Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2014, Az. 4 AZR 503/12

4. Senat | REWIS RS 2014, 468

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Jubiläumszuwendung - Günstigkeitsvergleich - Anrechnung von Wehrdienstzeiten


Leitsatz

Führt ein Günstigkeitsvergleich nicht zweifelsfrei zu dem Ergebnis, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende arbeitsvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden, normativen Geltung des Tarifvertrags.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. März 2012 - 4 [X.]/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des [X.] auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung.

2

Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1971 bei der [X.] und ihren Rechtsvorgängerinnen im Bereich der Klinik für Psychiatrie und Neurologie in [X.] beschäftigt. Er ist Mitglied der [X.] [X.].

3

In dem zwischen ihm und dem Land [X.]-Holstein am 1. Oktober 1971 abgeschlossenen Arbeitsvertrag heißt es:

        

„§ 2   

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem [X.] ([X.]) vom [X.] und diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.

        

…“    

4

Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass sich seine Dienst- und [X.] unter Berücksichtigung seines Wehrdienstes vom 1. Januar 1967 bis zum 30. Juni 1968 und einer Wehrübung vom 10. November bis zum 10. Dezember 1970 ab dem 3. März 1970 errechne und sein 40-jähriges Dienstjubiläum am 2. März 2010 erreicht werde.

5

Das Arbeitsverhältnis des [X.] ging in der Folgezeit auf die neu gegründete Fachklinik [X.], Anstalt des öffentlichen Rechts ([X.]), über. Am 27. September 2004 schloss diese im Hinblick auf eine geplante Privatisierung mit dem bei ihr bestehenden Gesamtpersonalrat eine Dienstvereinbarung, in der es ua. heißt:

        

        

§ 2   

                 

Fortgeltung der arbeitsrechtlichen Vereinbarungen

        

…       

        
        

3.    

Alle bei der AöR erworbenen und dort als erworben anerkannten Rechte der Mitarbeiterinnen werden auch weiterhin bei der umgewandelten GmbH und insbesondere auch nach dem Gesellschafterwechsel von dem Übernehmer als bei der umgewandelten GmbH erworben anerkannt. Dienst- sowie Beschäftigungszeiten werden nach den entsprechenden tariflichen Bestimmungen angerechnet.

                 

Soweit grundsätzliche Festlegungen und Richtungsentscheidungen für die künftigen Strukturen und Organisationsprinzipien des Betriebes festgelegt werden, garantiert der oder die Gesellschafter die bisher abgeschlossenen Regelungen sowie diese Dienstvereinbarung.

                 

Anmerkung: Dieser Satz wird später in den Kaufvertrag an die passende Stelle verschoben.

        

…“    

6

Die Fachklinik [X.] [X.] wurde nach Maßgabe des Gesetzes zur Umwandlung der Fachklinik [X.] und der psychiatrium [X.] vom 24. September 2004 ([X.] - [X.]) im Wege des Formwechsels in die nicht tarifgebundene „Fachklinik [X.] gGmbH“ umgewandelt. Mit Wirkung zum 1. November 2005 erwarben die [X.] und eine weitere Gesellschaft die Geschäftsanteile an der [X.], die in der Folgezeit in „SCHLEI-Klinikum [X.] FKSL GmbH“ umbenannt wurde. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 3. November 2005.

7

Der Anteilskaufvertrag zwischen dem Land [X.]-Holstein und den Käuferinnen lautet in § 9 auszugsweise:

        

„…    

        
        

2.    

Die Käuferin sowie die [X.] garantieren im Wege eines selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantieversprechens gemäß § 311 Abs. 1 BGB und nicht im Wege einer Garantie i.S.d. §§ 443, 444 BGB, dass sie und die Fachklinik [X.] gGmbH die Bestimmungen der in Anlage 9 beigefügten Dienstvereinbarung … als für sich verbindlich anerkennen und einhalten werden.

        

…“    

8

Die [X.] schloss - ausdrücklich auch im Namen und in Vollmacht der [X.] handelnd - mit der [X.] [X.] am 2. März 2010 den [X.] ([X.]), der rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft trat.

