Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2006, Az. 4 StR 570/05

4. Strafsenat | REWIS RS 2006, 5210

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 [X.] vom 2. Februar 2006 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja __________________ StGB § 176 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F. des [X.], § 176 Abs. 4 Nr. 2 n.F. § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB i.d.F. des [X.] setzt voraus, dass der Täter das Kind dazu bestimmt, dass es an seinem eigenen Körper sexuelle Handlungen vornimmt; es reicht nicht aus, dass der Täter das Kind lediglich dazu bestimmt, vor ihm in sexuell aufreizender Weise zu posieren. [X.], Beschluss vom 2. Februar 2006 - 4 [X.] - [X.] in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 2. Februar 2006 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2005 mit den [X.] aufgehoben, a) soweit der Angeklagte wegen [X.] kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in fünf Fällen verurteilt worden ist, b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und über die Einziehung des [X.]. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des [X.] zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in drei Fällen und wegen [X.] [X.] Schriften in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des [X.] des Angeklagten 1 - 3 - angeordnet und den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in [X.] von 3.000 Euro an den Nebenkläger verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Um-fang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). 2 1. Soweit der Angeklagte wegen [X.] kinderpornographi-scher Schriften in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in fünf Fäl-len ([X.] 4 bis 8 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist, hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 3 a) Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte den am [X.] 1995 geborenen Nebenkläger an drei nicht näher bestimmbaren Tagen im Jahre 2004, jedoch vor dem 17. März, sich vollständig zu entkleiden und [X.] einzunehmen, die es ermöglichten, Penis und Gesäß des Jungen zu fotografieren (Fälle [X.] 4 und 6 der Urteilsgründe); in einem weiteren Fall ([X.] 5 der Urteilsgründe) veranlasste er den Jungen, die Unterhose herunter zu zie-hen, und fotografierte Gesäß und Penis des Jungen. An zwei nicht näher be-stimmbaren Tagen in den Jahren 2002 oder 2003 veranlasste der Angeklagte ein am 24. August 1994 geborenes Mädchen, sich teilweise zu entblößen, und fotografierte Gesäß und Genitalbereich des Kindes (Fälle [X.] 7 und 8). 4 b) Im Ansatz zutreffend ist das [X.] gemäß § 2 Abs. 1 und 3 StGB von der Anwendbarkeit der §§ 176 Abs. 3 Nr. 2 und 184 Abs. 5 StGB in den zur [X.] geltenden Fassungen des [X.] ([X.]) ausgegangen, denn die diesen Vorschriften im Übrigen entsprechenden §§ 176 Abs. 4 Nr. 2 und 184 b Abs. 4 StGB i.d.F. des am 5 - 4 - 1. April 2004 in [X.] getretenen Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 ([X.] 3007) sehen [X.]eils höhere Strafandrohungen vor. Entgegen der Auf-fassung des [X.] liegen nach den bisher getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen der §§ 176 Abs. 3 Nr. 2 und 184 Abs. 5 StGB i.d.F. des [X.] in keinem der fünf Fälle vor: [X.]) Der Angeklagte hat die Kinder danach zwar dazu bestimmt, vor ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen, denn das Posieren der Kinder, um Genita-lien und Gesäß unbedeckt zur Schau zu stellen, ist eine - nicht unerhebliche (§ 184 f Nr. 1 StGB) - sexuelle Handlung, durch die der Betrachter sexuell pro-voziert werden soll (vgl. [X.]St 43, 366, 368 m.[X.]). Das Bestimmen eines [X.] zur Vornahme einer nicht mit Manipulationen an seinem Körper verbunde-nen sexuellen Handlung wird aber von dem Tatbestand des § 176 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F. des [X.] nicht erfasst. Im Gegensatz zu § 176 Abs. 5 Nr. 2 StGB i.d.F. des 4. [X.], der das Bestimmen eines Kindes zur Vornahme sexueller Handlungen "vor" dem Täter "oder einem [X.]" unter Strafe stellte und [X.] auch solche sexuellen Handlungen erfasste (vgl. [X.]St 43, 366, 368; [X.]R StGB § 176 Abs. 5 sexuelle Handlungen 1 und § 184 c Nr. 1 Erheblich-keit 5), setzt § 176 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F. des [X.] - ebenso wie § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB n.F. - voraus, dass der Täter ein Kind dazu bestimmt, dass es sexu-elle Handlungen an sich vornimmt. 6 Diese Neufassung des Tatbestands durch das [X.], die den [X.] über die bis dahin geregelten Fälle (Vornahme sexueller Hand-lungen vor dem Täter oder einem [X.]) hinaus "allgemein" auf sexuelle Hand-lungen erstrecken sollte, die das Kind "an sich selbst" vornimmt, und damit auch auf den von § 176 Abs. 5 Nr. 2 StGB a.F. nicht erfassten Fall (vgl. [X.]St 7 - 5 - 41, 285), dass sog. Verbalerotiker Kinder durch Telefonanrufe zu "derartigen Manipulationen" veranlassen (BTDrucks. 13/9064 S. 10 f.), hat zugleich zu ei-ner Einschränkung des bisherigen Anwendungsbereichs geführt. Erfasst wer-den nach dem eindeutigen Wortlaut des § 176 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F. des [X.] nur sexuelle Handlungen, die ein Kind an, also nicht lediglich mit seinem Körper (zu dieser Differenzierung vgl. [X.] in [X.]