Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2015, Az. 9 AZR 547/14

9. Senat | REWIS RS 2015, 2261

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Gegenstand

Betriebliche Übung - Jubiläumsurlaub - Änderung der Jubiläumsleistung nach dem BAT-KF


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 3. Juli 2014 - 16 [X.]/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin zusätzlich zu ihrem Anspruch auf [X.] aus § 22 [X.] nF anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums aufgrund einer betrieblichen Übung vier Tage Sonderurlaub zustehen.

2

Die Beklagte ist eine [X.] Krankenhausgemeinschaft. Sie bildete die Klägerin vom 1. Oktober 1987 bis zum 30. September 1990 aus und beschäftigt diese seit dem 1. Oktober 1990 als Krankenschwester. Im Arbeitsvertrag ist ua. vereinbart, dass „die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der [X.] jeweils geltenden Fassung ([X.])“ sowie „die sonstigen für die Angestellten … im Bereich der [X.] beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen“ gelten, „wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst ([X.] - [X.]) vom 25. Oktober 1979 … und seinen Änderungen und Ergänzungen geregelt sind und werden“.

3

Der bis zum 30. Juni 2007 geltende § 39 [X.] aF hatte ua. folgenden Inhalt:

        

Jubiläumszuwendungen

        

(1) Die Angestellten erhalten als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Dienstzeit (§ 20)

                 

von 25 Jahren 310 Euro,

                 

von 40 Jahren 410 Euro,

                 

von 50 Jahren 520 Euro.

        

Zur Dienstzeit im Sinne des Absatzes 1 rechnen auf Antrag auch die [X.]en, die bei dem Arbeitgeber oder seinem Rechtsvorgänger in einem Beschäftigungsverhältnis vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres oder in einem Ausbildungsverhältnis zurückgelegt worden sind, sofern sie nicht vor einem Ausscheiden nach § 20 Abs. 3 liegen.

        

…“    

4

Jedenfalls seit 1985 gewährte die Beklagte ihren Mitarbeitern anlässlich des 25-jährigen Dienstjubiläums zusätzlich zur Jubiläumszuwendung nach § 39 [X.] aF iHv. 310,00 Euro vier Tage Sonderurlaub.

5

Mit Wirkung zum 1. Juli 2007 wurde der [X.] neu gefasst ([X.] nF). Dessen § 22 hat folgenden Wortlaut:

        

Jubiläumszuwendung

        

Mitarbeitende erhalten als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Beschäftigungszeit

        

•       

von 25 Jahren zusätzlichen Urlaub von 5 Tagen und

        

•       

von 40 Jahren zusätzlichen Urlaub von 10 Tagen.

        

§ 25 Abs. 1 Satz 4 gilt entsprechend.“

6

§ 9 der Arbeitsrechtsregelung zu Übergangsregelungen im Zuge der Neufassung des [X.] und MTArb-KF lautet:

        

Beschäftigungszeit

        

…       

        
        

(2) Für die Anwendung des § 22 [X.]/MTArb-KF werden die bis zum 30. Juni 2007 zurückgelegten [X.]en, die nach Maßgabe

        

•       

des [X.] in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung anerkannte Dienstzeit,

        

•       

des MTArb-KF in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung anerkannte Jubiläumszeit

        

sind, als Beschäftigungszeiten im Sinne des § 33 Abs. 5 [X.]/MTArb-KF berücksichtigt.“

7

Im Jahre 2008 fanden zwischen der [X.] und der Mitarbeitervertretung Verhandlungen wegen der [X.] statt. Diese endeten im Schlichtungsverfahren nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der [X.] am 29. August 2008 auf Vorschlag der Schlichtungsstelle mit einem Vergleich. Bei einem Dienstjubiläum von 25 Jahren wurden als [X.] fünf Tage Sonderurlaub und eine Zuwendung iHv. 75,00 Euro festgelegt.

