Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.05.2019, Az. 1 C 10/18

1. Senat | REWIS RS 2019, 6975

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Gegenstand

Widersprüchliche Tatsachenfeststellungen im Urteil


Leitsatz

Bleibt aufgrund widersprüchlicher tatsächlicher Feststellungen des Tatsachengerichts offen, von welchem Sachverhalt das Gericht im Rahmen seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung überzeugt ist, fehlt es an einer dem § 108 Abs. 1 VwGO genügenden richterlichen Überzeugungsbildung.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein 1999 geborener [X.] Staatsangehöriger, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Er reiste eigenen Angaben zufolge im Januar 2016 auf dem Landweg in das [X.] ein und beantragte im April 2016 die Anerkennung als Asylberechtigter.

2

Mit Bescheid vom 6. Juni 2017 erkannte das [X.] dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Von Feststellungen zu nationalen [X.] sah es ab.

3

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, und den Bescheid des [X.] aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Der Kläger habe einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 [X.], weil eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung unter dem Aspekt der Wehrdienstentziehung drohe. Allerdings könne sich der Kläger nicht auf § 3a Abs. 2 Nr. 5 [X.] berufen, weil er als bislang ungedienter Wehrpflichtiger noch keiner Militäreinheit zugeteilt worden sei, sodass derzeit unklar sei, wo er gegebenenfalls einmal eingesetzt werde und welche Aufgaben ihm dann oblägen. Der Kläger müsse aber bei einer Rückkehr nach [X.] mit menschenrechtswidriger Behandlung durch den [X.] rechnen, weil er sich durch eine unerlaubte Ausreise aus [X.] und einen Verbleib im Ausland dem Militärdienst entzogen habe. Diese Behandlung sei auf eine (unterstellte) oppositionelle Haltung des [X.] gerichtet. Zur Begründung werde auf die Ausführungen des [X.] in dessen Urteil vom 2. Mai 2017 - [X.]/17 - verwiesen. Dieser habe ausgeführt, bei einer Gesamtschau der herangezogenen [X.] drohe [X.] Männern im wehrdienstfähigen Alter bei ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter durch syrische Sicherheitskräfte. Ferner gebe es Hinweise darauf, dass alle, die sich dem Regime entziehen - wie es Wehrpflichtige tun, zumal wenn sie illegal ins Ausland reisen - als Oppositionelle und je nach bisheriger Funktion als "Landesverräter" betrachtet würden. Schon bei der ersten Befragung sei mit erheblichen Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit, nämlich Misshandlung und Folter zu rechnen. Unerheblich sei, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, dass alle Einreisenden ausnahmslos betroffen seien. Der infrage kommende Personenkreis stehe aufgrund der bestehenden Wehrpflicht in besonderer Weise im Visier der Sicherheitskräfte und sei deshalb in hervorgehobenem Maße gefährdet. Eine realitätsnahe Bewertung des Charakters des gegenwärtigen [X.] Regimes und seiner Handlungen und Aktivitäten gegenüber seiner Bevölkerung lasse keine andere Deutung zu, als dass diese an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 5 [X.] (politische Überzeugung) anknüpften. Das syrische Regime sei von einem "[X.]" als alles durchziehendes Handlungsmuster geprägt. Es sei kein realistisches anderes Erklärungsmuster für das Vorgehen der [X.] Grenz- und Sicherheitsbehörden zu erkennen, als dass an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal angeknüpft werde. Gerade im Fall eines totalitären Regimes, das sich rücksichtslos über die Integrität und Freiheit seiner Bürger um jeden Preis und mit jedem Mittel hinwegsetze und sich in einem existenziellen Überlebenskampf befinde, liege es nahe, dass dieses von einer potentiellen Gegnerschaft bei den Misshandelten und sogar gefolterten Rückkehrern ausgehe. Die Rechtsprechung des [X.] begegne allerdings gewichtigen Bedenken, wie im Einzelnen unter diesem entgegenstehenden tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen der [X.] ausgeführt wird. Das Gericht schließe sich indes der Rechtsprechung des [X.], die wenig Überzeugungskraft habe, unter Zurückstellung dieser Bedenken aus "Gründen der Einheit der Rechtsordnung" an.

