Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.06.2011, Az. IX ZB 169/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5259

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Gegenstand

Versagung der Restschuldbefreiung: Bestellung einer nicht valutierten Fremdgrundschuld als Vermögensverschwendung


Leitsatz

Die Belastung eines Grundstücks mit einer Fremdgrundschuld, die keine Forderung sichert, stellt eine Vermögensverschwendung dar .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 9. Juli 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Am 16. Januar 2006 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, die Stundung der Verfahrenskosten sowie Restschuldbefreiung. Am 18. Mai 2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 3 (fortan: Verwalter) zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Schlusstermin beantragten die weiteren Beteiligten zu 1 und zu 2, die erste Ehefrau und die minderjährige Tochter des Schuldners (fortan: [X.]), die Versagung der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner durch Leistung einer Zahlung auf fremde Schuld und durch die Bestellung zweier Grundschulden Vermögen verschwendet habe sowie seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Das Insolvenzgericht hat den Antrag wegen fehlender Glaubhaftmachung abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der [X.] ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wollen die [X.] weiterhin die Versagung der Restschuldbefreiung erreichen.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 6, 7 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

3

1. Der angefochtene Beschluss übergeht entscheidungserhebliches Vorbringen der [X.] und verletzt damit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG).

4

a) Hinsichtlich des [X.] der Vermögensverschwendung (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) wegen einer Zahlung auf fremde Schuld haben die [X.] vorgetragen, der Schuldner habe am 25. August 2005 die letzte Rate für einen Wohnwagen in Höhe von 3.206,20 € bezahlt, obwohl er den Wohnwagen zuvor, nämlich am 10. September 2004, gegen Übernahme der [X.] an seine damalige Lebensgefährtin und heutige Ehefrau [X.]veräußert habe. Das Beschwerdegericht hat diesen Vortrag für "unschlüssig" gehalten, weil es sich um Mutmaßungen gehandelt habe und die [X.] nicht ernstlich behauptet hätten, dass ihre Mutmaßungen zuträfen. Diese Würdigung des Vorbringens der [X.] ist nicht nachzuvollziehen. Im Schriftsatz vom 25. November 2008, auf den das Beschwerdegericht sich bezieht, erläutern die [X.] anhand der von ihnen vorgelegten Unterlagen, warum die Mittel für die Rückzahlung des Darlehens aus dem Vermögen des Schuldners stammen müssten; im weiteren Schriftsatz vom 18. Februar 2009, auf welchen das Beschwerdegericht ebenfalls verweist, heißt es sodann, der Vorwurf, dass der Schuldner die Zahlung aus seinem Vermögen erbracht habe, bleibe aufrecht erhalten. Die Zahlung von 3.206,20 € auf die Schuld eines [X.] stellt eine Vermögensverschwendung im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.] dar.

5

b) Hinsichtlich des [X.] des Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.]) haben die [X.] vorgetragen, der Schuldner habe der Gläubigerin zu 1, die am Erwerb seines Wohn- und Geschäftshauses interessiert gewesen sei und es habe besichtigen wollen, den Zutritt verweigert. Das Beschwerdegericht hat hier keinen Pflichtverstoß gesehen, weil es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe; nach dem im Anhörungstermin gewonnenen Eindruck hätte sich der Schuldner einem nachdrücklichen Verlangen des Verwalters auf Duldung der Besichtigung nicht verschlossen. Die [X.] hatten sich zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens jedoch auf einen Bericht des Verwalters bezogen, in dem es heißt, der Schuldner sei nicht dazu zu bewegen gewesen, eine Innenbesichtigung zuzulassen. Gemäß § 97 Abs. 2 [X.] ist der Schuldner verpflichtet, den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen. Dazu gehört es, einem Kaufinteressenten den Zutritt zu einem bebauten Grundstück zu ermöglichen, um so eine möglichst günstige Verwertung des Grundstücks zu ermöglichen (§ 159 [X.]).

6

2. Überdies hält die Begründung, mit welcher das Beschwerdegericht hinsichtlich der Eintragung der Grundschulden den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.] für nicht erfüllt erachtet hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

7

a) Der Schuldner war Eigentümer eines mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks. Im Jahre 2005 bestellte er zugunsten seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau, die keine Forderungen gegen ihn hatte, zwei Grundschulden in Höhe von je 250.000 €, die am 29. April 2005 eingetragen wurden. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt nicht wertausschöpfend belastet; die vorrangigen Grundpfandrechte valutierten nur noch in Höhe von etwa 22.000 €.

8

b) Das Beschwerdegericht hat gemeint, der Schuldner habe sein Verhalten hinreichend gerechtfertigt. Er habe die Grundschulden seinen Alt- oder Neugläubigern als Gegenleistung für eine Stundung oder Sicherheit für ein weiteres Darlehen anbieten wollen und sei überdies stets davon ausgegangen, dass die Grundschulden anfechtbar oder kondizierbar gewesen seien. Objektiv sei daher nur eine Vermögensgefährdung eingetreten, die keine Vermögensverschwendung darstelle; subjektiv scheide eine fahrlässige Verschwendung oder Verschwendungsabsicht aus.

