Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2013, Az. XII ZB 533/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3593

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

XII [X.] 533/10

vom

7. August 2013

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 D, I
Zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts bei plötzlich auftretender Erkran-kung.

[X.], Beschluss vom 7. August 2013 -
XII [X.] 533/10 -
OLG [X.]

AG [X.] ([X.])

-
2 -

Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. August 2013 durch [X.], die Richterin
Weber-Monecke
und die Richter
Schilling, [X.] und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die
Rechtsbeschwerde des
Beteiligten zu
1 wird der
Be-schluss des 18.
Zivilsenats

Senat für
Familiensachen

des Ober-landesgerichts [X.]
vom 12.
Oktober
2010
aufgehoben.
Dem
Beteiligten zu
1
wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung
der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsge-richts

Familiengericht

[X.]
([X.]) vom 21.
Juni
2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.
[X.]: 3.000

Gründe:
I.
Die Beteiligten
sind geschiedene Eheleute und streiten in einem am 1.
Juli 2009 eingeleiteten Verfahren um das Aufenthaltsbestimmungsrecht
für die drei gemeinsamen Kinder. Das Amtsgericht

Familiengericht

hat mit Be-schluss vom 21.
Juni 2010 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für alle drei Kin-der auf die Mutter übertragen.
Dieser Beschluss ist dem Vater
am 25.
Juni
2010
zugestellt
worden. Am
26.
Juli 2010 (einem Montag) hat er
hiergegen beim 1
-
3 -

Amtsgericht Beschwerde eingelegt, beim [X.] ist die Beschwerde mit den Akten am 30.
Juli 2010 eingegangen. Auf den Hinweis der [X.], dass die Beschwerde verspätet beim [X.] eingegan-gen sei,
hat der Vater Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die [X.] der Frist zur Einlegung
der Beschwerde beantragt. Zur Begründung hat er
ausgeführt, sein [X.]r
habe
am Tag des Fristab-laufs noch prüfen wollen, ob die Beschwerde beim Amts-
oder beim Oberlan-desgericht einzulegen sei, und habe
zur Sicherheit je einen [X.] an das Amtsgericht und an das [X.] fertig gestellt und unter-schrieben. Sein
[X.]r
sei am Abend
des Fristablaufs ge-gen 19.45 Uhr zunächst nach Hause gefahren und habe beabsichtigt, später noch einmal in die Kanzlei zu fahren, um die Zuständigkeit des Rechtsmittelge-richts abschließend zu prüfen und den richtigen Schriftsatz zu faxen. Daran sei
er jedoch
durch eine
plötzlich aufgetretene [X.] gehindert gewesen. Er habe daher seine Ehefrau, die ebenfalls Volljuristin sei,
gebeten, in die Kanzlei zu fahren und den vorbereiteten Schriftsatz an das Oberlandesge-richt zu faxen. Diese habe jedoch
um 22.10 Uhr
versehentlich den ebenfalls unterschriebenen Schriftsatz an das Amtsgericht gesendet.
Das [X.] hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewie-sen und zugleich die Beschwerde
verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechts-beschwerde des
Vaters.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Für das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht an-zuwenden, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist 2
3
-
4 -

(vgl. Senatsbeschluss vom 3.
November 2010

XII
[X.] 197/10

FamRZ 2011, 100
Rn.
9).
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§
574 Abs.
1 Nr.
1, 621
e Abs.
3 Satz
2, 522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Ent-scheidung des Senats (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO), denn der angefochtene Be-schluss verletzt den [X.] in seinem Anspruch auf Gewäh-rung wirkungsvollen Rechtsschutzes
(Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechts-staatsprinzip), welcher es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. hierzu [X.]Z 151, 221 = NJW 2002, 3029, 3031 und Senatsbeschluss vom 2.
April 2008

XII
[X.] 189/07

FamRZ 2008, 1338 Rn.
8 mwN).
2. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt, den [X.]n des Vaters
treffe ein Verschulden an der Fristversäumung, da er den Anforderungen an eine wirksame Ausgangs-kontrolle nicht genügt habe. Hierbei könne dahingestellt bleiben, ob die Büroor-ganisation in der Kanzlei grundsätzlich den Anforderungen an eine wirksame [X.] genüge, da trotz
der
konkret an die Ehefrau des [X.] erteilten
Einzelweisung, die vorbereitete und an das Oberlan-desgericht gerichtete Beschwerdeschrift an dieses zu übermitteln, eine [X.] nicht entbehrlich gewesen sei. Hierzu seien der
Ausdruck und die Vorlage eines [X.] notwendig gewesen, um
überprüfen zu [X.], welcher Schriftsatz tatsächlich an welches Gericht übermittelt worden sei. Das gelte umso mehr, als
der [X.] zwei an unterschiedli-che Gerichte adressierte Schriftsätze unterschrieben und hinterlegt habe. Diese Anforderungen an eine wirksame [X.] müssten auch vor dem 4
5
-
5 -

Hintergrund der vorliegend an die Ehefrau des [X.]n
er-teilten Weisung
Geltung beanspruchen.
3. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht stellt nur darauf ab, dass der [X.] des Vaters
keine [X.] vorgenommen habe. Ob dessen plötzlich aufgetretene Erkrankung unabhängig hiervon das Wiedereinsetzungsgesuch rechtfertigen kann,
zieht das Beschwerdegericht dagegen unter Verstoß gegen den [X.] (Art.
103 Abs.
1 GG) nicht in Erwä-gung.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht angenom-men, dass der Rechtsanwalt in seinem Büro eine [X.] zu schaf-fen
hat, durch die gewährleistet wird, dass Frist wahrende Schriftsätze rechtzei-tig beim zuständigen Gericht eingehen. Bei der Übermittlung per Telefax kommt der Rechtsanwalt dieser Verpflichtung nur dann nach, wenn er seinen
Büroan-gestellten die Weisung erteilt, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die [X.] erst nach Kontrolle des [X.] zu löschen (Senatsbeschluss vom 7.
Juli 2010