4

Mit der Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 3 Abs. 1 [X.]. Das Verwaltungsgericht gehe von der Rechtsauffassung aus, dass die Prognose der Rückkehrgefährdung von sich im Ausland befindlichen männlichen [X.]sangehörigen im rekrutierungsfähigen Alter, die ohne Genehmigung der Militärbehörden [X.] verlassen haben, nach den Grundsätzen der Gruppenverfolgung zu erfolgen habe. Hierbei habe es in Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 - [X.] 402.242 § 60 Abs. 1 [X.] Nr. 39 Rn. 17) weder konkrete Referenzfälle festgestellt noch die gebotenen Feststellungen zur Verfolgungsdichte anhand eines einschlägig konkreten Verfolgungsgeschehens in Relation zur in Betracht zu ziehenden Personengruppe getroffen noch sich mit Feststellungen zu einem etwaigen Verfolgungsprogramm befasst. Im Rahmen der prognostischen Betrachtung mache sich das [X.] allein die Rechtsauffassung des [X.] zu eigen, wonach bereits der Charakter des [X.] Regimes die Feststellung eines Verfolgungsgrundes im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 5 [X.] rechtfertige. Es gehe somit rechtsfehlerhaft von einer Vermutung aus, die die Feststellung eines beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgrundes tragen solle. Es sei zwar in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bei unübersichtlicher Tatsachengrundlage beziehungsweise nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet eine Prognose auch auf der Grundlage einer Vielzahl vorliegender Einzelinformationen und einer zusammenfassenden Bewertung erfolgen könne. Dies entbinde jedoch nicht von der notwendig vorzunehmenden Aufklärung und Feststellung konkreter Verfolgungshandlungen und bei gruppenbezogenen Gefahrenlagen der Inbezugsetzung zur Größe der verfolgten Gruppe. Abgesehen davon, dass Feststellungen zu Referenzfällen fehlten, habe sich das [X.] auch nicht damit befasst, dass nach den Erkenntnisquellen Hunderttausende syrische Flüchtlinge jedes Jahr nach [X.] einreisten, um dort persönliche Angelegenheiten zu regeln, bevor sie wieder in die benachbarten Länder zurückkehrten.

5

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

6

Der Vertreter des [X.] beim [X.] hat sich nicht am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

7

Die Sprungrevision der [X.]eklagten hat mit dem Ergebnis einer Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht Erfolg. Das Urteil verstößt gegen [X.] (§ 137 Abs. 1 VwGO) und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Mangels erforderlicher Sachverhaltsfeststellungen ist die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

8

Maßgeblich für die rechtliche [X.]eurteilung des Klagebegehrens sind das Asylgesetz ([X.]) in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 2. September 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch das am 12. Dezember 2018 in [X.] getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. Dezember 2018 ([X.] I S. 2250) sowie das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im [X.] ([X.] - [X.]) vom 30. Juli 2004 in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 25. Februar 2008 ([X.] I S. 162), zuletzt geändert mit Wirkung vom 1. August 2018 durch Art. 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 ([X.] I S. 1147). Rechtsänderungen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des [X.]s eintreten, sind zu berücksichtigen, wenn das [X.] - entschiede es anstelle des [X.] - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte ([X.], Urteil vom 11. September 2007 - 10 [X.] 8.07 - [X.]E 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das [X.] nach § 77 Abs. 1 [X.] regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 [X.] 23.12 - [X.]E 146, 67 Rn. 12). Die hier maßgeblichen [X.]estimmungen haben sich seit der Entscheidung des [X.] allerdings nicht geändert.

9

1. Die Revision ist zulässig. Sie ist unter [X.]eachtung der besonderen Vorschriften für die Sprungrevision (§ 134 VwGO) form- und fristgerecht mit Zustimmung des [X.] eingelegt und begründet worden.

