Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2010, Az. VIII ZR 184/09

8. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7451

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Gegenstand

Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses: Wirksamkeit des mit der Kündigung erklärten Widerspruchs


Leitsatz

Ein bereits mit der Kündigung erklärter Widerspruch gegen eine stillschweigende Vertragsfortsetzung ist wirksam; eines zeitlichen Zusammenhangs mit der Vertragsbeendigung bedarf es nicht (im Anschluss an BGH, 9. April 1986, VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020) .

Tenor

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in S. Die Klägerin hat das Grundstück, auf dem sich die an die Beklagte vermietete Wohnung befindet, erworben und wohnt dort auch selbst.

2

Mit Schreiben vom 23. Mai 2007 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum Ablauf des Monats Februar 2008. Zur Begründung ist in dem [X.] im Einzelnen ausgeführt, dass die Klägerin die Wohnung für ihre Eltern benötige. Einer stillschweigenden Vertragsfortführung werde vorsorglich widersprochen.

3

Mit der am 19. März 2008 zugestellten Klage hat die Klägerin Räumung der Wohnung begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Räumung verurteilt. Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Wohnung zwischenzeitlich geräumt hatte.

II.

4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

5

Die Klägerin sei gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 [X.] wegen des von ihr nachgewiesenen Eigenbedarfs zur Kündigung des mit der Beklagten bestehenden Mietverhältnisses berechtigt gewesen. Eine Verlängerung des Mietverhältnisses gemäß § 545 [X.] sei nicht eingetreten. Zwar sei die Frist für die Erklärung des Widerspruchs am 17. März 2008 abgelaufen, weil der Klägerin die Fortsetzung des Gebrauchs der Mietsache durch die Beklagte ab 1. März 2008 sogleich bekannt gewesen sei. Die erst am 19. März 2008 zugestellte Räumungsklage stelle deshalb keinen rechtzeitigen Widerspruch dar. Jedoch sei der schon im [X.] vom 23. Mai 2007 erklärte Widerspruch ausreichend. Nach allgemeiner Ansicht könne der Widerspruch des Vermieters schon vor Mietende erklärt werden, soweit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Widerspruchserklärung und der Vertragsbeendigung bestehe. Hiervon sei vorliegend auszugehen, weil nach den Gesamtumständen für die Beklagte eindeutig sei, dass der gleichzeitig mit der Eigenbedarfskündigung ausgesprochene Widerspruch auch nach Ablauf der Kündigungsfrist und Eintritt der Vertragsbeendigung dem Willen der Klägerin entspreche.

III.

6

1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Danach sind die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klägerin voraussichtlich obsiegt hätte. Der Klägerin stand der von ihr geltend gemachte Räumungsanspruch zu (§ 546 Abs. 1 [X.]), weil das Mietverhältnis durch ihre berechtigte Eigenbedarfskündigung beendet worden ist. Die im Revisionsverfahren allein streitige Frage, ob der von der Klägerin bereits im [X.] erklärte Widerspruch einer Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 545 [X.] entgegenstand, ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen.

7

2. Nach § 545 Satz 1 [X.] tritt eine Verlängerung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit ein, wenn der Mieter den Gebrauch der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit fortsetzt und keine der Parteien ihren entgegenstehenden Willen binnen zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Für den Vermieter beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erlangt (§ 545 Satz 2 Nr. 2 [X.]). Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier der 1. März 2008. Der in der Klageerhebung liegende Widerspruch war deshalb nicht fristgemäß, weil die Klage erst am 19. März 2008 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat der Fortsetzung des [X.] jedoch bereits mit Schreiben vom 23. Mai 2007 widersprochen und damit eine Vertragsfortsetzung wirksam ausgeschlossen.

