Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2005, Az. IX ZR 174/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 782

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 17. November 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 166 Abs. 2; BGB § 378 Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 166 Abs. 2 [X.] erstreckt sich nicht auf einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Drittschuldner unter [X.] auf die Rücknahme hinterlegten [X.]. [X.], Urteil vom 17. November 2005 - [X.] - [X.]

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2005 durch [X.] [X.], die Richter [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 31. Zivil-senats des [X.] vom 12. Juli 2004 und das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 19. Februar 2004 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin hatte am 24. Mai 2000 Globalabtretungen zugunsten der [X.]und der [X.]unterzeichnet. Am 11. Januar 2001 trat sie Ansprüche gegen eine I.

GmbH (fortan: Drittschuldnerin) an die Beklagten ab. Am 23. März 2001 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt; der 1 - 3 - Kläger wurde zum vorläufigen Verwalter bestellt. Am 25. April 2001 hinterlegte die Drittschuldnerin zugunsten der Schuldnerin, der Beklagten und der beiden Sparkassen unter Verzicht auf die Rückgabe einen Betrag von 28.934,75 DM. Am 1. Juni 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuld-nerin eröffnet. Der Kläger verlangt von den Beklagten unter Berufung auf sein Verwer-tungsrecht aus § 166 Abs. 2 [X.], aber auch unter dem Gesichtspunkt der In-solvenzanfechtung Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages an ihn sowie die Feststellung, dass die Beklagten vom 1. März 2003 an zur [X.] von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab-züglich der von der Hinterlegungsstelle gezahlten Zinsen verpflichtet sind. Das [X.] hat die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Bewilligung der Freigabe verurteilt. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung des [X.] auch die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen festgestellt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die voll-ständige Abweisung der Klage. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Abweisung der Klage. 3 I. - 4 - Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anspruch des [X.] auf Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrages folge aus § 166 Abs. 2 [X.]. Bei Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme trete Erfüllung erst mit der Auskehrung des hinterlegten Betrages an den wahren Gläubiger ein. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei dies noch nicht der Fall gewesen. Damit hätten auch die Sicherungszessionen noch fortgewirkt. Die Vorschrift des § 166 Abs. 2 [X.] wolle dem Insolvenzverwalter ermöglichen, das Vermögen des Schuldners zusammenzuziehen, etwaige Absonderungsrechte zu prüfen und bevorrechtigte Gläubiger zu befriedigen. Diese Interessenlage bestehe auch bei Prätendentenstreitigkeiten. Der Kläger habe auch Anspruch auf [X.], weil die Weigerung der Beklagten, der Auszahlung des Geldes an den Kläger zuzustimmen, die bislang unterbliebene Auszahlung zumindest mit verursacht habe. 4 II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 166 Abs. 2 [X.] erstreckt sich nicht auf einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 378 BGB unter Verzicht auf die Rücknahme hinterlegten [X.]. 5 1. Gemäß § 166 Abs. 2 [X.] darf der Verwalter eine Forderung einzie-hen oder in anderer Weise verwerten, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat. Voraussetzung ist, dass die sicherungshalber abge-tretene Forderung im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch besteht. Die dem Verwalter durch § 166 Abs. 2 [X.] eingeräumte vorrangige Verfügungs- und Einziehungsbefugnis beginnt erst mit der Eröffnung des [X.] ([X.], Urt. v. 15. Mai 2003 - [X.] ZR 218/02, [X.], 1367). 