Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2014, Az. X ZR 19/11

10. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6024

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsverfahren: Unzulässige Erweiterung des Patentanspruchs durch Erfassung weiterer Ausführungsformen


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. Januar 2011 an [X.] Statt zugestellte Urteil des 4. Senats ([X.]) des [X.] abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 181 902 (Streitpatents), das - unter Inanspruchnahme der Prioritäten zweier [X.] Patentanmeldungen vom 28. Juli 1994 und 31. Mai 1995 - am 26. Juli 1995 angemeldet wurde. Das Streitpatent, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, umfasst zwölf Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

"A flexible, expandable stent formed of an [X.] unitary tube (30)

having in a non-expanded form and in its expanded form a patterned shape,

the patterned shape comprising first meander patterns (11) extending in a first direction

and second meander patterns (12) extending in a second direction, different from the first direction,

wherein the first and second meander patterns comprise loops and are intertwined such that

loops (14, 16) of each of the first meander patterns (11) are disposed between each of the neighbouring second meander patterns (12) and

that one single loop (18, 20) of each of the second meander patterns (12) is disposed between each of the neighbouring first meander patterns (11), and wherein the first and second meanders patterns (11, 12) define a plurality of enclosed spaces (42a, 42b; 44a, 44b)."

2

Die Patentansprüche 2 bis 12 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

3

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei nicht patentfähig, weil er weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit zwei Hilfsanträgen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie beantragt Klageabweisung. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit zuletzt fünf Hilfsanträgen. Die Klägerinnen beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

5

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing.       S.                ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe

6

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

7

I. Das Streitpatent betrifft einen [X.]. Dabei handelt es sich um ein Implantat, das in ein Blutgefäß oder ein anderes [X.] des Körpers eingebracht und dort aufgeweitet (expandiert) wird, um das [X.] dauerhaft offen zu halten. In der Beschreibung wird erläutert, dass der [X.] typischerweise mittels eines aufblasbaren Ballonkatheters an den gewünschten Ort im Körper zugeführt und ausgedehnt werde, dass aber auch andere mechanische Vorrichtungen bekannt seien, mit denen die Ausdehnung des [X.]s bewirkt werden könne (Rn. 2).

8

Wie in der Beschreibung weiterhin ausgeführt wird, sind [X.]s mit ausdehnbaren röhrenförmigen Implantaten bekannt, die eine Vielzahl von parallel zur Längsachse der Röhre angeordneten Schlitzen aufweisen. Da die Implantate relativ steif seien, seien sie mit flexiblen schraubenförmigen Verbindern verbunden, so dass die [X.]s auch durch ein gekrümmtes Blutgefäß zum gewünschten Ort geführt werden könnten. Dabei auftretende Verdrehbewegungen der schraubenförmigen Verbinder könnten jedoch für das Blutgefäß schädlich sein. Andere bekannte [X.]s wiesen deshalb gerade Verbinder auf, die aber nicht die erforderliche Festigkeit hätten (Rn. 4 f.).

9

Nach den Angaben des Streitpatents liegt der Erfindung das Problem zugrunde, einen flexiblen [X.] bereitzustellen, der während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft (Rn. 8).

Nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung soll dies durch die nachfolgende Merkmalskombination erreicht werden:

1. Der [X.] ist flexibel, expandierbar und aus einem länglichen, zylindrischen, einheitlichen (unitary) Rohr (30) gebildet.

2. Der [X.] weist in einer nicht expandierten und in seiner expandierten Form ein Gestaltungsmuster (patterned shape) auf.

3. Das Gestaltungsmuster umfasst

a) erste, sich in eine erste Richtung erstreckende [X.] (11) und

b) zweite, sich in eine zweite, zur ersten unterschiedliche Richtung erstreckende [X.] (12).

4. Die ersten und zweiten [X.] weisen Schlaufen auf und sind derart verschlungen, dass

a) Schlaufen (14, 16) jedes der ersten [X.] (11) zwischen jedem der benachbarten zweiten [X.] (12) angeordnet sind und

b) eine einzelne Schlaufe (18, 20) jedes der zweiten [X.] (12) zwischen jedem der benachbarten ersten [X.] (11) angeordnet ist.