9

Am 26. April 2010 machte der Kläger gegenüber der [X.] schriftlich die Zahlung der Jubiläumszuwendung geltend. Am 30. April 2010 endete sein Arbeitsverhältnis.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung nach § 17 [X.]. Bei der Ermittlung der zurückgelegten Beschäftigungszeit seien auch die Zeiten seines Grundwehrdienstes und der Wehrübung zu berücksichtigen. Die Beklagte sei an die von ihrer Rechtsvorgängerin anerkannten Beschäftigungszeiten gebunden. Danach habe er am 2. März 2010 sein 40-jähriges Dienstjubiläum erreicht. Jedenfalls stehe ihm die Zuwendung aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf den [X.] zu. Die Regelung in § 39 Abs. 1 iVm. § 20 [X.] sei - falls die Zeiten des Wehrdienstes bei der in § 17 [X.] geregelten Jubiläumszuwendung nicht anzurechnen seien - für ihn günstiger. Der Anspruch sei zwar von geringerer Höhe, jedoch sei er aufgrund der Anrechnung weiterer Dienstzeiten zu einem früheren Zeitpunkt entstanden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 409,03 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. April 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde [X.] beiderseitiger Tarifgebundenheit als auch aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nur der [X.] Anwendung. Aus dessen § 17 ergebe sich der geltend gemachte Anspruch nicht. Der Kläger habe die erforderliche Beschäftigungszeit nicht erfüllt. Die tarifvertragliche Regelung sehe die Berücksichtigung von [X.] nicht vor.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Jubiläumszuwendung.

I. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 17 [X.] [X.].

1. Die Regelung des § 17 [X.] [X.] gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien [X.] beiderseitiger [X.] gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.].

2. Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch sind die nachstehenden Regelungen des [X.] [X.] maßgebend:

        

„…    

        

§ 8 Beschäftigungszeit

        

1.    

Beschäftigungszeit ist die in der [X.] Gruppe zurückgelegte [X.]. Beschäftigungszeiten in den Rechtsvorgängern von Unternehmen der [X.] Gruppe werden dabei vollständig berücksichtigt.

        

…       

        

§ 17 Jubiläumszuwendungen

        

Die Arbeitnehmer erhalten als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Beschäftigungszeit (§ 8) …

        

von 40 Jahren € 450,00 …

        

brutto.“

3. Der Kläger hat die erforderliche Beschäftigungszeit von 40 Jahren nicht erfüllt. Die bei der [X.] und ihren [X.] zurückgelegte Beschäftigungszeit betrug bei Ausscheiden des [X.] aus dem Arbeitsverhältnis zum 30. April 2010 38 Jahre und sieben Monate. Die [X.]en des Grundwehrdienstes und der Wehrübung sind entgegen der Auffassung des [X.] keine Beschäftigungszeiten iSv. § 8 [X.] [X.]. Das ergibt die Auslegung der Tarifvorschrift.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (näher dazu zB [X.] 7. Juli 2004 - 4 [X.]/03 - zu I 1 b aa der Gründe, [X.]E 111, 204; 30. Mai 2001 - 4 [X.] [X.] der Gründe, [X.]E 98, 35; jeweils mwN). Sie ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen ([X.] 19. September 2007 - 4 [X.] - Rn. 30, [X.]E 124, 110).

b) Nach dem Wortlaut des § 17 iVm. § 8 [X.] [X.] sind der Berechnung der Jubiläumszuwendung nur „Beschäftigungszeiten“ zugrunde zu legen. Dabei handelt es sich um alle Beschäftigungszeiten, die in einem Unternehmen der [X.] Gruppe oder in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis vor Übernahme durch ein solches zurückgelegt worden sind ([X.] 28. August 2013 - 10 [X.] - Rn. 11). Bei den [X.]en des Grundwehrdienstes und der Wehrübung handelt es sich nicht um Beschäftigungszeiten im tariflichen Sinne. Sie wurden weder in einem Unternehmen der [X.] Gruppe noch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei einer Rechtsvorgängerin zurückgelegt. Die Anrechnung weiterer „Dienstzeiten“ sieht der [X.] [X.] nicht vor.

c) Entgegen der Auffassung des [X.] kommt eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung, nach der auch Dienstzeiten zu berücksichtigen wären, die nicht gleichzeitig Beschäftigungszeiten sind, unter Berücksichtigung der „Tarifgeschichte“ nicht in Betracht.

