Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.01.2017, Az. VIII ZR 234/15

8. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17176

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT AUTOKAUF SCHENGEN-ABKOMMEN RECHTSMANGEL

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Gegenstand

Gebrauchtwagenkauf: Rücktrittsrecht bei Eintragung des Kraftfahrzeugs in dem Schengener Informationssystem


Leitsatz

Die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem Schengener Informationssystem (SIS) zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung ist ein erheblicher Rechtsmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt (im Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Februar 2004, VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 30. September 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.

2

Die Parteien schlossen Mitte des Jahres 2012 mündlich einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Rolls Royce Corniche Cabrio ([X.]) zum Preis von 29.000 €. Nach Eingang der vereinbarten Anzahlung in Höhe von 1.000 € am 11. Oktober 2012 übergab der Beklagte dem Kläger den Pkw Mitte Oktober 2012 gegen Zahlung des Restkaufpreises.

3

Bei dem Versuch des [X.], den Pkw Ende Juli 2013 anzumelden, wurde das Fahrzeug polizeilich sichergestellt, weil es im [X.] ([X.]) von [X.] Behörden als am 6. Juni 2012 gestohlen gemeldet und zur Fahndung (Sicherstellung und Identitätsfeststellung) ausgeschrieben worden war. Gegen den Kläger und den Beklagten wurden von der Staatsanwaltschaft [X.] strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei eingeleitet. Am 30. September 2013 erfolgte die Freigabe des Kraftfahrzeugs, nachdem im Zuge der Ermittlungen die Vermutung aufgekommen war, der ehemalige [X.] Eigentümer des Kraftfahrzeugs habe den Diebstahl zum Zwecke des [X.] nur vorgetäuscht. In der Freigabebescheinigung des Polizeipräsidiums [X.] an den Kläger ist vermerkt, dass keine Bedenken gegen eine amtliche Zulassung bestünden. Am 17. Dezember 2013 wurde der Pkw auf den Kläger zugelassen. Die zunächst im November 2013 eingestellten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen die Parteien wurden im Januar 2014 wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls noch bis in das [X.] an. Das Fahrzeug ist nach wie vor im [X.] ausgeschrieben.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Mai 2014 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ihn auf, den Kaufpreis gegen Rückgabe des Pkw zurückzuerstatten. Der Kläger ist der Auffassung, die bei Fahrzeugübergabe vorhandene und weiter andauernde [X.]-Ausschreibung sei ein erheblicher Rechtsmangel. Der Beklagte stellt einen Rechtsmangel in Abrede, weil es sich bei der [X.]-Ausschreibung lediglich um ein auf Missverständnissen beruhendes vorübergehendes [X.] handele, das ohnehin nur im Ausland bestünde und binnen kurzer Zeit beseitigt werden könnte.

5

Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 29.000 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,68 € nebst Zinsen in Anspruch. Das [X.] hat dem Zug-um-Zug-Antrag in Höhe von 28.913 € und dem weiteren [X.] vollumfänglich, jeweils nebst Zinsen, stattgegeben; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das [X.] hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:

8

Im maßgeblichen [X.]punkt der Rücktrittserklärung habe das Kraftfahrzeug einen erheblichen Rechtsmangel (§ 435 [X.]) aufgewiesen, da dessen von den [X.] Behörden veranlasste Eintragung in die [X.] einen den Gebrauch der [X.] dauerhaft und nachhaltig beeinträchtigenden Umstand darstelle. Das Kraftfahrzeug sei bereits zum [X.]punkt der Übergabe an den Kläger als gestohlen gemeldet und auch noch im [X.]punkt der Rücktrittserklärung zur Fahndung ausgeschrieben gewesen.

9

Bei dem Eintrag in die [X.] handele es sich nicht nur um ein vorübergehendes Zulassungshindernis; die Eintragung führe vielmehr zu einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung, weil der Kläger bei einer Fahrt in das Ausland mit einer Beschlagnahme des Fahrzeugs rechnen müsse. Bei einer Beschlagnahme im Ausland sei der Käufer aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten (Sprache, Rechtssystem) faktisch für längere [X.] von der Nutzung des erworbenen Kraftfahrzeugs ausgeschlossen und somit in dessen Gebrauch erheblich eingeschränkt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die [X.] auch nach der Einstellung des gegen die Parteien in [X.] geführten Ermittlungsverfahrens und der Herausgabe des Fahrzeugs an den Kläger nicht gelöscht worden sei. Für das Vorliegen eines [X.] spreche auch der Umstand, dass der Kläger bei einem Verkauf des Pkw verpflichtet wäre, den Umstand der fortbestehenden internationalen Ausschreibung einem Käufer zu offenbaren. Dem Kläger sei es auch nicht zumutbar, selbst für die Löschung des [X.] zu sorgen. Es könne nicht Aufgabe des Käufers sein, mit hohem Aufwand und ungewissem Erfolg selbst für eine bestehende Gebrauchsbeeinträchtigung einzustehen.