. § 184 c Rdn. 5; [X.]/[X.] § 184 f Rdn. 8) vornimmt. Nur wer mit Berührungen verbundene Manipulationen am eigenen Körper vornimmt, nimmt nach allgemeinem Sprachverständnis Handlungen an sich selbst vor. Auch der [X.] der [X.] des § 176 StGB und der anderen [X.] spricht für diese Ausle-gung. Soweit diese Tatbestände auf die Vornahme sexueller Handlungen an einem anderen, nämlich des [X.] an dem Tatopfer (vgl. §§ 174 Abs. 1, 176 Abs. 1 StGB), eines [X.] an dem Tatopfer (vgl. § 176 Abs. 2 StGB), des [X.] an dem Täter (vgl. §§ 174 Abs. 1, 176 Abs. 1 StGB) oder an einem [X.] (vgl. § 176 Abs. 2 StGB), abstellen, setzen sie stets Manipulationen am Körper, d.h. ein Berühren des Körpers voraus (vgl. [X.]/[X.] 53. Aufl. § 184 f Rdn. 8; [X.]/[X.] § 184 f Rdn. 6 [X.]. m.w.[X.]). Ob die mit der Neufassung des § 176 StGB durch das 6. Strafrechtsre-formgesetz erfolgte Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB rechtspolitisch gewollt war, kann dahinstehen. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die Vornahme auch solcher Hand-lungen, bei denen es nicht zu Manipulationen am eigenen Körper kommt, ist mit dem Wortsinn der Vorschrift, wie er sich aus den genannten Gründen aus dem Sinnzusammenhang des Gesetzes ergibt (vgl. dazu [X.]St 41, 285, 286; 48, 354, 357), nicht zu vereinbaren. Der mögliche Wortsinn eines [X.] die äußerste Grenze der Auslegung strafrechtlicher Bestimmungen zum Nachteil des Angeklagten ([X.] 105, 135, 152 ff., [X.]. m.w.[X.]). [X.]) Damit sind auch die Schuldsprüche wegen [X.]eils tateinheitlich be-gangenen [X.] kinderpornographischer Schriften [X.] § 184 Abs. 5 StGB i.d.F. des [X.] nicht belegt, weil diese Vorschrift nur solche Schriften erfasst, die den sexuellen Missbrauch eines Kindes i. S. der §§ 176 bis 176 b StGB zum Gegenstand haben (vgl. [X.]St 43, 366, 368; 45, 41, 42 f.; vgl. auch § 184 b Abs. 1 n.F.). 9 cc) Da nach den bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen ist, dass zum Tathergang ergänzende Feststellungen zu den sexuellen Handlungen getroffen werden können, die ein tatbestandsmäßiges Verhalten im aufgezeig-ten Sinne des § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB i.d.F. des [X.] belegen, bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob der Angeklagte auf eines der Kinder bei der Fertigung der Aufnahmen im Sinne des § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB, der § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB n.F. entspricht, durch Reden pornographischen Inhalts eingewirkt hat. 10 2. Die Aufhebung der Verurteilung in den vorgenannten fünf Fällen und der damit verbundene Wegfall der [X.]eils verhängten Einzelstrafen nötigt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe. 11 3. Die Anordnung der Einziehung des [X.] des Angeklagten gemäß § 74 StGB kann wegen der Aufhebung der Verurteilung in den vorge-nannten Fällen ebenfalls nicht bestehen bleiben. Der Senat weist für den Fall, dass es erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen einer Straftat ge-mäß § 184 Abs. 5 StGB i.d.F. des [X.] kommt, vorsorglich darauf hin, dass 12 - 7 - ein [X.] kein Beziehungsgegenstand im Sinne des Abs. 7 Satz 2 die-ser Vorschrift ist. Eine Einziehung gemäß § 74 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der [X.] zur Begehung oder Vorbereitung der Straftat gebraucht [X.] ist. 4. [X.], der von der Revision ersichtlich nicht ange-griffen wird, kann bestehen bleiben, obwohl die Verurteilung auf die Revision des Angeklagten wegen der Taten zum Nachteil des [X.] teilweise aufgehoben wird. Ein nicht angefochtener Adhäsionsausspruch bleibt grund-sätzlich unberührt, wenn das zum strafrechtlichen Teil eingelegte Rechtsmittel Œ wie hier - nur eine (teilweise) Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zur Folge hat (vgl. [X.]St 3, 210, 211). [X.] hat hier im Übrigen auch deshalb Bestand, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung den vom Nebenkläger geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3.000 Euro anerkannt (§ 406 Abs. 2 StPO) und die Wirksamkeit des Anerkenntnisses auch nicht in Frage gestellt hat. Zudem hat der Nebenkläger auf die Geltendmachung seiner darüber hi-nausgehender Ansprüche gegen den Angeklagten verzichtet. 13 5. Zur Abfassung der Urteilsgründe bemerkt der Senat ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des [X.] in seiner Antragsschrift vom 12. Dezember 2005, dass es sich aus Gründen des Persönlichkeitsschut-zes verbietet, Kopien von Lichtbildern pornographischen Inhalts in die Urteils-gründe aufzunehmen. Darüber hinaus begegnet ein solches Vorgehen auch deshalb Bedenken, weil der Angeklagte notwendigerweise in den Besitz zumin-dest einer Abschrift des Urteils einschließlich der darin wiedergegebenen [X.] gelangt. Sollte es auf Einzelheiten der A[X.]ildungen ankommen, sieht 14 - 8 - § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO die Möglichkeit vor, auf bei den Akten befindliche Lichtbilder zu verweisen. M[X.]tz Kuckein Athing [X.] [X.]

Meta

4 StR 570/05

02.02.2006

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2006, Az. 4 StR 570/05 (REWIS RS 2006, 5210)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5210

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