Der Zulässigkeit der Sprungrevision steht nicht entgegen, dass die Zulassung durch den Einzelrichter anstelle der Kammer erfolgt ist (vgl. [X.], Urteile vom 29. Juli 2004 - 5 [X.] 65.03 - [X.]E 121, 292 <295> und vom 28. September 2004 - 1 [X.] 10.03 - [X.]E 122, 94 <95 f.>). Mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter geht die Entscheidungsbefugnis für den Rechtsstreit uneingeschränkt auf den Einzelrichter über; dieser, nicht die ganze Kammer, entscheidet am Ende im Urteil nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der [X.] lässt offen, ob die nach § 134 Abs. 2 Satz 2 VwGO in aller Regel zwingende [X.]indung des [X.] an die Zulassungsentscheidung des [X.] nach § 134 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausnahmsweise entfallen oder eine Revisionszulassung unwirksam sein kann, wenn sie im Einzelfall unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - d.h. in manipulativer oder objektiv willkürlicher Missachtung der einschlägigen [X.]estimmungen - ergangen ist ([X.], Urteil vom 28. September 2004 - 1 [X.] 10.03 - [X.]E 122, 94 <95 f.>) und ob eine erst nach der Übertragung erkannte, entstandene oder abweichend von der übertragenden Kammer gesehene grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache eine "wesentliche Änderung der Prozesslage" bewirkt (dazu [X.], Urteil vom 29. Juli 2004 - 5 [X.] 65.03 - [X.]E 121, 292 <295>), welche die Rückübertragung auf die Kammer ermöglicht oder eine Reduktion des Rückübertragungsermessens bewirkt. Denn hinreichende Anhaltspunkte für eine Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzende, objektiv willkürliche Missachtung einer etwa gegebenen Rückübertragungsmöglichkeit bestehen hier nicht; sie folgen auch nicht daraus, dass die Sprungrevision zur Klärung einer nicht entscheidungserheblichen Grundsatzfrage (vgl. dazu unter 2. e)) zugelassen worden ist.

2. Die Revision der [X.]eklagten hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist wegen Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) rechtsfehlerhaft, weil es auf widersprüchliche tatsächliche Feststellungen gestützt ist (vgl. dazu unten 2. e) bb)). Das Verfahren ist daher an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), um dem Verwaltungsgericht Gelegenheit zur Klärung der im Rahmen der Überzeugungsbildung aufgetretenen Widersprüche zu geben.

a) Allerdings hat das Verwaltungsgericht zunächst die allgemeinen Maßstäbe für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft insoweit im Einklang mit der herangezogenen Entscheidung des [X.]hofes in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewandt.

Gemäß § 3 Abs. 4 [X.] wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 [X.] ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 [X.] oder das [X.] hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 [X.] von der Anwendung des § 60 Abs. 1 [X.] abgesehen. Gemäß § 3 Abs. 1 [X.] ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ([X.] 1953 [X.], 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten [X.] Gruppe außerhalb des [X.] (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Nach § 3a Abs. 1 [X.] gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 [X.] Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([X.] [X.], 953) - [X.] - keine Abweichung zulässig ist, oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Diese Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatslosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (A[X.]l. L 337 S. 9) - [X.] 2011/95/[X.] - umsetzende Legaldefinition der [X.] erfährt in § 3a Abs. 2 [X.] im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 [X.] 2011/95/[X.] eine Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Die Annahme einer [X.] setzt einen gezielten Eingriff in ein nach Art. 9 Abs. 1 [X.] 2011/95/[X.] geschütztes Rechtsgut voraus ([X.], Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 [X.] 52.07 - [X.]E 133, 55 Rn. 22).

§ 3b Abs. 1 [X.] konkretisiert die in § 3 Abs. 1 [X.] genannten Verfolgungsgründe. Gemäß § 3b Abs. 2 [X.] ist es bei der [X.]ewertung der Frage, ob es bei der Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob dieser tatsächlich die flüchtlingsrelevanten Merkmale aufweist, sofern ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Gemäß § 3a Abs. 3 [X.] muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b [X.] genannten [X.] und den in § 3a Abs. 1 und 2 [X.] als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Maßnahme muss darauf gerichtet sein, den von ihr [X.]etroffenen gerade in Anknüpfung an einen oder mehrere Verfolgungsgründe zu treffen. Ob die Verfolgung "wegen" eines [X.]es erfolgt, mithin entweder die [X.] oder das Fehlen von Schutz vor Verfolgung oder beide auf einen der in § 3b [X.] genannten Verfolgungsgründe zurückgehen, ist anhand ihres inhaltlichen [X.]harakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen, nicht hingegen nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den [X.] dabei leiten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 1. Juli 1987 - 2 [X.]vR 478/86, 2 [X.]vR 962/86 - [X.]E 76, 143 <157, 166 f.>). Diese Zielgerichtetheit muss nicht nur hinsichtlich der durch die [X.] bewirkten Rechtsgutverletzung, sondern auch in [X.]ezug auf die Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b [X.], an die die Handlung anknüpft, anzunehmen sein ([X.], Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 [X.] 52.07 - [X.]E 133, 55 Rn. 22 und [X.]eschluss vom 21. November 2017 - 1 [X.] 148.17 - juris Rn. 17). Für die "Verknüpfung" reicht ein Zusammenhang im Sinne einer Mitverursachung aus.

Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 [X.] begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") drohen (stRspr, vgl. [X.], Urteile vom 20. Februar 2013 - 10 [X.] 23.12 - [X.]E 146, 67 Rn. 19; vom 19. April 2018 - 1 [X.] 29.17 - NVwZ 2018, 1408 Rn. 14 und [X.]eschluss vom 15. August 2017 - 1 [X.] 120.17 - juris Rn. 8). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab bedingt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten [X.] die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" [X.]etrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer [X.]edeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des [X.]etroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann ([X.], Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 [X.] 23.12 - [X.]E 146, 67 Rn. 32).

b) Ausgehend von obigen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zunächst in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass sich der Kläger nicht auf die [X.]eweiserleichterung einer Vorverfolgung nach Art. 4 Abs. 4 [X.] 2011/95/[X.] berufen kann, weil er vor seiner Ausreise aus [X.] keiner anlassgeprägten Einzelverfolgung ausgesetzt gewesen war. Hinsichtlich des Vorbringens des [X.], wonach er am 30. Dezember 2014 kurzzeitig durch syrische Militärangehörige festgehalten und hierbei geschlagen worden sei, hat das Verwaltungsgericht - bei unterstellter Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens - angenommen, dass stichhaltige Gründe gegen eine erneute derartige Verfolgung sprechen, da der Kläger bis zu seiner Ausreise aus [X.] Ende 2015 ohne weitere [X.]eeinträchtigungen in [X.] leben konnte. Auf der Grundlage der den [X.] bindenden, tatsächlichen Feststellungen des [X.] ist dessen Annahme, dass die Verfolgungsvermutung durch stichhaltige Gründe widerlegt ist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Umstand, dass der Kläger nach dem Vorfall am 30. Dezember 2014 bis zu seiner Ausreise in [X.] unbehelligt leben konnte, stellt einen stichhaltigen Grund dar, der gegen die Annahme einer erneuten Verfolgung des [X.] spricht.

c) [X.] nicht zu beanstanden ist ferner die Würdigung des [X.], dass dem Kläger wegen der illegalen Ausreise, dem Auslandsaufenthalt und der Asylantragstellung deshalb keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht, weil es jedenfalls an der nach § 3a Abs. 3 [X.] erforderlichen Verknüpfung einer etwaigen [X.] mit einem [X.] im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3b [X.] fehlt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht für den [X.] bindend festgestellt, dass den vorliegenden [X.]n keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass der [X.] mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Rückkehrern wegen ihrer illegalen Ausreise, ihres Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung eine regimefeindliche politische Überzeugung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 5 [X.] zuschreiben wird.

Auf der Grundlage der tatrichterlichen, den [X.] bindenden tatsächlichen Feststellungen ist ferner die Würdigung des [X.], dass die Zugehörigkeit des [X.] zum sunnitischen Glauben und seine Herkunft aus einem regierungsfeindlichen Gebiet (hier: das Stadtviertel [X.] der [X.] Hauptstadt [X.]) keine gefahrerhöhenden Umstände darstellen, aufgrund derer dem Kläger bei einer Rückkehr nach [X.] beachtlich wahrscheinlich die Gefahr einer Verfolgung droht, weil ihm eine regimefeindliche Gesinnung zugeschrieben werden würde, nicht zu beanstanden. Diese tatrichterlichen Feststellungen und Würdigungen stehen im Einklang mit der herangezogenen Entscheidung des [X.]hofes sowie der wohl weit überwiegenden Rechtsprechung der Obergerichte im Entscheidungszeitpunkt und werden auch nicht durch dem entgegenstehende Feststellungen des [X.] infrage gestellt.