aa) Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung eines Tarifvertrags unterliegt bereits grundsätzlichen Bedenken. Wegen der weitreichenden Wirkung von [X.] auf die Rechtsverhältnisse Dritter, die an den [X.] nicht beteiligt waren, kann der Wille der Tarifvertragsparteien im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur ausnahmsweise dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat ([X.] 21. März 2012 - 4 [X.] - Rn. 40; 19. September 2007 - 4 [X.] - Rn. 32 mwN, [X.]E 124, 110). Die an einen Tarifvertrag gebundenen Arbeitsvertragsparteien müssen aus dessen Wortlaut ermitteln können, welchen Regelungsgehalt die [X.] haben. Sie können regelmäßig nicht darauf verwiesen werden, sich - über den Wortlaut und die Systematik hinaus - Kenntnisse über weitere [X.] und -methoden zu verschaffen, zB durch Einholung von Auskünften ihrer Koalition über die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder durch Ermittlung der Existenz und des Inhalts von - vermeintlichen - Vorgängertarifverträgen. Dies gilt insbesondere, wenn der Wortlaut zu Zweifeln keinerlei Anlass gibt. Eine solche Verpflichtung widerspräche dem [X.] eines Tarifvertrags. Sie nähme der Gewissheit des Geltungsgrundes und des Geltungsinhalts der [X.] die notwendige Sicherheit. Die Tarifvertragsparteien können einem vom Wortlaut der tariflichen Vorschrift abweichenden [X.] vielmehr dadurch Rechnung tragen, dass sie diesen in einer auch für Außenstehende erkennbaren Weise zum Ausdruck bringen ([X.] 21. März 2012 - 4 [X.] - aaO). Dies haben sie im Streitfall nicht getan.

bb) Ungeachtet dieser Bedenken ergibt sich auch aus der Vorgeschichte im Streitfall nicht, dass [X.]en des Grundwehrdienstes und von [X.] nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bei der Ermittlung der Beschäftigungszeiten iSv. § 8 [X.] [X.] zu berücksichtigen wären.

(1) Im Rahmen der Dienstvereinbarung vom 27. September 2004 hat sich die Rechtsvorgängerin der [X.], die [X.], zwar verpflichtet, alle bei der [X.] erworbenen und dort als erworben anerkannten Rechte der Mitarbeiterinnen auch weiterhin bei der umgewandelten GmbH und insbesondere auch nach dem Gesellschafterwechsel von dem Übernehmer als bei der umgewandelten GmbH erworben anzuerkennen. Dienst- sowie Beschäftigungszeiten sollten nach den entsprechenden tariflichen Bestimmungen anerkannt werden. Nach dem Anteilskaufvertrag garantieren die Käuferin und die [X.] Holding AG, die Bestimmungen der Dienstvereinbarung als für sich verbindlich anzuerkennen und einzuhalten.

(2) Diese Dienstvereinbarung enthält aber keine Definition des Begriffs der „Dienst- und Beschäftigungszeiten“. Da sie den Zweck verfolgt, die von den Arbeitnehmern erworbenen Rechte zu sichern, und die [X.] ebenso wie das [X.] dem Bereich des öffentlichen Dienstes zugehörig war, folgt die Terminologie ersichtlich der des [X.]. Dieser differenziert zwischen „reinen“ Beschäftigungszeiten (§ 19 [X.]) auf der einen und weiteren anrechenbaren Dienstzeiten (§ 20 [X.]) auf der anderen Seite. Die Dienstzeit umfasst neben der Beschäftigungszeit iSv. § 19 [X.] [X.]en einer früheren Beschäftigung, die nicht gleichzeitig Beschäftigungszeiten sind. Darunter fallen nach § 20 Abs. 6 Buchst. a [X.] ua. [X.]en erfüllter Dienstpflicht bei der [X.]. Haben die Tarifvertragsparteien des [X.] [X.] in der Folge ausschließlich die Berücksichtigung von „Beschäftigungszeiten“ geregelt, kann dem Begriff mit Blick auf die im [X.] vorgesehene und den Tarifvertragsparteien bekannte Differenzierung nicht die Bedeutung beigemessen werden, sie umfasse auch die von den Beschäftigungszeiten zu unterscheidenden Dienstzeiten. Hätten die Tarifvertragsparteien auch die Anrechnung von Dienstzeiten im Sinne von § 20 [X.] regeln wollen, hätte es nahegelegen, die entsprechende Terminologie aus der Dienstvereinbarung aufzugreifen. Dies haben sie nicht getan.

