Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2013, Az. IX ZB 11/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4820

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZB 11/12

vom

20. Juni 2013

in dem
Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 290 Abs. 1 Nr. 4
Ein Schuldner verschwendet kein Vermögen, wenn er das Mobiliar einer gepachteten Gaststätte unentgeltlich auf einen Erwerber in der Erwartung überträgt, dass der Verpächter diesem die Gaststätte nur verpachten wird, wenn er die in Höhe des [X.] offen stehenden Ansprüche auf Zahlung der Pacht [X.].

[X.], Beschluss vom 20. Juni
2013 -
IX ZB 11/12 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
den
Richter
Raebel, die Richterin [X.], den Richter Grupp
und die Richterin Möhring

am
20. Juni
2013
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 12. Januar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.].

Der Wert des [X.] wird auf 5.000

t-gesetzt.

Gründe:

I.

Der spätere Schuldner erwarb im Januar 2005 von einem Vorpächter die Gaststätte P.

in [X.] unter anderem gegen Zahlung
von 20.000

sie seiner damaligen Lebensgefährtin ohne direkte Gegenleistung; diese zahlte an 1
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den Verpächter etwa 5.000

auf rückständige Pachtverbindlichkeiten des Schuldners.

Auf Eigenantrag des Schuldners wurde am 24.
Juli 2008 über sein [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt [X.]

als Insol-venzverwalter bestellt. Dieser verglich sich im [X.] 2009 mit der Lebensge-fährtin des Schuldners dahin, dass diese zur Abwendung einer Anfechtungskla-ge im Hinblick auf die Überlassung der Gaststätte 5.000

Im Schlusstermin haben zwei Insolvenzgläubiger beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Zur Begründung haben sie sich unter anderem darauf
berufen, dass dieser die Gaststätte unentgeltlich
an seine Lebensgefährtin abgegeben habe.
Das Insolvenzgericht hat dem Schuld-ner die Restschuldbefreiung versagt, das
[X.] hat die sofortige Be-schwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner sinngemäß erreichen, dass die angefoch-tenen Beschlüsse aufgehoben werden und ihm die Restschuldbefreiung ange-kündigt wird.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO, §§
6, 289 Abs.
2 Satz
1
[X.] statthaft
und auch im Übrigen zulässig (§
575 Abs.
1 bis 3 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur [X.] an das Beschwerdegericht.

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-

4

-

1. Das [X.] hat ausgeführt, das Insolvenzgericht habe zu Recht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt, weil aufgrund des unstreitigen Sachverhalts der Versagungsgrund des §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] feststehe. Der Schuldner habe durch die unentgeltliche Überlassung der Gaststätte an seine Lebensgefährtin sein
Vermögen verschwendet. Nach dem Vorbringen des Schuldners sei davon auszugehen, dass die Zahlungen der Übernehmerin an den Verpächter
nicht von vornherein zwischen dem Schuldner und der Erwer-berin vereinbart gewesen, sondern auf Anforderung des Verpächters als Ge-genleistung für seine Zustimmung zum Mieterwechsel geleistet worden seien. Die Zahlungen der Erwerberin an die Masse zur Abwendung einer Anfech-tungsklage aufgrund des Vergleichs mit dem Insolvenzverwalter seien bei der Prüfung der Voraussetzung der
Beeinträchtigung der Befriedigung der [X.] nicht zu berücksichtigen, weil es im Rahmen der Entscheidung über die Restschuldbefreiung für die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger alleine auf den Zeitpunkt der verschwenderischen Vermögensübertragung an-komme. Auch die subjektiven Voraussetzungen dieses Versagungstatbestan-des lägen vor.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a)
Gemäß §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] ist die Restschuldbefreiung zu versa-gen, wenn der Schuldner im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenz-gläubiger dadurch vereitelt hat, dass er Vermögen "verschwendet" hat. Nach der Begründung des [X.] sollten mit die-sem Begriff vor allem Ausgaben für Luxusaufwendungen erfasst werden (BT-Drucks.
12/2443, S.
190). Eine Verschwendung im Sinne von §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] ist aber auch dann anzunehmen, wenn Werte außerhalb einer sinn-5
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-
vollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise verbraucht werden oder Ausga-ben im Verhältnis zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des Schuldners grob unangemessen und wirtschaftlich nicht begründet
erscheinen. Ebenfalls
kommt die schenkweise [X.] von Vermögensgegenständen ohne nachvoll-ziehbaren Anlass als Verschwendung in Betracht, wenngleich eine nach §
134 [X.] anfechtbare Schenkung für sich genommen nicht ohne weiteres den [X.] ausfüllt ([X.], Beschluss vom 30. Juni 2011 -
IX
[X.], [X.], 641 Rn.
10
f). Der Tatbestand des § 290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] kann schließ-lich gegeben sein, wenn der Schuldner ohne zwingenden wirtschaftlichen Grund Waren erheblich unter dem Einkaufs-, Gestehungs-
oder Marktpreis ver-äußert oder Leistungen weit unter Wert erbringt (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
März 2009 -
IX
ZB 141/08, [X.], 325 Rn.
10).

