Bundessozialgericht, Urteil vom 18.07.2013, Az. B 3 KR 25/12 R

3. Senat | REWIS RS 2013, 3955

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhaus - Abrechnung einer intensivmedizinischen Komplexbehandlung - Zulässigkeit der Vorgaben für OPS-Kodierungen durch das DIMDI


Leitsatz

Die intensivmedizinische Komplexbehandlung im Sinne des OPS-Kodes 8-980 kann nicht abgerechnet werden, wenn nach der Organisationsstruktur des Krankenhauses der ärztliche Bereitschaftsdienst nachts und am Wochenende nicht ausschließlich für die Versorgung der Patienten der Intensivstation, sondern auch der Patienten der Normalstation zuständig und deshalb eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation nicht gewährleistet ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 19. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 26 859,15 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von weiteren 26 859,15 Euro.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patient S. (Versicherter) wurde in der [X.] vom 5.1. bis zum 7.5.2008 stationär in dem von der Klägerin betriebenen, für die Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen (§ 108 [X.]) Krankenhaus "Z." in L. behandelt. Die Behandlung erfolgte auf der Intensivstation, auf der montags bis freitags in der [X.] von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr ein Arzt ständig anwesend ist. In der übrigen [X.], dh alltags vor 8.00 Uhr und nach 16.30 Uhr sowie am Wochenende, ist ein Bereitschaftsdienst der Stufe D für die gesamte Abteilung für Innere Medizin einschließlich der darin eingegliederten Intensivstation zuständig. Die Klägerin stellte der Beklagten am [X.] einen Betrag von 131 629,89 Euro in Rechnung, legte dabei den [X.] und [X.] ([X.]) 8-980.8 - Intensivmedizinische Komplexbehandlung ([X.]) - zu Grunde und rechnete die Fallpauschale nach der Diagnosis Related Group ([X.]) [X.] ab. Die Beklagte wies die Rechnung am [X.] zurück, weil die strukturellen Voraussetzungen zur Abrechnung der Prozedur 8-980.8 nicht gegeben seien. Sie verwies auf ein bereits am [X.] erstelltes Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ([X.]), wonach es in dem Krankenhaus keinen Schichtdienst und keinen Bereitschaftsdienst der Stufe D ausschließlich für die Intensivstation gebe. Die diensthabenden Ärzte seien nachts und an den Wochenenden über die Intensivstation hinaus für die gesamte Abteilung für Innere Medizin zuständig.

3

Mit ihrer am [X.] erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Intensivstation sei in die Hauptfachabteilung Innere Medizin eingegliedert, so dass alle diensthabenden Ärzte der Hauptfachabteilung, die die Intensivstation mitversorgten, die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen würden und im Übrigen auch in der Intensivmedizin erfahren seien. Bei den [X.]en des [X.] handele es sich nicht um allgemein gültige Voraussetzungen, die krankenhausbezogen anzuwenden seien, sondern um reine [X.] für den jeweiligen Behandlungsfall. Bei der Behandlung des Versicherten seien diese Anforderungen erfüllt worden, wie sich aus der Auswertung der Dokumentation über die gesamte Belegung der Intensivstation in der [X.] der Behandlung des Versicherten ergebe. Zudem sei die Beklagte nach § 275 Abs 1c [X.] mit sämtlichen Einwendungen gegen die erfolgte Abrechnung ausgeschlossen, da sie auf eine Einzelfallprüfung durch den [X.] verzichtet habe. Die Beklagte hat die Forderung der Klägerin auf Basis der [X.]-Fallpauschale [X.] in Höhe von 104 770,74 Euro anerkannt, sodass nur noch ein Differenzbetrag von 26 859,15 Euro offen steht.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]) und zur Begründung ausgeführt, nach den [X.] zum Kode 8-980 müssten kumulativ vorliegen zum einen eine kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren seien und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen, und zum anderen die Gewährleistung einer ständigen ärztlichen Anwesenheit auf der Intensivstation. Letzteres Merkmal sei auf der Intensivstation im Krankenhaus der Klägerin nicht erfüllt gewesen. Sichergestellt sei außerhalb der [X.]en von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr montags bis freitags nur eine ständige akute ärztliche Behandlungsbereitschaft, nicht aber die ständige ärztliche Anwesenheit. Der Bereitschaftsarzt habe nämlich nach der Dienststruktur zu diesen [X.]en auch die Patienten der Normalstation der Inneren Abteilung zu betreuen und müsse die dort anfallenden ärztlichen Aufgaben übernehmen. Es komme nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Arzt tatsächlich ständig auf der Intensivstation anwesend gewesen sei. Die Beklagte sei mit ihren Einwendungen auch nicht gemäß § 275 Abs 1c [X.] ausgeschlossen, da das Vorliegen der strukturellen [X.] unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall auf Grund der allgemeinen Organisation des Krankenhauses zu beurteilen sei.

