Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2019, Az. 4 AZR 1003/13

4. Senat | REWIS RS 2019, 530

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Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. September 2013 - 2 [X.]/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Dauer der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.

2

Die Klägerin, die Mitglied der [X.] - [X.] ([X.]) ist, war seit 1994 bei der [X.] beschäftigt. Unter dem 15. Mai/27. Juni 2006 schlossen die Arbeitsvertragsparteien rückwirkend zum 1. Januar 2006 eine [X.] zum ursprünglichen Arbeitsvertrag. Nach deren § 2 bestimmt sich ihr Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der [X.] (TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung sowie dem Tarifvertrag zur Überleitung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der [X.] in den TV-BA und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]). Ferner finden nach der arbeitsvertraglichen Regelung die für die [X.] jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

3

Mit Schreiben vom 10. November 2011 teilte der Beklagte, der Mitglied der [X.] ([X.]) ist, der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis ab dem 1. Januar 2012 auf diesen übergehe, da er als sog. Optionskommune Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende wahrnehme und hierfür zugelassen sei. Ergänzend teilte der Beklagte mit, dass ab dem Übergang der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) vom 13. September 2005 für den Bereich Verwaltung ([X.]-V) sowie die den [X.] ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der [X.] jeweils geltenden Fassung ([X.]/[X.]) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden.

4

Seit dem 1. Januar 2012 erhielt die Klägerin bei einer durchschnittlichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden eine Vergütung nach der [X.] 9 [X.]/[X.] (zunächst) zuzüglich einer Ausgleichszahlung gemäß § 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II. Mit Schreiben vom 13. Juli 2012 beantragte sie beim Beklagten eine Arbeitszeitgutschrift von einer Stunde pro Woche rückwirkend ab dem 1. Februar 2012 „nach dem [X.]“ sowie für die Zukunft eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden. Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 7. August 2012 ab.

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der TV-BA finde aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 2 der [X.] weiterhin auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Dieser sei hinsichtlich des Verhältnisses von Arbeitszeit und Vergütung günstiger als der [X.]/[X.].

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin seit dem 1. Februar 2012 durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich beträgt.

7

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II sei für die Anwendung der Tarifverträge der [X.] kein Raum. Im Übrigen sei die vertragliche Bezugnahmeklausel ergänzend so auszulegen, dass sie eine Verweisung auf die beim neuen Arbeitgeber geltenden Tarifverträge beinhalte. Für einen Günstigkeitsvergleich sei kein Raum.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Feststellung, dass die Arbeitszeitregelung des TV-BA auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar ist.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I. Die Klage ist als sog. Elementenfeststellungsklage ([X.]. nur [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 15, [X.]E 138, 269) zulässig.

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt seit dem 1. Februar 2012 die Feststellung einer regelmäßig wöchentlich durchschnittlich geschuldeten Arbeitszeit, wie sie sich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 TV-BA ergibt. Mit der Bezeichnung als regelmäßig durchschnittlich bringt sie zum Ausdruck, dass sie nicht die Feststellung einer exakten wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden begehrt. Auch ohne ausdrückliche Benennung wird deutlich, dass in den 39 Wochenstunden Pausen nicht berücksichtigt sind.

2. Für ihren Antrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche und noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (st. Rspr., zB [X.] 25. Januar 2017 - 4 [X.] - Rn. 16) besondere Feststellungsinteresse. Durch die gerichtliche Entscheidung kann der Streit der Parteien über die Dauer der geschuldeten regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit, nämlich ob diese nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. [X.]/[X.] für das [X.] 40 Wochenstunden oder nach § 6 Abs. 1 Satz 1 TV-BA 39 Wochenstunden beträgt, geklärt werden. Anhaltspunkte dafür, dass weiterer Streit zwischen den Parteien - etwa über die Verteilung der Arbeitszeit - herrscht, bestehen nicht.

II. Die Klage ist unbegründet. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin beträgt gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. [X.]/[X.] durchschnittlich 40 Wochenstunden. § 6 Abs. 1 Satz 1 TV-BA findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Zwar sind die Tarifverträge der [X.] arbeitsvertraglich in Bezug genommen, werden aber aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung durch die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der [X.] geltenden Fassung ([X.]/[X.]), an die der Beklagte kraft Verbandsmitgliedschaft gebunden ist (§ 3 Abs. 1 [X.]), verdrängt. Das folgt aus § 6c Abs. 3 Satz 3 iVm. Satz 2 SGB II.

1. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist mit Wirkung zum 1. Januar 2012 auf den Beklagten übergegangen. Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des - verfassungskonformen ([X.] 31. Januar 2019 - 8 [X.] - Rn. 50 ff., [X.]E 165, 278) - § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II für den gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt erfüllt waren. Die Klägerin war Arbeitnehmerin der [X.] und hatte am Tag vor der Zulassung des Beklagten als weiterem kommunalen Träger seit mindestens 24 Monaten Aufgaben der [X.] als Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen.

2. Mit dem gesetzlichen Übergang ist der Beklagte nach Maßgabe von § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II in alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der [X.] eingetreten.

a) Nach dieser Norm tritt der neue Träger im Falle des Übergangs nach Abs. 1 unbeschadet des Satzes 3 in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein, die im Zeitpunkt des Übertritts bestehen. Zu diesen Rechten und Pflichten gehören - neben allen anderen arbeitsvertraglichen Bestimmungen - auch diejenigen, die sich aus einer Bezugnahme auf Tarifverträge ergeben (vgl. zu § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zB [X.] 30. August 2017 - 4 [X.] - Rn. 43, [X.]E 160, 87; 23. September 2009 - 4 [X.] - Rn. 14 ff., [X.]E 132, 169).

b) De[X.]alb ist auch die Bezugnahmeklausel in § 2 der Änderungsvereinbarung Bestandteil des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Diese verweist [X.] auf den TV-BA, den [X.] sowie die für die [X.] geltenden sonstigen Tarifverträge, jeweils in der Fassung für das [X.]. Eine Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, insbesondere auf den [X.]/[X.] und den TVÜ-[X.], enthält die Klausel nicht. Bei diesen handelt es sich weder um die Tarifverträge der [X.] ergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge noch um für die [X.] jeweils geltende sonstige Tarifverträge (vgl. zu einer vergleichbaren Klausel [X.] 16. Mai 2018 - 4 [X.] - Rn. 17 ff. mwN).

c) Anders als der Beklagte meint, sind die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht gegeben. Es fehlt bereits an einer Regelungslücke.

aa) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit. Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, bedeutet noch nicht, dass es sich um eine planwidrige Lücke handelt. Von einer Planwidrigkeit kann nur dann die Rede sein, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich wäre, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist ([X.] 12. Dezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 25 mwN, [X.]E 164, 345; ebenso im Ergebnis für den Fall der dynamischen Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen bei einem Betriebsübergang auf einen weltlichen Erwerber: [X.] 21. Juni 2018 - 6 [X.] - Rn. 28 mwN; 23. November 2017 - 6 [X.] - [X.]E 161, 111).

bb) Eine Bezugnahmeklausel, die - [X.] - auf konkret bezeichnete Tarifverträge verweist, mag im Fall des späteren Übergangs eines Arbeitsverhältnisses auf einen Dritten aus der Sicht einer der Vertragsparteien als „lückenhaft“ empfunden werden. Diese Regelungslücke ist jedoch nicht automatisch planwidrig ([X.] 12. Dezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 27, [X.]E 164, 345 [zum Verhältnis Flächentarifvertrag - Haustarifvertrag]). Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes kommt es zu Betriebsübergängen und ein Übergang des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes kommt nicht nur theoretisch in Betracht (vgl. dazu zB die Fallgestaltung in [X.] 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - [X.]E 128, 157 [Übergang der Beschäftigten der [X.] und [X.]]). Insoweit wäre es den Arbeitsvertragsparteien unbenommen gewesen, für solche Fälle eine sog. große dynamische Bezugnahmeklausel ([X.]) in den Vertrag aufzunehmen (vgl. dazu [X.] 21. November 2012 - 4 [X.] - Rn. 30, [X.]E 144, 36; 16. Oktober 2002 - 4 [X.] - [X.]E 103, 141), wenn dies gewollt gewesen wäre. Anders als der Beklagte meint, besteht auch keine Vergleichbarkeit mit der Lage beim Übergang der Arbeitsverhältnisse im Rahmen der Postreform. Dort ist das Tarifwerk, auf das Bezug genommen worden war, nicht mehr fortgeführt worden (vgl. dazu [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 25 ff., [X.]E 138, 269).

3. § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II ordnet darüber hinaus im Wege der gesetzlichen Geltungserstreckung an, dass auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse die Tarifverträge anzuwenden sind, die für den übernehmenden Rechtsträger gelten, ohne dass es auf die [X.] des übergegangenen Arbeitnehmers ankäme (im Ergebnis ebenso [X.] 16. April 2015 - 6 [X.] - Rn. 17 f., [X.]E 151, 263; vgl. zu einer weiteren Form der gesetzlichen Geltungserstreckung [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 51, [X.]E 164, 201). Dies sind hier die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in der für den Bereich der [X.] geltenden Fassung.

a) Nach dem Wortlaut der Norm sind die „für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge“ anzuwenden. Maßgeblich für die Anwendung tariflicher Regelungen aufgrund dieser Bestimmung ist also, ob für die anderen - nicht für die übergehenden - Arbeitsverhältnisse des aufnehmenden Rechtsträgers Tarifverträge gelten. Nach § 4 Abs. 1 [X.] „gelten“ die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits [X.] (§ 3 Abs. 1 [X.]; vgl. zum Begriff der „Geltung“ auch [X.] 16. Oktober 2019 - 4 [X.] - Rn. 25). Voraussetzung ist damit in jedem Fall eine [X.] des aufnehmenden Rechtsträgers. Liegt eine solche vor, müssen nach § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II die entsprechenden Tarifverträge von ihm auch für alle übergehenden Arbeitsverhältnisse angewendet werden ([X.]. 17/1555 S. 20), ohne dass auf die [X.] der übergehenden Arbeitnehmer abgestellt wird. Ist der übernehmende Rechtsträger hingegen nicht tarifgebunden, ist für die Anwendung des § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II schon nach dessen Wortlaut kein Raum. Auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des übernehmenden Rechtsträgers würden in einer solchen Konstellation keine Tarifverträge gelten.

b) Im Streitfall findet danach, da der Beklagte Mitglied in der [X.] ist, das Tarifwerk des [X.]/[X.] auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft gesetzlicher Erstreckung Anwendung. Darüber hinaus gilt der [X.]/[X.] kraft beiderseitiger [X.] unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 [X.], § 3 Abs. 1 [X.]). Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

4. Eine Kollision zwischen den - auch - kraft gesetzlicher Erstreckung anwendbaren Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes und den vertraglich in Bezug genommenen Tarifverträgen für die [X.] folgt daraus im Arbeitsverhältnis der Klägerin aber nicht. Nach § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II sind vom Zeitpunkt des Übertritts an ausschließlich die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge anzuwenden. Die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge werden verdrängt; für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips bleibt kein Raum.

a) Bei aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifnormen handelt es sich rechtlich um einzelvertragliche Abreden. [X.] geltende und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel anwendbare Tarifnormen sind grundsätzlich streng voneinander zu unterscheiden (st. Rspr., vgl. zu § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zB [X.] 30. August 2017 - 4 [X.] - Rn. 43, [X.]E 160, 87; 17. Juni 2015 - 4 [X.] (A) - Rn. 14 ff.; 23. September 2009 - 4 [X.] - Rn. 14 ff., [X.]E 132, 169). Eine Kollision zwischen [X.] beiderseitiger [X.] für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 [X.]) zu lösen (st. Rspr., zB [X.] 12. Dezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 34, [X.]E 164, 345). Dieses - im [X.] nur unvollkommen geregelte - Günstigkeitsprinzip ist überdies Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle und auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes Geltung beansprucht ([X.] 16. September 1986 - [X.] 1/82 - zu [X.] 3 a der Gründe, [X.]E 53, 42; 5. März 2013 - 1 [X.] - Rn. 55 [zum Verhältnis Betriebsvereinbarung - Arbeitsvertrag]).

b) Die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifnormen für die [X.] finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gleichwohl keine Anwendung. Sie werden aufgrund der Regelung in § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II, nach der vom Zeitpunkt des Übertritts an die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge ausschließlich anzuwenden sind, kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung von denen des bei dem Beklagten geltenden Tarifwerks des [X.]/[X.] vollständig verdrängt (offengelassen in [X.] 31. Januar 2019 - 8 [X.] - Rn. 98, [X.]E 165, 278; 16. März 2016 - 4 [X.] - Rn. 23; hiervon ausgehend wohl 17. März 2016 - 6 [X.]/15 - Rn. 3, 19; 16. April 2015 - 6 [X.] - Rn. 17 f., [X.]E 151, 263). Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

aa) Maßgebend für die Gesetzesauslegung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Zu dessen Ermittlung sind der Wortlaut der Norm, die Systematik, Sinn und Zweck sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte heranzuziehen. Unter diesen anerkannten Methoden hat keine unbedingten Vorrang. Welche Regelungskonzeption der Gesetzgeber mit dem von ihm gefundenen Wortlaut tatsächlich verfolgt, ergibt sich uU erst aus den anderen Auslegungsgesichtspunkten. Wird daraus der Wille des Gesetzgebers klar erkennbar, ist dieser zu achten (vgl. [X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.] ua. - Rn. 74 f., [X.]E 149, 126; [X.] 16. Oktober 2019 - 5 [X.] - Rn. 15 mwN).

