Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.09.2017, Az. VII ZR 3/17

7. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5345

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Gegenstand

Bauvertrag: Auslegung der Vereinbarung über einen Einbehalt zur Sicherung etwaiger Mängelansprüche des Bestellers


Leitsatz

Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrags, dass ein Betrag von 5% der Netto-Schlussabrechnungssumme zur Sicherung einbehalten werden darf, der Unternehmer diesen Einbehalt durch eine Bankbürgschaft ablösen kann und weiter:

"Diese Sicherheit - gleich ob als Einbehalt oder als Bürgschaft - dient in dem Zeitraum von der Abnahme bis zum Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche dazu, die Rechte des AG bei Mängeln (§ 634 BGB) (inklusive Aufwendungsersatz und Kostenvorschuss bei Selbstvornahme), jedwede Schadensersatzansprüche des Auftraggebers (insbesondere gemäß der §§ 280 ff. BGB) und die Ansprüche des AG auf Erstattung von Überzahlungen aus diesem Vertrag (auch hinsichtlich geänderter und zusätzlicher Leistungen) abzusichern."

ist der Besteller jedenfalls während des vereinbarten Sicherungszeitraums nicht berechtigt, nachdem er den Betrag einbehalten hat, gegen diesen Restwerklohnanspruch mit einer Forderung aus einem anderen Vertrag aufzurechnen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des [X.] vom 23. Dezember 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem im April 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (im Folgenden: Auftragnehmerin). Er begehrt Restwerklohn in Höhe von insgesamt 10.486,40 € nebst [X.] für drei - von insgesamt acht - in den Jahren 2006 und 2007 durchgeführte Bauvorhaben, in denen die Auftragnehmerin für das Gewerk Sanitär und Heizung als Nachunternehmerin für die Beklagte tätig wurde.

2

Bei allen drei Vorhaben hatten die Beklagte und die Auftragnehmerin in den [X.] (jeweils Ziffer 13.3) vereinbart, dass ein Betrag von 5 % der Netto-Schlussabrechnungssumme zur Sicherung etwaiger Mängelansprüche von der Beklagten einbehalten werden durfte. Zu einer nach den vertraglichen Vereinbarungen jeweils möglichen Ablösung des [X.] durch eine Bankbürgschaft kam es nicht. In den [X.] heißt es gleichlautend weiter:

"Diese Sicherheit - gleich ob als Einbehalt oder als Bürgschaft - dient in dem Zeitraum von der Abnahme bis zum Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche dazu, die Rechte des [X.] (§ 634 [X.]) (inklusive Aufwendungsersatz und Kostenvorschuss bei Selbstvornahme), jedwede Schadensersatzansprüche des Auftraggebers (insbesondere gemäß der §§ 280 ff. [X.]) und die Ansprüche des AG auf Erstattung von Überzahlungen aus diesem Vertrag (auch hinsichtlich geänderter und zusätzlicher Leistungen) abzusichern."

3

Die Beklagte behielt vereinbarungsgemäß insgesamt die Klagesumme ein. Im November 2007 erklärte sie die Aufrechnung mit angeblichen, die Klageforderung übersteigenden Schadensersatzansprüchen gegen die Auftragnehmerin aus einem anderen Bauvorhaben.

4

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der [X.]eklagten hat keinen Erfolg.

I.

6

Das [X.]erufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Auftragnehmerin stehe aus den drei [X.]auvorhaben noch restlicher Werklohn in Höhe von 10.486,40 € zu, nachdem die Voraussetzungen für die Auszahlung der vertragsgemäß einbehaltenen Sicherheiten eingetreten seien. Die im Jahr 2007 erklärte Aufrechnung der [X.]eklagten ändere daran nichts.