b)
Mit dem vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt kann eine Vermögensverschwendung durch den Schuldner danach nicht begründet wer-den. Das [X.] hat
allein auf die Überlassung des [X.]
abgestellt. Weiter hat es für möglich angesehen, dass dessen Verkehrswert im Zeitpunkt der Überlassung nicht mehr als 5.000

hat der Schuldner durch die Übertragung des Mobiliars auf die damalige [X.] nichts
verschwendet, weil das Mobiliar nicht außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise übertragen worden ist. Der Verpächter
hatte Ansprüche gegen den Schuldner auf rückständige Pacht
in Höhe von etwa 5.000

die die damalige Lebensgefährtin und Erwerberin der Gaststätte ausgeglichen hat. Zwar ist nach der Beschwerdeentscheidung davon auszugehen, dass diese die Schulden nicht als Gegenleistung für die Übertra-gung des Mobiliars übernommen hat. Dem Schuldner war jedoch klar, dass der Verpächter die Erwerberin nur dann als neue Gaststättenpächterin akzeptieren werde, wenn sie die Altschulden übernehme, womit der Verkehrswert des [X.]
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liars
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wenn er die Gaststätte mitsamt dem Mobiliar übertragen wollte
-
von vornherein mit diesen Verbindlichkeiten belastet war.

III.

Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdege-richt zurückverwiesen (§
577 Abs.
4 ZPO), das
die geltend gemachten Versa-gungsgründe vollständig neu zu prüfen haben wird. Dabei wird es zu beachten haben, dass es nach dem Vortrag der [X.] nicht allein um die Übereignung des [X.] gegangen sei, sondern der Schuld-ner seiner damaligen Lebensgefährtin den
gesamten
Gaststättenbetrieb
unent-geltlich
übergeben haben soll. Das Beschwerdegericht wird deswegen zu [X.] haben, welchen objektiven Verkehrswert die gepachtete Gaststätte im [X.] 2008 gehabt hat.

Ist dem [X.] wie vorliegend die Glaubhaftmachung des [X.] gelungen, so gilt für das weitere Verfahren die Amts-ermittlungspflicht des [X.]. Danach ist
das Beschwerdegericht verpflichtet, das Vorliegen des [X.] von Amts wegen zu [X.]. Art und Umfang der Ermittlungen richten sich zwar nach seinem pflichtge-mäßen Ermessen und nach den jeweiligen Behauptungen und Beweisanregun-gen der Verfahrensbeteiligten, hier der [X.] und des Schuldners (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
April 2013 -
IX
ZB 170/11, WM
2013, 1030 Rn.
10). Vorliegend wird das Beschwerdegericht jedoch zu [X.] haben, dass die [X.] vorgetragen haben, ein direkter 9
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Nachbar
habe im [X.] 2008 die Gaststätte erwerben und mindestens 15.000 bis 20.000

Kann sich das Beschwerdegericht von diesem Sachverhalt überzeugen, liegt es nahe, dass der Schuldner Vermögen verschwendet hat, indem er die Gaststätte, die einen Wert von mindestens 10.000

(nämlich 15.000

g-lich der rückständigen Pachtverbindlichkeiten) hatte,
unentgeltlich übertragen hat. Ebenso nahe liegt die Schlussfolgerung auf den subjektiven Tatbestand
des [X.], wenn der Schuldner von dem Kaufinteresse des Nachbarn wusste.

Unerheblich ist, dass der Insolvenzverwalter die unentgeltliche Leistung nach §
134 Abs.
1 [X.] anfechten und die Gaststätte zur Masse zurückverlan-gen konnte (§
143 Abs.
1 [X.]). Die unentgeltliche Übertragung eines
Vermö-gensgegenstandes an einen Dritten
stellt unabhängig davon eine Vermögens-verschwendung dar, ob diese unentgeltliche Leistung nach den [X.] (§§
129 ff [X.]) rückgängig gemacht werden könnte
(vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Juni 2011 -
IX [X.], [X.], 641 Rn.
9). Schenkungen, die nicht nur gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke von gerin-gem Wert darstellen, sind nach §
4 [X.] oder §
134 [X.] anfechtbar, können

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aber durchaus unter den Tatbestand des §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] fallen, weil sich das Vermögen des Schuldners durch sie verringert hat ([X.], aaO Rn.
11).

Kayser
Raebel
[X.]

Grupp
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.05.2011 -
4 IN 255/08 -

LG [X.], Entscheidung vom 12.01.2012 -
5 [X.]/11 -

Meta

IX ZB 11/12

20.06.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2013, Az. IX ZB 11/12 (REWIS RS 2013, 4820)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4820

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