bb) Bereits der Wortlaut des § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II spricht für eine solche verdrängende Wirkung. Danach sind die beim übernehmenden Rechtsträger geltenden Tarifverträge „ausschließlich“ anzuwenden. Der Begriff „ausschließlich“ bedeutet - als Adverb verwendet - „nur, nichts anderes als“ ([X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.). So verstanden finden außer den für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträgen keine weiteren Tarifverträge Anwendung. Dies spricht gegen die Annahme, dass arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge unberührt blieben. Allerdings lässt der Wortlaut des Satzes 3 für sich betrachtet auch die Deutung zu, dass lediglich mögliche Kollisionen auf [X.] zugunsten der Tarifverträge des aufnehmenden Rechtsträgers gelöst werden sollten.

cc) Aus der Systematik der gesetzlichen Regelung wird die verdrängende Wirkung aber deutlich.

(1) § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II ordnet den Eintritt des übernehmenden Rechtsträgers in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen „unbeschadet“ des nachfolgenden Satzes an. Das Wort „unbeschadet“ drückt aus, dass neben Satz 2 weitere Rechtsnormen anwendbar sein sollen. Damit wird zwar nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Regelung gegenüber einer anderen zurücktritt (vgl. Handbuch der Rechtsförmlichkeit Rn. 87, BAnz. Beilage Nr. 160a vom 22. Oktober 2008; [X.] 2012, 31, 32). Die in § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II angeordnete Rechtsfolge soll aber durch den Eintritt des neuen Trägers in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen nicht beeinträchtigt werden. Anders formuliert reicht der Eintritt des neuen Trägers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nur so weit, wie sich nicht aus § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II etwas anderes ergibt (vgl. zu diesem Verständnis von „unbeschadet“ BVerwG 4. Juli 1986 - 4 [X.] 31.84 - BVerwGE 74, 315).

(2) Insoweit unterscheidet sich § 6c Abs. 3 SGB II von der Regelungssystematik des § 613a Abs. 1 BGB. Diese Norm trennt streng zwischen arbeitsvertraglichen Rechten und Pflichten einerseits und kollektivrechtlichen Regelungen andererseits ([X.]. nur [X.] 17. November 2010 - 4 [X.] - Rn. 23, [X.]E 136, 184). Abgesehen davon ist die Regelung auch im Übrigen auf den Fall des gesetzlichen Übergangs eines Arbeitsverhältnisses von der [X.] auf eine [X.] weder unmittelbar noch analog anwendbar ([X.] 31. Januar 2019 - 8 [X.] - Rn. 69 ff., [X.]E 165, 278).

(3) Im Übrigen ist zu beachten, dass das [X.] des § 6c Abs. 3 SGB II sowohl für den Fall gilt, dass ein kommunaler Rechtsträger nach Abs. 1 Aufgaben der [X.] übernimmt als auch bei der Beendigung einer solchen kommunalen Trägerschaft nach Abs. 2. In beiden Situationen erfolgt der Übergang des Personals nach denselben Bestimmungen und mit denselben Rechtswirkungen.

dd) Sinn und Zweck von § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II stützen dieses Auslegungsergebnis. Die Gesetzesmaterialien enthalten zwar keine ausdrücklichen Erwägungen zum Zweck der Norm. Die Anordnung der ausschließlichen Anwendbarkeit der für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge dient jedoch erkennbar der Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Organisationsstrukturen bei dem jeweils übernehmenden Rechtsträger.

