Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2017, Az. VIII ZR 233/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11996

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:260417UVIIIZR233.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VIII ZR 233/15
Verkündet am:

26. April 2017

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 323, 346 Abs. 1, §§ 348, 435 Satz 1, § 437 Nr. 2
a)
Haben die Vertragsparteien in einem Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahr-zeug neben einem Gewährleistungsausschluss zusätzlich ausdrücklich die Rechts-mängelfreiheit der [X.] zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht, gilt der Haftungsausschluss nicht für Rechtsmängel gemäß § 435 [X.], sondern aus-schließlich für Sachmängel gemäß § 434 [X.] (Fortführung von [X.], Urteile vom 29. November 2006 -
VIII ZR 92/06, [X.]Z 170, 86 Rn. 30; vom 19. Dezember 2012 -
VIII ZR 117/12, [X.], 1733, Rn.
15; vom 13. März 2013 -
VIII [X.], [X.], 2749 Rn. 19; vom 6.
November 2015 -
V [X.], [X.]Z 207, 349 Rn.
9; vom 22.
April 2016 -
V [X.], [X.], 150 Rn. 14).
b)
Die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fort-bestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem [X.] ([X.]) zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung ist ein erhebli-cher Rechtsmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt (Be-stätigung des [X.] vom 18. Januar 2017 -
[X.], juris Rn. 22 ff.).
c)
Der Verkäufer eines Kraftfahrzeugs ist redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über das Bestehen einer Eintragung des Fahrzeugs in dem Schengener In--
2 -

formationssystem aufzuklären (Bestätigung des [X.] vom 18. Januar 2017 -
[X.], juris Rn. 27).

[X.], Urteil vom 26. April 2017 -
VIII ZR 233/15 -
OLG [X.]

[X.]

-
3 -

Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
26. April 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richterin Dr.
Hessel sowie die Richter
Prof. [X.], [X.] und
Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 12. Zivilse-nats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 16. September 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen
anderen
Senat
des
Berufungsgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger
kaufte am 29. November 2012 vom [X.] einen ge-brauchten Pkw [X.] zum Preis von 30.0i-en verwendeten Vertragsvordruck heißt es unter anderem:
"Der Verkäufer verkauft hiermit das Kraftfahrzeug an den Käufer unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung."
An späterer Stelle des Vertrages findet sich überdies der Passus:
"Der Verkäufer versichert, dass Kfz und Zubehörteile sein Eigentum sind. Rechte Dritter bestehen daran nicht."
Der Kläger erklärte mit anwaltlichem Schreiben vom 15. April 2013
gegenüber dem [X.] den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie die Anfechtung 1
2
3
-
4 -

desselben wegen arglistiger Täuschung. Er sei unmittelbar nach Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von Seiten der Kriminalpolizei darüber unter-richtet worden, dass dieses im [X.] ([X.]) von italie-nischen Behörden
als gestohlen gemeldet und zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben worden sei, weswegen jederzeit eine Sicherstellung oder Be-schlagnahme durch die Staatsanwaltschaft erfolgen könne. Auf die dem [X.] bekannte Fahndungsausschreibung hätte dieser, dem gegenüber die Polizei auch bereits ein Veräußerungsverbot ausgesprochen habe, bei [X.] ungefragt hinweisen müssen; stattdessen habe er den Mangel arglistig verschwiegen.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung der Gebrauchsvorteile für die gefahrenen Kilometer sowie den Ersatz nutzloser Aufwendungen, insgesamt 30.531,69

e-gen Rückgabe des Fahrzeugs, sowie den Ersatz vorgerichtlicher [X.], jeweils nebst Zinsen. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
im We-sentlichen ausgeführt:
Der Kläger könne keine Ansprüche aus einem [X.] geltend machen, denn dem von ihm erklärten Rücktritt stehe der im Kaufvertrag vom 29. November 2012 enthaltene Gewährleistungsausschluss 4
5
6
7
-
5 -