8

Die Sicherheitseinbehalte seien jeweils bezogen auf das betreffende [X.]auvorhaben vereinbart worden. Dies stehe im Grundsatz einer Aufrechnung mit streitigen Ansprüchen aus einem anderen [X.]auvorhaben entgegen. Der (auf Ansprüche aus anderen [X.]auvorhaben beschränkte) Aufrechnungsausschluss folge - auch ohne ausdrückliche Vereinbarung - aus der Natur der [X.], mit deren besonderem Inhalt eine projektübergreifende Aufrechnung grundsätzlich nach [X.] und Glauben nicht vereinbar wäre. Ein Auftragnehmer könne, sollte eine Aufrechnung des Auftraggebers auch mit Forderungen aus anderen [X.]auvorhaben zugelassen werden, insbesondere im Fall sich ausweitender Vertragsbeziehungen, nicht mehr überblicken, zu welchem [X.]punkt ein Sicherheitseinbehalt tatsächlich zur Auszahlung gelangen werde. Der Sicherheitseinbehalt würde so, anders als grundsätzlich vorgesehen, nicht mehr mit Ablauf der Gewährleistungsfrist zur Auszahlung fällig, sondern zu einem unbestimmten [X.]punkt. Letztlich würde dadurch für den Auftraggeber eine Erhöhung der Sicherheit für weitere Projekte und Abrechnungen erreicht, wenn seine Ansprüche bei einem Vorhaben niedriger ausfallen als durch den jeweiligen Einbehalt abgesichert oder wenn solche Ansprüche - wie vorliegend - überhaupt nicht bestehen.

9

Auch die regelmäßig eingeräumte Möglichkeit der Ablösung einer solchen Sicherheit durch eine [X.]ürgschaft, die dann ebenfalls konkret auf das jeweilige [X.]auprojekt bezogen sei, spreche dafür, dass der Sicherheitseinbehalt regelmäßig nur der Sicherung von Ansprüchen aus dem konkreten [X.]auprojekt diene.

Schließlich führe der Umstand, dass vorliegend der Werkunternehmer vor Eintritt der Fälligkeit der [X.] insolvent geworden sei und sich dies bereits zum [X.]punkt der Aufrechnung abgezeichnet habe, zu keinem anderen Ergebnis. Ob ein vertragliches Aufrechnungsverbot einschränkend dahingehend auszulegen sei, dass es im Falle der Insolvenz gerade nicht gelten solle, weil sich durch die Insolvenz die zuvor bestehende Interessenlage grundsätzlich gewandelt habe, hänge von dem Zweck des jeweiligen [X.] ab. Dieser rechtfertige es hier, dem Auftraggeber auch im Fall der Insolvenz des Auftragnehmers zu verwehren, die einbehaltene Sicherheit anderweitig als im Rahmen der Abwicklung des konkret betroffenen Vertragsverhältnisses zu verwerten, also über ihren eigentlichen Zweck hinaus zu erweitern. Der Zweck der mit dem Einbehalt erzielten Sicherung des Auftraggebers und die ihm zugrunde liegende Interessenlage ändere sich durch den Eintritt des [X.] nicht.

II.

Diese [X.]eurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Restwerklohnansprüche der Auftragnehmerin gemäß § 631 Abs. 1 [X.]G[X.] aus den drei [X.]auvorhaben sind nicht durch die von der [X.] erklärten Aufrechnungen gemäß § 389 [X.]G[X.] erloschen. Diese Aufrechnungen sind aufgrund eines Aufrechnungsverbots, das rechtsgeschäftlich vereinbart werden kann (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 13. Juli 1970 - [X.], [X.]Z 54, 244, 246 f., juris Rn. 24; vom 12. Oktober 1983 - [X.], NJW 1984, 357, 358, juris Rn. 10), unwirksam. Die Vertragsparteien haben zwar den Ausschluss einer Aufrechnung mit Forderungen aus anderen Verträgen gegen die [X.] nicht ausdrücklich vereinbart. Er ergibt sich jedoch stillschweigend aus der Sicherungsvereinbarung der jeweiligen [X.]auverträge.

