Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2007, Az. XII ZR 13/05

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3790

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 16. Mai 2007 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 307 Abs. 1 Satz 2 Bb, [X.] Zur Transparenz von Klauseln in [X.], die die Öffnungszeiten von [X.] in Einkaufszentren regeln. [X.], Urteil vom 16. Mai 2007 - [X.] - OLG [X.]

LG Gera - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2007 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und Dose für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 16. Dezember 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29. Januar 2004 wird insgesamt zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, wie lange die Beklagte ihr in einem Ein-kaufszentrum gelegenes Geschäft geöffnet halten muss. 1 Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Vermieterin der Gewerbeflächen des [X.]

" in [X.]. Mit [X.] vermietete sie der [X.] eine Ladenfläche von 2.263,70 m² und eine Ne-benfläche von 605,64 m² für die Dauer von 15 Jahren. Die Beklagte betreibt 2 - 3 - dort einen Einzelhandelsmarkt mit Schwerpunkt Textilien, Bekleidung und Randsortiment. 3 § 8 d des [X.] lautet: "Der Mieter wird das Geschäftslokal im Rahmen der gesetzlichen [X.] über die Ladenschlusszeiten an allen [X.] so lange offen halten, wie die überwiegende Anzahl aller Mieter ihre Geschäfte offen hält. Der Mieter hat das Recht, die gesetzlichen [X.] voll auszuschöpfen. Aus seiner bloßen Duldung ab-weichender Öffnungszeiten durch den Vermieter kann der Mieter keine Rechte herleiten. Zeitweise Schließungen (z.B. aus Anlass von Mittags-pausen, Ruhetagen, Betriebsferien, Inventuren u.a.) sind nicht zulässig." Nach Abschluss des [X.] änderte sich das Ladenschlussge-setz. Die Öffnungszeiten wurden 1996 von Montag bis Freitag auf 20.00 Uhr und an Samstagen auf 16.00 Uhr ausgeweitet. Die Mieter einigten sich mit dem Vermieter auf eine Öffnung der Geschäfte an Samstagen bis 16.00 Uhr. Die weitere Änderung des [X.] im Jahre 2003 erlaubt die [X.] von Montag bis Samstag bis jeweils 20.00 Uhr. Die größten Mieter - mit Ausnahme der [X.] - verlangten daraufhin von der Klägerin eine einheitli-che Öffnung aller Ladenlokale an Samstagen bis 20.00 Uhr. In den Verträgen mit den übrigen Mietern (sogenannte Kleinmieter) ist folgende Klausel (§ 7 e) enthalten: 4 "Der Mieter wird das Geschäftslokal im Rahmen der gesetzlichen [X.] über die Ladenschlusszeiten an allen [X.] so lan-ge offen halten, wie die überwiegende Anzahl aller Mieter ihr Geschäft offen hält. Dem Vermieter bleibt die abschließende Festlegung der [X.] vorbehalten. Aus einer bloßen Duldung abweichender Öffnungszeiten durch den Vermieter kann der Mieter keine Rechte [X.]. Zeitweise Schließungen (z.B. aus Anlass von Mittagspausen, Ruhetagen, Betriebsferien, Inventuren u.a.) sind nicht zulässig." - 4 - Daraufhin legte die Klägerin die Öffnungszeiten an Samstagen bis 20.00 Uhr fest. Die Mehrheit der Mieter öffnet inzwischen samstags bis 20.00 Uhr. Die Beklagte schließt ihr Geschäft grundsätzlich weiterhin an [X.] um 18.00 Uhr, lediglich an den [X.] öffnet sie bis 20.00 Uhr. 5 6 Die Klägerin begehrt von der [X.], das gemietete Ladenlokal auch samstags bis 20.00 Uhr zu öffnen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat zwar den Hauptantrag der Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, samstags im Zeitraum zwischen 18.00 Uhr und 20.00 Uhr zu schließen und den Geschäftsbetrieb einzustellen, wenn und so-weit die überwiegende Anzahl aller Mieter des Einkaufszentrums ihre Geschäfte in diesem Zeitraum offen hält, abgewiesen, jedoch die Beklagte entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin verurteilt, ihr Geschäft auch an Samstagen zwi-schen 18.00 Uhr und 20.00 Uhr geöffnet zu halten, wenn und soweit die über-wiegende Anzahl aller Mieter des Einkaufszentrums ihre Geschäfte offen hält. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollständigen Abweisung der Klage. 