entgegen. Insofern könne es im Ergebnis offenbleiben, ob das streitgegen-ständliche Fahrzeug tatsächlich zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben (gewesen) sei.
Denn dem [X.] sei jedenfalls nicht vorzuwerfen, die be-hauptete Fahndungsausschreibung arglistig im Sinne von § 444 [X.] ver-schwiegen zu haben.
Entscheidend sei hierbei, dass die Staatsanwaltschaft [X.] ihm im Oktober 2012 auf entsprechende Anfrage ausdrücklich mitgeteilt habe, dass gegen eine irgendwie geartete Verwertung des Fahrzeugs keine Einwände bestünden. Ohnehin könne
den Ermittlungsakten nicht entnommen
werden, dass der [X.] von Seiten der Behörden zuvor ausdrücklich auf eine möglicherweise bestehende Suchfahndung hingewiesen worden sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Ein Anspruch des [X.] auf Rückabwicklung des Kaufvertrages
(§ 437 Nr. 2, § 435
Satz
1,
§§
323, 346 Abs. 1, § 348 [X.]), der auf
einen Rechtsmangel
des streitgegen-ständlichen Kraftfahrzeugs
gestützt wird, kann -
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
-
nicht wegen eines vertraglich vereinbarten Ausschlusses der Gewährleistung
verneint werden.
1. Die
vom Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassene -
und insoweit nach dem revisionsrechtlich zu berücksichtigenden Sachvortrag des [X.] zu unterstellende
-
Eintragung des Kraftfahrzeugs in das Schengener Informati-onssystem
([X.]) stellt einen Rechtsmangel im Sinne von § 435 Satz 1 [X.] dar.
a) Wie der Senat in seinem erst kürzlich ergangenen Urteil vom 18.
Januar 2017 ([X.], juris; im [X.] an und in Fortführung des [X.]
vom 18. Februar 2004 -
VIII ZR 78/03, [X.], 1802) ent-schieden hat, ist die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung
eines Kraftfahrzeugs
in die
8
9
10
-
6 -

Schengener Fahndungsliste zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfest-stellung ein erheblicher (§ 323 Abs. 5 Satz 2 [X.]) Rechtsmangel, der den Käu-fer -
bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen
-
zum Rücktritt vom [X.] berechtigt.
Bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dieses Fahn-dungssystem ist mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer [X.] oder einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt und das Fahr-zeug daraufhin behördlicherseits sichergestellt oder beschlagnahmt wird
-
und führt damit zu einer individuellen Belastung, die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 [X.] gebührenden [X.] zu beeinträchtigen (Senatsurteil vom 18. Januar 2017 -
VIII
ZR
234/15, aaO Rn. 22, 24).
b) Nach dem
revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrag
des Klä-gers war das streitgegenständliche Fahrzeug bei Gefahrübergang und hiernach fortdauernd im
[X.] zur
Fahndung ausgeschrieben und demnach rechtsmangel-behaftet.
Für die Einordnung als Rechtmangel ist es dabei unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft [X.] dem [X.] wenige Wochen vor Abschluss des Kaufvertrages auf Nachfrage mitgeteilt hatte, dass gegen eine Verwertung des Fahrzeugs keine Einwände mehr bestünden. Denn hierdurch hob die Behörde allein das von ihrer Seite zuvor gegenüber dem [X.] ausgesprochene Veräußerungsverbot, nicht aber
-
schon mangels entsprechender Befugnisse
-
die rechtsmangelbegründende Fahndungsausschreibung im [X.] auf.
Der europaweite [X.] bestand vielmehr unverändert fort, weswegen es ebenso wenig darauf ankommt, dass
der Kläger das Fahrzeug nach dem Erwerb erfolgreich zulassen konnte. Denn
die dem Eigentümer aus 11
12
13
-
7 -