Einer grundsätzlich nach § 323 Abs. 1 [X.] für den Rücktritt notwendigen Fristsetzung zur Nacherfüllung habe es vorliegend nicht bedurft, da dem Kläger nach § 440 Satz 1 [X.] die ihm zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar sei. In Anbetracht dessen, dass hier ein Diebstahl in [X.] im Raum stehe und sich der Sachverhalt durch die polizeilichen Ermittlungen über Monate nicht habe aufklären lassen, sei eine Fristsetzung entbehrlich gewesen. Dem Kläger sei es nicht zuzumuten abzuwarten, bis geklärt sei, ob das Kraftfahrzeug vom wahren Eigentümer veräußert worden sei und der [X.] die Löschung der [X.] erreichen könne.

Im Übrigen sei die Fristsetzung auch nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entbehrlich gewesen. Denn der [X.] habe die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert. Bei dieser Wertung sei auch das Verhalten des [X.]n im Prozess mit heranzuziehen. Hier habe der [X.] durchgehend von Anfang an seine Passivlegitimation und das Vorliegen eines [X.] bestritten. Damit habe er klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, er werde den Mangel nicht beseitigen. Anhaltspunkte, dass der [X.] durch eine Fristsetzung zu besserer Einsicht gelangt wäre, lägen nicht vor. Der [X.] habe zwar vorgetragen, es wäre ihm möglich gewesen, auf die Löschung des [X.] hinzuwirken, und er hätte diese auch erreicht. Er habe aber weder nach Zugang der Rücktrittserklärung noch nach Zustellung der Klageschrift diesbezüglich etwas unternommen.

Da nach allem der Rücktritt wirksam erfolgt sei, seien die [X.] in dem vom [X.] ausgeurteilten Umfang begründet.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

Dem Kläger steht nach wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 437 Nr. 2, §§ 435, 440, 323 [X.] der geltend gemachte [X.] nach § 346 Abs. 1 [X.] zu. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der bereits bei Übergabe Mitte Oktober 2012 bestehende und im [X.]punkt der Rücktrittserklärung (2. Mai 2014) andauernde Eintrag des Kraftfahrzeugs im [X.] einen erheblichen (§ 323 Abs. 5 Satz 2 [X.]) Rechtsmangel im Sinne des § 435 Satz 1 [X.] darstellt, der den Kläger zum Rücktritt berechtigte.

1. Nach § 435 Satz 1 [X.] ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können.

a) Der Verkäufer muss daher, um seine Leistungspflicht vollständig zu erfüllen, nicht nur das materielle (Eigentums-)Recht als solches verschaffen, sondern auch dafür sorgen, dass der Käufer die [X.] unangefochten und frei von Rechten Dritter erwirbt und nutzen kann. Das Ziel der Rechtsverschaffung ist umfassend, damit der Käufer, wie in § 903 Satz 1 [X.] für den Eigentümer vorgesehen, in die Lage versetzt wird, nach Belieben mit der Sache zu verfahren (siehe [X.]. 14/6040, [X.]; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2013, § 435 Rn. 8; vgl. auch [X.], Die Grenzziehung zwischen der Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf, 1980, S. 50 f.). Ein Rechtsmangel liegt deshalb vor, wenn Rechte eines [X.] eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 [X.] gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (MünchKomm[X.]/[X.], 7. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOK-[X.]/[X.], Stand: August 2014, § 435 Rn. 6).

aa) Hinsichtlich der rechtlichen Natur dieser individuellen Belastung kommen nicht nur dingliche Rechte eines [X.], sondern auch obligatorische Rechte in Betracht, wenn ihre Ausübung eine tatsächliche Beeinträchtigung der Nutzung für den Käufer bedeuten, indem sie dem Rechtsinhaber ein Recht zum Besitz der Sache verschaffen (Miet- und Pachtverhältnisse betreffend: [X.], Urteile vom 2. Oktober 1987 - [X.], NJW-RR 1988, 79 unter [X.]; vom 17. Mai 1991 - [X.], NJW 1991, 2700 unter III; vgl. auch MünchKomm[X.]/[X.], aaO Rn. 7; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 435 Rn. 8; BeckOK-[X.]/[X.], aaO Rn. 15; [X.]/[X.], aaO Rn. 15).