6 - 5 - Dem vorläufigen Insolvenzverwalter sind Verwertungs- und Abwicklungsmaß-nahmen aus eigenem Recht in der Regel nicht gestattet ([X.] 144, 192, 199; [X.], Urt. v. 15. Mai 2003, aaO). Das gilt auch für den vorliegenden Fall. 7 2. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war die abgetre-tene Forderung, die Grundlage der Hinterlegung war, bereits erloschen. Gemäß § 372 BGB kann der Schuldner einer Geldforderung die zu ihrer Tilgung erfor-derlichen Geldbeträge bei der Hinterlegungsstelle des zuständigen Amtsge-richts hinterlegen, wenn er infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Ist die Rücknahme der hinterlegten Sache ausgeschlossen, so wird der Schuldner durch die Hinterlegung von seiner Verbindlichkeit in gleicher Weise befreit, wie wenn er zur [X.] an den Gläubiger geleistet hätte (§ 378 BGB). Voraussetzung ist, dass der Schuldner - auch - den richtigen Gläubiger als Empfangsberechtigten benannt hatte ([X.], Urt. v. 10. Dezember 2004 - [X.], [X.], 1136, 1138). Gleichzeitig erlischt die Forderung des Gläubigers ([X.], Urt. v. 10. Dezember 2004, aaO; Urt. v. 8. Dezember 1988 - [X.] ZR 12/88, NJW-RR 1989, 200; [X.]/[X.], 4. Aufl. § 378 Rn. 6; [X.]/[X.] [2000], § 378 Rn. 8; [X.]/[X.], [X.]. § 378 Rn. 1). Die Entscheidung [X.] 1931 Nr. 683, auf die sich das Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht beruft, betraf die [X.] des § 14 [X.], die eine nach außen erkennbare "Annahme" der Leistung durch den Gläubiger voraussetzte. 3. Sinn und Zweck des § 166 Abs. 2 [X.] rechtfertigen keine Ausdeh-nung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift auf den Fall einer vor Eröff-nung des Insolvenzverfahrens erfolgten Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme. 8 - 6 - - 7 - a) Die Insolvenzordnung hat das Recht zur Verwertung beweglicher Sa-chen im Besitz des Insolvenzverwalters und zur Sicherung abgetretener Forde-rungen beim Insolvenzverwalter konzentriert (§ 166 [X.]). Dadurch soll die Herauslösung des Sicherungsgutes aus dem "technisch organisatorischen [X.]" durch einzelne Gläubiger verhindert werden (vgl. BT-Drucks. 12/2443, [X.] zu gg). Etwa vorhandene Chancen für eine zeitweilige oder dauernde Fortführung des Unternehmens des Schuldners [X.] so erhalten bleiben; zugleich soll dem Insolvenzverwalter ermöglicht [X.], durch eine gemeinsame Verwertung zusammengehörender, aber für un-terschiedliche Gläubiger belasteter Gegenstände einen höheren [X.] zu erzielen (vgl. BT-Drucks. aaO, [X.]). Ähnliche Überlegungen gelten für die Verwertung der zur Sicherung abgetretenen Forderungen des [X.] ([X.], Urt. v. 11. Juli 2002 - [X.] ZR 262/01, [X.], 1797, 1799 unter c). Oft wird der Verwalter überdies Unterlagen des Schuldners besitzen, die ihm die Einziehung der Forderung ermöglichen. Der gesicherte Gläubiger ist dage-gen ohne Unterstützung des Insolvenzverwalters häufig nicht in der Lage, die zur Sicherheit an ihn abgetretene Forderung festzustellen und möglichen [X.] entgegen zu treten (vgl. BT-Drucks. aaO, [X.]). 9 b) Im Falle einer Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme hat die Verwertung der Forderung demgegenüber bereits stattgefunden. Die Forderung des gesicherten Gläubigers ist durch die Hinterlegung des geschuldeten [X.] erfüllt worden. Mit der Erfüllung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat die Masse jegliche Verwertungsrechte verloren. [X.], die aus der Erfüllung folgen könnten, werden von § 166 Abs. 2 [X.] nicht erfasst (vgl. [X.], Urt. v. 15. Mai 2003, aaO S. 1367 f). Der hinterlegte Erlös kann nicht dem [X.] des schuldnerischen 10 - 8 - Unternehmens zugerechnet werden, der vor dem Zugriff Einzelner geschützt werden muss. Vielmehr geht es nur noch um die Verteilung des Erlöses, eines Geldbetrages also, der nicht der Masse, sondern Dritten zusteht. Absprachen der Prätendenten über die Verteilung können auch dann getroffen werden, wenn sich der Erlös nicht auf dem Konto des Verwalters befindet, sondern beim zuständigen Amtsgericht hinterlegt bleibt. Die Gefahr, dass der Drittschuldner sich auf die fehlende Aktivlegitimation des jeweiligen Anspruchsstellers beruft, besteht jedenfalls nicht mehr.
