Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2017, Az. V ZB 84/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8829

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:290617BVZB84.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V [X.]

vom

29. Juni 2017

in der Abschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 62
Mit der Verletzung der grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art.
103 Abs. 1 GG, die auch der Behörde zukommen, lässt sich deren
Interesse an einer Feststellung nach § 62 FamFG nicht begründen.
[X.], Beschluss vom 29. Juni 2017 -
V [X.] -
LG Halle

AG Halle (S[X.]le)

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 29. Juni 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, [X.]
Kazele, die Richterin [X.] und [X.] Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen den Be-schluss der 1. Zivilkammer des [X.]s Halle
vom 24.
Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Etwaige zur [X.] Rechtsverfolgung notwendige Auslagen der Betroffenen in der [X.] werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

Gründe:

I.

Auf Antrag der beteiligten
Behörde hat das Amtsgericht
am 11.
Februar 2017
gegen die Betroffene Haft zur Sicherung von deren
Abschiebung für drei Monate angeordnet. Diesen Beschluss hat das [X.] auf die Beschwerde der Betroffenen aufgehoben und angeordnet, die Betroffene sofort aus der Haft 1
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zu entlassen. Diese
ist am 15.
März 2017 nach [X.] abgeschoben worden. Mit der am 6.
April 2017 eingegangenen Rechtsbeschwerde beantragt die beteiligte Behörde, den
Beschluss des [X.]s aufzuheben und festzustellen, dass dieser sie in ihren Rechten verletzt habe.

II.

Nach Ansicht des [X.] war die Aufrechterhaltung der angeordneten
Haft unzulässig oder zumindest unverhältnismäßig. Die Betroffe-ne beabsichtige ernsthaft die Eheschließung mit ihrem [X.] Verlobten, die zur
Überzeugung des Gerichts unmittelbar bevorstehe. Hieraus ergebe sich gemäß Art.
6 Abs.
1 GG ein Abschiebungshindernis.

III.

Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist unzulässig.

1. Sie ist zwar nach §
70 Abs.
3 Satz 3 FamFG ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft, weil sie sich gegen einen eine freiheitsentzie-henden Maßnahme ablehnenden Beschluss richtet. Eine solche Ablehnung liegt auch vor, wenn das Beschwerdegericht die von dem Amtsgericht angeord-nete Haft zur Sicherung einer Abschiebung aufhebt.

2. Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist aber deshalb unzu-lässig, weil sich das Rechtsbeschwerdeverfahren vor Einlegung des Rechtsmit-tels in der Hauptsache erledigt hat und ein Rechtsbeschwerdeverfahren in einer
solchen Konstellation nur durch den Betroffenen, nicht durch die
beteiligte Be-2
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-
hörde mit einem Feststellungsantrag nach §
62 FamFG fortgesetzt werden kann.

a) Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde ist am 6.
April 2017 bei dem Rechtsbeschwerdegericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Hauptsache erledigt, weil die Betroffene am 15.
März 2017 in ihr
Hei-matland abgeschoben worden ist.

b) Die beteiligte Behörde kann ein Rechtsbeschwerdeverfahren, anders als der Betroffene, nicht
mit einem Feststellungsantrag nach §
62 FamFG fort-setzen oder durchführen, weil sie das in der Vorschrift geforderte berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die Entscheidung sie in ihren Rechten ver-letzt hat, nicht hat.
Daran hat sich durch die Einführung von §
70 Abs.
3 Satz 3 FamFG mit dem Gesetz vom 27.
Juli 2015 ([X.] I S. 1386) nichts geändert (Senat, Beschluss
vom 22.
Oktober 2015 -
V
ZB 169/14, [X.] 2016, 34 Rn. 10
f.).