5. Die ersten und zweiten [X.] (11, 12) definieren eine Mehrzahl von umschlossenen Räumen (42a, 42b; 44a, 44b).

Aus Sicht des Fachmanns, der ein Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik ist, der sich - gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Medizinern - mit biomedizinischer Technik und insbesondere mit der Entwicklung von [X.] befasst und über mehrjährige berufliche Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt (Urteil des Patentgerichts, S. 9; Sachverständigengutachten, S. 23), handelt es sich bei einem [X.], der aus einem einheitlichen Rohr ("unitary tube") gebildet ist, um einen einstückigen [X.]. Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Weise der einstückige [X.] hergestellt worden ist. In der Beschreibung des Streitpatents wird zwar erläutert, dass der [X.] aus Flachmetall hergestellt werden kann, welches zur Bildung des in Figur 2 gezeigten Musters geätzt und dann in die Form eines Rohres gebogen werde (Rn. 37). Zudem heißt es dort, dass der [X.] aus Metall oder [X.] hergestellt werden könne (Rn. 38). Patentanspruch 1 schützt den [X.] jedoch als (fertig hergestelltes) Erzeugnis und nicht ein Verfahren zur Herstellung eines [X.]s. Entscheidend ist daher, dass der fertig hergestellte [X.] einstückig ausgebildet ist und nicht die Art und Weise seiner Herstellung, also etwa ob dieser aus einem einstückigen Flachmetall geätzt oder aus mehreren Flachmetallstücken oder Drähten, etwa durch Verschweißen, dauerhaft fest verbunden ist.

Mit einem erfindungsgemäßen [X.] ist nach den Erläuterungen in der Patentschrift ein periodisches Muster um eine Mittellinie gemeint. Bei dem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 gezeigten Ausführungsform hat beispielsweise das erste [X.] 11 eine vertikale Mittellinie 9 und das zweite [X.] 12 eine horizontale Mittellinie 13.

Abbildung

Dabei dürfen sich Schlaufen des ersten [X.]s nicht vollständig mit Schlaufen des zweiten [X.]s überdecken. Das ergibt sich daraus, dass erfindungsgemäß zwei (unterschiedliche) [X.] vorgesehen sind, die sich in zwei (unterschiedliche) Richtungen erstrecken sollen. Danach ist es zwar möglich, dass Schlaufen des ersten und des zweiten [X.]s gemeinsame Abschnitte aufweisen, wie dies beispielsweise in Figur 2 im Grenzbereich zwischen den Schlaufen 14 und 16 des ersten [X.]s 11 und den Schlaufen 18 und 20 des zweiten [X.]s 12. Hingegen kann - in Übereinstimmung mit dem Patentgericht und dem gerichtlichen Sachverständigen - eine vollständige Überdeckung von Schlaufen des ersten und zweiten [X.]s nicht mehr als erfindungsgemäß angesehen werden (vgl. auch Technische Beschwerdekammer des [X.], Entscheidung vom 21. Januar 2011 - T 1967/08 Rn. 2.1).

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Der ursprünglichen Anmeldung sei nicht die Anweisung zu entnehmen, den [X.] - wie in Patentanspruch 1 gefordert - aus einem einheitlichen Rohr zu bilden. Es fehle an einer Offenbarung für den Begriff "einheitlich" ("unitary"). In der ursprünglichen Anmeldung sei lediglich in Patentanspruch 1 von einem "stent formed of a tube ..." die Rede. In Anspruch 6 werde näher ausgeführt, dass der [X.] u.a. mit geraden und ungeraden [X.]n ausgebildet sein solle, wobei diese eine "... generally uniform distributed structure" darstellen sollten. "Uniform" sei in diesem Zusammenhang aber nicht gleichbedeutend mit "unitary", vielmehr entspreche es dem [X.] Begriff "einheitlich" im Sinne von "gleichförmig".

