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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 354/10 vom 6. Oktober 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen schweren Bandendiebstahls u. a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 6. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen: Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. Januar 2010 werden als unbegründet [X.], da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisions-rechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklag-ten ergeben hat. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: Aus einer informellen Vereinbarung über mögliche Rechtsfolgen ist - entgegen den insoweit erhobenen Verfahrensrügen - weder eine Bindung ge-mäß § 257c StPO noch ein durch das [X.] geschützter Vertrauens-tatbestand entstanden. 1. Nach übereinstimmenden Darstellungen der Urteilsgründe und der Revisionsführer bot die [X.] zu Beginn der Hauptverhandlung als Ge-genleistung für Geständnisse der Angeklagten milde Strafobergrenzen an. [X.] Angebot "traten die Angeklagten nicht näher" ([X.]). Nach mehreren Verhandlungstagen wurde vom Gericht ein neues Angebot unterbreitet: Danach sollten bei Geständnissen die schon früher angebotenen Strafobergrenzen [X.]; zusätzlich sollte wegen "rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung" eine - 3 - Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell in Höhe von sechs Monaten erfolgen; überdies sollte von der Staatsanwaltschaft "in diesem Fall wie üblich eine Halbstrafenmaßnahme befürwortet" werden ([X.]). Die Angeklagten "traten allerdings auch diesem Angebot nicht näher" ([X.]). Nach Durchführung der Beweisaufnahme legten die Angeklagten später Geständnisse ab. Das Tatgericht stellte fest, dass eine Verständigung nicht zu-stande gekommen sei; teilte aber mit, man könne "dem Gericht vertrauen". Die vom Landgericht festgesetzten Gesamtstrafen liegen (mäßig) über den angebo-tenen Obergrenzen; eine rechtsstaatswidrige Verzögerung ist nicht festgestellt. 2. Eine Verletzung von § 257c StPO ist schon deshalb nicht gegeben, weil eine Verständigung nach dieser Vorschrift ausdrücklich nicht zustande [X.] ist. Auch ein Vertrauenstatbestand ist nicht geschaffen worden. Nach [X.] war das "Angebot", eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung fest-stellen und durch Vollstreckungserklärung in Höhe von sechs Monaten "kom-pensieren" zu wollen, erkennbar fern liegend und von § 257c Abs. 2 StPO nicht gedeckt; es lag auf der Hand, dass eine Art. 6 Abs. 1 [X.] widersprechende Menschenrechtsverletzung nicht vorlag (59 Bandentaten mit unterschiedlicher Beteiligung bis August 2008: Anklage Dezember 2008; Eröffnungsbeschluss März 2009; Hauptverhandlung mit vier Angeklagten und acht Verteidigern ab 4. August 2009; Urteil nach 16 Hauptverhandlungstagen am 12. Januar 2010). Es ist schon zweifelhaft, ob durch die Beteiligung an einer solchen, § 257c StPO widersprechenden Absprache überhaupt ein Vertrauenstatbestand ge-schaffen werden könnte. Das gilt erst recht für "Angebote" und Absprachen, welche sich auf Zusagen beziehen, die nach § 257c Abs. 2 schon ihrer Art nach gar nicht Gegenstand von Absprachen sein dürfen, hier also eine "[X.] - Aussetzung" gemäß § 57 Abs. 2 StGB oder deren Befürwortung oder Beantra-gung. Hierauf kam es vorliegend im Ergebnis allerdings nicht an, weil schon die Bedingung des (rechtswidrigen) "Angebots" des [X.] offenkundig nicht eingetreten war: Die Angeklagten "traten dem Angebot nicht näher"; daher ist es fern liegend, dass sich aus diesem gleichwohl Ansprüche auf bestimmte Rechtsfolgen ableiten lassen sollten. Soweit zwischen Tatgericht und [X.] darüber gesprochen wurde, ob und warum man dem Gericht "vertrauen" solle, waren Gegenstand dieses Hinweises schon nach dem [X.] nicht etwa die früheren "Angebote", sondern ein allgemeines Vertrauen in Fairness und Unvoreingenommenheit des Gerichts, die selbstver-ständliche Pflichten sind und daher weder einer "Zusage" bedürfen noch [X.] auf Einhaltung rechtswidriger Absprachen begründen. Im Übrigen erscheint der Hinweis angezeigt, dass die Vorlage (gegebe-nenfalls mehrfach) "nachgebesserter Angebote" von Seiten des Gerichts zur Erlangung von verfahrensabkürzenden Geständnissen regelmäßig nicht tunlich ist. Erfolgen solche Angebote, wie hier, in der Weise, dass ein immer günstige-rer Verfahrensausgang angeboten wird, je länger Beschuldigte früheren Ange-boten "nicht näher treten", so führt dies sowohl in der Darstellung gegenüber
- 5 - den Verfahrensbeteiligten als auch in der öffentlichen Wahrnehmung leicht zu einem Eindruck eines "[X.]" des staatlichen Strafausspruchs, das mit der Würde des Gerichts kaum vereinbar ist. [X.]
Meta
06.10.2010
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2010, Az. 2 StR 354/10 (REWIS RS 2010, 2666)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 2666
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