Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2003, Az. IX ZR 259/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 630

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/02Verkündet am:20. November 2003PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein [X.] §§ 166, 170 Abs. 2, § 171 Abs. 2 Satz 1, § 129a)Zieht der absonderungsberechtigte Gläubiger eine Forderung ein, ohne dazu [X.] ermächtigt worden zu sein, schuldet er der Masse nicht alleindeshalb zusätzlich zur Feststellungskostenpauschale auch die [X.].b)Hat der absonderungsberechtigte Gläubiger vor Insolvenzeröffnung eine Forde-rung nach Aufdeckung der Abtretung eingezogen, kann diese Rechtshandlungnicht mit der Begründung angefochten werden, der Masse sei die [X.] entgangen.[X.], [X.]eil vom 20. November 2003 - [X.]/02 - [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 20. November 2003 durch [X.] [X.] und [X.] Dr. [X.], Raebel, Dr. Bergmann und Villfür Recht erkannt:Die Revision gegen das [X.]eil des 15. Zivilsenats in [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 17. Oktober 2002 wirdauf Kosten des [X.] zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger ist Verwalter in dem am 16. August 2000 eröffneten Insol-venzverfahren über das Vermögen der [X.](nachfolgend: Schuldnerin). Die Schuldnerin ver-kaufte an ihre Kunden Heizkessel nebst Zubehör, die von der [X.] unterverlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt geliefert wurden.Am 13. Juni 2000 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag. Das Insol-venzgericht bestellte den Kläger am selben Tag zum vorläufigen Insolvenzver-walter. Am 19. Juni 2000 fand eine Besprechung des [X.] mit Vertretern der[X.] statt. Mit Schreiben vom 26. Juni 2000 forderte die Beklagte die [X.] der Schuldnerin auf, nicht mehr an diese, sondern an sie als Lieferan-tin zu zahlen. Die Beklagte hat auf diese [X.]e Zahlungen von insgesamt- 3 -277.997,03 DM erlangt und daraus 11.119,88 DM als [X.]an die Masse abgeführt.Der Kläger verlangt auch die [X.] in Höhe von7.106,88 n-ziehung der Forderungen unmöglich gemacht habe. Die Klage hatte in [X.] keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der [X.]ein Begehren weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision ist nicht begründet.[X.] Berufungsgericht hat die Klageabweisung auf folgende Erwägungengestützt:Ein [X.] nach § 143 Abs. 1 [X.] stehe dem Klägernicht zu, weil die Einziehung der Forderungen durch die Beklagte die [X.] nicht benachteiligt habe. Die im Wege eines verlängerten [X.] sicherungshalber abgetretenen Forderungen hätten [X.] der Gläubigergesamtheit nicht zur Verfügung gestanden, weil die [X.] zur abgesonderten Befriedigung berechtigt gewesen sei. Eine [X.]benachteiligung sei auch nicht darin zu sehen, daß der Masse durch die- 4 -Rechtshandlung der [X.] der Kostenbeitrag für die Verwertung entgan-gen sei. Dieser solle nicht das Schuldnervermögen erhöhen, sondern dessenVerminderung durch Aufwendungen für die Verwertung ausgleichen.Ein Bereicherungsanspruch komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Ein-ziehung der Forderungen habe das Schuldnervermögen nicht beeinträchtigt.Zwar sei der Kläger nach § 166 Abs. 2 [X.] zur Verwertung der [X.] gewesen. Einen Kostenbeitrag könne er jedoch nur dann [X.], wenn er die Verwertung selbst durchgeführt habe.[X.] gegen diese Erwägungen erhobenen Revisionsrügen greifen nichtdurch; dem Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.1. Der [X.] stand an den ihr im Wege des verlängerten Eigen-tumsvorbehalts übertragenen Forderungen aus dem Verkauf der [X.] ein Absonderungsrecht im Insolvenzverfahren über das Vermögen [X.] zu (vgl. [X.]Z 72, 308, 312; [X.], [X.]. v. 9. Dezember 1970 - [X.] 52/69, [X.], 71, 72; v. 28. Januar 1986 - [X.], NJW 1986,1174, 1175). Aufgrund der mit der Schuldnerin getroffenen Sicherungsverein-barung war sie dieser gegenüber vertraglich berechtigt, nach Offenlegung derAbtretung die Forderungen bei den [X.] einzuziehen (vgl. [X.]Z144, 192, 197).- 5 -2. Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen über den Zeitpunkt,zu dem die an die Beklagte abgetretenen Forderungen getilgt worden sind. Fürdie revisionsrechtliche Beurteilung ist daher davon auszugehen, daß bei der[X.] sowohl vor als auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zah-lungen der Drittschuldner eingegangen sind. Wie der [X.] hat, gebühren der Masse für sicherungshalber abgetretene Forderungen,die vor Insolvenzeröffnung durch Zahlung an den [X.] ausgeglichen worden sind, grundsätzlich keine Verwertungskosten.