d) Das Verwaltungsgericht ist ferner revisionsrechtlich unbedenklich davon ausgegangen, dass ein Anspruch des [X.] auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus § 3a Abs. 2 Nr. 5 [X.] folgt. Nach dieser [X.]estimmung kann die Strafverfolgung oder [X.]estrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt als [X.] im Sinne des § 3a Abs. 1 [X.] gelten, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 [X.] (Verbrechen gegen den [X.], Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit) fallen. § 3a Abs. 2 Nr. 5 [X.] beruht unionsrechtlich auf Art. 9 Abs. 2 [X.]uchst. e [X.] 2011/95/[X.]. Der [X.] ([X.]) hat zum persönlichen Anwendungsbereich dieser Regelung ausgeführt (Urteil vom 26. Februar 2015 - [X.]-472/13 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2015:117], [X.] - Rn. 34), dass die Eigenschaft als Militärangehöriger eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung darstellt, um den Schutz zu genießen, der mit den [X.]estimmungen der [X.] verbunden ist. Die Regelung umfasst ferner nur Fälle, in denen der geleistete Militärdienst in einem bestimmten Konflikt die [X.]egehung von Kriegsverbrechen umfassen würde. Demjenigen, der die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 9 Abs. 2 [X.]uchst. e [X.] 2011/95/[X.] zuerkannt bekommen möchte, obliegt es, mit hinreichender Plausibilität darzulegen, dass von der Einheit, der er angehört, mit hoher Wahrscheinlichkeit als Kriegsverbrechen einzustufende Handlungen begangen werden oder wurden ([X.], Urteil vom 26. Februar 2015 - [X.]-472/13 - Rn. 43).

Nicht zu vertiefen ist, ob der Kläger hier schon deshalb nicht unter § 3a Abs. 2 Nr. 5 [X.] fallen kann, weil er bisher kein Militärangehöriger ist. Soweit eine [X.]erufung auf die Vorschrift auch bereits bei beachtlich wahrscheinlicher Einberufung zum Militärdienst und ungewisser künftiger Zuordnung zu einer bestimmten Einheit infrage kommt (zum Streitstand [X.], [X.]eschluss vom 7. März 2019 - 4 [X.]526/17 - juris), wäre jedenfalls darzulegen, dass entweder alle infrage kommenden Einheiten im Sinne der Rechtsprechung des [X.] mit hoher Wahrscheinlichkeit in als Kriegsverbrechen einzustufende Handlungen involviert sind oder doch hinreichend plausibel ist, dass wehrdiensttauglichen Personen bei Rückkehr nach [X.] der Einsatz in solchen Einheiten drohte. Derartige tatrichterliche Feststellungen hat das Verwaltungsgericht in [X.]ezug auf die [X.] und einen möglichen Militärdienst des [X.] vorliegend aber nicht getroffen.

e) Die [X.]ewertung des [X.], dem Kläger drohten bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit [X.]en im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 [X.], die auch an den (zugeschriebenen) [X.] des § 3b Abs. 1 Nr. 5 [X.] (politische Überzeugung) anknüpften, ist hier im Ergebnis revisionsrechtlich zu beanstanden. Dies folgt nicht schon daraus, dass das Verwaltungsgericht zwar an die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung anknüpft, insoweit aber nicht selbst die nach seiner dem [X.]hof zugeschriebenen Rechtsauffassung hierfür erforderlichen Feststellungen getroffen hat, oder daraus, dass insoweit die in der herangezogenen Entscheidung des [X.]hofes getroffene Würdigung, soweit sie der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt, in Ergebnis oder Herleitung zu beanstanden wäre (aa). Das angefochtene Urteil beruht aber auf einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (bb).

aa) Das Verwaltungsgericht ist allerdings davon ausgegangen, der [X.]hof [X.]aden-Württemberg habe eine Gruppenverfolgung "(stillschweigend) in der Sache bejaht" und gehe "faktisch von einer Gruppenverfolgung" aus, ohne die hierzu in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zutreffend anzuwenden, und begegne (u.a.) deswegen durchgreifenden [X.]edenken. Allein dies führt nicht zu einem [X.]undesrechtsverstoß, denn der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des [X.]hofes [X.]aden-Württemberg (Urteil vom 2. Mai 2017 - [X.]/17 -) lässt sich dies gerade nicht entnehmen.