(1) Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass im Wesentlichen alle mit der [X.] geschlossenen Arbeitsverträge eine Bezugnahmeklausel auf deren Haustarifverträge enthalten. Das Tarifwerk der [X.] ist zwar eng an dasjenige des öffentlichen Dienstes angelehnt, trägt jedoch gleichzeitig deren Besonderheiten, vor allem den unterschiedlichen Organisationsstrukturen und den speziellen bei der [X.] auszuübenden Tätigkeiten Rechnung. So ist insbesondere die Eingruppierung im TV-BA grundlegend abweichend von derjenigen im [X.]/[X.] geregelt. Nach § 14 Abs. 1 TV-BA werden alle in der [X.] auszuübenden Tätigkeiten von dieser in Fach- und Organisationskonzepten beschrieben und von den Tarifvertragsparteien Tätigkeits- und Kompetenzprofilen ([X.]) zugeordnet. Die in den [X.] festgelegten Anforderungen sind Grundlage für deren Zuordnung durch die Tarifvertragsparteien zu einer der acht [X.]n. Die Beschäftigten sind in der [X.] eingruppiert, der die ihnen nicht nur vorübergehend übertragene Tätigkeit zugeordnet ist. Die Zuordnung der Tätigkeiten zu [X.] und der [X.] zu [X.]n ist in den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten [X.] festgelegt. Dieses speziell auf die bei der [X.] auszuübenden Tätigkeiten und von dieser festgelegten Fach- und Organisationskonzepte abgestimmte Vergütungssystem ist nicht ohne praktische Schwierigkeiten auf eine andere Organisationsstruktur übertragbar, zumal die [X.] mangels Organisation[X.]oheit schon für die gemeinsamen Einrichtungen mit den Kommunen keine Fach- und Organisationskonzepte erstellen kann (vgl. im Einzelnen [X.] 12. Dezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 27 f., [X.]E 164, 326). Das kann im Einzelfall zu Regelungslücken führen, deren Schließung nicht oder nur schwierig möglich ist.

(2) Das der gesetzlichen Vorschrift zugrunde liegende [X.] wird auch mit Blick auf den in § 6c Abs. 2 SGB II geregelten umgekehrten Fall des Endes der Trägerschaft deutlich. Danach treten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des kommunalen Trägers, die am Tag vor der Beendigung der Trägerschaft Aufgaben anstelle der [X.] als Träger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II durchgeführt haben, zum Zeitpunkt der Beendigung der Trägerschaft kraft Gesetzes (wieder) in den Dienst der [X.] über. Die Vorschriften des § 6c Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 SGB II finden auf diesen Fall ebenfalls Anwendung. Auch hier konnte der Gesetzgeber annehmen, dass mit den [X.]n geschlossene Arbeitsverträge im Regelfall eine Bezugnahmeklausel auf das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes für den Bereich der [X.] enthalten. Nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers sollen auch in diesem Fall die Tarifverträge des übernehmenden Rechtsträgers - hier also der [X.] - aus Gründen der Anpassung an die besonderen Organisationsstrukturen ausschließlich Anwendung finden.

(3) Dass der Gesetzgeber mit der Anordnung einer ausschließlichen Anwendung der für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge lediglich den Fall einer Tarifkollision auf der [X.] regeln wollte, scheidet mangels relevanten Regelungsbedürfnisses aus.

(a) Galt in einem Arbeitsverhältnis vor dem gesetzlichen Übergang aufgrund beiderseitiger [X.] der TV-BA, entfällt dessen unmittelbare und zwingende Wirkung mit dem Übertritt (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.]), weil die [X.] nicht an diesen gebunden ist. Eine Nachbindung iSv. § 3 Abs. 3 [X.] tritt ebenso wenig ein, weil die Dienststellen der [X.] nicht in den Geltungsbereich des bei dem vormaligen Arbeitgeber geltenden [X.] fallen (vgl. zum [X.] aus dem Geltungsbereich eines Tarifvertrags [X.] 10. Dezember 1997 - 4 [X.] - zu 2 a bb der Gründe, [X.]E 87, 257; zur Rechtslage bei einem Betriebsübergang vor Einführung von § 613a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB [X.]. [X.] 13. Mai 1981 - 4 [X.] - [X.]E 35, 239; 26. September 1979 - 4 [X.] 819/77 - [X.]E 32, 113). Auch eine Nachwirkung vor dem gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses unmittelbar und zwingend geltender Tarifverträge kommt im Regelfall nicht in Betracht. Ist nämlich die [X.] - wie in den meisten Fällen - an den [X.]/[X.] gebunden, handelt es sich bei diesem, weil er ua. - ebenso wie der TV-BA - mit der [X.] abgeschlossen worden ist, um eine andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 [X.]. Zwar entfällt die Nachwirkung des abgelaufenen Tarifvertrags nur insoweit, wie die andere Abmachung denselben Regelungsbereich erfasst, also die andere tarifliche Abmachung die in den nachwirkenden Rechtsnormen behandelten Gegenstände betrifft ([X.] 3. Juli 2013 - 4 [X.] 138/12 - Rn. 32, 41; 21. Oktober 2009 - 4 [X.] 477/08 - Rn. 23). Im Grundsatz ist aber davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] die Tätigkeit eines jeden Beschäftigten des öffentlichen Dienstes erfassen (vgl. zum BAT [X.] 18. März 2015 - 4 [X.] 702/12 - Rn. 18 mwN) und die betroffenen Arbeitsverhältnisse vollständig und umfassend regeln wollten (vgl. auch [X.] 23. Januar 2019 - 4 [X.] 445/17 - Rn. 33, [X.]E 165, 100). Für nachwirkende Tarifbestimmungen aus dem Tarifwerk für die [X.] bliebe de[X.]alb in dieser Konstellation regelmäßig kein Raum.