XII
[X.]
59/10

NJW-RR 2010, 1648 Rn.
12
mwN; [X.] Be-schluss vom 12.
Juni 2012

VI
[X.] 54/11

NJW-RR 2012, 1267 Rn.
7). Die
[X.] anhand eines [X.]
dient
nicht nur dazu, Fehler bei der Übermittlung auszuschließen. Vielmehr soll damit ebenso die Feststellung ermöglicht werden, ob der Schriftsatz überhaupt übermittelt worden ist ([X.] vom 7.
Juli 2010

XII
[X.] 59/10

NJW-RR 2010, 1648 Rn.
12; [X.] Beschluss vom 16.
Juni 1998

XI
[X.] 13/98

VersR 1999, 996).

Ob die in der Kanzlei des [X.]n praktizierte [X.] beim Versand fristgebundener Schriftsätze per Telefax
generell ordnungsgemäß organisiert ist, hat das Beschwerdegericht hier allerdings zu
Recht als unerheblich
angesehen, weil der [X.]
außer-6
7
8
-
6 -

halb seiner allgemeinen Kanzleiorganisation eine Einzelanweisung zur Über-sendung des [X.] erteilt hat.
b) Dem Rechtsanwalt kann nicht vorgeworfen werden, einen Sendebe-richt nicht am Abend des Fristablaufs kontrolliert
zu haben, da er plötzlich und unvorhergesehen erkrankt war. Diesen Umstand
hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft nicht in seine Erwägungen einbezogen.
Ein Rechtsanwalt hat zwar im Rahmen seiner Organisationspflichten grundsätzlich auch dafür Vorkehrungen zu treffen, dass im Falle einer Erkran-kung ein Vertreter die notwendigen Prozesshandlungen wahrnimmt ([X.] Be-schluss vom 5.
April 2011

VIII
[X.] 81/10

NJW 2011, 1601 Rn.
18). Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt aber nur dann durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er eine solche Situation vorhersehen kann. Wird er dagegen unvorhergesehen krank, gereicht ihm eine unterbleiben-de Einschaltung eines Vertreters nicht zum Verschulden, wenn ihm diese weder möglich noch zumutbar war ([X.] Beschlüsse vom 5.
April 2011

VIII
[X.] 81/10

NJW 2011, 1601 Rn.
18; vom 6.
Juli 2009

II
[X.] 1/09

NJW 2009, 3037
Rn.
10
und vom 18.
September 2008

V
[X.] 32/08
-
FamRZ 2008, 2271
Rn.
9).
So liegt der Fall hier. Der [X.] hat glaubhaft [X.], dass sein Anwalt am Abend des Fristablaufs plötzlich
und unvorherge-sehen
an einer Magen-Darm-Grippe mit Fieber erkrankt
war
und deshalb nicht wie vorgesehen nochmals ins Büro fahren konnte, um den [X.] selbst abzuschicken. Angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit (nach 22
Uhr) und der Tatsache, dass der [X.] ausweislich [X.] als Einzelanwalt in Bürogemeinschaft tätig ist, war die Errei-chung und Bestellung eines Vertreters erkennbar
aussichtslos. Angesichts die-ser Umstände hat er mit der Beauftragung seiner Ehefrau, das Fax an das [X.] zu senden, schon eine Maßnahme getroffen, zu der er im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand nicht verpflichtet war. Allein deshalb 9
10
-
7 -

kann
ihm der dann bei der [X.] aufgetretene Fehler nicht ange-lastet werden
(vgl. hierzu [X.] Beschluss vom 6.
Juli 2009

II
[X.] 1/09

NJW 2009, 3037 Rn.
10 und Senatsbeschluss vom 26.
November 1997

XII
[X.] 150/97

NJW-RR 1998, 639).

III.
Nach alledem ist
die angefochtene Entscheidung gemäß §§
522 Abs.
1 Satz
2 und 4, 621
e Abs.
3 Satz
2, 574 Abs.
1 Nr.
1, 577 Abs.
4 Satz 1 ZPO aufzuheben.
Hinsichtlich des Antrages auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
kann der Senat selbst abschließend entscheiden (vgl. §
577 Abs.
5 Satz
1 ZPO), weil die plötzliche Erkrankung des [X.]n durch seine eigene eidesstattliche Versicherung sowie durch diejenige seiner Ehefrau glaubhaft gemacht worden ist. In der Sache selbst ist es dem Senat

11
-
8 -

allerdings verwehrt, abschließend zu
befinden, weil die Sache nicht zur Endent-scheidung reif ist. Insoweit ist
die Sache zur erneuten Behandlung und Ent-scheidung gemäß §
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO an das [X.] zurück-zuverweisen.

Dose

Weber-Monecke

Schilling

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
AG [X.] ([X.]), Entscheidung vom 21.06.2010 -
51 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 12.10.2010 -
18 [X.] -

Meta

XII ZB 533/10

07.08.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.08.2013, Az. XII ZB 533/10 (REWIS RS 2013, 3593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3593

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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