9

c) Die Belastung eines Grundstücks zugunsten eines [X.], dem keine zu sichernde Forderung gegen den Schuldner zusteht, stellt unabhängig davon eine Vermögensverschwendung dar, ob die Belastung nach dem Anfechtungsgesetz, nach den [X.] (§§ 129 ff [X.]) oder nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff BGB) rückgängig gemacht werden könnte oder der Schuldner davon ausgehen kann, der Dritte werde die Grundschulden gegebenenfalls als Drittsicherheit zur Verfügung stellen.

aa) Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch vereitelt hat, dass er Vermögen "verschwendet" hat. Nach der Begründung des [X.] sollten mit diesem Begriff vor allem Ausgaben für Luxusaufwendungen erfasst werden (BT-Drucks. 12/2443, 190). Eine Verschwendung iSv § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ist aber auch dann anzunehmen, wenn Werte außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise verbraucht werden oder Ausgaben im Verhältnis zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des Schuldners als grob unangemessen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar erscheinen ([X.], Beschluss vom 21. September 2006 - [X.], [X.] 2006, 511 Rn. 9; vom 9. Juli 2009 - [X.], [X.] 2009, 453 Rn. 3). Auch die schenkweise [X.] von Vermögensgegenständen ohne nachvollziehbaren Anlass kommt als Verschwendung in Betracht, wenngleich eine nach § 134 [X.] anfechtbare Schenkung für sich genommen nicht ohne weiteres den Versagungsgrund ausfüllt ([X.], Beschluss vom 5. März 2009 - [X.], [X.], 325 Rn. 10). In einer nicht veröffentlichten Entscheidung hat der [X.] es als "Verschwendung" angesehen, ein Haus unentgeltlich einem [X.] zur Nutzung zu überlassen ([X.], Beschluss vom 10. Dezember 2009 - [X.], Rn. 2). Ob das Verheimlichen oder Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen von § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.] erfasst wird, ist umstritten (ablehnend [X.]/[X.], [X.] 13. Aufl. § 290 Rn. 52). In der Kommentarliteratur wird vertreten, dass der Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.] bereits dann erfüllt ist, wenn ein Schuldner die [X.] erschwert, um so die Befriedigung der Gläubiger zu beeinträchtigen ([X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.], 2008, § 290 Rn. 17).

bb) Das schlichte Verbergen eines Vermögensgegenstandes erfüllt nicht den Begriff der „Verschwendung“ im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.], auch dann nicht, wenn dadurch der Zugriff von Gläubigern auf diesen Gegenstand erschwert oder sogar vereitelt wird. Ein Gegenstand, über den der Schuldner noch verfügen kann, kann schon begrifflich nicht verschwendet worden sein. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Der Schuldner hat keine Eigentümergrundschulden bestellt, sondern das Grundstück zugunsten seiner jetzigen Ehefrau belastet. Nur diese kann nunmehr über die Grundschulden verfügen, sie etwa als Sicherheit für ein neu [X.] Darlehen oder als Gegenleistung für die Stundung einer Forderung zur Verfügung stellen. Der Schuldner selbst ist nicht mehr verfügungsbefugt. Dass die Weggabe des Vermögensgegenstandes anfechtbar ist, schließt die Annahme einer "Verschwendung" nicht aus. Schenkungen, die nicht nur gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke von geringem Wert darstellen, sind nach § 4 [X.] oder § 134 [X.] anfechtbar, können nach dem oben Gesagten aber durchaus unter den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.] fallen, weil sich das Vermögen des Schuldners hierdurch verringert hat. Ob die Zuwendung kondiziert werden kann, was hier im Hinblick auf § 814 BGB durchaus in Frage steht, ist ebenfalls unerheblich. Ein Schuldner, der Restschuldbefreiung beantragen will, mag die sein Vermögen mindernde Verfügung rückgängig machen, wenn dies noch möglich ist, um sich nicht dem Vorwurf der Vermögensverschwendung auszusetzen; tut er dies nicht, bleibt es also bei der [X.], hat er die Folge - die (mögliche) Versagung der Restschuldbefreiung - hinzunehmen. Entscheidend ist allein, dass die Grundschulden ohne äußeren Anlass und ohne Gegenleistung aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden sind.

d) Entgegen der Ansicht des [X.] setzt der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 4 [X.] keine "Verschwendungsabsicht" oder eine auf das Tatbestandsmerkmal der Verschwendung bezogene besondere Fahrlässigkeit voraus. Zu prüfen ist, ob der Schuldner infolge der Verschwendung vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat.

III.

Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen (§ 577 Abs. 4 ZPO), das die geltend gemachten Versagungsgründe vollständig neu zu prüfen haben wird. Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin: Das Beschwerdegericht ist im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner sich im Schlusstermin zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines vom [X.] dargelegten [X.] zu erklären hat. Tatsachen, die im Schlusstermin unstreitig waren, können nachträglich nicht mehr bestritten werden ([X.], Beschluss vom 9. Februar 2009 - [X.], [X.], 256 Rn. 9). Wie der [X.] zwischenzeitlich entschieden hat, ist der Schuldner jedoch rechtzeitig vor dem Schlusstermin darauf hinzuweisen, dass [X.] gegen ihn gestellt werden können und er in der Regel nur im Schlusstermin zu diesen Anträgen Stellung nehmen kann ([X.], Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.] 237/09, [X.], 839 Rn. 12). Ist ein solcher Hinweis nicht erfolgt, muss der Schuldner Gelegenheit zur nachträglichen Stellungnahme erhalten (Art. 103 Abs. 1 GG).

Kayser                                   Raebel                               Vill

                    Lohmann                                Pape

Meta

IX ZB 169/10

30.06.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Dresden, 9. Juli 2010, Az: 5 T 347/09, Beschluss

§ 290 Abs 1 Nr 4 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.06.2011, Az. IX ZB 169/10 (REWIS RS 2011, 5259)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5259

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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