[X.]) Mit der Verletzung der
grundrechtsgleichen Rechte aus Art.
101 Abs.
1 Satz
2 und Art.
103 Abs.
1 GG, die auch der Behörde zukommen (Senat, Beschluss vom 31.
Januar 2013 -
V
ZB 22/12,
[X.]Z 196, 118 Rn. 11, 13), lässt sich deren Interesse an einer Feststellung nach §
62 FamFG nicht be-gründen. Gegenstand der nach §
62 Abs.
1 FamFG zu treffenden Feststellung ist nämlich nicht die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, im Fall eines Antrags der beteiligten Behörde also
der
(teilweisen) Zurückweisung des Haftantrags oder der
Aufhebung der Haftanordnung, sondern die aus dieser Entscheidung folgende Verletzung des (Rechts-) Beschwerdeführers in seinen Rechten (Senat, Beschluss vom 3.
Februar 2011 -
V
ZB 224/10, [X.] 2011, 148 Rn. 12). Der Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte kann zwar zur Rechts-6
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widrigkeit der angefochtenen Entscheidung führen. Eine Verletzung von [X.] folgt aus der Rechtswidrigkeit der Entscheidung aber nur im [X.] zum Betroffenen, nicht im Verhältnis zur beteiligten Behörde. Ein be-rechtigtes Interesse an der isolierten Feststellung der Verletzung von [X.] könnte jedenfalls auch als unbenannter Fall nur zugelassen werden, wenn sie für sich genommen und unabhängig von dem Inhalt der dann ergehenden Entscheidung ein der Verletzung von Freiheitsrechten [X.] auslöst
(so: [X.], [X.], 66,
67; dagegen: [X.],FamFG, 3.
Aufl., §
62 Rn. 9). Das ist bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten gegenüber einer Behörde mangels eines personalen Bezugs nicht der Fall.

bb) Ein Antragsrecht der beteiligten Behörde lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr begründen. Der Gesetzgeber hat auch insoweit die Rechtsprechung des [X.]s
abbilden wollen (BT-Drucks. 16/6308 S. 205). Das [X.] hat sich indessen nur mit der Gefahr wiederholter Eingriffe in Freiheitsrechte des
Be-troffenen befasst (vgl. [X.] 104, 220, 233). Solche Fälle werden auch als typische Anwendungsfälle angesehen ([X.]/[X.], 2.
Aufl., §
62 Rn. 35). Die Behörde kann zwar ein Interesse daran haben, einzelne Rechtsfragen
für künftige Fälle zu klären. Dieses Interesse begründet aber ein Feststellungsinteresse nach §
62 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
2 FamFG nicht, weil es abstrakt ist und nicht, wie geboten, konkret (Senat, Beschluss vom 22.
Ok-
tober 2015 -
V
ZB 169/14, [X.]
2016, 34
Rn. 12). Nicht anders liegt es, wenn die Wiederholungsgefahr -
wie hier
-
aus dem Verstoß gegen Verfahrens-grundrechte in einem konkreten Einzelfall abgeleitet wird. Welche gerichtlichen Maßnahmen die Beachtung der Verfahrensgrundrechte der Verfahrensbeteilig-ten erfordern, bestimmt sich danach, welchen Verlauf das individuelle Verfahren 9
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6
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tatsächlich nimmt. Da dieser regelmäßig nicht vorhersehbar ist, lässt sich re-gelmäßig auch nicht darlegen, dass sich der in einem Verfahren aufgetretene Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte in
anderen Verfahren wiederholen wird. Anders liegt es nur, wenn der anlassgebende Verstoß gegen [X.] auf
einem unterschiedlichen Verständnis der abstrakten Anforderungen beruht. Dann aber ginge es um die Klärung einer Rechtsfrage, der das [X.] nach §
62 FamFG nicht dient.

[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf §§
84, 430 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §
36 Abs.
3 GNotKG.

Stresemann
Schmidt-Räntsch
Kazele

[X.]
Hamdorf

Vorinstanzen:

AG Halle (S[X.]le), Entscheidung vom 11.02.2017 -
70 [X.] 8/17 -

LG Halle, Entscheidung vom 24.02.2017 -
1 [X.] -

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Meta

V ZB 84/17

29.06.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2017, Az. V ZB 84/17 (REWIS RS 2017, 8829)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8829

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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