der [X.]-Ausschreibung erwachsenden Nachteile erschöpfen sich keineswegs in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Die durch die Eintragung be-gründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des Schengen-Raums bestehen
vielmehr
fort, solange die Eintragung nicht beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn er
-
was angesichts der
teilweise
unge-klärten Historie des Fahrzeugs offen ist -
Eigentümer des Fahrzeugs geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903 Satz 1 [X.] vorgesehen, unbelastet von ([X.] Dritter nach Belieben mit der [X.] verfahren. Denn sobald er das Fahrzeug im öffentlichen Raum bewegt, muss er damit rechnen, dass dieses, je nach Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden, beschlagnahmt wird. Dies wäre
für den Kläger nicht nur mit einem Verlust der [X.] für einen nicht ohne weiteres abzusehenden Zeitraum, sondern mit Blick auf die zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengun-gen auch mit erheblichen weiteren Nachteilen -
insbesondere bei einer Sicher-stellung im Ausland -
verbunden (siehe hierzu
auch Senatsurteil vom 18. [X.] 2017 -
VIII
ZR
234/15, aaO Rn. 26).
Darüber hinaus ist die Verkäuflichkeit des Fahrzeugs
durch die Eintra-gung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die nach wie vor bestehende Ausschreibung aufzuklä-ren (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 2017 -
VIII
ZR
234/15, aaO Rn. 27).
2. In mehrfacher Hinsicht
von [X.] beeinflusst ist jedoch die Annahme
des Berufungsgerichts, dass dem Kläger auch im Falle des Vorlie-gens eines aufgrund einer
[X.]-Eintragung bestehenden Rechtsmangels keine Gewährleistungsrechte zustünden.

14
15
-
8 -

a)
So erstreckt sich der
von den [X.]en im vorliegenden Fall vereinbar-te
Gewährleistungsausschluss bereits von vornherein
nicht auf die in § 435 Satz 1 [X.] bezeichneten Mängel.
aa) Aufgrund diesbezüglich
fehlender Feststellungen
der Instanzgerichte
lässt sich nicht bestimmen, ob
die im vorliegend verwendeten Vertragsvordruck enthaltenen Bedingungen von einer [X.] im Sinne von § 305 Abs. 1 [X.] ge-stellt wurden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17. Februar 2010 -
VIII ZR 67/09, [X.]Z 184, 259 Rn. 10 ff.) und es sich mithin auch bei dem darin enthaltenen Passus
"Der Verkäufer verkauft hiermit das Kraftfahrzeug an den Käufer unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung"
um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die das
Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfen kann
(st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 17. April 2013 -
VIII [X.]/12, [X.], 1805 Rn. 9; vom 9. April 2014 -
VIII ZR 404/12, [X.]Z 200, 362 Rn. 25; vom 3. Dezember 2014 -
VIII ZR 224/13, NJW-RR 2015, 264 Rn. 16; vom 29. Juni 2016 -
VIII ZR 191/15, [X.], 3015 Rn. 20;
jeweils mwN).
Die Auslegung des vertragli-chen Gewährleistungsausschlusses durch das Berufungsgericht unterliegt
aber, selbst wenn es sich um eine Individualvereinbarung handeln sollte, in der [X.] jedenfalls einer (eingeschränkten) Nachprüfung daraufhin, ob [X.] oder allgemein
anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer [X.] gelassen wurde oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.;
vgl. Senatsurteile
vom 9. Juli 2014 -
VIII ZR 376/13, [X.]Z 202, 39 Rn. 42;
vom 3. Dezember 2014 -
VIII ZR 224/13, aaO
Rn. 37; vom 12. Oktober 2016 -
VIII ZR 55/15, [X.], 878 Rn. 35, zur [X.] in [X.]Z vorgesehen; jeweils mwN).
Bereits das ist hier
der Fall.
bb) Denn
die Frage, ob ein vereinbarter Haftungsausschluss in uneinge-schränktem Sinne aufgefasst werden muss, ist nicht nur nach dem Wortlaut der 16
17
18
-
9 -