Der [X.]hof ist vielmehr bei einer Gesamtschau der herangezogenen [X.] zu der Überzeugung gelangt, dass aufgrund der in [X.] gegebenen Umstände dem Kläger in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") eine menschenrechtswidrige [X.]ehandlung durch syrische Sicherheitskräfte droht. Er hat daher nicht - wie es bei der Zugrundelegung einer Gruppenverfolgung der Fall ist - aus gegen eine ganze Gruppe gerichteten Maßnahmen Rückschlüsse auf die individuelle Verfolgungsgefahr für den Asylbewerber gezogen, die allein an die Zugehörigkeit zu einer näher umschriebenen Gruppe anknüpften. Der [X.]hof ist vielmehr auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu der [X.]ewertung gelangt, dass der Kläger als [X.] im wehrpflichtigen Alter mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei Rückkehr Folter durch syrische Sicherheitskräfte zu gewärtigen habe, die auch an flüchtlingsrechtlich erhebliche Merkmale anknüpfe, und hat damit eine beachtlich wahrscheinlich drohende Individualverfolgung festgestellt. Insoweit läuft auch die [X.]ewertung des [X.] ins Leere und ist nicht weiter zu überprüfen, der Kläger sei wegen der vorbezeichneten Merkmale im Sinne der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ([X.], Urteil vom 20. Juni 1995 - 9 [X.] 294.94 - [X.] 1995, 422) Mitglied einer Personengruppe, die von Gruppenverfolgung erfasst sein könne; dieser [X.]egriff der Gruppenverfolgung ist jedenfalls nicht mit dem der "[X.] Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 [X.] (dazu [X.], Urteil vom 19. April 2018 - 1 [X.] 29.17 - NVwZ 2018, 1408 Rn. 28 ff.; [X.]eschluss vom 15. April 2019 - 1 [X.] 16.19 - juris) zu verwechseln. Die Erwägungen des [X.]hofes begegnen dabei weder in [X.]ezug auf die beachtliche Wahrscheinlichkeit von [X.]en (§ 3a Abs. 1 und 2 [X.]) noch hinsichtlich ihrer Verknüpfung (§ 3a Abs. 3 [X.]) mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b [X.] durchgreifenden, angesichts der [X.]ezugnahme des [X.] möglicherweise beachtlichen [X.]edenken. Solche [X.]edenken gegen die herangezogene Rechtsprechung des [X.]hofes folgen auch nicht aus weiteren, von jenen des [X.]hofes abweichenden Feststellungen und Würdigungen des [X.] oder dem Umstand, dass der [X.]hof inzwischen die Verknüpfung von drohender [X.] mit einem [X.] anders als im Urteil vom 2. Mai 2017 - [X.]/17 - bewertet ([X.], Urteile vom 23. Oktober 2018 - [X.] S 791/18 - [X.] 2019, 26 und vom 27. März 2019 - [X.] - juris).

Das angegriffene Urteil oder - soweit es auf dessen Urteil vom 2. Mai 2017 - [X.]/17 - [X.]ezug nimmt - der [X.]hof waren hier nicht gehalten, bei der [X.]ewertung, ob im Ausland befindlichen männlichen [X.] Staatsangehörigen im rekrutierungsfähigen Alter, die ohne Genehmigung der Militärbehörden [X.] verlassen haben, auf die vom [X.]undesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze der Gruppenverfolgung zurückzugreifen, wenn die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Individualverfolgung geprüft und bejaht wird. Zwar setzt auch der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine "qualifizierende" [X.]etrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer [X.]edeutung voraus ([X.], Urteile vom 20. Februar 2013 - 10 [X.] 23.12 - [X.]E 146, 67 Rn. 32 und vom 19. April 2018 - 1 [X.] 29.17 - NVwZ 2018, 1408 Rn. 14) und ist daher nicht durch eine reine qualitative, sondern zusätzlich durch eine quantitative [X.]etrachtung ("Gefahrendichte") mitgeprägt (vgl. dazu auch: [X.]erlit, [X.], 110). [X.]ei der Rechtsfigur der Gruppenverfolgung handelt es sich ferner nicht um einen eigenen Asyltatbestand, sondern lediglich um ein Hilfsmittel, um Rückschlüsse auf die individuelle Verfolgungsgefahr für den Asylbewerber nicht (oder nicht nur) aus seinem persönlichen Schicksal, sondern aus Maßnahmen gegen die ganze Gruppe zu ziehen, der der Asylbewerber angehört ([X.], Urteil vom 5. November 1991 - 9 [X.] 118.90 - [X.]E 89, 162 <168>). Sie stellt sich somit lediglich als eine [X.]eweiserleichterung und nicht etwa als [X.]eweisverschärfung dar ([X.], Urteil vom 21. April 2009 - 10 [X.] 11.08 - [X.]uchholz 402.242 § 60 Abs. 1 [X.] Nr. 39 Rn. 13). Die zur Zulassung führende Rechtsfrage stellte sich mithin bei zutreffender Auslegung des herangezogenen Urteils des [X.]hofes bereits im Ansatz nicht. Nicht zu vertiefen ist daher, inwieweit an den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben zur Gruppenverfolgung auch unter der Geltung der [X.] 2011/95/[X.] festzuhalten ist und ob der hier betroffene Personenkreis [X.] Staatsangehöriger, die der in [X.] bestehenden Militärpflicht unterliegen und sich durch Ausreise aus [X.] und Verbleib im Ausland dieser Pflicht entzogen haben, eine "Gruppe" im Sinne dieser Rechtsprechung bildet.

bb) Das Verwaltungsgericht hat indes dadurch gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen, dass es sein Urteil auf einander widerstreitende tatsächliche Feststellungen und Würdigungen gestützt hat, ohne diese inneren Widersprüche aufzulösen.