bb) Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der [X.] beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen ([X.]. 14/6040, [X.]; BeckOK-[X.]/[X.], aaO Rn. 18 f.; MünchKomm[X.]/[X.], aaO Rn. 10; [X.]/[X.], aaO Rn. 11). Dies gilt - in Abgrenzung zu den dem Bereich der Sachmängelgewährleistung (§ 434 [X.]) zuzuordnenden Sachverhalten - jedenfalls dann, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen nicht Folge der (auch) einen Sachmangel begründenden nicht vertragsgemäßen Beschaffenheit der [X.] ist; andernfalls liegt es nahe, (nur) einen Sachmangel anzunehmen ([X.]/[X.], aaO). Schematische Lösungen verbieten sich hierbei ([X.]surteil vom 5. Dezember 1990 - [X.], [X.]Z 113, 106, 112).

(1) So hat der [X.] in einem Fall, in dem [X.] verkauft wurde, bei dem der begründete Verdacht der Salmonellenverseuchung bestand, einen Sachmangel bejaht, weil die [X.] - unabhängig davon, dass sie in Folge des Verdachts (auch) der öffentlich-rechtlichen Beschlagnahme unterlag - nicht mehr für die vorgesehene Verwendung (Weiterveräußerung) tauglich war ([X.]surteil vom 14. Juni 1972 - [X.], [X.], 1314 unter [X.]). In Abgrenzung hiervon hat der [X.] dagegen entschieden ([X.]surteil vom 5. Dezember 1990 - [X.], aaO S. 112 f.), dass sich ein Käufer, der Dieselkraftstoff zum Betrieb von Dieselmotoren bestellt, gegenüber dem Verkäufer mit Erfolg auf einen Rechtsmangel berufen kann, wenn in Abweichung von der Bestellung ein mit Heizöl verunreinigter Dieselkraftstoff geliefert wird; die Besonderheit dieses Falles, die zur Annahme eines [X.] führte, lag darin, dass der gelieferte Kraftstoff zwar zur vertraglich vorgesehenen Verwendung (Betrieb von Dieselmotoren) auch mit der Verunreinigung tauglich war, er aber wegen der Heizölbeimischung der Gefahr der behördlichen Beschlagnahme unterlag. Die den Käufer treffende Beeinträchtigung lag mithin nicht in der tatsächlichen Beschaffenheit der Sache, sondern darin, dass der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte ([X.], Urteil vom 5. Dezember 1990 - [X.], aaO).

(2) Auch der [X.] zieht die Grenze zwischen Sach- und Rechtsmangel in Fällen, in denen öffentlich-rechtliche Befugnisse oder Beschränkungen auf die Nutzung eines verkauften Grundstücks einwirken, in gleicher Weise. So liegt in öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Bebaubarkeit eines verkauften Grundstücks, die an dessen Beschaffenheit (insbesondere die Lage) anknüpfen, ein Sachmangel ([X.], Urteil vom 15. Juli 2011 - [X.], [X.]Z 190, 272 Rn. 5 mwN): Hingegen stellt etwa die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung, die von deren Beschaffenheit unabhängig ist, ebenso einen Rechtsmangel dar ([X.], Urteile vom 9. Juli 1976 - [X.], [X.]Z 67, 134, 135 ff.; vom 21. Januar 2000 - [X.], [X.], 1256 unter [X.]) wie eine Veränderungssperre ([X.], Urteil vom 20. Dezember 1985 - [X.], [X.]Z 96, 385, 390 f.) oder die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers, einen Teil des verkauften Grundstücks als Straßenbauland an die Gemeinde zu veräußern ([X.], Urteil vom 4. Juni 1982 - [X.], NJW 1983, 275 unter I[X.] b).