[X.] Gläubiger werden erst mit der Insolvenzeröffnungförmlich in das Verfahren eingebunden. Vorher bleiben sie im allgemeinenselbst dann einziehungsberechtigt, wenn das Insolvenzgericht einen vorläufi-gen Insolvenzverwalter bestellt hat ([X.], [X.]. v. 20. Februar 2003 - IX [X.]/02, [X.], 694, 696 f, z.[X.]. in [X.]Z 154, 72). Ob im Falle einer [X.] Ermächtigung an den vorläufigen Insolvenzverwalter zur Verwertungvon Gegenständen, die mit [X.] belastet sind, [X.] etwas anderes gilt (vgl. dazu [X.], [X.]. v. 20. Februar 2003, aaO), brauchtder [X.] nicht zu entscheiden. Im Streitfall ist eine entsprechende Anordnungnicht ergangen.3. Für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingezogenen Forde-rungen schuldet die Beklagte der Masse ebenfalls keine Verwertungskosten-pauschale nach §§ 170, 171 [X.].a) Allerdings ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das [X.] Verwertungsrecht an sicherungshalber abgetretenen Forderungen gemäߧ 166 Abs. 2 Satz 1 [X.] umfassend auf den Kläger als Insolvenzverwalterübergegangen (vgl. [X.], [X.]. v. 11. Juli 2002 - [X.], [X.], 1797,- 6 -1798 ff; v. 20. Februar 2003, aaO [X.]). Die Beklagte, die nicht [X.], ihr seien die sicherungshalber abgetretenen Forderungen vom Kläger ge-mäß § 170 Abs. 2 [X.] zur Verwertung im eigenen Namen überlassen worden,hat folglich mit der Fortsetzung der Einziehung nach Insolvenzeröffnung objek-tiv rechtswidrig gehandelt und war deshalb verpflichtet, dafür die Feststel-lungspauschale an die Masse abzuführen (vgl. [X.], [X.]. v. 20. Februar 2003,aaO), was unstreitig geschehen ist.b) Die Vorschriften der Insolvenzordnung über die Verwertung bewegli-cher Gegenstände enthalten keine direkte Aussage über die Rechtsfolgen ei-nes Verstoßes des absonderungsberechtigten Gläubigers gegen § 166 Abs. 2Satz 1 [X.]. Inhalt und Zweck der gesetzlichen Regelung sowie die [X.] liefern keinen Hinweis, der die Annahme rechtfertigt, der eigen-mächtig verwertende Gläubiger habe an die Masse über die Feststellungspau-schale hinaus nach §§ 170, 171 [X.] auch einen Betrag für die Kosten [X.] zu entrichten.aa) Die gesetzliche Regelung ist vom Gedanken der [X.]. Den Vorschlag der [X.], den [X.] einen Anteil am Verwertungserlös als "Verfahrensbeitrag" zu ent-ziehen, hat der Regierungsentwurf nicht aufgegriffen. Die gemäß §§ 170, 171[X.] vorgesehenen Beiträge sollen allein dazu dienen, die [X.] den Kosten zu entlasten, die, soweit ein Absonderungsrecht geltend ge-macht wird, für die Feststellung der Rechtslage sowie für die Verwertung [X.] anfallen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, [X.]; [X.], [X.]. v. 9. [X.] - [X.], z.[X.].).- 7 -bb) Die Ausrichtung daran, in welcher Höhe tatsächlich Verwertungsko-sten entstanden sind, kommt besonders deutlich in der Regelung des § 171Abs. 2 Satz 2 [X.] zum Ausdruck. Nach dieser Vorschrift ist die Pauschale von5 % des [X.] nicht anzusetzen, wenn tatsächlich erheblich hö-here oder niedrigere Kosten angefallen sind. Demnach ist grundsätzlich keinAnspruch der Masse auf Abführung einer [X.] gerechtfertigt,wenn feststeht, daß die Gläubigergesamtheit durch die Verwertung nicht [X.] belastet worden [X.]) Auf diesem Rechtsgedanken beruht auch die in § 170 Abs. 2 [X.]getroffene Regelung. Danach hat der Gläubiger, dem der [X.] zur Verwertung überlassen hat, einen Beitrag in Höhe der [X.] an die Masse abzuführen, weil dem Verwalter gleichwohl [X.] obliegt, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse hinsichtlich [X.] Gläubiger unter Berufung auf sein Sicherungsrecht in Anspruch genom-menen Sachen zu klären. Dagegen schuldet der Gläubiger in diesem Falle [X.], weil die Masse nicht mit entsprechenden Kostenbelastet wird.Nimmt der Gläubiger die Verwertung eigenmächtig vor, hat der [X.] gleichwohl die notwendigen Feststellungen zu den [X.] sowie zu Wirksamkeit und Umfang der vom Gläubiger geltend ge-machten Sicherungsrechte zu treffen. Aus diesem Grunde hat der [X.] derMasse den Anspruch auf die [X.] zuerkannt ([X.], [X.]