Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.07.2012, Az. NotZ (Brfg) 4/12

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2012, 4389

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Gegenstand

Auswahlverfahren für Notarbewerber: Berücksichtigung der Dauer des Anwärterdienstes


Leitsatz

Im Hinblick auf die nach § 4 Satz 2 BNotO gebotene Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs darf die Justizverwaltung im Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO bei annähernd gleich geeigneten Bewerbern um das Amt des Notars die Dauer des Anwärterdienstes als weiteren Gesichtspunkt für eine Differenzierung heranziehen.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Senats für Notarsachen des [X.] vom 20. Dezember 2011 abgeändert und neu gefasst.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Entscheidung des Beklagten, eine von ihm angestrebte [X.] mit dem Beigeladenen zu 1 zu besetzen.

2

Der am 14. Januar 1975 geborene Kläger legte am 18. Dezember 1999 die erste juristische Staatsprüfung mit der Note "gut" (13 Punkte) und am 6. November 2003 die zweite juristische Staatsprüfung gleichfalls mit der Note "gut" (12,26 Punkte) ab. Mit Verfügung vom 27. April 2006 wurde er in den Anwärterdienst für das Amt des Notars übernommen. Der am 18. Mai 1970 geborene Beigeladene zu 1 erreichte in der ersten juristischen Staatsprüfung am 24. Januar 1998 die Note "vollbefriedigend" (9,36 Punkte) und in der am 23. August 2000 abgelegten zweiten juristischen Staatsprüfung ebenfalls die Note "vollbefriedigend" (11,19 Punkte). Er wurde mit Verfügung vom 7. September 2004 in den Anwärterdienst für das Amt des Notars übernommen. Auf eine im Justizministerialblatt für [X.] vom 15. März 2011 ausgeschriebene [X.] in Rh. bewarben sich der Kläger und der Beigeladene zu 1. Der Präsident der Beigeladenen zu 2 bewertete in seiner dienstlichen Beurteilung vom 11. Mai 2011, der die Präsidentin des [X.] in ihrer Überbeurteilung vom 27. Mai 2011 nicht entgegentrat, die Fähigkeiten und fachlichen Leistungen des [X.] mit der Note "sehr gut" (16 Punkte). Der Kläger sei für das Amt des Notars besonders geeignet.

3

Die Fähigkeiten und fachlichen Leistungen des Beigeladenen zu 1 benotete der Präsident der Beigeladenen zu 2 in der dienstlichen Beurteilung vom 11. Mai 2011 mit "sehr gut" (17 Punkte). Der Beigeladene zu 1 sei für das Amt des Notars hervorragend geeignet. Auch dieser Beurteilung ist die Präsidentin des [X.] in ihrer Überbeurteilung nicht entgegengetreten.

4

Der Beklagte bewertete aufgrund des einerseits um 1,07 Punkte besseren Ergebnisses des [X.] im zweiten juristischen Staatsexamen und andererseits der besseren dienstlichen Beurteilung des Beigeladenen zu 1 beide Bewerber als fachlich annähernd gleich geeignet. Wegen der um insgesamt ca. 10 Monate längeren Dienstzeit zog er nach § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] den Beigeladenen zu 1 dem Kläger, der den zweiten Platz hinter dem Beigeladenen zu 1 belegt, vor.

5

Mit Bescheid vom 27. Juni 2011 hat der Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die ausgeschriebene Stelle einem Mitbewerber zu übertragen. Hiergegen und gegen die Überbeurteilung der Präsidentin des [X.] (Parallelverfahren Aktenzeichen [X.]([X.]) 3/12) hat der Kläger geklagt. Er begehrt im vorliegenden Verfahren, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 2011 zu verpflichten, seine Bewerbung vom 3. April 2011 neu zu bescheiden und meint, ihm hätten in der dienstlichen Beurteilung ebenfalls "17 Punkte" zugebilligt werden müssen. Die Auswahlentscheidung orientiere sich nicht an Eignung und Leistung, sondern am Dienstalter. Es liege ein Fall der sogenannten Handsteuerung vor. Bei vorgerücktem Dienstalter würde durch Anhebung auf über 16 Punkte das (wiederholte) Überholen eines dienstälteren Notarassessors durch Dienstjüngere und damit der "ewige Notarassessor" verhindert. Erhebliche Zweifel an der Auswahlentscheidung bestünden selbst bei Zugrundelegung der Benotung des Beigeladenen zu 1 mit 17 Punkten. Das Beurteilungssystem sei generell unbrauchbar und werde rechtswidrig schematisch gehandhabt.