Das [X.]erufungsgericht hat die Vereinbarungen in Ziffer 13.3 dahin ausgelegt, dass die Sicherheit jeweils ausschließlich Rechte und Ansprüche aus demselben Vertrag absichern sollte. Das wird von der Revision im Ansatz nicht in Frage gestellt und lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Revision meint jedoch, die Möglichkeit der Aufrechnung gegen [X.] bestehe unabhängig von einer Vereinbarung ohne weiteres; die zusätzliche Gewährung von Sicherheiten könne diese Position nicht verschlechtern. Damit dringt die Revision im Ergebnis nicht durch. Die gegenteilige Auslegung des Vertrages durch das [X.]erufungsgericht lässt revisionsrechtlich beachtliche Fehler nicht erkennen. Sofern es sich bei der Vertragsbestimmung um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln sollte, was das [X.]erufungsgericht nicht festgestellt hat, führte dies nicht zu einem anderen Ergebnis.

1. Zu Recht geht die Revision davon aus, dass es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen um [X.] gemäß § 631 Abs. 1 [X.]G[X.] handelt. Aus der Natur derartiger Ansprüche ergibt sich nicht, dass Gegenforderungen aus anderen Verträgen nicht aufgerechnet werden dürfen oder können. Ebenso wenig verstößt es grundsätzlich gegen [X.] und Glauben, § 242 [X.]G[X.], wenn gegen solche [X.] die Aufrechnung mit Ansprüchen aus anderen Verträgen erklärt wird.

2. a) Die Vereinbarung eines [X.] ändert an der Rechtsnatur der Ansprüche des Unternehmers nichts. Auch der Anspruch auf Zahlung dieses (zunächst einbehaltenen) Teils der Vergütung bleibt ein Werk-lohnanspruch gemäß § 631 Abs. 1 [X.]G[X.] (vgl. [X.], Urteile vom 12. Juli 1979 - [X.], [X.] 1979, 525, 526, juris Rn. 17 f.; vom 6. Dezember 2007 - [X.], [X.], 510, 511, juris Rn. 19 = NZ[X.]au 2008, 174; vom 25. Mai 2010 - [X.], [X.]Z 185, 378 Rn. 14), der grundsätzlich mit der Abnahme fällig wird, § 641 Abs. 1 Satz 1 [X.]G[X.]. Die Vereinbarung bedeutet eine Verschiebung des Fälligkeitszeitpunkts nach hinten, um dem [X.]esteller während dieser [X.] eine Sicherheit für die durch den [X.] bestimmten Ansprüche (regelmäßig insbesondere Mängelansprüche) vor allem dadurch zu geben, dass er sich durch Aufrechnung befriedigen kann.

b) [X.]) Hierin erschöpft sich die [X.]edeutung der Vereinbarung eines [X.] jedoch nicht.

Eine beiderseits interessengerechte Auslegung führt dazu, dass die zu Gunsten des [X.]estellers hinausgeschobene Fälligkeit eines Teils des [X.] damit verbunden ist, dass gegen diesen, wenn von dem Einbehalt Gebrauch gemacht worden ist, jedenfalls während des vereinbarten Sicherungszeitraums nicht mit Forderungen aus anderen Verträgen aufgerechnet werden kann (im Ergebnis ebenso [X.], Sicherheiten für die [X.]auvertragsparteien, [X.], Stand: 10. August 2015, Rn. 175; [X.], jurisPR-Priv[X.] 4/2010 [X.]. 3; [X.]/[X.], VO[X.] Teile A und [X.], 20. Aufl., § 17 Abs. 1 VO[X.]/[X.] Rn. 22; vgl. auch [X.]eck'scher VO[X.]/[X.]-Kommentar/[X.], 3. Aufl., § 17 Abs. 1 Rn. 18; MünchKomm[X.]G[X.]/[X.], 7. Aufl., § 387 Rn. 60; [X.] in Erman, [X.]G[X.], 14. Aufl., § 387 Rn. 34, 40; [X.], [X.] 2015, 610 mit [X.]erkung Leidig/[X.]; [X.], [X.], 1587; [X.], Urteil vom 28. September 2000 - 19 U 888/00, juris; a.A. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2006 - 12 U 47/06, juris).