. [X.] 2003, aaO). Dagegen ist auch in diesem Falle kein Verwertungs-kostenaufwand aus der Masse zu decken. Demgemäß ist es nur konsequent,ihr ebenso wie in dem von § 170 Abs. 2 [X.] geregelten Fall keine Pauschale- 8 -zuzuerkennen. Dies entspricht auch der im Schrifttum überwiegend vertretenenAuffassung (vgl. [X.] in [X.], [X.] § 170 Rn. 11; [X.],[X.] 12. Aufl. § 171 Rn. 3; [X.], ZIP 1999, 1734, 1739; [X.],EWiR 2003, 2728; [X.], Festschrift für [X.] S. 238, 252).dd) Dabei verkennt der [X.] nicht, daß dem Insolvenzverwalter dasumfassende Einziehungs- und Verwertungsrecht für zur Sicherung abgetreteneGegenstände auch deshalb eingeräumt worden ist, um ihm die Möglichkeit zugeben, diese massegünstig zu verwerten. Dies rechtfertigt jedoch keine allge-meine Vermutung, daß die Einziehung durch den [X.] sich regelmäßig für die Masse nachteilig auswirkt. Hat der [X.] unter Verstoß gegen § 166 [X.] verwertet, für die der Insolvenz-verwalter einen höheren Erlös hätte erzielen können, schuldet er in aller [X.]; denn § 166 [X.] ist als Schutzgesetz zugunsten der [X.]gesamtheit im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Der eigenmächtigvorgehende Gläubiger handelt insoweit auf eigene Gefahr. Dadurch sind dieberechtigten Interessen der Gläubigergesamtheit hinreichend geschützt. [X.] kein sachlich einleuchtender Grund dafür erkennbar, der Masse allein des-halb den Anspruch auf die [X.] zuzuerkennen, weilder Gläubiger die Verwertung ohne die Zustimmung des Insolvenzverwaltersvorgenommen hat. Im Streitfall hat der Kläger nicht behauptet, daß die Einzie-hung durch die Beklagte für die Masse finanzielle Nachteile zur Folge hatte.4. Hat die Beklagte somit keinen Vermögenswert auf Kosten der [X.], kommt ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nichtin [X.] 9 -5. Schließlich steht dem Kläger auch kein [X.] aus§ 143 Abs. 1 [X.] zu. Da nur die [X.] im Streit ist, fehlt esan Voraussetzungen, ohne die ein Anfechtungsrecht generell ausscheidet.a) Die Rechte aus der Sicherungsabtretung dürfen, soweit dem [X.] fällige gesicherte Ansprüche gegen den Schuldner zustehen und er [X.] aufgedeckt hat, bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahren nach ge-genwärtiger Rechtslage grundsätzlich uneingeschränkt gegenüber den Dritt-schuldnern geltend gemacht werden. In diesem Verfahrensstadium gibt es [X.] insolvenzrechtliche - insbesondere keine anfechtungsrechtliche - Norm, dieden Sicherungsnehmer an der Ausübung seiner Rechte hindert, weshalb der[X.] insoweit Ansprüche der Masse auf eine Feststellungs- oder Verwer-tungspauschale grundsätzlich verneint hat. Auch nach Eröffnung des Verfah-rens setzen sich die Interessen des Sicherungsnehmers gegenüber denjenigender Gläubigergesamtheit durch das ihm zustehende Absonderungsrecht imallgemeinen durch. Seine Rechtsstellung wird lediglich von den dem [X.] durch § 166 Abs. 2 [X.] eingeräumten Befugnissen berührt.Diese Ausgestaltung der Rechte des Sicherungsnehmers in der Insolvenz [X.] schließt es aus, vor der Eröffnung des Verfahrens Forde-rungseinziehungen, die auch aus insolvenzrechtlicher Betrachtung rechtmäßigvorgenommen wurden, mit Blick auf die nur für die Verwertung nach Verfah-renseröffnung geltenden Regeln der §§ 170, 171 [X.] den Anfechtungsregelnder §§ 129 ff [X.] zu unterwerfen.b) Davon abgesehen scheitert eine Anfechtung auch deshalb, weil [X.], daß der Masse durch die Einziehung der Forderungen im Eröff-nungsverfahren der Anspruch auf die [X.] entgeht, keine- 10 -Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 [X.] darstellt. Dies folgt ausdem für diesen Beitrag geltenden, bereits im einzelnen dargestellten Kostener-stattungsprinzip (vgl. [X.], [X.]. v. 9. Oktober 2003 - [X.], z.[X.].). [X.] ändert auch das vom Gesetzgeber gewählte Pauschalsystem nichts. Des-sen Anwendung kann im Einzelfall ebenso zu einer Vermehrung wie zu einerSchmälerung der Masse führen. Dies ist jedoch systembedingt, so daß [X.] Gläubigerbenachteiligung hergeleitet werden kann (im Ergebnis ebenso- 11 -HK-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 129 Rn. 58; [X.], in [X.][X.]/[X.], [X.]2. Aufl. § 129 Rn. 67a; [X.], ZIP 1999, 1734, 1739).[X.] [X.] Raebel [X.]

Meta

IX ZR 259/02

20.11.2003

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2003, Az. IX ZR 259/02 (REWIS RS 2003, 630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 630

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