8

a) Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann der Widerspruch grundsätzlich auch schon vor dem Beginn der zweiwöchigen Widerspruchsfrist erhoben werden ([X.]surteil vom 8. Januar 1969 - [X.], [X.], 298, unter 3 b; [X.]sbeschluss vom 9. April 1986 - [X.], NJW-RR 1986, 1020, unter [II] 3; [X.]surteile vom 16. September 1987 - [X.], NJW-RR 1988, 76, unter 2 [X.], sowie vom 7. Januar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 558, unter [X.]; jeweils zu § 568 [X.] aF). Dies entspricht auch der wohl einhelligen Meinung in der Literatur ([X.]/[X.], [X.] (2006), § 545 [X.]. 14; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 545 [X.]. 16; [X.], Mietrecht, 9. Aufl., § 545 [X.] [X.]. 25; [X.]/Jendrek, [X.], 12. Aufl., § 545 [X.]. 7; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 545 [X.]. 7; Schach in: [X.]/Schach/[X.], Miet- und [X.], 5. Aufl., § 545 [X.]. 2; [X.], Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 545 [X.]. 33).

9

b) Unterschiedliche Meinungen werden hingegen zu der Frage vertreten, inwiefern ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Widerspruch und dem Vertragsende erforderlich ist, insbesondere, wenn der Widerspruch zusammen mit einer ordentlichen Kündigung erklärt wird, also zwischen dem Widerspruch und der Vertragsbeendigung mehrere Monate liegen oder - wie hier wegen der infolge des langjährigen Mietverhältnisses verlängerten Kündigungsfrist - sogar ein Zeitraum von neun Monaten.

In seinem Beschluss vom 9. April 1986 (aaO) hat der [X.] (allgemein) einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Widerspruch und Vertragsende für erforderlich gehalten. Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf allerdings nicht einen zusammen mit einer Kündigung erklärten ausdrücklichen Widerspruch, sondern die Frage, ob die mehr als ein Jahr vor Vertragsende erfolgte Erklärung eines Pächters, an der Ausübung der Verlängerungsoption nicht interessiert zu sein, als wirksamer Widerspruch anzusehen war. Im [X.] an diese [X.]sentscheidung hat sich die Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Wirksamkeit eines zusammen mit einer ordentlichen Kündigung erklärten Widerspruchs unterschiedlich entwickelt. Teilweise wird ein solcher Widerspruch mangels des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs allgemein ([X.], [X.], 221; [X.], [X.], 518; vgl. auch [X.]/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 545 [X.]. 21) oder jedenfalls bei längeren Kündigungsfristen ([X.], NJW-RR 1996, 1479, 1480; AG Schöneberg MM 1992, 174; vgl. auch [X.], Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., [X.]. [X.]) als unbeachtlich angesehen. Von anderen Instanzgerichten wird der gleichzeitig mit der ordentlichen Kündigung erklärte Widerspruch hingegen generell als wirksam angesehen ([X.], [X.], 589, 591 f.; [X.], [X.], 465, 466; [X.], [X.], 617).

c) Der [X.] entscheidet nunmehr, dass es eines zeitlichen Zusammenhangs jedenfalls dann nicht bedarf, wenn der Widerspruch zusammen mit der Kündigung erklärt wird. Soweit sich aus dem [X.]sbeschluss vom 9. April 1986 etwas anderes ergibt, hält der [X.] daran nicht fest. Im Rahmen des § 545 [X.] kommt es, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, entscheidend darauf an, ob nach den Gesamtumständen für den Mieter aus der früheren Erklärung seines Vermieters dessen eindeutiger Wille erkennbar wird, das Mietverhältnis nach dem Ablauf der Mietzeit nicht fortsetzen zu wollen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Vermieter - wie hier die Klägerin - bereits im [X.], das zur Beendigung des Mietverhältnisses führt, einer Fortsetzung des Mietverhältnisses über den Beendigungszeitpunkt hinaus ausdrücklich widerspricht. Ein solcher Widerspruch, der sich auf eine konkrete Beendigung des Mietverhältnisses bezieht, lässt keinen Zweifel daran, dass der Vermieter die Rechtsfolgen des § 545 [X.] ausschließen will.

[X.]                                     Dr. Frellesen                                     Dr. Milger

                 Dr. [X.]                                    Dr. [X.]

Meta

VIII ZR 184/09

21.04.2010

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Heidelberg, 26. Juni 2009, Az: 5 S 79/08, Urteil

§ 545 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2010, Az. VIII ZR 184/09 (REWIS RS 2010, 7451)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7451

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XII ZR 120/16

VIII ZR 184/09

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