Auch in der Fassung des [X.], nach dem aus dem Begriff "einheitlich" keine Rechte hergeleitet werden sollten, habe das Streitpatent keinen Bestand. Es könne dahingestellt bleiben, ob durch die Aufnahme eines solchen "Disclaimers" die unzulässige Erweiterung beseitigt werden könne. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der genannten Fassung sei jedenfalls nicht patentfähig. Er werde von dem [X.] Patent 4 856 516 ([X.] 8) vorweggenommen, aus dem die nachfolgend wiedergegebene Figur 2A stammt:

Abbildung

Dort werde ein flexibler, expandierbarer [X.] offenbart, der aus einem länglichen, zylindrischen Rohr gebildet werde. Der [X.] sei aus einem mäanderförmig gebogenen [X.] gefertigt und weise erste, sich in eine erste Richtung erstreckende [X.] in Gestalt der [X.] 50 auf. Die [X.] 50 seien durch axial verlaufende, mäanderförmig gebogene [X.] miteinander verbunden. Diese [X.] bildeten insgesamt ein Rückgrat 52, welches die benachbarten [X.] 50 verbindet. Zusätzlich zu den ein Rückgrat 52 bildenden [X.]n 54 könne noch ein weiteres aus hintereinander angeordneten mäanderförmig gebogenen [X.]n gebildetes Rückgrat auf der gegenüberliegenden Seite des [X.]s vorgesehen werden. Der [X.] weise somit auch zweite, sich in eine zweite Richtung erstreckende [X.] auf. Insgesamt ergebe sich eine gemusterte Gestaltung des [X.]s 10 sowohl in einer nicht expandierten als auch in einer expandierten Form. Die [X.] 50 und die [X.] wiesen Schlaufen auf. Die [X.] würden nicht, wie von der Beklagten behauptet, beim Herstellen des [X.]s geradegezogen. Der [X.] werde vielmehr bei der Fertigung des [X.]s in einer Hülse 70 geführt, um eine Verformung der Schlaufen zu vermeiden. Die in axialer Richtung in einer Linie angeordneten mäanderförmig gebogenen [X.] seien untereinander und mit den jeweiligen [X.] durch einen halben Schlag 56 des [X.] verschlungen. Wie in Figur 2A zu erkennen sei, seien Schlaufen jeder der [X.] 50 zwischen jedem der benachbarten, durch die axialen [X.] gebildeten Rückgrate angeordnet und wiesen die axialen [X.] zwischen jeder der benachbarten [X.] 50 genau eine Schlaufe in ihrer Mitte auf, an die sich auf beiden Seiten jeweils eine Biegung des [X.] in Form eine halben Schlages 56 anschließe. Damit seien alle Merkmale offenbart. Entsprechendes gelte auch für Patentanspruch 1 in der Fassung des [X.]I.

III. Die Ausführungen des Patentgerichts halten der Berufung der Beklagten im Ergebnis nicht stand.

1. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Ursprungsoffenbarung des Gegenstands eines Patentanspruchs erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann. Dabei sind zur Vermeidung einer unbilligen Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des [X.] auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen. Ein "breit" formulierter Anspruch kann unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann als unbedenklich zu erachten sein, wenn sich ein in der ursprünglichen Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist ([X.], Urteil vom 17. Juli 2012 - [X.], [X.]Z 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum; Urteil vom 11. Februar 2014 - [X.] Rn. 26 - Kommunikationskanal).

