Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.07.2012, Az. B 13 R 280/12 B

13. Senat | REWIS RS 2012, 4369

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Beschwerdefrist - Wiedereinsetzung - Verschulden des Prozessbevollmächtigten - Adressierung an unzuständiges Gericht


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 8. Mai 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat im Urteil vom 8.5.2012 einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente unter Berücksichtigung fiktiver Beitragszeiten nach dem [X.] im Hinblick auf ihren Arbeitseinsatz von Mai 1942 bis zum [X.] im Lager Sered verneint.

2

Das Urteil des [X.] wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in [X.] am [X.] zugestellt. Diese haben mit einem an das [X.] adressierten Schriftsatz vom [X.], der dort per Telefax am [X.] eingegangen ist, Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte, mit Datum und Aktenzeichen bezeichnete Urteil erhoben und zugleich die Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde um einen Monat beantragt. Das [X.] hat dieses Schreiben samt Verfahrensakten am 5.7.2012 an das [X.] übersandt, wo es am [X.] eingegangen ist; zugleich hat es den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Abgabenachricht erteilt.

3

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Telefax vom 11.7.2012 auf diesen Sachverhalt sowie die versäumte Beschwerdefrist hingewiesen und vor einer Entscheidung über die Wiedereinsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 18.7.2012 gegeben. Weder die Klägerin noch die Beklagte haben sich geäußert.

4

II. [X.] ist unzulässig. Denn sie ist nicht - wie § 160a Abs 1 [X.] SGG dies vorschreibt - innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils "bei dem [X.]" eingelegt worden. Sie ist vielmehr erst am [X.] und damit nach Ablauf der am [X.] um 24 Uhr endenden einmonatigen Beschwerdefrist beim [X.] eingegangen. Mithin hat die Klägerin die Beschwerdefrist versäumt.

5

Der Klägerin kann keine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist (§ 67 SGG) gewährt werden. Sie war nicht "ohne Verschulden" an der Einhaltung der Beschwerdeeinlegungsfrist verhindert. Die Fristversäumnis beruht hier ausschließlich darauf, dass ihre Prozessbevollmächtigten den Beschwerdeschriftsatz vom [X.] entgegen der Rechtslage und der klaren Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils nicht an das [X.], sondern an das Berufungsgericht adressiert und versandt haben. Umstände, die ein fehlendes Verschulden der Prozessbevollmächtigten an dieser Fehladressierung des Rechtsmittels begründen könnten, haben diese nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 73 Abs 6 [X.] SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO).

6

Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten ist vorliegend auch nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil ein pflichtwidriges Verhalten des [X.] für die Fristversäumung primär ursächlich war. Allerdings ist anerkannt, dass Wiedereinsetzung auch dann zu gewähren ist, wenn eine fristwahrende Rechtsmittelschrift an das unzuständige Gericht übersandt worden ist und aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens dieses Gerichts erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingeht ([X.] [X.]E 38, 248, 258 ff = [X.] 1500 § 67 [X.] ff; [X.] Beschlüsse vom 14.12.2010 - [X.] EG 4/10 R - Juris RdNr 13, und vom 20.12.2011 - [X.] AS 161/11 B - Juris RdNr 9, jeweils mwN). Dies setzt jedoch voraus, dass die Rechtsmittelschrift bei Behandlung durch das unzuständige Gericht im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Rechtsmittelgericht eingegangen wäre ([X.] vom 14.12.2010 - aaO; [X.] vom 8.2.2012 - [X.]/11 - NJW 2012, 1591 RdNr 21 f). Denn die Gerichte sind im Rahmen ihrer nachwirkenden Fürsorgepflicht nicht verpflichtet, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, um den rechtzeitigen Eingang einer vom Rechtsmittelführer falsch adressierten Rechtsmittelschrift bei dem zuständigen Gericht zu gewährleisten ([X.] vom 14.12.2010 - aaO; BVerwG vom [X.] - 6 [X.]/07 - NJW 2008, 932 RdNr 5).

7

Hier ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeschrift der Klägerin bei einer Behandlung durch das [X.] im ordentlichen Geschäftsgang zuverlässig noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist an das [X.] gelangt wäre. Das Telefax mit der Beschwerdeschrift ist am Morgen des [X.] beim [X.] eingegangen. In dem Schriftsatz war nicht angegeben, wann das [X.]-Urteil den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden war; für die Mitarbeiter der Poststelle oder der Geschäftsstelle war mithin nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich um eine eilige Sache handelte, bei der der Fristablauf unmittelbar bevorstand. Unter diesen Umständen waren besondere beschleunigende Maßnahmen im Rahmen der nachwirkenden Fürsorgepflicht nicht geboten (s aber BVerwG Beschluss vom 15.7.2003 - 4 [X.]/02 - NJW-RR 2003, 901, Juris RdNr 12 f, das bei Erkennbarkeit des Fristablaufs aus dem Schriftsatz eine Weiterleitung noch am selben Tag verlangt hat). Eine Behandlung hätte demnach jedenfalls noch als ordnungsgemäß angesehen werden müssen, die dazu führt, dass das Schreiben am 28.6.2012 [X.] vorliegt und die Geschäftsstelle Gelegenheit hat, dessen Verfügung am [X.] umzusetzen (vgl [X.] Beschluss vom 25.2.2011 - 4 UF 26/11 - Juris RdNr 4; [X.] vom 20.12.2011 - [X.] AS 161/11 B - Juris RdNr 10 hält im Ergebnis eine Bearbeitung jedenfalls am dritten Arbeitstag nach Eingang für geboten). Dann hätte aber eine Zuleitung an das [X.] im ordentlichen Geschäftsgang - dh mit normaler Post, ohne Übermittlung als [X.] - nicht mehr bewirkt, dass die falsch adressierte Beschwerdeschrift noch vor Fristablauf beim [X.] eingegangen wäre. Ein möglicherweise hier pflichtwidrig zu langes Zuwarten des [X.] mit der Weiterleitung der Beschwerdeschrift wäre somit für die Fristversäumung jedenfalls nicht kausal geworden; weiterer Ermittlungen beim [X.] bedarf es daher nicht, zumal die Klägerin selbst zu alledem nichts vorgetragen hat.

8

Die mithin nicht fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] und 3 SGG ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Meta

B 13 R 280/12 B

23.07.2012

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Landshut, 22. Februar 2010, Az: S 7 R 772/09 A-FdV, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 2 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 73 Abs 6 S 7 SGG, § 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.07.2012, Az. B 13 R 280/12 B (REWIS RS 2012, 4369)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4369

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