(3) Der Entscheidung des [X.] vom 28. August 2013 (- 10 [X.] -) liegt kein abweichendes Verständnis der betreffenden [X.] zugrunde. Gegenstand der Entscheidung war lediglich die Anrechnung von „Beschäftigungszeiten“, nicht - wie im Streitfall - diejenige von weiteren „Dienstzeiten“.

II. Ein Anspruch des [X.] ergibt sich auch nicht aus seinem Arbeitsvertrag iVm. § 39 Abs. 1, § 20 [X.], weil diesem § 17 [X.] [X.] entgegensteht.

1. Allerdings finden die Vorschriften des [X.] entgegen der Auffassung des [X.]s aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

a) Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 1. Oktober 1971 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem [X.] vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Diese Abrede enthält eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen des [X.] (zu den Maßstäben der Auslegung einer solchen Allgemeinen Geschäftsbedingung [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 15, [X.]E 134, 283).

b) Entgegen der Auffassung des [X.]s verweist die arbeitsvertragliche [X.] nicht auf den [X.] [X.]. Nach dem Wortlaut des § 2 des Arbeitsvertrags werden ausschließlich der [X.] und die „diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge“ in Bezug genommen. Das sind solche, die die Regelungen des [X.] ergänzen (wie etwa die [X.] zum [X.], der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte und weitere Tarifverträge oder der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte) oder ggf. ändern (wie etwa die Sonderregelungen [X.] 2y [X.]). Danach wollten die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis ersichtlich den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes unterstellen. Eine Verweisung auf Haustarifverträge eines privaten Arbeitgebers ist der [X.] dagegen nicht zu entnehmen. Diese sind keine den [X.] „ergänzenden oder ändernden Tarifverträge“. Sie sind nicht von den Tarifvertragsparteien des [X.] abgeschlossen worden. Aus damaliger Sicht gab es auch keine erkennbaren Anhaltspunkte oder Umstände, wonach der Arbeitgeber als Partei des Arbeitsvertrags andere, weitergehende und ggf. sogar konkurrierende Haustarifverträge einbeziehen wollte (vgl. auch [X.] 5. September 2012 - 4 [X.] - Rn. 16).

c) Die als sog. Gleichstellungsabrede auszulegende [X.] hat ihre Dynamik in dem [X.]punkt verloren, in dem die normative [X.] der Arbeitgeberin an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes entfallen ist.

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des [X.] waren bei entsprechender [X.] des Arbeitgebers [X.]n wie diejenige im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sog. [X.] auszulegen (vgl. etwa [X.] 10. Dezember 2008 - 4 [X.] - Rn. 18 mwN). Diese verweisen dynamisch auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge. War der Arbeitgeber zum [X.]punkt des Vertragsschlusses tarifgebunden, führt jedoch der Wegfall der [X.] dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung anzuwenden waren, die in diesem [X.]punkt galt. Aus Gründen des Vertrauensschutzes wendet der Senat diese Rechtsprechung weiterhin auf [X.]n an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., [X.] 19. Oktober 2011 - 4 [X.] - Rn. 20; 18. November 2009 - 4 [X.] - Rn. 18 mwN, [X.]E 132, 261).

bb) Um einen solchen sog. Altvertrag handelt es sich hier. Die arbeitsvertragliche Abrede wurde vor dem 1. Januar 2002 getroffen. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde - soweit ersichtlich - seither nicht geändert. Die damalige Arbeitgeberin des [X.] war bei Abschluss des Arbeitsvertrags tarifgebunden.

d) Danach verweist die [X.] auf den [X.] in der zuletzt gültigen Fassung des 78. [X.] vom 31. Januar 2003.

aa) Die Beklagte ist nicht an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden. In welchem genauen [X.]punkt die entsprechende [X.] ihrer [X.] entfallen ist, hat das [X.] nicht festgestellt. Dies kann jedoch dahinstehen. Die [X.] - und damit die Dynamik der [X.] - endete spätestens mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte im November 2005.

bb) In diesem [X.]punkt war der [X.] noch nicht durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt worden. Der Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1971 war mit dem [X.] geschlossen worden. Ein Bezug zu einem kommunalen Arbeitgeber ist nicht zu erkennen. Eine Ablösung des in Bezug genommenen [X.] wäre deshalb allenfalls durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in Betracht gekommen, welcher zum 1. November 2006 und damit in jedem Fall nach Wegfall der [X.] der [X.] bzw. einer ihrer [X.] in [X.] getreten ist. Es kann deshalb offenbleiben, ob die [X.] durch die spätere Ablösung des [X.] lückenhaft geworden wäre und ggf. einer ergänzenden Auslegung bedurft hätte (ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben einer solchen Auslegung [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 23, 31 ff., [X.]E 134, 283; 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 27, 31 ff., [X.]E 138, 269).