Nach diesen Grundsätzen ist das Merkmal, wonach der flexible, expandierbare [X.] aus einem einheitlichen (unitary) [X.] gebildet sein soll, ursprungsoffenbart. Dabei ist mit dem Patentgericht davon auszugehen, dass der in den Ansprüchen 1 und 6 der ursprünglichen Anmeldung verwendete Begriff der "generally uniform distributed structure", also der allgemein einheitlich verteilten Struktur, welche die in den Ansprüchen 1 und 6 jeweils näher charakterisierten [X.] des [X.]s bilden sollen, lediglich eine "gleichförmige" Struktur meint und damit noch keine Einstückigkeit des [X.]s offenbart ist. Im Hinblick auf das in den Figuren 1 und 2 gezeigte, als erfindungsgemäß bezeichnete Ausführungsbeispiel wird dem Fachmann jedoch weiter erläutert, dass es sich dabei um eine Röhre eines leicht deformierbaren Materials, wie zum Beispiel Metall handelt (Veröffentlichung der Anmeldung [WO 96/03092, im Folgenden: Anmeldung], [X.], [X.] 17 ff.). An anderer Stelle lernt der Fachmann darüber hinaus, dass der erfindungsgemäße [X.] aus Flachmetall hergestellt werden kann, indem das Muster eingeätzt und das geätzte Metall in die Form einer Röhre gebogen wird, und dass das Muster alternativ auch aus geschweißtem oder gewundenem [X.] hergestellt werden kann. Sieht er sich die insoweit in Bezug genommenen zeichnerischen Darstellungen in den Figuren 1 und 2 an, ergibt sich für ihn zwanglos, dass der erfindungsgemäße [X.] aus einem Rohr gebildet werden kann, dass nicht nur länglich und zylindrisch ist, sondern nach der Herstellung auch einheitlich im Sinne von einstückig ist.

b) Der ursprünglichen Anmeldung ist auch nicht zu entnehmen, dass ausschließlich [X.]s als zur Erfindung gehörend anzusehen sind, die gerade und ungerade [X.] aufweisen, die zueinander phasenverschoben sind. Zwar sehen die Ansprüche 1 und 13 sowie die darauf rückbezogenen weiteren Ansprüche der ursprünglichen Anmeldung eine solche Anordnung vor; jedoch ergibt sich der Inhalt der Patentanmeldung aus der Gesamtheit der Unterlagen und nicht nur aus den darin enthaltenen Ansprüchen. Insoweit hat bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt, dass in der Beschreibung unter der Überschrift "Zusammenfassung der Erfindung" von der Ausbildung der ersten [X.] in gerade und ungerade [X.], die außer Phase zueinander sind, lediglich im Hinblick auf "eine Ausführungsform" die Rede ist (Anmeldung, S. 2, [X.] 23 ff.: "one embodiment"), während "der [X.] der vorliegenden Erfindung" zuvor allgemein als Röhre mit einer gemusterten Form beschrieben wird, die in sich verschlungene erste und zweite [X.] aufweist und bei der die Achsen sich in erste und zweite Richtungen erstrecken (Anmeldung, S. 2, [X.] 16 ff.: "[X.]"). Auch an anderer Stelle in der Beschreibung heißt es allgemein, dass die Erfindung alle [X.]s umfassen solle, die mit einem Muster hergestellt seien, das aus zwei [X.]n ausgebildet sei, unabhängig davon, ob diese orthogonal oder andersartig seien (Anmeldung, S. 7, 31 ff.). Der nebengeordnete Patentanspruch 6 der [X.] sieht - anders als Patentanspruch 1 - nicht vor, dass der [X.] ungerade erste [X.] aufweist, die 180° außer Phase mit geraden ersten [X.]n sind. In der ursprünglichen Anmeldung findet sich auch im Übrigen, wie auch der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten hervorhebt, kein Hinweis darauf, dass [X.]s, bei denen das erste [X.] nicht aus phasenverschobenen ersten und zweiten Mustern besteht, ausgeschlossen sind. Dem steht die Darstellung verschobener [X.]s in den Figuren 1 bis 8 nicht entgegen, die lediglich beispielhaft drei erfindungsgemäße Ausführungsformen wiedergeben (Anmeldung, [X.] f.). Auch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, dass nur phasenverschobene [X.]s von dem Problem der Längenverkürzung während der [X.] betroffen seien, führen zu keinem anderen Verständnis vom [X.] der ursprünglichen Anmeldung. Nach den Angaben in der Beschreibung ist es zwar ein Ziel der anmeldungsgegenständlichen Erfindung, einen flexiblen [X.] bereitzustellen, der während der Ausdehnung minimal in der Längsrichtung schrumpft (Anmeldung, [X.], [X.] 16 ff.). Das erlaubt jedoch nicht den Schluss, dass diese beiden Vorgaben (Flexibilität und minimale Schrumpfung in Längsrichtung bei Ausdehnung) nur bei phasenverschobenen [X.]s erreicht werden sollen.