6

Der Beklagte verteidigt die von ihm getroffene Auswahlentscheidung. Die Überbeurteilung der Präsidentin des [X.] sei nicht zu beanstanden. Die Auswahlentscheidung wäre nicht anders ausgefallen, wenn die [X.] - der Rechtsauffassung des [X.] entsprechend - bereits im Rahmen der Beurteilungen berücksichtigt worden wären, da die Ergebnisse der zweiten juristischen Staatsprüfung jedenfalls in die vergleichenden Eignungsbewertungen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] einbezogen worden seien. Auch sei unerheblich, ob bei Einbeziehung der [X.] in die dienstlichen Beurteilungen beide Bewerber 17 Punkte erhalten hätten. Der Gleichstand hätte jedenfalls dazu geführt, dass dem Beigeladenen zu 1 der Vorrang gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.] eingeräumt worden wäre.

7

Das [X.] hat den Beklagten verurteilt, den Kläger auf seine Bewerbung vom 3. April 2011 erneut zu bescheiden. Mit der vom [X.] zugelassenen Berufung verfolgt der Beklagte die Abänderung des Urteils und die Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

I.

8

Das [X.] hat ausgeführt, im Parallelverfahren ([X.].: [X.] (Not) 14/11) sei die Überbeurteilung der Präsidentin des [X.]s [X.], die Grundlage der Besetzungsentscheidung sei, als rechtswidrig aufgehoben worden, weil die Präsidentin des [X.]s [X.], der Beurteilung der Beigeladenen zu 2 folgend, von einem anderen Eignungsbegriff als dem nach § 6 Abs. 1 und 3 [X.] ausgegangen sei und rechtswidrig das Ergebnis des zweiten Staatsexamens nicht berücksichtigt habe. Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck von § 6 Abs. 3 [X.] und § 3 NotAssAusbV NW könne angenommen werden, dass das zweite Staatsexamen als objektives und jederzeit greifbares Kriterium erst bei der Auswahlentscheidung eine Rolle spiele und den Vorschriften verschiedene Eignungsbegriffe zugrunde lägen. Das spätere Besetzungsverfahren wäre für die Bewerber nicht nur berechenbarer, sondern auch akzeptabler, weil die Konkurrenten dann ihre eigene Stellung im [X.] vorab sicherer einschätzen könnten, wenn in der Eignungsbeurteilung der Beigeladenen zu 2 alle tragenden Kriterien angeführt und abschließend bewertet würden. [X.] die Beigeladene zu 2 ihre Eignungsbeurteilungen generell und nicht jeweils bezogen auf ein konkretes Besetzungsverfahren ab, bleibe sie bei anderen Besetzungsverfahren an ihre eigenen Bewertungen gebunden und entfalle der Verdacht der unzulässigen "Handsteuerung". Eine fiktive Beurteilung des [X.] mit "sehr gut" (17 Punkten) könne nicht ohne weiteres zu der Beurteilung des Beigeladenen zu 1 in Bezug gesetzt werden, weil auch dessen dienstliche Beurteilung nicht den rechtlichen Vorgaben entspreche.

II.

9

[X.] zulässige Berufung (§ 111d Satz 1 [X.]) des [X.] hat Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des [X.]s entspricht die dienstliche Beurteilung der Beigeladenen zu 2, die in Gestalt der Überbeurteilung der Präsidentin des [X.]s [X.] zur Grundlage der angegriffenen Besetzungsentscheidung geworden ist, den rechtlichen Vorgaben.

