Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.02.2022, Az. 3 StR 279/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2994

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Gegenstand

Anwendung von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende: Anforderungen an die Urteilsbegründung zur Berücksichtigung des Erziehungsgedankens bei Verhängung einer Jugendstrafe


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2021 im Ausspruch über die Jugendstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung", Landfriedensbruchs in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in drei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3

2. Der Strafausspruch hält dagegen materiell-rechtlicher Prüfung nicht stand.

4

a) Das [X.] hat rechtsfehlerfrei angenommen, gegen den im Tatzeitraum 18 bzw. 19 Jahre alten Angeklagten sei gemäß § 17 Abs. 2, § 105 Abs. 1 [X.] jedenfalls wegen Schwere der Schuld auf Jugendstrafe zu erkennen.

5

b) Die Strafzumessung genügt hingegen nicht den Anforderungen, die § 18 Abs. 2 [X.] an sie stellt. Nach dieser Vorschrift ist die Höhe der Jugendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. März 2019 - 3 StR 452/18, [X.]R [X.] § 18 Abs. 2 Erziehung 13 Rn. 5; vom 8. Januar 2015 - 3 [X.], [X.], 154, 155; vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, [X.], 186 [X.]). Das [X.] hat demgegenüber fast ausnahmslos dem Erwachsenenstrafrecht entlehnte Strafzumessungsgesichtspunkte wie seine fehlenden Vorstrafen, sein Teilgeständnis, seine Eigenschaft als Erstverbüßer, seine hohe Gewaltbereitschaft, die Verstrickung Dritter in die Taten und weitere objektive Tatumstände berücksichtigt. Der Erziehungsgedanke findet Erwähnung nur insoweit, als die jeweilige Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 [X.] "so zu bemessen ist, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten möglich ist". Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des [X.] reicht indes grundsätzlich nicht aus (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 8. Januar 2015 - 3 [X.], [X.], 154, 155; vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, [X.], 287 [X.]).

6

c) Rechtsfehlerhaft hat die [X.] zudem Einzeljugendstrafen verhängt. § 31 Abs. 1 [X.] - als zentrale Vorschrift für das jugendstrafrechtliche Einheitsprinzip - regelt die Rechtsfolgenfestsetzung beim Zusammentreffen mehrerer realkonkurrierender Straftaten und tritt damit an die Stelle der §§ 53, 54 StGB. Ohne Rücksicht auf die Zahl der Gesetzesverletzungen und die Art ihres Zusammentreffens soll über die Rechtsfolge einheitlich entschieden werden, orientiert an der Person des [X.] und dem Umfang der erzieherisch gebotenen Beeinflussung ([X.]/[X.]/Sonnen, [X.], 8. Aufl., § 31 [X.] Rn. 3 ff. [X.]; [X.]/[X.], [X.], 22. Aufl., § 31 Rn. 3 [X.]; vgl. auch [X.], Urteil vom 27. Mai 1975 - 5 [X.], [X.]St 26, 152, 154).

Berg     

      

Paul     

      

Anstötz

      

Kreicker     

      

Voigt     

      

Meta

3 StR 279/21

22.02.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 22. Februar 2022, Az: 3 StR 279/21, Beschluss

§ 17 Abs 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.02.2022, Az. 3 StR 279/21 (REWIS RS 2022, 2994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2994

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