Aus den vorstehenden Gründen kann auch nicht dem [X.] zugestimmt werden, der - bestätigt vom [X.] (Urteil vom 4. April 2014 - 13/00522 Rn. 3.2.6; ähnlich im Ergebnis auch der [X.] High Court, Urteil vom 27. Mai 2011 - 2008 No. 10436 P Rn. 13 ff.) - entschieden hat, dass die Erfindung auf phasenverschobene [X.]s beschränkt sei, weil nirgendwo in der ursprünglichen Anmeldung des Streitpatents ein Hinweis zu finden sei, dass auch [X.]s mit andersartigen [X.] als zur Erfindung gehörend anzusehen seien ([X.], Urteil vom 30. Oktober 2012 - 200.059.579/01 Rn. 9.1 ff., 10.9, 11). Vielmehr gilt umgekehrt, dass -unter Berücksichtigung der weiteren obigen Erwägungen - auch [X.]s mit (im vorgenannten Sinne) phasengleichen [X.]n als zur Erfindung gehörend anzusehen, weil diese nirgendwo in der ursprünglichen Anmeldung von der Erfindung ausgeschlossen werden.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist auch patentfähig.

a) Er wird von keiner der vorgelegten Entgegenhaltungen vorweggenommen.

(1) Die [X.] Patentschrift 4 856 516 ([X.] 8) offenbart einen länglichen, zylindrischen und expandierbaren [X.], der aus einem mäanderförmig gebogenen [X.] gefertigt ist und sich in eine erste Richtung erstreckende erste [X.] in Gestalt der [X.] 50 und sich in eine (von der ersten verschiedene) zweite Richtung erstreckende zweite [X.] in Gestalt eines axialen Rückgrates 52/54 aufweist ([X.] 8, [X.]. 3, [X.] 31 ff.; Ansprüche 1 und 6; Figur 2A). Als eine zweite Stützanordnung wird vorgeschlagen, gegenüberliegend dem axialen Rückgrat 52/54 einen einzelnen gewundenen [X.] ("[X.]") hinzuzufügen ([X.] 8, [X.]. 4, [X.] 17 ff.), so dass der [X.] auch insoweit über ein sich in eine zweite Richtung erstreckendes [X.] verfügt. Wie auch der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ist dem [X.] der Entgegenhaltung nicht zu entnehmen, dass die sich axial erstreckenden, Rückgrate bildenden [X.] bzw. Drähte beim [X.] völlig gerade gezogen werden, so dass keine [X.] mehr bestehen. Vielmehr sollen die [X.] bzw. Drähte nach den ausdrücklichen Angaben in der [X.] 8 gewunden ("[X.]") sein ([X.] 8, [X.]. 4, [X.] 17 ff.; Anspruch 6), sich bei der Herstellung nicht ungebührlich verformen ([X.] 8, [X.]. 3, [X.] 62 ff.: "[X.]") und werden in gewundenem Zustand auch in den Figuren 2 und 2A der Entgegenhaltung gezeigt. Im Hinblick auf die zeichnerische Darstellung in den Figuren 2 und 2A kann auch nicht erfolgreich in Abrede gestellt werden, dass eine einzelne Schlaufe jedes der durch die axialen Drähte 52/54 gebildeten zweiten [X.] zwischen jedem der durch die [X.] 50 gebildeten benachbarten ersten [X.] angeordnet ist.

Der in der [X.] 8 offenbarte [X.] ist jedoch in der Variante mit einem zweiten sich axial erstreckenden gewundenen [X.] nicht einstückig aus einem einheitlichen Rohr gebildet. Denn der zweite [X.] wird nach den ausdrücklichen Angaben der Entgegenhaltung als zweite Stützanordnung hinzugefügt ([X.] 8, [X.]. 4, [X.] 17 ff.: "... a second support structure could be added to the stentconfiguration ...").