(1) Die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung ist vorrangig Aufgabe des Tatrichters und unterliegt nur eingeschränkter Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. etwa [X.], Urteile vom 29. Februar 2012 - 7 [X.] 8.11 - [X.]uchholz 419.01 § 26 [X.] Rn. 35, 44 und vom 27. November 2014 - 7 [X.] 20.12 - [X.]E 151, 1 Rn. 43). Die Freiheit richterlicher Überzeugungsbildung findet ihre Grenzen nicht nur im anzuwendenden Recht und dessen Auslegung, sondern auch in [X.]estimmungen, die den Vorgang der Überzeugungsbildung leiten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 19. August 2014 - 7 [X.] 12.14 - juris Rn. 5 m.w.N.). Hierzu zählen etwa gesetzliche [X.]eweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze und die Denkgesetze. Des Weiteren verlangt das Gebot der freien [X.]eweiswürdigung, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Das Gericht darf also nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder [X.]eweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Danach liegt ein Verstoß gegen dieses Gebot vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder sein Urteil zu einer entscheidungserheblichen Frage auf zwei einander widersprechende Tatsachenfeststellungen stützt ([X.], Urteil vom 18. Mai 1990 - 7 [X.] 3.90 - [X.]E 85, 155 <158>). In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts (stRspr, vgl. nur [X.], Urteile vom 5. Juli 1994 - 9 [X.] 158.94 - [X.]E 96, 200 <208 f.> und vom 28. Februar 2007 - 3 [X.] 38.05 - [X.]E 128, 155 Rn. 59).

(2) Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil in diesem Sinne auf widersprüchliche tatsächliche Feststellungen gestützt. Es hat sich einerseits die Feststellungen des [X.]hofes [X.]aden-Württemberg in dessen Urteil vom 2. Mai 2017 zu eigen gemacht, wonach Männer im wehrdienstfähigen Alter bei ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter durch syrische Sicherheitskräfte zu gewärtigen hätten. Andererseits hat es aber ausgeführt, dass auch den vom [X.]hof [X.]aden-Württemberg verwerteten Erkenntnisquellen sowie weiteren vom Verwaltungsgericht selbst herangezogenen Erkenntnisquellen keinerlei [X.]elege zu entnehmen seien, dass es bei [X.]estrafungen von männlichen [X.] Staatsangehörigen, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, zu menschenrechtswidrigen [X.]ehandlungen bis hin zu Folter komme. Gleiches gilt, soweit das Verwaltungsgericht sich einerseits Feststellungen des [X.]hofes [X.]aden-Württemberg zu eigen gemacht hat, wonach die den Männern im wehrdienstfähigen Alter drohenden Maßnahmen des [X.] Staates an eine vermutete regimefeindliche Gesinnung anknüpfen, andererseits aber diese Ausführungen für nicht überzeugend hält ([X.]), weil Erkenntnisquellen auf ein willkürlich-wahlloses und damit ohne Anknüpfung an einen [X.] erfolgendes Verhalten der [X.] Sicherheitskräfte hinwiesen.

