 7 SG, § 10 Abs 3 SG, § 11 Abs 1 SG, § 12 SG, § 17 Abs 2 S 1 SG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.05.2011, Az. 2 WD 9/10 (REWIS RS 2011, 6785)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6785

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