(b) Nur für den Fall, dass ein Arbeitnehmer vor dem gesetzlichen Übergang seines Arbeitsverhältnisses aus der [X.] austritt, könnte auf der [X.] ein Regelungsbedürfnis bestehen (vgl. zum Fall des [X.]s aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags bei gleichzeitigem Verbandsaustritt [X.] 10. Dezember 1997 - 4 [X.] - zu 2 a bb der Gründe mwN, [X.]E 87, 257). Bei analoger Anwendung von § 4 Abs. 5 [X.] bliebe die Nachwirkung des zuvor unmittelbar und zwingend geltenden Tarifvertrags bestehen, wenn sie nicht durch die Anordnung der ausschließlichen Anwendung der für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers jeweils geltenden Tarifverträge verdrängt würde. Dafür, dass der Gesetzgeber aber gerade diesen Ausnahmefall vor Augen hatte und nur für diesen eine eigene gesetzliche Regelung schaffen wollte, ohne den wesentlich näher liegenden Fall der vertraglichen Bezugnahme auf die Tarifverträge der [X.] zu regeln, bestehen keine Anhaltspunkte.

ee) Weder aus der Gesetze[X.]istorie noch aus anderen Umständen lassen sich Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis der Norm entnehmen. Die mit diesem Inhalt seit dem 11. August 2010 geltende Norm ist - mit Ausnahme einiger sprachlicher Anpassungen - unverändert geblieben.

5. Das dargelegte [X.] begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings greift die gesetzliche Regelung in das Grundrecht der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG, einen Arbeitsvertrag frei zu schließen und daher auch dessen Inhalt au[X.]andeln zu können (vgl. [X.] 14. November 2018 - 1 BvR 1278/16 - Rn. 6 mwN), hinsichtlich in Bezug genommener Tarifnormen ein, weil sie deren Rechtswirkung verdrängt und es dadurch im Einzelfall auch zu einer Verlängerung der Arbeitszeit oder Verringerung der Vergütung kommen kann. Dieser Eingriff ist jedoch, insbesondere mit Blick auf die für den Regelfall gesetzlich angeordnete Anwendbarkeit eines anderen Tarifwerks des öffentlichen Dienstes und die [X.] in § 6c Abs. 5 SGB II, verfassungsrechtlich gerechtfertigt und verhältnismäßig, dh. geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ([X.] 31. Januar 2019 - 8 [X.] - Rn. 78 ff., 97 ff., [X.]E 165, 278; vgl. auch BVerwG 20. September 2018 - 2 [X.] 12.18 - Rn. 52). Andere arbeitsvertragliche Vereinbarungen als die Bezugnahmeklausel bleiben von § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II unberührt. Soweit der übernehmende Rechtsträger nicht tarifgebunden sein sollte, ist der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet, so dass es bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung und der Anwendung des in Bezug genommenen Tarifwerks bleibt (Rn. 22). Der Schutz des Arbeitnehmers vor dem Verlust tariflich umfassend ausgestalteter Arbeitsbedingungen - sei es auf [X.] - ist damit im Fall des Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 6c SGB II gewährleistet. Entgegen der Auffassung des [X.]s bedarf es de[X.]alb keiner verfassungskonformen Auslegung der Norm. Eine solche käme im Übrigen im Hinblick auf den klaren Willen des Gesetzgebers auch nicht in Betracht (vgl. [X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.] ua. - Rn. 73, [X.]E 149, 126; 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 78, [X.]E 128, 157).

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    W. Reinfelder    

        

    Rinck    

        

    Klug    

        

        

        

    P. Hoffmann    

        

    Häseler-Wallwitz    

                 

Meta

4 AZR 1003/13

11.12.2019

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Neubrandenburg, 14. März 2013, Az: 4 Ca 968/12, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2019, Az. 4 AZR 1003/13 (REWIS RS 2019, 530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 530

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