8

Die Klägerin vollendete bei Berücksichtigung der im Ausbildungsverhältnis zurückgelegten [X.] am 30. September 2012 eine 25-jährige Dienstzeit. Die Beklagte zahlte ihr mit der Vergütung für Oktober 2012 eine Zuwendung iHv. 75,00 Euro brutto. Mit Schreiben vom 1. August 2012 verlangte die Klägerin erfolglos vier Tage Sonderurlaub anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums aufgrund der „hauseigenen“ Regelung.

9

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihr vier Tage Sonderurlaub auf ihrem Urlaubskonto gutzuschreiben. Ihr Anspruch auf diesen Sonderurlaub aufgrund betrieblicher Übung bestehe neben ihrem Anspruch aus § 22 [X.] nF auf fünf Tage zusätzlichen Urlaub.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 31. Juli 2013 antragsgemäß verurteilt, dem Urlaubskonto der Klägerin Zug um Zug gegen Rückzahlung der von der [X.] an die Klägerin gezahlten Zuwendung iHv. 75,00 Euro brutto vier Tage Sonderurlaub gutzuschreiben.

Die Beklagte hat gegen dieses Versäumnisurteil form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, ein Anspruch der Klägerin auf vier Tage Sonderurlaub aus betrieblicher Übung anlässlich ihrer 25-jährigen Dienstzeit sei jedenfalls durch den Anspruch auf zusätzlichen Urlaub von fünf Tagen nach § 22 [X.] nF ersetzt worden.

Das Arbeitsgericht hat sein Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Berufung zugelassen. Das [X.] hat auf die Berufung der [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, dessen Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Klägerin anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums neben dem zusätzlichen Urlaub von fünf Tagen nach § 22 [X.] nF nicht weitere vier Tage Sonderurlaub aus betrieblicher Übung zustehen.

I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag bedarf allerdings der Auslegung. Seinem Wortlaut nach verlangt die Klägerin, dass die Beklagte verurteilt wird, ihrem [X.] um Zug gegen Rückzahlung von 75,00 Euro brutto vier Tage Sonderurlaub gutzuschreiben. Eine solche Leistungsklage kommt freilich nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber ein Urlaubskonto führt und dieses Konto den Anspruch nach der zugrunde liegenden Abrede verbindlich bestimmt (vgl. für ein Arbeitszeitkonto [X.] 31. Juli 2014 - 6 [X.] - Rn. 20 mwN). Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Beklagte ein solches Konto zu führen hat. Sie ist hierzu nach dem [X.] auch nicht verpflichtet ([X.] 20. Mai 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 20). Aus der Klagebegründung wird deutlich, dass die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr anlässlich ihres 25-jährigen Dienstjubiläums am 1. Oktober 2012 neben dem zusätzlichen Urlaub von fünf Tagen nach § 22 [X.] nF vier Tage Sonderurlaub zu gewähren (vgl. zu einer ähnlichen Antragstellung bereits [X.] 9. Mai 1995 - 9 [X.] - zu I 1 der Gründe). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für diese Klage liegt vor (vgl. [X.] 12. April 2011 - 9 [X.] - Rn. 13 ff., [X.]E 137, 328).

II. Die Klage ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin kein Sonderurlaub aus betrieblicher Übung zusteht, weil die Mitarbeiter der Beklagten aus der Gewährung von vier Tagen Sonderurlaub anlässlich des 25-jährigen Dienstjubiläums nicht auf einen Rechtsbindungswillen der Beklagten schließen durften, diesen Sonderurlaub zusätzlich zu einem Urlaub von fünf Tagen nach dem [X.] nF zu gewähren. Dabei kann offenbleiben, ob die Feststellung des Inhalts einer betrieblichen Übung der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt (dafür: [X.] 18. Januar 2012 - 10 [X.] - Rn. 18; 19. Oktober 2011 - 5 [X.] - Rn. 13; offengelassen von [X.] 15. Dezember 2009 - 9 [X.] 887/08 - Rn. 42). Denn selbst bei vollumfänglicher Überprüfung erweist sich die Auffassung des [X.]s, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Leistungen nebeneinander gewährt werden sollten, als zutreffend.