Ausschlussbestimmung, sondern nach dem gesamten Vertragstext zu beurtei-len (Senatsurteil vom 29. November 2006 -
VIII ZR 92/06, [X.]Z 170, 86 Rn.
30; vgl. zuletzt auch Senatsurteil vom 15. Februar 2017 -
VIII ZR 59/16, [X.], 594 Rn. 15; jeweils
mwN).
Das Berufungsgericht hat
in diesem Zusam-menhang nicht berücksichtigt, dass die [X.]en in ihrem Kaufvertrag eingangs nicht nur jegliche
Gewährleistung für das Fahrzeug ausgeschlossen, sondern
-
im Vertragstext nachfolgend
-
die Zusicherung
des [X.], dass Rechte Dritter an der [X.] und dem Zubehör
nicht bestünden,
ausdrücklich und gleichrangig zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht haben.
(1) Mit dieser eng an den Wortlaut des § 435 Satz 1 [X.] angelehnten Vereinbarung im Kaufvertrag
("Rechte Dritter bestehen daran nicht")
haben die [X.]en, wovon auch die Revision ausgeht, ausdrücklich hervorgehoben,
dass die [X.] frei von Rechtsmängeln zu sein habe.
Es handelt sich dabei
-
entgegen der Auffassung des [X.]
-
nach Wortwahl und systematischer Stellung im Vertragsgefüge auch nicht lediglich um eine Versicherung der Ei-gentümerstellung des [X.], die bereits umfassend im unmittelbar voran-gestellten Satz enthalten ist
("Der Verkäufer versichert, dass Kfz und Zubehör sein Eigentum sind.").
Ebenfalls
sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es sich bei dieser im Vertragsvordruck enthaltenen Bestimmung
um eine rein deklaratori-sche Wiedergabe des Gesetzestextes ohne besonderen Regelungscharakter handeln sollte (vgl.
den Rechtsgedanken des
§ 307 Abs. 3 Satz 1 [X.]). [X.] ist das Gegenteil der Fall. Nachdem das Vorliegen eines Rechtsmangels bei Gefahrübergang nach der Regelungskonzeption der §§ 433 ff. [X.] grund-sätzlich Gewährleistungsrechte auslöst -
welche von den
[X.]en zu Beginn des Vertrages
umfassend ausgeschlossen worden sind
-,
haben sie der nach-folgenden Zusicherung der Rechtsmängelfreiheit durch ihre Erhebung zu einer 19
20
-
10 -

vertraglichen, dem dispositiven Recht vorgehenden Vereinbarung besonderes Gewicht verliehen.
Vor diesem Hintergrund handelt es sich entgegen
der Auffassung des [X.] auch keinesfalls um eine bloße Bestätigung
des zuvor vereinbarten
umfassenden Gewährleistungsausschlusses, wie dies der Senat in der Vergan-genheit etwa für eine so genannte [X.] entschieden hat
(vgl. dazu Senatsurteil vom 6. Juli 2005 -
VIII ZR 136/04, NJW 2005, 3205 unter II
2).
(2) Vielmehr stehen
aus Sicht des verständigen Käufers beide Regelun-gen -
Gewährleistungsausschluss und Vereinbarung der Rechtsmängelfreiheit
-
gleichrangig nebeneinander.
Sie können damit nicht in dem Sinne verstanden werden, dass der umfassende Gewährleistungsausschluss die [X.] der Zusicherung von Rechtsmängelfreiheit zur Folge haben
soll; denn bei einem solchen Verständnis wäre die Zusicherung für den Käufer ohne Sinn und Wert
(vgl. Senatsurteil vom 29. November 2006 -
VIII ZR 92/06, aaO Rn. 31).
Dementsprechend ist es für den Bereich der Sachmängelhaftung
gefestigte Rechtsprechung des [X.], dass im Fall einer vertraglichen (aus-drücklich oder stillschweigend getroffenen) Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von §
434 Abs. 1 Satz 1 [X.] selbst ein daneben ausdrücklich vereinbar-ter Gewährleistungsausschluss nur dahin ausgelegt werden kann, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für Mängel nach §
434 Abs. 1 Satz 2 [X.] gelten kann ([X.], Urteile vom 29. November 2006
-
VIII ZR 92/06, aaO; vom 19. Dezember 2012 -
VIII ZR 117/12, [X.], 1733, Rn. 15; vom 13. März 2013 -
VIII [X.], [X.], 2749 Rn. 19; vom 6. November 2015 -
V [X.], [X.]Z 207, 349 Rn. 9; vom 22.
April 2016 -
V [X.], [X.], 150 Rn. 14).
21
22
-
11 -