7 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Nach § 8 d Satz 1 des [X.] sei die Beklagte verpflichtet, an allen Werktagen das Geschäftslokal im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen offen zu halten. Diese Regelung sei dahin auszulegen, dass die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen über 8 - 5 - die Ladenöffnungszeiten maßgebend seien. Der Wortlaut lege diese Auslegung nahe. Grundsätzlich sei bekannt, dass gesetzliche Bestimmungen Änderungen unterlägen und in bestimmten Bereichen die Geltungsdauer gesetzlicher [X.] nur kurzlebig sei. Bei Abschluss langfristiger Verträge sei [X.], dass sich die gesetzlichen Bestimmungen änderten. Wenn nicht auf die bei Abschluss des Vertrages gültigen Bestimmungen ausdrücklich Bezug ge-nommen werde, sei grundsätzlich anzunehmen, dass die jeweils geltende Ge-setzesfassung maßgeblich sein solle. Es sei nicht ersichtlich, dass die Regelung in § 8 d des [X.] ge-gen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoße. Die Bestim-mung sei hinreichend transparent, wie die Auslegung der Regelung ergebe. Auch sei eine unangemessene Benachteiligung der [X.] nicht ersichtlich. Die Beklagte könne nicht lediglich die Vorteile der Änderungen des [X.] für sich in Anspruch nehmen, bei ihrer Verpflichtung, weitere zwei Stunden zu öffnen, aber eine unangemessene Benachteiligung geltend machen. Auch die mögliche Unwirksamkeit der Regelung in § 8 d Satz 4 des [X.] hinsichtlich der zeitweisen Schließung würde nur zur Unwirksam-keit dieser Klausel führen, nicht aber zur Unwirksamkeit des § 8 d Satz 1. 9 39 der insgesamt 44 Mieter, somit die Mehrheit, öffneten samstags bis 20.00 Uhr. Warum die Mehrheit so lange offen habe, ob freiwillig oder gezwun-genermaßen, sei nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung unerheblich. Die Vereinbarung setze eine ([X.]) Abstimmung zwischen den [X.] über die Öffnungszeiten nicht voraus. Ohne Anhaltspunkte im Wortlaut der Klausel oder aus den Umständen der Vertragsanbahnung und der [X.] sei eine Auslegung der Klausel dahin, dass die Motive der Offen-haltung des Ladengeschäftes maßgeblich seien, nicht zulässig. Es verstoße auch nicht gegen [X.] und Glauben, wenn sich die Klägerin als Vermieterin bei 10 - 6 - Abschluss der Vermietung mit den "Kleinmietern" in einem Einkaufszentrum vorbehalte, die Öffnungszeiten festzulegen. Wenn dies nicht treuwidrig sei, so sei auch im Verhältnis zur [X.] das Zustandekommen der mehrheitlichen Öffnung über ein einseitiges Bestimmungsrecht der Klägerin nicht treuwidrig. Insoweit hätte die Beklagte bei Abschluss der Verträge auf einer Regelung be-stehen können, die eine Abstimmung zwischen den Mietern vorsehe. § 8 d Satz 1 des [X.] spreche von der Verpflichtung, das Ge-schäft offen zu halten, nicht aber, es zu unterlassen, das Geschäft zu schlie-ßen, deshalb sei der Hauptantrag abzuweisen und lediglich dem Hilfsantrag stattzugeben. 11 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 12 Soweit sich die Revision gegen die Auslegung des Berufungsgerichts wendet und geltend macht, dass nicht die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Bestimmungen über die Ladenöffnungszeiten (statische Verwei-sung), sondern die jeweils geltenden Bestimmungen (dynamische Verweisung) maßgebend seien, bedarf es keiner Entscheidung. Auch auf die Frage, ob sich die Beklagte auf eine von der Klausel abweichende Individualvereinbarung be-rufen könne, kommt es nicht an. Zu Recht macht die Revision nämlich geltend, dass § 8 d Satz 1 gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) ver-stößt, unwirksam ist und deshalb eine Verpflichtung der [X.] zur Öffnung ihrer Geschäfte aus dieser Klausel nicht hergeleitet werden kann. 13 a) Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind [X.] Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von [X.] und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allge-meine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit 14 - 7 - erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. nur [X.] 164, 16; 165, 21 f.). Abzustellen ist bei der Bewertung der Transpa-renz auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ([X.] 165, 12, 22 m.w.N.). 15 b) Nach diesen Grundsätzen wird § 8 d Satz 1 des [X.] dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gerecht. [X.]) Nach dem Wortlaut der Klausel kommt es für den Umfang der [X.] darauf an, wie lange "die überwiegende Mehrzahl aller Mieter ihre Geschäfte offen hält". Durch diese Regelung wird der Anschein er-weckt, eine Ausweitung der Betriebspflicht hänge nicht vom Willen des [X.], sondern allein von der Mehrheit der übrigen Mieter des Einkaufszentrums ab. Dem ist aber nicht so. 16 [X.]) Tatsächlich können die meisten Mieter nicht frei entscheiden, wie lange sie ihr Geschäft offen halten wollen. Die Klägerin hat nämlich die über-wiegende Mehrzahl der Mieter (sogenannte Kleinmieter) des Einkaufszentrums bei der Festlegung der Öffnungszeiten ihren Vorgaben unterworfen. Nach § 7 e Satz 2 der mit den "Kleinmietern" geschlossenen Formularverträge "bleibt dem Vermieter die abschließende Festlegung der Ladenöffnungszeiten vorbehalten". Sie kann damit die Öffnungszeiten der Mehrzahl aller von ihr vermieteten La-denflächen einseitig bestimmen und damit die Voraussetzungen für eine Aus-weitung der Betriebspflicht nach § 8 d Satz 1 herbeiführen. 