Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2012, Az. IX ZB 6/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4475

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZB 6/12

vom

19. Juli 2012

in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 4, 5, 6, 21 Abs. 1 Satz 2
Gegen die Anordnung des Insolvenzgerichts, ein Sachverständigengutachten dar-über zu erheben, in welchem Staat sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interes-sen des Schuldners befindet, ist in der Regel die sofortige Beschwere nicht statthaft.
[X.], Beschluss vom 19. Juli 2012 -
IX ZB 6/12 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, [X.], Dr. Fischer und Grupp

am 19. Juli 2012
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.] vom 28. Dezember 2011 wird auf Kos-ten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000

t-gesetzt.

Gründe:

I.

Die weitere Beteiligte (fortan: Gläubigerin) hat die Eröffnung des [X.] über das Vermögen des Schuldners
beim Amtsgericht [X.] und hierzu ausgeführt, der Schuldner halte sich weiterhin im Gerichtsbe-zirk
auf.
Der Schuldner ist
dem Antrag entgegengetreten und hat geltend ge-macht, er habe den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen bereits seit Jahren nicht in [X.], sondern in [X.].

Durch Beschluss vom 26. August 2011 in der Fassung des Beschlusses vom 2. September 2011 hat das Insolvenzgericht zur Aufklärung des Sachver-1
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-
haltes die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage angeord-net, in welchem Land sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet und ob
in einem anderen Mitgliedstaat bereits ein Hauptin-solvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde. Dabei hat es den Sachverständigen ermächtigt, Auskünfte über die [schuldnerischen Vermögens]Verhältnisse, die für die Beurteilung
der internationalen [X.] von Bedeutung sind, bei [X.] einzuholen. Weiter hat es dem Schuldner aufgegeben, dem Sachverständigen Einsicht in die Bücher und Geschäftspa-piere zu gestatten und sie ihm bei Verlangen bis zur Entscheidung über die Er-öffnung des Verfahrens herauszugeben sowie alle Auskünfte zu erteilen, die zur Aufklärung der schuldnerischen Einkommens-
und Vermögensverhältnisse er-forderlich sind, soweit diese für die Beurteilung der internationalen [X.] von Bedeutung sind.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat das [X.] als unzulässig verworfen, die Rechtsbeschwerde aber wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil sie bereits nicht statthaft ist.

1. Gegen einen Beschluss des [X.] ist die Rechtsbe-schwerde nach §
574 Abs.
1 Nr.
2 ZPO statthaft, wenn sie durch das Be-schwerdegericht zugelassen worden ist. Dies gilt aber nur, wenn die angefoch-3
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tene Entscheidung
grundsätzlich der Anfechtung
unterliegt; ist die Entscheidung unanfechtbar, ändert sich hieran durch die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht nichts ([X.], Beschluss vom 16. März 2000 -
IX
ZB 2/00, [X.]Z 144, 78, 81
ff; vom 28.
Oktober 2008 -
V
ZB 109/08, NJW-RR 2009, 209 Rn.
3; vom 25.
Juni 2009 -
IX
ZB 161/08, [X.], 3653 Rn.
5). Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht mit Hilfe einer Zulassung der Anfechtung unterworfen werden (Hk-ZPO/[X.], 4.
Aufl., §
574 Rn.
11).

2. [X.] war nicht statthaft. Denn gemäß §
6 Abs.
1 [X.] unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den [X.] einem Rechtsmittel, in
denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwer-de vorsieht. Das Rechtsmittel des Schuldners richtet sich gegen die Bestellung des Sachverständigen sowie die ihm eingeräumten Befugnisse und damit ge-gen Maßnahmen des Insolvenzgerichts im Rahmen seiner Amtsermittlungs-pflicht nach §
5 [X.]. Für die Entscheidung über den Insolvenzantrag lediglich vorbereitende richterliche Anordnungen sieht die Insolvenzordnung kein Rechtsmittel vor; sie sind im allgemeinen nicht beschwerdefähig ([X.], [X.] vom 4.
März 2004 -
IX
ZB 133/03, [X.]Z 158, 212, 214; vom 14.
Juli 2011 -
IX
ZB 207/10, Z[X.] 2011, 1499 Rn.
7).

3. Der erkennende Senat hat allerdings entschieden, dass eine sofortige Beschwerde analog §
21 Abs.
1 Satz
2 [X.] statthaft sein kann, wenn das [X.] im Eröffnungsverfahren eine Maßnahme anordnet, die von [X.] außerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse liegt und in den grundrechtlich geschützten Bereich des Schuldners eingreift ([X.], Beschluss vom 4.
März 2004, aaO S.
214
ff; vom 24.
September 2009 -
IX
ZB 38/08, [X.], 2068 Rn.
9;
vom 14.
Juli 2011, aaO).
Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme liegen im Streitfall jedoch nicht vor.
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5

-

a) Die Anordnung eines Sachverständigengutachtens im Eröffnungsver-fahren zur Beurteilung der Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung
liegt
nicht generell außerhalb der Befugnisse des Insolvenzgerichts. Soweit der Auftrag allgemein gehalten ist und den Sachverständigen nicht zu Maßnahmen ermäch-tigt, die in Grundrechte des Schuldners eingreifen, gilt dies auch
dann, wenn die Pflicht zur Amtsermittlung
des §
5 [X.]
noch nicht eingreift, weil kein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
Juli 2011, aaO).