Gerade beim -
hier vorliegenden -
Kauf von Gebrauchtfahrzeugen [X.] auch ein nachvollziehbares Bedürfnis des Käufers, den -
allein im [X.] vereinbarten
-
Gewährleistungsausschluss auf Sachmängel im Sinne von § 434 [X.] zu begrenzen und die gesetzliche [X.] fortgelten zu lassen. Denn während der Käufer Anhaltspunkte für Sach-mängel in vielen Fällen
durch
eine
-
gegebenenfalls mithilfe fachmännischer Hilfe durchgeführte
-
Besichtigung oder
Probefahrt erkennen kann, sind Rechtsmängel regelmäßig nur unter größeren Schwierigkeiten feststellbar.
(3) Jedenfalls in Fällen, in denen die Vertragsparteien -
wie hier
-
neben einem Gewährleistungsausschluss zusätzlich ausdrücklich die Rechtsmängel-freiheit der [X.] zum Gegenstand ihrer Vereinbarung machen, kann des-halb
eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung
(vgl. hierzu Se-natsurteile vom 22. Februar 2012 -
VIII ZR 34/11, NJW-RR 2012, 690 Rn.
25; vom 13. April 2016 -
VIII ZR 198/15, [X.] 2016,
350 Rn. 22; jeweils mwN)
der Kombination beider Vertragsbestimmungen
nur dahin vorgenommen werden, dass der Haftungsausschluss nicht für Rechtsmängel gemäß § 435 [X.], son-dern ausschließlich für Sachmängel gemäß § 434 [X.] gelten soll.
Dies gilt umso mehr, als Freizeichnungsklauseln -
als Ausnahme von der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Haftung -
grundsätzlich eng auszulegen sind ([X.], Urteile vom 6. April 2016

VIII ZR 261/14, [X.], 2495 Rn. 21; vom 2. April 2004 -
V [X.], [X.]Z 158, 354, 366; jeweils mwN).
b) Wie die Revision überdies zu Recht rügt, hätte das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ein -
von ihm im [X.] mit der Anwendbarkeit des §
444
[X.] erörtertes -
arglistiges Verschwei-gen der [X.]-Eintragung
durch den [X.]
nicht verneinen dürfen.