a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.]s, dass die Eignung eines Bewerbers für das Amt des Notars einheitlich zu beurteilen ist. § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] legt fest, dass für die Eignung neben der Persönlichkeit die Leistungen des Bewerbers bestimmend sind. [X.] fachliche Eignung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist Voraussetzung für die Einbeziehung in die Auswahl mehrerer grundsätzlich geeigneter Bewerber (vgl. [X.], [X.], Beschluss vom 13. Dezember 1993 - [X.] 56/92, [X.]Z 124, 327, 331 f.). [X.] Eignungsprognose nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] betrifft hingegen die Auswahl nach der besseren Eignung aus einem Kreis von im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] geeigneten Bewerbern (vgl. [X.], [X.], Beschluss vom 13. Dezember 1993 - [X.] 56/92, [X.]Z 124, 327, 330).

b) § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] greift den Eignungsbegriff in § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf und macht das Maß, in dem seine Merkmale bei dem einzelnen Bewerber ausgeprägt sind, mithin auch dessen Leistungen, zum umfassenden Auswahlkriterium. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] richtet sich die für das Auswahlverfahren entscheidende fachliche Eignung ausdrücklich nach den bei der Vorbereitung auf den [X.] gezeigten Leistungen und den Ergebnissen der zweiten juristischen Staatsprüfung. Für das Auswahlverfahren hat der Gesetzgeber die Ausbildungsleistungen des Bewerbers für den juristischen Beruf als solchen, die sich im Ergebnis der zweiten juristischen Staatsprüfung widerspiegeln, ausdrücklich abgesetzt gegenüber den Vorbereitungsleistungen des Bewerbers auf den [X.] (vgl. [X.], [X.], Beschluss vom 13. Dezember 1993 - [X.] 56/92, [X.]Z 124, 327 juris Rn. 23; [X.] 110, 304, juris Rn. 71 a.E.). [X.] Vorbereitungsleistungen auf den [X.] sind Gegenstand der dienstlichen Beurteilung, die gemäß der Regelung in § 3 Abs. 3 NotAssAusbV NW über den aufgrund der Vorbereitung auf das Amt des Notars aktuellen Leistungsstand Aufschluss zu geben hat. In ihr ist die Tätigkeit des Notarassessors während des [X.] in den Blick zu nehmen. [X.] Bewertung der Leistungen der [X.] während des [X.] nach § 3 Abs. 3 Satz 1 NotAssAusbV NW stellt ausschließlich eine Äußerung über die Eignung des Notarassessors für das Amt des Notars auf der Grundlage von Erkenntnissen aus dem Verhalten des Notarassessors während des [X.] ohne Berücksichtigung der Ergebnisse der zweiten juristischen Staatsprüfung dar. Auch wenn die Ergebnisse der zweiten juristischen Staatsprüfung nicht selten in der weiteren dienstlichen Eignung fortwirken, weil sie regelmäßig eine gute allgemeine juristische Befähigung widerspiegeln, die für die erfolgreiche Wahrnehmung der Aufgaben eines Notars zentrale Bedeutung hat, lässt mit zunehmender beruflicher Tätigkeit und fortschreitendem zeitlichen Abstand die Aussagekraft der [X.] für den für die Stellenbesetzung maßgeblichen aktuellen Leistungsstand im Allgemeinen nach (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2011 - [X.]([X.]) 1/11, NJW-RR 2012, 53, Rn. 28; vom 11. August 2009 - [X.] 4/09, D[X.] 2010, 467 juris Rn. 23 und vom 9. Dezember 2008 - [X.] 25/07, juris Rn. 24; [X.] 110, 304, 333 ff.). Ihre Einbeziehung schon in die dienstliche Beurteilung würde den Blick auf den zwischenzeitlich erreichten berufsspezifischen Leistungsstand verunklaren. [X.] Beurteilung allein der dienstlichen Leistungen im Anwärterdienst ist deshalb unverzichtbare Grundlage für die differenzierende vergleichende Bewertung des aktuellen Leistungsstandes der einzelnen Bewerber. [X.] Gewichtung des [X.] im Verhältnis zur dienstlichen Beurteilung obliegt danach ausschließlich der die Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] treffenden Justizverwaltung.

c) Folgte man der Auffassung des [X.]s, käme den [X.]n und Präsidenten der [X.]e über die dienstlichen Beurteilungen ein Gewicht im Rahmen des Auswahlverfahrens zu, das der Verteilung der Zuständigkeiten im Besetzungsverfahren nicht entspricht. [X.] Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] steht allein der für die Besetzung der [X.]n zuständigen Justizverwaltung und nicht der [X.] zu.

Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Gefahr bestünde, die Auswahlentscheidung der Justizverwaltung in unzulässiger Weise mit der dienstlichen Beurteilung zu präjudizieren, würden die Eignungsprognose nach § 6 Abs. 3 [X.] und die dienstliche Beurteilung der Beigeladenen zu 2 und der Präsidentin des [X.]s [X.] auf denselben Anknüpfungstatsachen beruhen und im Aussagegehalt gleich sein. Der Beurteilungsspielraum der Besetzungsbehörde würde eingeengt werden auf die Besetzung gemäß der Vorgabe der dienstlichen Beurteilung. [X.]s ist nicht damit vereinbar, dass die Auswahlentscheidung von der Justizverwaltung im Hinblick auf eine bestimmte Stelle zu treffen ist. [X.] dienstliche Beurteilung der Beigeladenen zu 2 und die ihr folgende Überbeurteilung der Präsidentin des [X.]s [X.] sollen den aktuellen Leistungsstand des Bewerbers aufzeigen. Sie vermögen keine Bindung oder auch nur eine künftige Erfolgsaussicht für weitere Bewerbungsverfahren zu begründen. Schon der unterschiedliche [X.] für die jeweilige [X.] fordert die Möglichkeit einer freien Besetzungsentscheidung der Justizverwaltung, der - im Rahmen der Auswahl nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] - die Eignungsprognose aufgrund der dienstlichen Beurteilung zugrunde liegt.

d) Mit Recht macht der Beklagte hierzu geltend, dass das [X.] nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Aufgaben der Beigeladenen zu 2 differenziert. [X.] Aufgabe der [X.]n, die [X.] zu beurteilen, ist zu unterscheiden von der Aufgabe, [X.] zu unterbreiten und sich in [X.] zu äußern. Weichen [X.] von dienstlichen Beurteilungen ab, wird dadurch nicht die Vermutung der Berücksichtigung sachwidriger Gesichtspunkte begründet. Auswahlentscheidungen haben den aktuellen Leistungsstand des einzelnen Bewerbers zu berücksichtigen, aber auch dem [X.] für die jeweilige [X.] Rechnung zu tragen.

Der Einwand der mangelnden Transparenz, auf den das [X.] seine Auffassung stützt, dass dienstliche Beurteilungen sich in den Besetzungsentscheidungen für freie [X.]n nicht kontinuierlich widerspiegeln, greift dagegen nicht. [X.]s erweist sich auch bei Betrachtung des vom [X.] beispielhaft herangezogenen Besetzungsverfahrens betreffend eine [X.] in [X.], in dem der gegenüber dem Kläger nunmehr vorgezogene Bewerber [X.] gegenüber einem anderen ebenso wie der Kläger beurteilten Bewerber [X.] hätte zurücktreten müssen. Darin läge nicht zwingend ein Widerspruch zu der hier getroffenen Auswahlentscheidung. Im Bezirk des [X.] und der Präsidentin des [X.]s [X.] stehen offenbar mehrere- sowohl nach dem Ergebnis des zweiten juristischen Staatsexamens wie nach den im Anwärterdienst gezeigten Leistungen - besonders hoch qualifizierte [X.] für die Ernennung zum Notar an. Wenn die Justizverwaltung in dem nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] gebotenen Auswahlverfahren zu dem Ergebnis kommt, Bewerber seien annähernd gleich geeignet und dann anhand des Kriteriums "Dauer des [X.]" (§ 6 Abs. 3 Satz 2 [X.]) weiter differenziert, kann dies grundsätzlich nicht als rechtlich bedenklich angesehen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 22. März 2004 - [X.] 20/03, D[X.] 2004, 883, 885). [X.] angemessene Berücksichtigung der Dauer des [X.] trägt auch der nach § 4 Satz 2 [X.] gebotenen Wahrung einer geordneten Altersstruktur des [X.]s Rechnung (vgl. [X.] in [X.]/Vaasen, [X.] BeurkG, 3. Aufl. 2011, § 6 [X.] Rn. 46 b, siehe auch Rn. 46 f.). Der Beklagte weist zudem darauf hin, dass sich weder die [X.] in ihrem Besetzungsvorschlag noch die für die Auswahlentscheidung zuständige Präsidentin des [X.]s [X.] mit der Frage befasst haben, ob dem Kläger gegenüber dem bei der [X.] in [X.] zum Zuge gekommenen Bewerber der Vorrang hätte eingeräumt werden müssen, weil sich der Kläger auf diese Stelle nicht beworben habe. Zu einer Entscheidung gegen den im Streitfall erfolgreichen Beigeladenen zu 1 sei es nicht gekommen, weil er seine Bewerbung zurückgenommen habe.