(3) Dementsprechend hat der [X.] die nach § 111b StPO (rechtmäßig) durchgeführte Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Kraftfahrzeugs - deren allein der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche des durch die Straftat Verletzten dienende Anordnung keine Folge der Beschaffenheit des Fahrzeugs war - als Rechtsmangel angesehen und es insoweit als genügend erachtet, wenn der Sachverhalt, aufgrund dessen die (spätere) Beschlagnahme erfolgt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war ([X.]surteil vom 18. Februar 2004 - [X.], NJW 2004, 1802 unter [X.]). Diese Rechtsprechung geht zurück auf zwei Entscheidungen des [X.], in denen die rechtlichen Folgen von öffentlich-rechtlichen Beschlagnahmebefugnissen (zum einen aufgrund Verstoßes gegen Einfuhrbestimmungen [[X.], 390], zum anderen aufgrund Verstoßes gegen zollrechtliche Bestimmungen [[X.], 86]) zu klären waren. In beiden Fällen hat es bereits das [X.] für die Annahme eines [X.] ausreichen lassen, dass bei Gefahrübergang ein Sachverhalt vorliegt, der einen staatlichen Zugriff auf die [X.] im Wege einer künftigen Beschlagnahmeanordnung ermöglicht ([X.], 390, 391 f.; [X.], 86, 88 f.). Im [X.] daran hat auch der [X.] entschieden, dass ein Rechtsmangel bereits dann gegeben ist, wenn das Recht eines [X.] auch nur potentiell geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen ([X.], Urteil vom 11. Dezember 1991 - [X.], NJW-RR 1993, 396 unter [X.]; so auch [X.]/[X.], aaO Rn. 9).

b) Nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben ist (bereits) die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die Fahndungsliste aufgrund einer [X.] als Rechtsmangel anzusehen (so auch die einhellige Auffassung der Oberlandesgerichte; vgl. [X.] NJW-RR 2014, 1080; OLG [X.] vom 20. Februar 2015 - [X.], juris; [X.], Urteil vom 2. Mai 2016 - 21 U 3016/15, juris). Zwar handelt es sich bei dem [X.] (nur) um eine interne Datenbank der Sicherheitsbehörden des [X.], mit der - anders als bei einer bereits vollzogenen behördlichen Beschlagnahme oder Sicherstellung - noch kein unmittelbarer Eingriff in Form des Entzugs der Sache verbunden ist. Die Eigenart der auf einem internationalen Abkommen beruhenden [X.] gebietet es jedoch, bereits die Eintragung als solche und nicht erst eine daraufhin erfolgende Beschlagnahme oder Sicherstellung als Rechtsmangel einzuordnen. Denn bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dieses Fahndungssystem ist für den Käufer mit der Gefahr einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung verbunden und führt damit zu einer individuellen Belastung, die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 [X.] gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen.

aa) Die [X.] hat ihre rechtliche Grundlage in dem Beschluss 2007/[X.] des Europäischen Rats vom 12. Juni 2007 über die Errichtung, den Betrieb und die Nutzung des [X.]s der zweiten Generation ([X.]; [X.]. [X.]). In Art. 38 Abs. 1, 2 Buchst. a dieses Beschlusses ist geregelt, dass Daten in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, in das Fahndungssystem eingegeben werden können. Wird das gesuchte Fahrzeug aufgefunden, wird dem aufgreifenden Mitgliedsstaat in Art. 39 Abs. 3 des Beschlusses aufgegeben, Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts zu ergreifen.

bb) Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die [X.] eines Kraftfahrzeugs mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt wird und das Fahrzeug daraufhin behördlicherseits - nach den jeweiligen Rechtsvorschriften des [X.], in dem es aufgefunden wird - rechtmäßig sichergestellt oder beschlagnahmt wird, wie es auch im vorliegenden Fall Mitte des Jahres 2013 für die Dauer von mehreren Monaten geschehen ist.

Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Einordnung als Rechtsmangel unerheblich, dass der streitgegenständliche Pkw hier nach der Sicherstellung in [X.] von der dortigen Polizei wieder freigegeben wurde und der Kläger das Fahrzeug anschließend zum Straßenverkehr zulassen konnte. Denn die Ausschreibung besteht nach wie vor, weil ungeachtet der schon länger andauernden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bisher nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Pkw dem (früheren) [X.] Eigentümer abhandengekommen oder er Gegenstand eines [X.] gewesen ist; auch das - zwischenzeitlich für kurze [X.] eingestellte - Ermittlungsverfahren gegen beide Parteien dauerte jedenfalls bis in das [X.] hinein an.