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Jubiläumszuwendung gemäß § 39 Abs. 1 [X.] sind gegeben.

a) Die maßgebenden Vorschriften des [X.] vom 23. Februar 1961 in der hier anzuwendenden Fassung vom 31. Januar 2003 lauten:

        

§ 19 Beschäftigungszeit

        

(1)     

Beschäftigungszeit ist bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte [X.], auch wenn sie unterbrochen ist. …

                 

…       

        

§ 20 Dienstzeit

        

(1)     

Die Dienstzeit umfasst die Beschäftigungszeit (§ 19) und die nach den Absätzen 2 bis 6 angerechneten [X.]en einer früheren Beschäftigung, soweit diese nicht schon bei der Berechnung der Beschäftigungszeit berücksichtigt sind.

                 

…       

        

(6)     

[X.] sind ferner:

        

a)    

die [X.]en erfüllter Dienstpflicht in der [X.] …

                 

…       

        

§ 39 Jubiläumszuwendungen

                 

…       

        

(1)     

Die Angestellten im Bereich des [X.] und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder erhalten als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Dienstzeit (§ 20)

                 

…       

        

von 40 Jahren 409,03 Euro“

b) Unter Berücksichtigung seiner bei der [X.] zurückgelegten Dienstzeiten iSv. § 20 Abs. 6 Buchst. a [X.] hat der Kläger am 2. März 2010 das Dienstjubiläum von 40 Jahren erreicht.

3. Einem Anspruch nach § 39 Abs. 1 [X.] iVm. dem Arbeitsvertrag steht jedoch § 17 [X.] [X.] entgegen. Der [X.] [X.], der [X.] beiderseitiger [X.] unmittelbar und zwingend im Arbeitsverhältnis der Parteien gilt, enthält seinerseits die Regelung einer Jubiläumszuwendung. Das Günstigkeitsprinzip führt nicht zu einem Vorrang der Regelungen des über den Arbeitsvertrag anwendbaren [X.].

a) Die Kollision zwischen den [X.] beiderseitiger [X.] für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren [X.] ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 [X.]) zu lösen (vgl. nur [X.] 24. Februar 2010 - 4 [X.] - Rn. 43). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertragliche Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung (sog. Günstigkeitsvergleich). Unerheblich ist, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach In[X.]treten des Tarifvertrags vereinbart haben ([X.] 17. April 2013 - 4 [X.] - Rn. 14, [X.]E 145, 37; 25. Juli 2001 - 10 [X.] [X.] (2) der Gründe).

aa) Zu vergleichen sind die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen (sog. Sachgruppenvergleich, s. nur [X.] 21. April 2010 - 4 [X.] - Rn. 39, [X.]E 134, 130; 30. März 2004 - 1 [X.]/03 - zu [X.] der Gründe mwN). Dabei sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Die Günstigkeit der einzelvertraglichen Regelung gegenüber der normativ geltenden Tarifnorm muss bereits im Voraus feststehen (vgl. [X.] 12. April 1972 - 4 [X.] - [X.]E 24, 228; zur Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede [X.] 27. Januar 2004 - 1 [X.] - zu [X.] [X.] der Gründe, [X.]E 109, 244). Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht (sog. ambivalente Regelung), ist diese Voraussetzung nicht gegeben ([X.] 17. April 2002 - 5 [X.] [X.] b der Gründe).

bb) Bei der Prüfung ist ein objektiver Beurteilungsmaßstab zugrunde zu legen. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung ([X.]/[X.] in Kempen/[X.] [X.] 5. Aufl. § 4 Rn. 307; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 310; [X.]/Deinert [X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 689; [X.]/Jacobs [X.] 2. Aufl. § 7 Rn. 44; für eine Kollision von Betriebsvereinbarung und einzelvertraglicher Abrede [X.] 27. Januar 2004 - 1 [X.] - zu [X.] [X.] der Gründe, [X.]E 109, 244). Ist die einzelvertragliche Regelung danach gleich oder gleichwertig (sog. neutrale Regelung), ist sie nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 [X.].