e) Entgegen der Auffassung des [X.] leidet die Beurteilung der Beigeladenen zu 2 in Gestalt der Überbeurteilung der Präsidentin des [X.]s [X.] auch im Übrigen nicht unter einem durchgreifenden formellen oder materiellen Rechtsmangel. Dazu ist - soweit veranlasst - noch zu bemerken:

aa) Der Senat teilt die grundsätzlichen Bedenken des [X.] gegen die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit der Regelungen in § 3 der Verordnung über die Ausbildung der [X.] und [X.] nicht. Auch erweist sich der Vorwurf des [X.], die Beigeladene zu 2 habe rechtswidrig ein eigenes Beurteilungsrecht dadurch geschaffen, dass die Art und Weise der Durchführung der Beurteilung aufgrund von Vorgaben der Beigeladenen zu 2 an die Ausbildungsnotare nach [X.] Regelungen durchgeführt werde, als haltlos. Den für die Beurteilung zuständigen Stellen steht es frei, im Interesse der Gleichbehandlung der Bewerber Hinweise zur Beurteilung (vgl. "Vermerk Beurteilung von [X.] und [X.]" vom 9. Juli 2009) zu geben. Bei diesem Vermerk handelt es sich auch nicht um eine Rechtsnorm, die einer gesetzlichen Ermächtigungsnorm bedürfte. Er soll lediglich den Ausbildungsnotaren als Orientierungshilfe dienen.

[X.] Beurteilung durch die Beigeladene zu 2 wird entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht von drei ausgewählten Mitgliedern der [X.] gefertigt. [X.]se haben im Interesse der Gleichbehandlung lediglich bei der Vorbereitung der Beurteilung beratende Funktion. Darauf hat der Präsident der Beigeladenen zu 2 in den Stellungnahmen vom 14. Juni 2011 und vom 19. August 2011 hingewiesen.

bb) Mit Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die sich aus den Beurteilungen ergebende ähnliche Leistungsentwicklung der [X.] und [X.], die der Kläger unter dem Vorwurf einer fehlenden Differenzierung in den Blick nimmt, auf einem sorgfältigen Auswahlverfahren und der hohen Qualifikation der Bewerber beruht. Das Differenzierungserfordernis ergibt sich aus § 3 Abs. 3 NotAssAusbV NW und dem Wesen einer Beurteilung. Es bedarf keiner weiteren gesetzlichen Regelung.

cc) Auch die Angriffe des [X.] gegen die konkrete Beurteilung gehen ins Leere.

(1) Mit Recht weist der Beklagte darauf hin, dass abweichende Wertungen in einzelnen [X.]n keiner Begründung bedürfen. [X.] einzelnen Beiträge sind lediglich Hilfsmittel für die Bildung der dem Beurteiler zustehenden abschließenden Wertung. Einer "[X.]" bedurfte es im Streitfall im Übrigen schon mangels einer Abweichung nicht. Der Präsident der Beigeladenen zu 2 hat aufgrund der sehr positiven [X.], so dem Beitrag des [X.] vom 30. Dezember 2010, die fachlichen Fähigkeiten und Leistungen des [X.] mit der Note "sehr gut" (16 Punkte) und "besonders geeignet" bewertet. Er hat wegen fehlender Anhaltspunkte für eine innerhalb der letzten vier Monate außergewöhnlich angestiegene Eignung des Notarassessors im Mai 2011 an der Beurteilung vom 12. Januar 2011 festgehalten und den Kläger punktemäßig und im Eignungsurteil "besonders geeignet" gleich, aber unter Hinweis darauf, dass er sich "bestens" bewährt habe, beurteilt. Eine begründungsbedürftige Abweichung ergibt sich daraus nicht. Sie wird auch nicht deshalb erforderlich, weil nunmehr der mit dem Kläger konkurrierende Beigeladene zu 1 im Hinblick auf seine Leistungssteigerungen mit 17 Punkten beurteilt worden ist.