Hier keine andere [X.]eurteilung rechtfertigt, dass das Verwaltungsgericht sich nach der Feststellung, die Rechtsprechung des [X.]hofes [X.]aden-Württemberg habe "wenig Überzeugungskraft", dieser Rechtsprechung "unter Zurückstellung der aufgezeigten [X.]edenken aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung" anschließt. Der [X.] wertet dies dahin, dass das Verwaltungsgericht sich dem [X.]hof damit zwar im Ergebnis, nicht aber in [X.]ezug auf die zu dieser Rechtsprechung gefundenen tatsächlichen Feststellungen und abweichenden [X.]ewertungen anschließt. [X.] werden die [X.]edenken gegen die Rechtsprechung des [X.]hofes, nicht die tatsächlichen Feststellungen und abweichenden [X.]ewertungen, an welche diese [X.]edenken anknüpfen. Das Verwaltungsgericht formuliert die Feststellungen und [X.]ewertungen, die seine [X.]edenken begründen, auch in einer so pointierten Art und Weise, dass sie nicht allein "aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung" unberücksichtigt bleiben können. Das "Zurückstellen" dieser [X.]edenken lässt hier auch sonst nicht den Schluss zu, dass das Verwaltungsgericht seine eigenen Tatsachenfeststellungen und [X.]ewertungen in der Sache aufgibt, soweit sie jenen des [X.]hofes widersprechen, und sich kraft eigener Einsicht jedenfalls in dem Umfange, als es für die Entscheidung erheblich ist, dem [X.]hof nicht nur im Ergebnis, sondern auch in den dieses tragenden tatsächlichen Feststellungen und [X.]ewertungen anschließt. Der Überzeugungsgrundsatz (§ 108 VwGO) steht einem Überdenken der eigenen tatsächlichen Feststellungen und hieran anknüpfender [X.]ewertungen in Auseinandersetzung mit entgegenstehenden tatsächlichen Feststellungen und [X.]ewertungen nicht entgegen und kann dies sogar fordern. Er lässt in dem Wertungsrahmen, den er für die tatrichterliche Überzeugungsbildung eröffnet, Raum auch für die Überwindung möglicher Zweifel zugunsten anderweitiger, rational ebenfalls nachvollziehbarer Feststellungen und Wertungen und gebietet dabei die argumentative Auseinandersetzung auch mit diesen. In dem so gezogenen Wertungsrahmen kommt dem Aspekt der Rechtssicherheit und Rechtseinheit, die herzustellen und zu befördern mit Aufgabe der Rechtsmittelgerichte ist, argumentativ durchaus erhebliches Gewicht zu, auch wenn jenseits der Rechtskraftbindung keine "Präjudizienbindung" besteht. Allein die "Einheit der Rechtsordnung" lässt es aber nicht zu, sich im Ergebnis einer Rechtsprechung zu beugen, obwohl nach der fortbestehenden eigenen Überzeugung dem weiterhin tatsächliche Feststellungen und [X.]edenken entgegenstehen, die [X.]edenken mithin lediglich zurückgestellt, also nicht überwunden werden.

So liegt es hier. Der Widerspruch zwischen den weiterhin für überzeugend gehaltenen eigenen tatsächlichen Feststellungen und [X.]ewertungen zu jenen des [X.]hofes, die "wenig Überzeugungskraft" haben sollen, wird nicht aufgelöst. Die einander widerstreitenden Feststellungen und [X.]ewertungen stehen vielmehr beziehungslos nebeneinander, ohne dass das Verwaltungsgericht klarstellt, welchen Sachverhalt es kraft eigener Überzeugungsbildung als zutreffend ansieht. Dann aber fehlt es an einer hinreichend klaren richterlichen Überzeugungsbildung, die das gewonnene Gesamtergebnis des Verfahrens zu tragen geeignet wäre.

(3) Dieser Fehler ist vorliegend auch beachtlich. Keiner abschließenden Erörterung bedarf es im Hinblick auf den Ausschluss der Verfahrensrüge in der Sprungrevision (§ 134 Abs. 4 VwGO), unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen § 108 VwGO dem materiellen oder dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist (s. dazu [X.]erkemann, in: [X.], 2016, [X.]; [X.], in: [X.], VwGO, 15. Aufl. 2019, § 108 Rn. 59, 66). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts sind jedenfalls Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung regelmäßig dem materiellen Recht zuzuordnen ([X.], Urteil vom 27. November 2014 - 7 [X.] 20.12 - [X.]E 151, 1 Rn. 43). Der [X.] sieht keinen Anlass, hiervon für den vorliegenden Fall widerstreitender Tatsachenfeststellungen abzurücken.

3. Da offen ist, von welchem Sachverhalt das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, kann der [X.] nicht abschließend selbst entscheiden. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), um dem Verwaltungsgericht Gelegenheit zur Auflösung der im Rahmen der Überzeugungsbildung aufgetretenen Widersprüche zu geben.

4. [X.] bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Meta

1 C 10/18

22.05.2019

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend VG Stuttgart, 8. Januar 2018, Az: A 11 K 10345/17, Urteil

§ 108 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.05.2019, Az. 1 C 10/18 (REWIS RS 2019, 6975)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6975

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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