23
24
25
-
12 -

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] verschweigt ein Verkäufer einen offenbarungspflichtigen Mangel bereits dann arglistig, wenn er ihn mindestens für möglich hält und gleichzeitig
damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und bei Kenntnis den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgeschlossen hätte ([X.], Urteile vom 11. Februar 2004 -
VIII ZR 386/02, [X.], 1032 unter II 1; vom 15. April 2015 -
VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 16; vom 8.
Juli 2016 -
V [X.], [X.], 380
Rn. 19; jeweils mwN).
Bei der [X.]-Eintragung handelt es sich angesichts der gravierenden negativen Folgen für den Eigentümer um einen solchen offenbarungspflichtigen ([X.].
Das Berufungsgericht hat ein arglistiges Verschweigen der
[X.]-Eintragung
durch den [X.]
verneint, weil sich den Ermittlungsakten nicht entnehmen lasse, dass der [X.] ausdrücklich über die Suchfahndung in-formiert worden sei und ihm die Staatsanwaltschaft mitgeteilt habe, "gegen eine irgendwie geartete Verwertung des Fahrzeugs
durch den [X.] bestünden keine Einwände".
Damit hat das Berufungsgericht aber nur einzelne Umstände isoliert
in den
Blick genommen und bei seiner Würdigung rechtsfehlerhaft außer [X.] gelassen, dass dem
[X.] gegenüber zunächst ein ausdrückliches behördliches Veräußerungsverbot
betreffend das streitgegenständliche Fahr-zeug
ausgesprochen
worden war. Denn nach den hier gegebenen Umständen kam
als dessen Grundlage nur eine entsprechende [X.]-Eintragung, also eine internationale Sachfahndung, in Betracht.
Zudem hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass der [X.] im Hinblick auf die genannten Maßnahmen einen Rechtsanwalt mit seiner Interessenwahrnehmung beauftragt hatte, an den auch das genannte Schreiben der
Staatsanwaltschaft erfolgte. Vor allem aber bezog sich dieses
Schreiben
nach Wortlaut und Inhalt offensichtlich auf die Aufhebung des zuvor von den [X.] Behörden ausgesprochenen Ver-äußerungsverbotes und enthielt gerade keinen
Hinweis auf eine Löschung der 26
27
-
13 -

internationalen Sachfahndung. Über
diese
hätte sich der [X.]
indes durch eine -
von ihm selbst oder über seinen Anwalt vorgenommene -
einfache
Nach-frage
bei der Staatsanwaltschaft oder Polizei Klarheit verschaffen können. Wenn der [X.] in dieser Situation nicht nachfragte, rechtfertigt
dies den Schluss, er habe den
([X.] zumindest für möglich gehalten und billi-gend in Kauf genommen, dass er dem
Kläger nicht bekannt war und dieser bei Kenntnis
desselben
den Kaufvertrag nicht oder nicht mit gleichem Inhalt [X.] hätte.
III.
Nach
alledem
kann der Beschluss des Berufungsgerichts keinen Be-stand haben; er ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht -
vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig
-
keine Feststellung dazu getroffen hat, ob das streitgegenständliche Fahrzeug bei Übergabe und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung im [X.]-Fahndungssystem ausgeschrieben war und dementsprechend einen Rechtsmangel aufwies. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO); dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Für das weitere Verfahren
weist der Senat darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des [X.] im Regelfall ein die sofortige
Rück-abwicklung des Kaufvertrages
-
ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung, § 439 [X.]
-
rechtfertigendes Interesse des Käufers (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 [X.]) anzunehmen ist, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat (vgl. [X.], Urteile vom 9. Januar 2008 -
VIII ZR 210/06, [X.], 1371 Rn. 19 f.; vom 15. Juli 2011 -
V ZR 28
29
-
14 -

171/10, [X.]Z 190, 272 Rn. 14;
Beschluss vom 8. Dezember 2006 -
V [X.], NJW 2007, 835 Rn. 12 f.).
Dr. Milger
Dr. Hessel
[X.]

[X.]
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.03.2015 -
3 O 24/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 16.09.2015 -
12 U 412/15 -

Meta

VIII ZR 233/15

26.04.2017

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2017, Az. VIII ZR 233/15 (REWIS RS 2017, 11996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11996

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 233/15 (Bundesgerichtshof)

Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug: Umfang des vereinbarten Haftungsausschlusses; Eintragung des Kraftfahrzeugs im Schengener Informationssystem …


VIII ZR 267/17 (Bundesgerichtshof)

Kaufvertrag: Rechtsmangel durch spätere Eintragung des Fahrzeugs in das Schengener Informationssystem


VIII ZR 234/15 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 234/15 (Bundesgerichtshof)

Gebrauchtwagenkauf: Rücktrittsrecht bei Eintragung des Kraftfahrzeugs in dem Schengener Informationssystem


3 U 185/13 (Oberlandesgericht Köln)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.