(2) Soweit der Kläger bemängelt, dass seine Referententätigkeit im Rahmen eines [X.] für fachkundige Notarmitarbeiter und im Rahmen von Vorbereitungskursen für die notarielle Fachprüfung sowie seine fachspezifischen Veröffentlichungen nicht hinreichend in die Beurteilung Eingang gefunden hätten, handelt es sich nicht um nach dem Zweck der Beurteilung zwingend zu erwähnende Umstände. [X.] Beigeladene zu 2 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass von allen [X.] und [X.] ein Engagement im Rahmen der Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter erwartet wird, wie dies § 7 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 30 [X.] vorsieht. Dass der Kläger dabei in einer Weise hervorgetreten wäre, die auf eine bessere Eignung als die vom [X.] angenommene besondere Eignung hindeutete, ist nicht erkennbar.

[X.] Tätigkeit als Referent des [X.] erfolgte außerhalb des [X.]. Der Kläger nahm dafür Erholungsurlaub und erhielt unmittelbar vom [X.] die Vergütung. Nebentätigkeiten können grundsätzlich nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie auf Verlangen des [X.]nstherrn übernommen werden (vgl. [X.], [X.] dienstliche Beurteilung der Beamten und der [X.], 32. Aktualisierung Mai 2010, Rn. 349). Zudem ist wiederum ein Anhalt für eine die sehr hohe Qualifikation des [X.] steigernde Leistung nicht gegeben.

[X.] vom Kläger angeführten Tätigkeiten sind außerdem nicht vollständig unberücksichtigt geblieben, sondern nach dem ihnen zukommenden Gewicht in die Beurteilung eingeflossen. [X.] Beurteilungen haben allerdings primär den Zweck, Fortschritte in der Ausbildung der [X.] mit Blick auf das Ziel, die Eignung zur Übernahme des Amtes des Notars zu erlangen, zu dokumentieren und zu bewerten. Im Übrigen ist es nach der Rechtsprechung des Senats im Hinblick darauf, dass die [X.] bereits beträchtliches wissenschaftliches Potential einbringen und oft während der Ausbildung mit wissenschaftlichen Aufgaben betraut werden, nicht geboten, Tätigkeiten der Bewerber beim [X.], wissenschaftlichen Veröffentlichungen und steuerrechtlichen Fachkenntnissen ein besonderes, zusätzliches Gewicht beim Leistungsvergleich beizumessen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. März 2004 - [X.] 19/03, juris Rn. 18).

[X.] Besetzungsentscheidung des [X.] hat mithin nicht schon deshalb keinen Bestand, weil die ihr zugrunde liegende Überbeurteilung der Präsidentin des [X.]s [X.] rechtswidrig und deshalb aufzuheben wäre.

2. Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Besetzungsentscheidung des [X.] auch nicht aus anderen Gründen rechtlich zu beanstanden.