5

Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 19.1.2012) und in Ergänzung zum [X.] ausgeführt, mit der Pflicht zur Gewährleistung einer ständigen ärztlichen Anwesenheit auf der Intensivstation sei es nicht vereinbar, dass der Arzt neben dem Dienst auf der Intensivstation gleichzeitig an anderer Stelle des Krankenhauses weitere Aufgaben erfüllen müsse. Es handelte sich dabei um eine [X.], die wegen des erhöhten Personalbedarfs die höhere Vergütung rechtfertige. Auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall komme es mithin nicht an, zumal sich diese im Nachhinein auch kaum klären ließen.

6

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie macht geltend, es sei unzulässig, Mindestanforderungen an die Strukturqualität eines Krankenhauses durch "Hinweise" im Rahmen der Definition einer Prozedur nach dem [X.] vorzugeben. Die tatsächlichen Verhältnisse des vorliegenden Einzelfalles seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, weil das L[X.] das [X.] "Gewährleistung ständiger ärztlicher Anwesenheit auf der Intensivstation" als allgemeine krankenhausbezogene [X.] angesehen und zudem falsch ausgelegt habe. Außerdem hätte die gesetzliche Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c [X.] beachtet werden müssen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des L[X.] Rheinland-Pfalz vom 19.1.2012 und des [X.] Speyer vom [X.] zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 26 859,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 26.5.2008 zu zahlen.

8

Die Beklagte hält das Berufungsurteil für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des [X.]-980 nicht erfüllt waren und deshalb die [X.] nicht abgerechnet werden konnte.

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Streitgegenstand ist der Anspruch eines Leistungserbringers gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der (restlichen) Vergütung für die Krankenhausbehandlung eines Versicherten. Diesen Anspruch macht die Klägerin zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sog Parteienstreit im [X.], in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt ([X.], 300 = [X.]-2500 § 39 [X.]; [X.] 86, 166, 167 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.] 1; [X.] 90, 1 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.] 3; BSG [X.] 3-2500 § 39 [X.] 4; BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 11 Rd[X.] 10). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs, dessen rechnerische Höhe nicht im Streit steht, ist § 109 Abs 4 S 3 [X.] iVm § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1 und § 9 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz in der hier anzuwendenden Fassung des [X.], [X.] 3429), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]), der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das [X.] ([X.] 2008) nebst Anlage 1 Teil a) [X.] der [X.] 2008 und dem am 1.1.2000 in [X.] getretenen Krankenhausbehandlungsvertrag ([X.]) nach § 112 Abs 2 [X.] 1 [X.] für das [X.] vom 19.11.1999 sowie der Pflegesatzvereinbarung für das [X.].

a) Nach § 109 Abs 4 [X.] sind zugelassene Krankenhäuser im Rahmen ihres Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet. Nach § 39 Abs 1 [X.] haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Inanspruchnahme der Behandlung durch den Versicherten löst - unabhängig von einer Kostenzusage - einen Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegenüber dem gesetzlichen Krankenversicherungsträger aus, wenn die stationäre Versorgung iS von § 39 Abs 1 [X.] erforderlich ist ([X.] 86, 166, 168 = [X.] 3-2500 § 112 [X.] 1; [X.] 90, 1, 2 = [X.] 3-2500 § 112 [X.] 3; BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 11 Rd[X.] 12).