b) Auch die
weitergehenden Ermächtigungen des Sachverständigen lie-gen nicht
von vornherein außerhalb der gesetzlichen Befugnisse
des Insol-venzgerichts, das im Wege der Amtsermittlung tätig geworden ist.

aa)
Maßnahmen der Amtsermittlung gehören wegen
§
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] zu den Befugnissen des angegangenen Gerichts zur Klärung
seiner inter-nationalen Zuständigkeit. Da Art.
3 EuInsVO nur die internationale [X.] für ein Hauptinsolvenzverfahren festlegt und nicht das Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts regelt, bestimmt sich das Verfahrensrecht nach dem Recht des angerufenen Gerichts ([X.], Beschluss vom 1.
Dezember 2011
-
IX
ZB 232/10, [X.], 142 Rn.
10; [X.], in [X.], [X.], 2010, Art.
3 EuInsVO Rn.
17). Nach
§
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] hat das [X.] Gericht alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeu-tung sind, wobei diese Ermittlungspflicht von Amts wegen erst einsetzt, wenn der Verfahrensstand Anlass hierzu bietet ([X.], Beschluss vom 1.
Dezember 2011, aaO Rn.
11; HK-[X.]/Kirchhof, 6.
Aufl., §
5 Rn.
8). Hierbei
besteht ein gewisser Beurteilungsspielraum des Gerichts; es muss aufgrund [X.] Umstände oder der Angaben der Verfahrensbeteiligten zu Ermittlungen veranlasst werden ([X.], Beschluss vom 1.
Dezember 2011, aaO Rn.
11). Aus 8
9
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diesem Grund muss ein Antragsteller, um die Prüfung der örtlichen [X.] des angerufenen Gerichts nach §
3 [X.] zu ermöglichen und somit seinen Antrag zulässig zu machen, alle die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründenden Tatsachen angeben; erst dann ermittelt das Gericht, sofern er-forderlich, nach §
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] die seine Zuständigkeit begründenden Umstände von Amts wegen ([X.], Beschluss vom 1.
Dezember 2011, aaO Rn.
12). Entsprechendes gilt für die internationale Zuständigkeit ([X.], [X.] vom 1.
Dezember 2011, aaO).
Ob das angegangene Gericht sich [X.] der
Bewertung der Umstände des Einzelfalls nach den vorgenannten
Grundsätzen zu Maßnahmen der Amtsermittlung und damit zu einem Übergang vom Zulassungs-
in das Eröffnungsverfahren veranlasst sehen durfte, unterliegt bereits im Allgemeinen keinem Rechtsmittel (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
März 2004, aaO S.
214)
und ist für die Frage, ob diese Maßnahmen von vornherein außerhalb seiner
gesetzlichen Befugnisse liegen, ohne Belang.

bb) Auch die hinsichtlich des
Sachverständigen im Übrigen getroffenen Anordnungen liegen nicht
von vornherein
außerhalb der gesetzlichen Befugnis-se des angegangenen Gerichts.
Denn gemäß §
20 Abs.
1 [X.] hat der Schuld-ner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es insoweit auch zu unterstützen, wobei §
97, §
98, §
101 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 [X.] entsprechend gelten. Die Auskunfts-pflicht umfasst auch die Vorlage von Belegen und sonstigen Unterlagen ([X.], Beschluss vom 17.
Februar 2005 -
IX
ZB 62/04, [X.]Z 162, 187, 198; vom 19.
Januar 2006 -
IX
ZB 14/03, Z[X.] 2006, 264
f). Das Insolvenzgericht kann dem Schuldner aufgeben, diese Pflichten unmittelbar gegenüber dem Sachver-ständigen zu erfüllen ([X.], [X.], 13.
Aufl., §
20 Rn.
19; MünchKomm-[X.]/[X.], aaO
§
20 Rn.
58; HK-[X.]/Kirchhof, aaO
§
5 Rn.
13 und §
20 Rn.
4; HmbKomm-[X.]/Schröder,
4. Aufl.,
§
20 Rn.
7). Der Sachverständige 11
-

7

-
hat in diesem Fall keine
Befugnisse, die
über die gemäß §
4 [X.] iVm §§
402
ff ZPO
normierten
Befugnisse
hinausgehen
(vgl. Beschluss vom 4.
März 2004, aaO S.
217). Auch die dem Sachverständigen eingeräumte Berechtigung, [X.] über die Verhältnisse, die für die Beurteilung der internationalen Zustän-digkeit von Bedeutung sind, bei [X.] einzuholen, ist durch die gemäß §
4
[X.] in Verbindung mit
§§
402
ff ZPO normierten Befugnisse
grundsätzlich
ge-deckt.

[X.]
Gehrlein
[X.]

Fischer
Grupp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.08.2011 -
91 IN 218/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 28.12.2011 -
6 [X.]/11 -

Meta

IX ZB 6/12

19.07.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2012, Az. IX ZB 6/12 (REWIS RS 2012, 4475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4475

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