Wird hingegen kein zweiter [X.] als zusätzliche Stützanordnung hinzugefügt, definieren die durch die [X.] 50 gebildeten ersten und die durch den sich axial streckenden Teil des einzigen [X.]es 52/54 gebildeten zweiten [X.] keine Mehrzahl von umschlossenen Räumen (Merkmal 5). Vielmehr besteht zwischen diesen ersten und zweiten [X.]n jeweils nur ein einzelner Raum, der auch nicht umschlossen ist, weil das zweite [X.] den Raum in axialer Richtung nur an einer Seite umschließt.

(2) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 wird auch nicht in der [X.] Patentanmeldung 0 540 290 ([X.] 5) offenbart. Die in dieser Entgegenhaltung in den Figuren 5 und 11 gezeigten [X.]s weisen keine sich in eine zweite Richtung, die unterschiedlich zur Richtung der durch die Schlaufen 12 gebildeten (ersten) Mäanderstruktur ist, erstreckenden zweiten [X.] auf. Diese können nicht in den geraden Verbindungsstücken 13 gesehen werden. Selbst wenn dies anders gesehen würde, fehlte es an einer einzelnen Schlaufe des zweiten [X.]s, die zwischen jedem der benachbarten ersten [X.] angeordnet sein soll. Denn diese einzelne Schlaufe darf, wie ausgeführt, nicht, auch nicht teilweise, dem zweiten [X.] zugehörig sein. Entsprechend fehlt es auch an einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme durch die internationale Patentanmeldung [X.] ([X.] 7).

(3) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist nicht der internationalen Anmeldung [X.] ([X.] 6) zu entnehmen. Der dort offenbarte [X.] weist zwar in axialer Richtung ein [X.] auf. In Umfangsrichtung ist er jedoch statt eines [X.]s mit einem Muster aus geschlossenen Schlaufen ausgestattet, so dass es insoweit an einem zweiten [X.] fehlt.

(4) Die übrigen von den [X.] vorgelegten Entgegenhaltungen liegen noch weiter vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 entfernt und nehmen diesen erst Recht nicht vorweg.

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung hat sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus einer Kombination der [X.] Patentschrift 5 104 404 ([X.] 9) mit der [X.] Patentanmeldung [X.] 5 ergeben, auf welche die [X.] in diesem Zusammenhang abheben.

Die [X.] 9 offenbart in den Figuren 1 bis 6 einen aus zusammengeschweißten [X.] bestehenden einstückigen zylindrischen [X.], der über radial expandierbare [X.]segmente 12 verfügt, die jeweils durch ein Scharnier 14 oder 12 miteinander verbunden sind, wobei die gezeigten Scharniere entweder eine gerade oder eine gewendelte Form haben ([X.] 9, [X.]. 3, [X.] 40 ff.). Ein solcher [X.] weist zwar ein sich in Umfangrichtung erstreckendes erstes [X.] auf. Die gezeigten Scharniere 14 und 12 bilden jedoch kein zweites [X.], das sich in eine zweite, von der Richtung des ersten [X.]s unterschiedliche Richtung erstreckt.

Selbst wenn den [X.] darin gefolgt wird, dass der Fachmann, angeregt durch die allgemeinen Ausführungen in der Entgegenhaltung, dass auch jede andere Metallform mit den erforderlichen Scharniereigenschaften für dieses Scharniersegment verwendet werden könne, daran denkt, die Scharniere - abweichend von dem [X.] - mit einem [X.] zu versehen, ist damit der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung noch nicht nahegelegt. Denn in der [X.] 8 wird lediglich die Verwendung von einem Scharnier als Verbindung zwischen zwei [X.]segmenten 12 offenbart, so dass weiterhin die ersten und zweiten [X.] keine Mehrzahl von umschlossenen Räumen bilden würden, wie auch der gerichtliche Sachverständige zutreffend ausgeführt hat.