Wäre anzunehmen, dass sich die [X.] in einem bloßen Hinausschieben der Fälligkeit eines Teils der [X.] erschöpfte, hätte dies zur Folge, dass faktisch die länger vorhandene Möglichkeit der Aufrechnung auch als Sicherheit für weitere Ansprüche aus anderen Verträgen dienen könnte. Denn das ergäbe sich mangels anderweitiger Vereinbarung der Parteien ohne weiteres aus dem Gesetz (§ 387 [X.]G[X.]). Diese Wirkungen sind von dem Zweck der getroffenen Sicherungsvereinbarung nicht umfasst und zu ihrer Realisierung nicht notwendig.

Da es kein berechtigtes Interesse des [X.]estellers gibt, den ausdrücklich nur zur Sicherheit für Ansprüche aus diesem Vertrag vereinbarten Einbehalt mit weiteren Vorteilen zu verknüpfen, können beide Parteien [X.] diese Vereinbarung nur so verstehen, dass weitere Aufrechnungsmöglichkeiten der genannten Art stillschweigend ausgeschlossen sind. Dem entsprechend ist auch die weitere, als Austauschrecht des Unternehmers vereinbarte Art der Sicherheitsleistung, die [X.]eibringung einer [X.]ürgschaft, wegen ihrer Akzessorietät auf die zu sichernden Ansprüche beschränkt und führt zu keiner über den [X.] hinausgehenden [X.]esserstellung des [X.]estellers.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision bedeutet dieses Verständnis nicht, dass dem [X.]esteller eine ihm zustehende Aufrechnungsmöglichkeit genommen wird, obwohl die Sicherungsvereinbarung nur zu seinen Gunsten wirken soll.

Die Aufrechnungsmöglichkeit hat sich hinsichtlich des Teils des [X.], für den der Einbehalt vereinbart wurde, durch die Vereinbarung des [X.] verlängert und vergrößert. Denn ohne diese Vereinbarung wären die gegen den [X.]esteller gerichteten [X.] mit ihrer Fälligkeit beglichen worden und damit erloschen. Sie hätten dann nicht mehr als Aufrechnungsmöglichkeit für Forderungen zur Verfügung gestanden, die erst nach diesem [X.]punkt durchsetzbar entstanden oder bekannt wurden. An der Möglichkeit, bis zum [X.]punkt des Einbehaltens eines Teils des [X.] gegen den gesamten Werklohnanspruch auch mit Forderungen aus anderen Verträgen aufzurechnen, ändert sich nichts.

3. Zutreffend nimmt das [X.]erufungsgericht an, dass dieses Aufrechnungsverbot auch für den Fall der Insolvenz des Unternehmers Geltung beanspruchen soll. Die [X.] und der vereinbarte Einbehalt sollen wie dargelegt nur Ansprüche aus demselben Vertrag sichern. Die Vereinbarung des Aufrechnungsverbots schränkt die zum Vorteil des [X.]estellers eingeräumte Sicherheit durch Einbehalt nur auf das aufgrund des Zwecks der Sicherheit gewollte Maß ein. Der Zweck der Sicherheit wird durch die Insolvenz des Unternehmers nicht geändert.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick   

       

Halfmeier   

       

Jurgeleit

       

Graßnack   

       

[X.]orris   

       

Meta

VII ZR 3/17

14.09.2017

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 23. Dezember 2016, Az: 21 U 24/16

§ 157 BGB, § 280 BGB, §§ 280ff BGB, § 387 BGB, § 631 Abs 1 BGB, § 634 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.09.2017, Az. VII ZR 3/17 (REWIS RS 2017, 5345)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3437 MDR 2017, 1295-1296 WM2017,2170 REWIS RS 2017, 5345

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZR 3/17

Zitiert

VI ZR 205/09

12 U 47/06

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