17 cc) Mit einem solchen Weisungsrecht des Vermieters gegenüber ande-ren Mietern rechnet der durchschnittliche Adressat bei der Lektüre des § 8 d Satz 1 nicht. Er wird aufgrund der Formulierung der Klausel vielmehr davon ausgehen, dass die Betriebspflicht bei den anderen Mietern wie in § 8 d Satz 1 18 - 8 - seines eigenen Vertrages geregelt ist. Das Ausmaß seiner Verpflichtung wird durch die gewählte Formulierung verschleiert. Während er nach dem Wortlaut mit einer Änderung der Öffnungszeiten nur rechnen muss, wenn sich die Mehr-heit aller Mieter des Einkaufszentrums dafür ausspricht, kann in Wirklichkeit der Vermieter allein die Öffnungszeiten bestimmen, weil die Kleinmieter wegen § 7 e ihrer Mietverträge so lange offen halten müssen, wie es die Klägerin will. Damit kann letztlich der Vermieter allein entscheiden, wie lange die Beklagte ihr Geschäft öffnen muss. [X.]) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung musste die [X.] auch nicht damit rechnen, dass die Öffnungszeiten letztlich durch die Vermieterin festgesetzt werden. Zwar ist das Transparenzgebot im Geschäfts-verkehr mit Unternehmen nicht in gleicher Strenge wie gegenüber Verbrau-chern anzuwenden. Insbesondere kann bei Unternehmern aufgrund ihrer Ge-schäftserfahrung sowie aufgrund der Maßgeblichkeit von Handelsgewohnheiten und Handelsbräuchen von einer besseren Erkenntnis- und Verständnismöglich-keit ausgegangen werden (Wolf/Horn/Lindacher [X.]G 4. Aufl. § 9 Rdn. 147 m.w.N.). Die von der Vermieterin gewählte Formulierung in § 8 d Satz 1 gab der [X.] aber keinen Anlass zu zweifeln, dass die Mehrheit der Mieter und nicht die Vermieterin über die Öffnungszeiten entscheidet. 19 ee) Soweit das Berufungsgericht meint, § 8 d Satz 1 setze eine (demo-kratische) Abstimmung zwischen den Mietern über die Öffnungszeit nicht [X.], eine Auslegung der Klausel dahin, dass die Motive der einzelnen Mieter für das Offenhalten ihres Geschäftes maßgeblich seien, sei nicht zulässig, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar kann der Klausel nicht entnommen werden, dass eine Bindung an die Mehrheitsentscheidung nur dann besteht, wenn die Entscheidung in einem formalisierten Verfahren nach bestimmten Regeln zu-stande gekommen ist. Darum geht es hier aber nicht. Die Intransparenz der 20 - 9 - Regelung besteht darin, dass bei der [X.] der Eindruck erweckt wird, nicht die Vermieterin, sondern die Mieter würden über die Öffnungszeit [X.]. 21 Deshalb kann auch nicht von Bedeutung sein, ob, wie die Revisionserwi-derung unter Hinweis auf Stimmen in der Literatur weiter geltend macht, die Festsetzung der Betriebszeiten durch den Vermieter selbst (oder durch eine Werbegemeinschaft) in Einkaufszentren "durchaus üblich" sei. Der Mieter wird durch die gewählte Formulierung nicht lediglich im Unklaren gelassen, sondern regelrecht in die Irre geleitet. ff) Ob inzwischen knapp 90% der Mieter des Einkaufszentrums die ver-längerte Samstagsöffnungszeit selbst wünschen und praktizieren, ohne dass die Klägerin von ihrem Bestimmungsrecht bezüglich der Ladenöffnungszeiten bei den Kleinmietern Gebrauch macht, ist nicht entscheidungserheblich. Eine freiwillige Offenhaltung ihrer Geschäfte durch die Mehrheit der Mieter vermag an der mangelnden Transparenz von § 8 d Satz 1 des [X.] nichts zu ändern. Die Bestimmung ist unwirksam und kann deshalb die Beklagte auch 22 - 10 - dann nicht verpflichten, wenn die übrigen Mieter nicht auf Veranlassung der Vermieterin, sondern freiwillig ihre Geschäfte samstags bis 20.00 Uhr geöffnet halten. Hahne [X.] Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist
urlaubsbedingt verhindert zu
unterschreiben.

[X.] Dose Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.01.2004 - 1 [X.]/03 - OLG [X.], Entscheidung vom 16.12.2004 - 1 U 213/04 -

Meta

XII ZR 13/05

16.05.2007

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2007, Az. XII ZR 13/05 (REWIS RS 2007, 3790)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3790

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