Entgegen der Ansicht der [X.] wurde der Fachmann auch nicht dazu angeregt, das ihm in der [X.] 9 offenbarte alleinige Scharnier durch zwei oder mehrere solcher Elemente zu ersetzen. In der [X.] 9 wird dem Fachmann erläutert, dass die (alleinigen) Scharniere vorteilhafterweise an der gleichen Seite anzubringen seien, so dass diese bei einer Biegung der Arterie vorzugsweise an der Außenseite anliegen, so dass dort ein besserer Halt entstehe, während die Innenkante des [X.]s geschlossen sein könne, um auf dieser Seite für zusätzlichen Halt zu sorgen. In Fällen, bei denen die Arterie zunächst in einer Richtung und dann in der Gegenrichtung gekrümmt ist, soll das erste Scharnier (zwischen dem ersten und dem zweiten Segment) auf der einen und das zweite Scharnier (zwischen dem zweiten und dem dritten Segment) auf der Gegenseite angeordnet sein, um für die erforderliche, passende [X.]-Gelenkbildung zu sorgen ([X.] 9, [X.]. 1, [X.] 61 ff.; [X.]. 3, [X.] 40 ff.). Mit diesen Erläuterungen ist es unvereinbar, eine zweites Scharnier zwischen zwei [X.]-segmenten anzuordnen, so dass der Fachmann entgegen der Ansicht der [X.] auch nicht durch die [X.] 5 veranlasst wird, die für den dort offenbarten [X.] mit Ringelementen vorgesehenen mehreren Verbindungselementen (vgl. [X.] 5, [X.]. 5, [X.] 57 ff.; Figuren 7 bis 10) auf den aus der [X.] 9 bekannten [X.] zu übertragen.

Aber auch eine Kombination der [X.] 8 mit der [X.] 5 vermag den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht nahezulegen. Wie bereits erläutert, bezieht sich die [X.] 8 auf einen länglichen, zylindrischen und expandierbaren [X.], der aus einem mäanderförmig gebogenen [X.] gefertigt ist. Gegenstand der in der [X.] 8 offenbarten Erfindung ist zum einen die besondere Art der Herstellung eines zylindrischen [X.]s durch Wickeln eines langgestreckten [X.]es in einer Aufeinanderfolge um einen zylindrischen Montagedorn zur Bildung einer Reihe von [X.]abschnitten (vgl. [X.] 8, [X.]. 5, 3, [X.] 49 ff.; Figur 3; Anspruch 7). Gegenstand der in der [X.] 8 offenbarten Erfindung ist zum anderen ein fertig hergestellter [X.], der aus einem langgestreckten [X.] gebildet sein soll, der zur Bildung einer Aufeinanderfolge von in relativ engem Abstand liegenden Windungen oder Biegungen auch in Form einer Mehrzahl von [X.] gebogen ist, die im Abstand entlang der axialen Dimension des [X.]s angeordnet und durch eine Reihe von [X.] miteinander verbunden sind (vgl. [X.] 8, [X.]. 5, [X.] 14 ff.; Figuren 2 und 2A; Anspruch 1). Vor dem Hintergrund dieses [X.] hatte der Fachmann keine Veranlassung, über ein anderes Material als [X.] zur Herstellung des in der [X.] 8 offenbarten [X.]s nachzudenken, auch wenn ihm aufgrund seines allgemeinen Fachwissens zum Prioritätszeitpunkt durchaus, etwa aus der [X.] oder aus der [X.] 5 (vgl. [X.] 5, [X.]. 3, [X.] 28 ff.; [X.]. 6, [X.] 50 ff.; Ansprüche 5, 11 und 15), allgemein bekannt war, dass [X.]s nicht nur aus [X.], sondern auch aus flachem Metall hergestellt werden können.

Ging der Fachmann demgegenüber zunächst von der [X.] 5 aus, ist nicht ersichtlich, dass ihn der in der [X.] 8 offenbarte [X.] aus [X.] dazu hätte veranlassen können, die Verbindungselemente 13 des dort in Figur 11 gezeigten [X.]s als zweites [X.] auszugestalten. Zudem fehlt es an einer Anregung, bei dem in Figur 11 gezeigten [X.] einzelne Schlaufen zwischen den benachbarten ersten [X.]n 12 vorzusehen.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Verbindung mit §§ 91, 97 ZPO.

Meta

X ZR 19/11

29.04.2014

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 21. Januar 2011, Az: 4 Ni 44/09 (EU)

§ 1 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2014, Az. X ZR 19/11 (REWIS RS 2014, 6024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6024

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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