c) Eine erweiternde Auslegung des § 166 Abs. 2 [X.] ist schließlich auch nicht im Hinblick auf den Kostenbeitrag des § 171 [X.] angezeigt, den der Verwalter anderenfalls verlangen könnte und der ihm nun entgeht. Für [X.] abgetretene Forderungen, die vor Insolvenzeröffnung ausgeglichen worden sind, gebühren der Masse grundsätzlich keine Verwertungskosten. Ab-sonderungsberechtigte Gläubiger werden erst mit der Insolvenzeröffnung förm-lich in das Verfahren eingebunden. Vorher bleiben sie im Allgemeinen selbst dann einziehungsberechtigt, wenn das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insol-venzverwalter bestellt hat ([X.], Urt. v. 20. Februar 2003 - [X.] ZR 81/02, [X.], 694, 696 f; v. 20. November 2003 - [X.] ZR 259/02, [X.], 42). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Verwertungskosten können nicht mehr anfallen. Die in §§ 170, 171 [X.] vorgesehenen Beiträge sollen jedoch allein dazu dienen, die Insolvenzmasse von den Kosten zu entlasten, die für die Feststellung der Rechtslage sowie für die Verwertung der Gegenstände anfallen. Steht fest, dass die Gläubigergesamtheit durch die Verwertung nicht mit Aufwendungen belastet worden ist, besteht kein Anspruch der Masse auf Abführung der Ver-wertungspauschale ([X.], Urt. v. 20. November 2003, aaO [X.]). Der [X.] wird zwar Wirksamkeit und Reichweite der konkurrierenden Abtretungen zu 11 - 9 - prüfen haben. Das allein rechtfertigt eine direkte oder analoge Anwendung des § 166 Abs. 2 [X.] jedoch nicht. 12 4. Ist der Kläger nicht berechtigt, die Einwilligung der Beklagten zur Aus-zahlung des hinterlegten Betrages an sich zu verlangen, steht ihm auch kein Anspruch auf Verzugszinsen zu. [X.] Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als rich-tig (§ 561 ZPO). 13 1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 143, 131 Abs. 1 Ziff. 2 und 3, § 132 Abs. 2 [X.] sind nach dem eigenen Vorbringen des [X.] nicht erfüllt. Die Abtretung der Forderung gegen die Drittschuldnerin am 11. Januar 2001 hat wegen der vorrangigen Globalzessionen, deren Wirksamkeit der Klä-ger nicht in Zweifel zieht, nicht zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (§ 129 Abs. 1 [X.]) geführt. Entgegen der Ansicht des [X.] stellt der [X.], dass der Masse ein Anspruch auf Kostenbeiträge entgeht, keine Gläubi-gerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 [X.] dar (vgl. [X.], Urt. v. 20. November 2003, aaO [X.]). 14 2. Der Kläger hat auch die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB nicht schlüssig dargelegt. Er hat zwar darauf [X.], dass er die gegenüber der Abtretung an die Beklagten vorrangigen Globalzessionen anfechtungsrechtlich angegriffen habe, soweit die innerhalb der Frist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] in Rechnung gestellte Forderung gegen 15 - 10 - die Drittschuldnerin betroffen sei. Dass er insoweit tatsächlich [X.] gegen die beiden Sparkassen erhoben habe, hat er jedoch nicht behauptet. [X.] 16 Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, hat der Senat selbst eine Sachentscheidung zu treffen (563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen. Dr. [X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 4 O 207/03 - [X.], Entscheidung vom 12.07.2004 - 31 U 67/04 -

Meta

IX ZR 174/04

17.11.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2005, Az. IX ZR 174/04 (REWIS RS 2005, 782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 782

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