cc) Ist nach diesen Maßstäben nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die einzelvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist - sei es, weil es sich um eine „neutrale“, sei es, weil es sich um eine „ambivalente“ Regelung handelt -, bleibt es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags (vgl. [X.] 12. April 1972 - 4 [X.] - [X.]E 24, 228). Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der systematischen Stellung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 [X.]. Der Gesetzgeber hat eine Abweichung vom Grundsatz der zwingenden Wirkung geltender [X.] (Regel) nur für den Fall vorgesehen, dass die betreffende Regelung „günstiger“ ist als die tarifliche Norm (Ausnahme). Ist die Günstigkeit der abweichenden Regelung nicht feststellbar, greift § 4 Abs. 3 Alt. 2 [X.] nicht ein (vgl. [X.]/[X.] in Kempen/[X.] [X.] 5. Aufl. § 4 Rn. 420 mwN; [X.]/Wank [X.] 7. Aufl. § 4 Rn. 478; [X.]/Deinert [X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 690; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 562; [X.]/Jacobs [X.] 2. Aufl. § 7 Rn. 48 mwN).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Regelung des § 39 Abs. 1 iVm. § 20 [X.] für eine Jubiläumszuwendung nicht günstiger iSv. § 4 Abs. 3 [X.] als die normativ geltende des § 17 iVm. § 8 [X.] [X.].

aa) Nach § 17 [X.] [X.] haben die Arbeitnehmer bei einer Beschäftigungszeit von 40 Jahren Anspruch auf eine Jubiläumszuwendung iHv. 450,00 Euro brutto, wobei bei der [X.] zurückgelegte Dienstzeiten allerdings nicht zu berücksichtigen sind. Nach § 39 Abs. 1 iVm. § 20 Abs. 6 Buchst. a [X.] steht einem Arbeitnehmer bei einer Dienstzeit von 40 Jahren demgegenüber eine - geringere - Jubiläumszuwendung iHv. 409,03 Euro brutto zu, jedoch sind Dienstzeiten bei der [X.] anzurechnen. Dadurch können die Anspruchsvoraussetzungen im Einzelfall zeitlich früher erfüllt sein.

bb) Bei der Jubiläumszuwendung nach § 39 Abs. 1 iVm. § 20 Abs. 6 Buchst. a [X.] handelt es sich damit um eine sog. ambivalente Regelung. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann sie günstiger oder ungünstiger sein als die normativ für das Arbeitsverhältnis geltenden [X.]. So ist sie für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Beschäftigungszeit von 40 Jahren nach beiden Regelungen zum gleichen [X.]punkt erreicht, ungünstiger, weil der Anspruch von geringerer Höhe ist. Erreicht der Arbeitnehmer die maßgebende Beschäftigungszeit - wie der Kläger - hingegen nur dann, wenn auch [X.] berücksichtigt werden, erweist sich der [X.] insoweit als günstiger. Da danach nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, welche Regelung die günstigere ist, tritt die normativ für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltende nicht hinter der [X.] einzelvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Regelung zurück. § 39 Abs. 1 und § 20 Abs. 6 Buchst. a [X.] kommen deshalb nicht zur Anwendung.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Drechsler    

        

    Schuldt    

                 

Meta

4 AZR 503/12

10.12.2014

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Flensburg, 5. Mai 2011, Az: 2 Ca 16/11, Urteil

§ 4 Abs 3 TVG, § 20 BAT, § 39 Abs 1 BAT, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2014, Az. 4 AZR 503/12 (REWIS RS 2014, 468)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 468

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 AZR 497/12 (Bundesarbeitsgericht)

Jubiläumszuwendung - Tarifauslegung


4 AZR 696/10 (Bundesarbeitsgericht)

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel - Stichtagsregelung bezüglich der Gewerkschaftszugehörigkeit


4 AZR 283/20 (Bundesarbeitsgericht)

Bezugnahme auf betriebsverfassungsrechtliche Tarifregelungen


4 AZR 286/20 (Bundesarbeitsgericht)

Bezugnahme auf betriebsverfassungsrechtliche Tarifregelungen


10 AZR 108/19 (Bundesarbeitsgericht)

Jubiläumsgeld nach dem TVöD-AT - Beschäftigungszeit - Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten in Überleitungsfällen


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.