Die [X.] erschöpft sich deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Denn die durch die Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des [X.] bestehen fort, solange die Eintragung nicht beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn er - was angesichts der ungeklärten Historie des Fahrzeugs offen ist - Eigentümer des Fahrzeugs geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903 Satz 1 [X.] vorgesehen, unbelastet von ([X.] Dritter nach Belieben mit der [X.] verfahren. Denn sobald er das Fahrzeug im öffentlichen Raum bewegt, muss er damit rechnen, dass dieses, je nach Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden, erneut beschlagnahmt wird. Dies wäre für den Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht nur mit einem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für einen nicht ohne weiteres abzusehenden [X.]raum, sondern mit Blick auf die zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengungen auch mit erheblichen weiteren Nachteilen - insbesondere bei einer Sicherstellung im Ausland - verbunden.

Darüber hinaus ist die Verkäuflichkeit des Pkw durch die Eintragung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die nach wie vor bestehende Ausschreibung aufzuklären. Diese gravierenden Folgen rechtfertigen es, bereits die aufgrund behördlicher Verfügung erfolgte [X.] als einen - im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 [X.] erheblichen - Rechtsmangel anzusehen.

cc) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass vorliegend der Grund der Eintragung des Fahrzeugs in das [X.] in dem ungeklärten Eigentumsherausgabeanspruch eines [X.] besteht, der durch seine [X.] das Ermittlungsverfahren initiiert hat. Zwar trifft es zu, dass ein nur behaupteter Anspruch eines [X.] einen Rechtsmangel nicht begründen kann ([X.]. 14/6040 [X.]), sondern es eines tatsächlich bestehenden Rechts eines [X.] bedarf, um einen Rechtsmangel annehmen zu können (BeckOK-[X.]/[X.], aaO Rn. 8). Die den Käufer im Streitfall unmittelbar treffende individuelle Belastung ist jedoch nicht in dem ungeklärten Eigentumsherausgabeanspruch zu sehen, sie liegt vielmehr in den durch die Eintragung eröffneten Zugriffsmöglichkeiten staatlicher Behörden auf die [X.].

Dass die Eintragung - solange das Ermittlungsverfahren nicht abgeschlossen beziehungsweise die Eigentumslage nicht geklärt ist - auf einer sich auf die [X.] gründenden "Vermutung" beruht, ist für die Annahme des [X.] unerheblich (vgl. auch [X.]/[X.], aaO Rn. 12). Vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit auch Fallgestaltungen für denkbar gehalten, in denen der Verkäufer dafür einsteht, dass Dritte keine Rechte geltend machen, und er etwaig erhobene Ansprüche abzuwehren hat ([X.]. 14/6040, [X.]). Darum geht es auch hier. Denn es versteht sich bei einem Kraftfahrzeugkauf von selbst, dass der Verkäufer als Teil seiner Erfüllungspflicht ein Fahrzeug zu verschaffen hat, das problemlos zur Straßenverkehrszulassung gebracht und ohne Sorge vor behördlicher Beschlagnahme im In- und Ausland benutzt werden kann.

2. Der am 2. Mai 2014 erklärte Rücktritt ist - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil es der Kläger versäumt hätte, dem [X.]n zuvor eine nach § 323 Abs. 1 [X.] grundsätzlich erforderliche Frist zur Nacherfüllung (§ 439 [X.]) zu setzen. Denn das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen und unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden Umstände des Streitfalls jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass es hier einer Fristsetzung zur Nacherfüllung vor Erklärung des Rücktritts nicht bedurfte.

a) Allerdings ergibt sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung vorliegend nicht, wie das Berufungsgericht meint, aus § 323 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.]s sind, was auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen [X.] im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 [X.] strenge Anforderungen zu stellen. Eine [X.] in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (st. Rspr.; zuletzt [X.]surteil vom 1. Juli 2015 - [X.], NJW 2015, 3455 Rn. 33 mwN).

Ob ein Verkäufer die Nacherfüllung endgültig und ernsthaft verweigert hat, unterliegt zwar der tatrichterlichen Würdigung (vgl. [X.]surteil vom 1. Juli 2015 - [X.], aaO Rn. 34 mwN); diese ist jedoch revisionsrechtlich darauf überprüfbar, ob der Tatrichter von den zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und alle Umstände des Falles, insbesondere das gesamte Verhalten des Verkäufers, berücksichtigt hat (vgl. [X.]surteil vom 1. Juli 2015 - [X.], aaO).