b) Die Krankenhausleistungen werden nach § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1 KHEntgG ua mit Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten [X.] (§ 9 KHEntgG) abgerechnet. Dieser umfasst gemäß § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1 KHEntgG insbesondere den [X.] nach § 17b Abs 1 [X.]. Der im [X.] maßgebliche [X.] ist in der Anlage 1 der [X.] 2008 enthalten.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen ([X.]) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten [X.] zu einer [X.] wird in einem ersten Schritt die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom [X.] ([X.]) im Auftrag des [X.] herausgegebenen "Operationen- und [X.] nach § 301 [X.]" ([X.]) verschlüsselt (§ 301 Abs 2 [X.]). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "[X.]" beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten [X.] zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des [X.] und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der [X.]-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem [X.] eine bestimmte [X.] angesteuert (vgl BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 11 Rd[X.] 16).

3. Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten [X.] zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen. Ergeben sich bei der Abrechnung [X.] und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des [X.], der [X.] und der [X.] in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich iS einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG [X.] 3-5565 § 14 [X.]; BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 11 Rd[X.] 18; stRspr). Diese Auslegungs- und Anwendungsprinzipien für die vereinbarten Vergütungsregelungen gelten in vergleichbarer Weise auch für die vom [X.] erteilten "Hinweise" zur Auslegung und Anwendung einzelner [X.]. Denn das [X.] hat nach § 301 Abs 2 [X.] die Pflicht, für eine sachgerechte Handhabung der Verschlüsselungshinweise zu sorgen. Dazu muss es die tägliche Praxis beobachten und durch regelmäßige Anpassung seiner Hinweise zu den diversen [X.] beobachtete Lücken und Unklarheiten beseitigen (vgl Didong in: juris Praxiskommentar, [X.], 2. Aufl 2012, § 301 Rd[X.] 10).

4. Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 26 859,15 Euro. Ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die Behandlung des Versicherten bestand nur in der Höhe, wie der Anspruch zwischenzeitlich durch die Beklagte aufgrund der Abrechnung der Fallpauschale [X.] anerkannt und erfüllt wurde. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die durchgeführte Behandlung die Voraussetzungen des [X.].8, mit dem die von der Klägerin beanspruchte [X.] angesteuert wird, nicht erfüllt.

a) Nach dem Kode 8-980 ist die intensivmedizinische Komplexbehandlung ([X.]) zu verschlüsseln. Hierunter fällt nach dem Wortlaut des Kodes die Intensivüberwachung ohne akute Behandlung lebenswichtiger Organsysteme oder kurzfristige (< 24 Stunden) Intensivbehandlung sowie die kurzfristige (< 24 Stunden) Stabilisierung von Patienten nach operativen Eingriffen. Unter den "Hinweisen" des [X.] finden sich die [X.]e zur Kodierung dieser Prozedur. Danach müssen unter anderem folgende [X.]e kumulativ vorliegen:

"(1)   

Kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen.

(2)     

Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein".

