Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.02.2021, Az. VI R 17/19

6. Senat | REWIS RS 2021, 8767

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Gegenstand

Keine Zwangsbetriebsaufgabe durch Veräußerung der Hofstelle eines verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs


Leitsatz

NV: Die Veräußerung der Hofstelle eines verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebs führt nicht zu dessen zwangsweiser Aufgabe.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.09.2018 - 12 K 3314/16 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine aus den drei Kindern der 2010 verstorbenen [X.]rblasserin ([X.]) bestehende [X.]rbengemeinschaft. Die [X.]rben haben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge verpachtete landwirtschaftliche Flächen erworben.

2

[X.] hatte im Jahr 1973 nach dem Tod ihres [X.]hemanns die landwirtschaftlich genutzten Flächen nacheinander an verschiedene Pächter jeweils im Ganzen verpachtet. Die Hofstelle veräußerte sie mit [X.] zum ...1975. Spätestens seit dem [X.] wurden die [X.]inkünfte bei [X.] als solche aus Vermietung und Verpachtung behandelt.

3

In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr (2010) erklärte die Klägerin ebenfalls [X.]inkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) ging demgegenüber von [X.]inkünften aus Land- und Forstwirtschaft aus.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. [X.]s war der Ansicht, der von [X.] bis ins Wirtschaftsjahr 1973/1974 geführte land- und forstwirtschaftliche Betrieb sei von dieser mit dem Verkauf der Hofstelle im Wirtschaftsjahr 1974/1975 zwangsweise aufgegeben worden.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

6

[X.]s beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

Das [X.] hat zu Unrecht entschieden, dass [X.] den landwirtschaftlichen Verpachtungsbetrieb durch die Veräußerung der Hofstelle im Wirtschaftsjahr 1974/1975 zwangsweise aufgegeben hat. Der [X.] kann mangels ausreichender Feststellungen des [X.] aber nicht abschließend prüfen, ob die Klägerin im Streitjahr durch die Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen tatsächlich [X.]inkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG) [X.]. § 13 [X.]StG erzielte.

1. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den [X.] daher bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hatte [X.] nach dem Tod ihres [X.]hemanns die vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen --ohne die [X.] zunächst im Ganzen verpachtet.

2. [X.]ntgegen der Auffassung des [X.] hat [X.] den von ihr geführten land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetrieb mit dem Verkauf der Hofstelle im Wirtschaftsjahr 1974/1975 nicht zwangsweise aufgegeben. Denn durch den Verkauf der Hofstelle ist das Verpächterwahlrecht nicht entfallen.

a) Der Steuerpflichtige hat nach ständiger Rechtsprechung im Fall der Verpachtung seines Betriebs ein Wahlrecht, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 [X.]StG behandeln und damit die Wirtschaftsgüter seines Betriebs unter Auflösung der stillen Reserven in sein Privatvermögen überführen oder (ob und wie lange er) das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen und daraus betriebliche [X.]inkünfte erzielen will (grundlegend Urteil des Großen [X.]s des [X.] --BFH-- vom 13.11.1963 - GrS 1/63 S, BFH[X.] 78, 315, BStBl [X.], 124; zuletzt z.B. [X.]surteile vom 17.05.2018 - VI R 73/15, Rz 26, und vom [X.] - VI R 26/17, BFH[X.] 265, 82, [X.], 660, Rz 21).

b) Das Wahlrecht entfällt aber, wenn anlässlich oder während der Verpachtung die wesentlichen Betriebsgrundlagen des landwirtschaftlichen Betriebs so umgestaltet werden, dass sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können. Denn die identitätswahrende Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebs ist an den Fortbestand der verpachteten wesentlichen Betriebsgrundlagen gebunden. Dass die Hofstelle bei der Verpachtung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Ganzen ebenso wie bei der parzellenweisen Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen mitverpachtet wird, ist für die Anwendung der [X.] nicht erforderlich (BFH-Urteile vom 18.05.2000 - IV R 84/99, BFH[X.] 191, 547, [X.], 470, unter 1.; vom 21.09.2000 - IV R 29/99, [X.] 2001, 433, und vom 20.01.2005 - IV R 35/03, [X.] 2005, 1046, m.w.N.).

Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass es schon immer land- und forstwirtschaftliche Betriebe ohne Hofstelle gab, es namentlich bei der Bewirtschaftung von [X.] einer Hofstelle nicht bedarf (BFH-Urteil vom 08.03.2007 - IV R 57/04, [X.] 2007, 1640, unter II.3.). So lange der Verpächter keine eindeutige [X.]rklärung der Betriebsaufgabe abgibt, ist er daher grundsätzlich frei, den Verpachtungsbetrieb zu Beginn oder während der Verpachtung in einem Umfang umzustrukturieren, der einer Wiederaufnahme der [X.]igenbewirtschaftung, wenn auch in abgewandelter Form, nicht entgegensteht (s. BFH-Urteil vom 18.03.1999 - IV R 65/98, BFH[X.] 188, 310, [X.] 1999, 398; von [X.], [X.] --[X.]-- 2003, 1052).

Ist aber eine Hofstelle keine unabdingbare Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, folgt daraus zugleich, dass das weitere Schicksal der zurückbehaltenen Hofstelle für die Absicht der Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeit auf den verpachteten Grundstücksflächen ebenfalls keine Bedeutung (mehr) haben kann (BFH-Urteil in [X.] 2007, 1640). Mithin führt auch die Veräußerung der Hofstelle nicht zu einer Zwangsbetriebsaufgabe (BFH-Urteile vom 26.06.2003 - IV R 61/01, BFH[X.] 202, 525, [X.] 2003, 755, unter 3.b, und in [X.] 2005, 1046, unter 2.a, sowie [X.] vom 14.02.2005 - IV B 207/02). [X.]ntscheidend ist, ob der Verpächter ausdrücklich die Aufgabe des Betriebs erklärt (von [X.], [X.] 2003, 1052). Dies ergibt sich auch aus der [X.] Streitjahr allerdings noch nicht anwendbaren-- Vorschrift in § 16 Abs. 3b Satz 1 Nr. 1 [X.]StG ([X.]. § 14 Satz 2 [X.]StG).

c) Nach diesen Maßstäben hat das [X.] zu Unrecht eine durch den Verkauf der Hofstelle ausgelöste Zwangsbetriebsaufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebs der [X.] bejaht.

[X.]ntgegen der Ansicht der Vorinstanz wurde der Betrieb nicht zwangsweise dadurch zerschlagen, dass [X.] die Hofstelle veräußerte. Infolge der Veräußerung der Hofstelle entfielen nicht die Voraussetzungen für die Fortführung des Verpächterwahlrechts. Denn [X.] war als Verpächterin grundsätzlich frei, den Verpachtungsbetrieb in einem Umfang umzustrukturieren, der einer Wiederaufnahme der [X.]igenbewirtschaftung nicht entgegenstand. Sie konnte daher die Hofstelle auch veräußern. Dass mit den verbliebenen, verpachteten Flächen eine Wiederaufnahme der [X.]igenbewirtschaftung nicht möglich war, ist nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich.

3. Das [X.] hat --aus seiner Sicht zu [X.] nicht geprüft, ob [X.] (ausdrücklich oder konkludent) eine Betriebsaufgabeerklärung abgegeben hat, obwohl die Klägerin geltend gemacht hatte, sie gehe davon aus, die Betriebsaufgabe sei für 1974 erklärt worden.

Diese Prüfung wird das [X.] im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 17/19

11.02.2021

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 25. September 2018, Az: 12 K 3314/16, Urteil

§ 13 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG 2009, § 16 Abs 3 EStG 2009, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 2 Abs 1 S 1 Nr 6 EStG 2009, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.02.2021, Az. VI R 17/19 (REWIS RS 2021, 8767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8767


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI R 17/19

Bundesfinanzhof, VI R 17/19, 11.02.2021.


Az. 12 K 3314/16

FG München, 12 K 3314/16, 25.09.2018.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 17.05.2018 VI R 66/15 - Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebs …


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