Das Berufungsgericht hat den bereits in der Klageerwiderung gehaltenen und in der Folgezeit beibehaltenen Vortrag des [X.]n, er sei nicht passiv legitimiert, sowie das prozessuale Bestreiten eines Mangels dahin gewürdigt, der [X.] habe die Erfüllung endgültig und ernsthaft verweigert. Damit hat es in Abweichung von höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen die Anforderungen an eine endgültige und ernsthafte [X.] zu niedrig angesetzt. Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann aus dem bloßen Bestreiten von Mängeln nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - die das Berufungsgericht hier nicht festgestellt hat - auf eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung geschlossen werden (vgl. [X.]surteil vom 1. Juli 2015 - [X.], aaO). Gleiches gilt für die Behauptung, nicht passivlegitimiert zu sein.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass eine Fristsetzung hier nach § 440 Satz 1 [X.] entbehrlich war, weil es dem Kläger im maßgeblichen [X.]punkt des Rücktritts nicht zuzumuten war, sich noch auf eine Nacherfüllung (Beseitigung der [X.]-Eintragung bei den [X.] Behörden) durch den [X.]n einzulassen. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass zu diesem [X.]punkt - nach wie vor - sowohl der Verdacht eines durch den [X.] Eigentümer begangenen [X.] als auch eines zu dessen Nachteil begangenen Diebstahls im Raum stand und die im [X.]punkt des Rücktritts (2. Mai 2014) seit mehr als 18 Monaten andauernden Ermittlungsmaßnahmen der Polizei den Sachverhalt nicht hatten klären können. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen nicht zuzumuten war, noch abzuwarten, ob der [X.] in absehbarer [X.] etwas würde erreichen können, was den Ermittlungsbehörden bisher nicht gelungen war, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang entscheidungserhebliches Vorbringen des [X.]n nicht gewürdigt. Der [X.], so die Revision, habe vorgetragen, er sei seit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens am 13. November 2013 bis zum Erhalt der Rücktrittserklärung im Mai 2014 von einer Aufklärung der Angelegenheit ausgegangen, auch weil ihm ein Mitarbeiter der [X.] Versicherungsgesellschaft mitgeteilt habe, der frühere Eigentümer habe einen Versicherungsbetrug oder einen versuchten Versicherungsbetrug begangen. Die Beibehaltung der Ausschreibung könne nur auf einem Missverständnis beruhen, denn die [X.] Ermittlungsbehörden hätten von der Versicherung die unzutreffende Auskunft erhalten, das Fahrzeug sei noch nicht gerichtlich freigegeben und die Ermittlungen in [X.] seien noch nicht abgeschlossen. Er, der [X.], hätte die Möglichkeit gehabt, über das [X.]kriminalamt oder das [X.] oder durch entsprechenden Nachdruck bei der Kriminalpolizei in [X.] auf die Löschung des [X.] hinzuwirken und hätte dies wohl auch erreicht.

Diese Umstände sind indes nicht geeignet, die Würdigung des Berufungsgerichts zur Unzumutbarkeit der Nacherfüllung in Frage zu stellen. Denn bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es maßgeblich auf den Erkenntnisstand des [X.] als Käufer im [X.]punkt der Rücktrittserklärung an. Aus dessen Sicht war es aber am 2. Mai 2014 entscheidend, dass es - wie bereits ausgeführt - in einem nach Übergabe des Fahrzeugs verstrichenen [X.]raum von 18 Monaten nicht einmal den strafrechtlichen Ermittlungsbehörden gelungen war, den Sachverhalt aufzuklären. Der Hinweis des [X.]n auf die Einstellung der Ermittlungen am 13. November 2013 liegt neben der Sache. Denn die - von den [X.] Behörden geführten - strafrechtlichen Ermittlungen wurden nach den [X.] und von der Revision auch nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kurz nach deren Einstellung - auch gegen den [X.]n - wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls bis in das [X.] noch an. Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen im Mai 2014 nicht zumutbar war abzuwarten, ob der [X.] nunmehr (erfolgreich) versuchen könnte, den Sachverhalt in absehbarer [X.] doch noch aufzuklären und eine Löschung des Eintrags zu erreichen, ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Dr. Milger      

        

Dr. Hessel      

        

Dr. [X.]

        

Dr. Schneider      

        

Dr. Bünger      

        

Meta

VIII ZR 234/15

18.01.2017

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 30. September 2015, Az: 3 U 192/14

§ 323 BGB, § 435 S 1 BGB, § 437 Nr 2 BGB, § 440 BGB, Art 38 Abs 1 EUBes 533/2007, Art 38 Abs 2 Buchst a EUBes 533/2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.01.2017, Az. VIII ZR 234/15 (REWIS RS 2017, 17176)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1666 WM2017,1376 REWIS RS 2017, 17176

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