aa) Dieses zweite Merkmal ist auf der Intensivstation im Krankenhaus der Klägerin nicht erfüllt. Nach den auf deren eigenem Vortrag beruhenden Feststellungen des [X.] war im Behandlungszeitraum planmäßig lediglich montags bis freitags zwischen 8.00 und 16.30 Uhr ein Arzt auf der Intensivstation anwesend. In der übrigen Zeit, dh alltags vor 8.00 Uhr und nach 16.30 Uhr sowie am Wochenende, ist ein Bereitschaftsdienst der Stufe D für die gesamte Abteilung für Innere Medizin einschließlich der Intensivstation eingerichtet. Das genügt bei [X.] Anwendung des [X.] den Voraussetzungen nicht, weil durch diesen umfassenden Bereitschaftsdienst die ständige Anwesenheit eines Arztes gerade auf der Intensivstation nicht "gewährleistet", also allgemein sichergestellt ist. Das wäre nur bei einem Bereitschaftsdienst der Stufe D ausschließlich für die Intensivstation der Fall. Im Krankenhaus der Klägerin ist hingegen - auch wenn die Intensivstation nach den Ausführungen der Klägerin im Bereitschaftsdienst vorrangig zu betreuen ist - nur die ständige akute ärztliche Behandlungsbereitschaft sichergestellt. Zu dem Merkmal der "akuten Behandlungsbereitschaft" muss das Merkmal der "ständigen ärztlichen Anwesenheit" nach dem eindeutigen Wortlaut des Kodes notwendig hinzutreten. Von einer ständigen ärztlichen Anwesenheit gemäß dem zweiten [X.] kann aber nicht gesprochen werden, wenn ein Arzt auf der Intensivstation nicht durchgehend, sondern nur im Notfall bzw nach Bedarf anwesend ist. So liegt es indes im Krankenhaus der Klägerin. Der Bereitschaftsdienst hat nämlich nach der Dienststruktur auch die Patienten der Normalstation der Inneren Abteilung zu betreuen und muss die dort anfallenden ärztlichen Aufgaben übernehmen. Während eines solchen Einsatzes ist er auf der Intensivstation planmäßig nicht anwesend. Soweit die Klägerin auf die [X.]e des [X.] verweist, wonach der Arzt die Intensivstation auch verlassen könne, wenn er nur innerhalb kürzester Zeit handlungsfähig am Patienten sei, übersieht sie die weitere Erläuterung, dass eine ständige Anwesenheit dann nicht anzunehmen sei, wenn der Arzt neben dem Dienst auf der Intensivstation gleichzeitig an anderer Stelle weitere Aufgaben übernehmen müsse, wie etwa eine Normalstation zu betreuen. Dieser [X.] entspricht dem Wortlaut des Kodes, der auf die "Gewährleistung" der ständigen Anwesenheit und damit auf eine Planungs- und Strukturkomponente abstellt. Es kommt daher entgegen der Ansicht der Klägerin für die Verschlüsselbarkeit des [X.] nicht darauf an, ob im Einzelfall einer bestimmten Behandlung ein Arzt wegen des hohen [X.] auf der Intensivstation tatsächlich ständig anwesend war. Wäre dieser Umstand maßgeblich, so dürfte die Definition der [X.]e des Kodes die Worte "muss gewährleistet sein" nicht enthalten. Eine "Gewährleistung" der ständigen ärztlichen Anwesenheit ist nur bei einer dies unter allen - vorhersehbaren - Umständen sicherstellenden, speziell auf die Intensivstation bezogenen Bereitschaftsdienstplanung des Krankenhauses gegeben.