a) Das Vorgehen der Justizverwaltung bei der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] unterliegt wegen des ihr zuzubilligenden [X.] nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Nur bei der Prüfung der Eignung eines Bewerbers nach § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] steht der Justizverwaltung weder ein Ermessensspielraum noch ein Beurteilungsspielraum zu, weil es insoweit auf einen Vergleich mit Mitbewerbern nicht ankommt (vgl. Beschlüsse vom 14. August 1989 - [X.] 2/89, D[X.] 1991, 69 = [X.]R [X.] § 6, Eignung 2; vom 2. August 1993, [X.] 32/92 und 35/92 und Beschluss vom 13. Dezember 1993 - [X.] 56/92, [X.]Z 124, 327, 330 f.). Bei der Auswahlentscheidung im Falle des § 6 Abs. 3 [X.] geht es hingegen darum, das verschiedene Maß der Eignung von Bewerbern, die allesamt dem Mindeststandard des § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] genügen, vergleichend zu ermitteln. Anders als bei der Feststellung der Eignung als solcher reicht es nicht, das Vorliegen der beiden Merkmale, der persönlichen und fachlichen Qualifikation, überhaupt festzustellen. Vielmehr müssen beide Gesichtspunkte in ihrem Verhältnis zueinander gewichtet werden. [X.] höhere Komplexität der Auswahlentscheidung schließt eine gerichtliche Kontrolldichte, wie sie bei der Prüfung der Eignung als solcher möglich ist, aus (vgl. Beschluss vom 13. Dezember 1993 - [X.] 56/92, [X.]Z 124, 327, 332). [X.] mithin nur eingeschränkt überprüfbaren Erwägungen des [X.] befassen sich hinreichend mit den maßgeblichen Umständen und wägen sie umfassend ab. Ihnen setzt der Kläger lediglich eine in seinem Sinne günstigere Gewichtung entgegen. In seiner Person gegebene weitere maßgebliche Umstände, die außer Betracht geblieben wären, vermag der Kläger nicht aufzuzeigen.

b) Der Beklagte hat, wie es geboten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11. August 2009 - [X.] 4/09, D[X.] 2010, 467 juris Rn. 22; vom 9. Dezember 2008 - [X.] 25/07, juris Rn. 24 und - [X.] 49/07, juris Rn. 18), den aktuellen Leistungsstand beider Bewerber zu dem nach § 6b Abs. 4 Satz 1 [X.] maßgeblichen Zeitpunkt in den Blick genommen. Insoweit kommt dem Kläger - wie ausgeführt - kein signifikanter Eignungsvorsprung zu [X.]. Anhaltspunkte für eine ungerechtfertigte bessere Beurteilung der dienstlichen Leistungen des Beigeladenen zu 1 infolge der Berücksichtigung von Umständen, die nach dem [X.] eingetreten sind, sind nicht gegeben. Sie vermag auch der Kläger nicht aufzuzeigen. Gegen die Möglichkeit einer erheblichen Verbesserung des Leistungsspektrums des Beigeladenen zu 1 greift der Einwand des [X.], dass er am 12. Januar 2011 - erstmals - mit dem Beigeladenen zu 1 punktgleich mit 16 Punkten bewertet worden sei, ersichtlich nicht durch. [X.] Anhebung der Beurteilung des Beigeladenen zu 1 um einen Punkt, hat der Beklagte nachvollziehbar und ausreichend damit begründet, dass dieser sich in seinen fachlichen Leistungen vervollkommnet habe. Er kann sich dazu auf den Beurteilungsbeitrag des [X.] des Beigeladenen zu 1 stützen. Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung begründen könnten, sind nicht gegeben.

Danach ist nicht zu bemängeln, dass der Beklagte beide Bewerber trotz der Berücksichtigung des besseren Ergebnisses des [X.] im zweiten Staatsexamen für fachlich annähernd gleich geeignet bewertet und dem Beigeladenen zu 1 im Hinblick auf dessen höheres [X.]nstalter (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 [X.]) den Vorzug gegeben hat.

3. Ist nach alledem die Besetzungsentscheidung des [X.] rechtlich nicht zu beanstanden, ist das Urteil des [X.]s abzuändern und die Klage abzuweisen.

4. [X.] Kostenentscheidung beruht auf § 111d Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

[X.] [X.] ergibt sich aus § 111g Abs. 2 Satz 1 [X.].

Galke                                             [X.]derichsen                                                       von Pentz

                          Doyé                                                       Müller-Eising

Meta

NotZ (Brfg) 4/12

23.07.2012

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Köln, 20. Dezember 2011, Az: 2 VA (Not) 13/11

§ 4 S 2 BNotO, § 6 Abs 3 S 1 BNotO, § 6 Abs 3 S 2 BNotO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.07.2012, Az. NotZ (Brfg) 4/12 (REWIS RS 2012, 4389)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4389

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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