1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte ([X.] 5. Mai 2015 - 1 [X.] 806/13 - Rn. 26; 19. März 2014 - 5 [X.] 954/12 - Rn. 43). Entsprechend ist auch durch Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln, welchen Inhalt der aus betrieblicher Übung erwachsende Anspruch hat (vgl. [X.] 19. Oktober 2011 - 5 [X.] - Rn. 13).

2. Für einen derartigen Bindungswillen der Beklagten fehlen Anhaltspunkte. Solche lägen vor, wenn die Beklagte bisher stets - trotz einer Erhöhung der Jubiläumsleistungen nach dem [X.] - unverändert an der Gewährung des [X.] festgehalten hätte. Die Situation ist vergleichbar mit der Frage, ob der tatsächlichen Erbringung von Leistungen aus einem bestimmten Tarifvertrag der Wille des Arbeitgebers entnommen werden kann, sich auch an zukünftige geänderte Tarifverträge binden zu wollen. Bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber ist anzunehmen, dass eine betriebliche Übung der Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet nur entsteht, wenn es deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers dafür gibt, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariferhöhungen übernehmen will ([X.] 19. Oktober 2011 - 5 [X.] - Rn. 14 mwN). Die nicht vorhersehbare Dynamik spricht grundsätzlich gegen einen objektiv erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen des Arbeitgebers zur dauerhaften Leistungserbringung unabhängig von der Tarifentwicklung.

3. Der Hinweis der Klägerin auf die unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen gibt kein anderes Ergebnis vor. Ihre Rechtsauffassung, dass der zusätzliche Urlaub nach § 22 [X.] nF - im Gegensatz zu dem Sonderurlaub aus betrieblicher Übung - an die Beschäftigungszeit ohne Berücksichtigung der Ausbildungszeit anknüpft, trifft so nicht zu. Nach § 9 Abs. 2 der Arbeitsrechtsregelung zu Übergangsregelungen im Zuge der Neufassung des [X.] und MTArb-KF werden für die Anwendung des § 22 [X.] nF die bis zum 30. Juni 2007 zurückgelegten Zeiten, die nach Maßgabe des [X.] aF anerkannte Dienstzeit sind, als Beschäftigungszeit berücksichtigt. Dadurch wird ein Gleichlauf der Berechnung der Dienstzeiten in Bezug auf [X.] zwischen dem [X.] aF, der die Möglichkeit der Anrechnung von Ausbildungszeiten vorsah, und dem [X.] nF erzielt. Da die Beklagte nach den Feststellungen des [X.]s den Sonderurlaub in der Vergangenheit stets neben der Zuwendung nach § 39 [X.] aF gewährte, ergibt sich denknotwendig ein Gleichlauf.

4. Auf den Vergleich vor der Schlichtungsstelle kann die Klägerin ihren Anspruch auf vier Tage Sonderurlaub nicht stützen. Dieser Vergleich sieht nur die Gewährung eines zusätzlichen Urlaubs von fünf Tagen entsprechend § 22 [X.] nF vor.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Brühler    

        

    Anthonisen    

                 

Meta

9 AZR 547/14

17.11.2015

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Herne, 6. November 2013, Az: 1 Ca 741/13, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 151 BGB, § 39 BAT-KF, § 22 BAT-KF

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2015, Az. 9 AZR 547/14 (REWIS RS 2015, 2261)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 1341 REWIS RS 2015, 2261


Verfahrensgang

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Az. 9 AZR 547/14

Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 547/14, 17.11.2015.


Az. 1 Ca 741/13

Arbeitsgericht Herne, 1 Ca 741/13, 06.11.2013.


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2 Sa 343/20

11 Sa 278/15

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