bb) Aus diesem Grund ist auch die zur Akte gereichte Aufstellung über die Belegung der Intensivstation im Zeitraum der Behandlung des Versicherten für die Kodierung der Prozedur 8-980 unerheblich. Es bedarf daher keiner weiteren Ermittlungen, ob das Vorbringen der Klägerin, aus der Belegung ergebe sich eine so hohe Inanspruchnahme der Ärzte, dass faktisch eine ständige Anwesenheit gewährleistet gewesen sei, den Tatsachen entspricht. Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens ergeben sich allerdings bei Berücksichtigung des Umkehrschlusses: Wenn der Arzt während des Bereitschaftsdienstes tatsächlich ständig auf der Intensivstation anwesend gewesen wäre, hätten die sonstigen Patienten der Abteilung für Innere Medizin wochentags vor 8.00 Uhr und nach 16.30 Uhr sowie am gesamten Wochenende keine ärztliche Betreuung erfahren, was schlechthin nicht vorstellbar ist.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das [X.] auch berechtigt, [X.]e zur Strukturqualität für die [X.] vorzugeben. Die Festlegung der Mindestanforderungen an die Strukturqualität ist nicht dem Gemeinsamen Bundesausschuss ([X.]) vorbehalten. [X.] und [X.] haben völlig unterschiedliche Aufgaben. Der [X.] ist das zentrale Entscheidungsgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung und hat seine Hauptaufgabe darin, die medizinische Versorgung in [X.] zu steuern. Das [X.] wiederum hat seine Hauptaufgabe in der Herausgabe von amtlichen Klassifikationen, wie ua die [X.] für Operationen und sonstige Prozeduren gemäß § 301 Abs 2 [X.]. Diese werden als Grundlage für das Entgeltsystem in Klinik und Praxis ([X.]-System) und für den elektronischen Datenaustausch in der Medizin benötigt. Der [X.] legt also ua - sektorübergreifend - die grundsätzlichen Qualitätsanforderungen an medizinische Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen fest, wohingegen das [X.] bestimmt, welche Voraussetzungen für die Verschlüsselung einer bestimmten Prozedur (Kode) und einen konkreten Vergütungsanspruch vorliegen müssen. Die Pflicht des [X.], gemäß § 137 Abs 1 S 1 [X.] [X.] die Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen, bezieht sich nur auf grundlegende medizinische Anforderungen an die Leistungserbringer und nicht auf konkrete Vergütungsvoraussetzungen. Das [X.] kann daher sehr wohl auch strukturelle Abrechnungsvoraussetzungen für die jeweilige Prozedur (hier: [X.]e des [X.]-980) festlegen. Das Urteil des [X.] beruht folglich nicht auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung. Unverständlich ist in diesem Zusammenhang übrigens, weshalb die Klägerin das erste [X.] ("Kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen") als "prozedurbezogenes [X.]" klassifiziert und das zweite Merkmal ("Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein") demgegenüber als Mindestanforderung an die Strukturqualität einordnet. Beide Merkmale erfordern nämlich gleichermaßen eine Bereitstellung von Ressourcen durch das Krankenhaus, sodass schon der Begründungsansatz der Klägerin nicht trägt.

5. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin schließlich darauf, dass die Beklagte eine Einzelfallprüfung der Abrechnung durch den [X.] hätte einleiten müssen, hierfür aber die Frist des § 275 Abs 1c [X.] versäumt habe und deshalb mit ihren Einwendungen gegen die erfolgte Abrechnung des [X.] ausgeschlossen sei. Ob in einem Krankenhaus die ständige ärztliche Anwesenheit im oben dargestellten Sinne gewährleistet ist, ist als strukturelle Abrechnungsvoraussetzung des [X.] unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall aufgrund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur des Krankenhauses zu beurteilen. Ist dies wie im Krankenhaus der Klägerin nicht der Fall, so ist die Kodierung einer intensivmedizinischen Komplexbehandlung von vornherein ausgeschlossen. Einer der in § 275 Abs 1 S 1 [X.] abschließend aufgeführten [X.] liegt nicht vor. Es geht also nicht um eine medizinische Sachfrage des konkreten Einzelfalles, zu deren Klärung der [X.] eingeschaltet werden muss. Den Einwand der unrichtigen Rechnungsstellung als solchen hat die Beklagte indes zeitnah erhoben, sodass dessen Geltendmachung jedenfalls auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen rechtsmissbräuchlich (§ 69 Abs 1 S 3 [X.] iVm § 242 BGB) ist.

6. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 3 KR 25/12 R

18.07.2013

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Speyer, 30. März 2011, Az: S 13 KR 337/08, Urteil

§ 109 Abs 4 S 2 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 5, § 301 Abs 2 S 2 SGB 5, § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 15.12.2004, § 9 KHEntgG, § 17b Abs 1 KHG, Anl 1 KFPVbg 2008

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.07.2013, Az. B 3 KR 25/12 R (REWIS RS 2013, 3955)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3955

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