Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.02.2023, Az. 3 StR 440/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1024

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafmilderung bei Kettenanstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln: Notwendiger Zusammenhang zwischen aufgedeckten und abgeurteilten Taten bei Aufklärungshilfe


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 9. August 2022 im Strafausspruch aufgehoben, jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten mit Ausnahme der die [X.] betreffenden; diese werden aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen zweier Fälle der Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen veranlasste der Angeklagte einen Drogenverkäufer dazu, ihm zwei Kilogramm Marihuana auf Kommissionsbasis aus den [X.] nach [X.]     liefern zu lassen, wo der Angeklagte einen Teil der Betäubungsmittel gewinnbringend verkaufte. Den Erlös übergab er dem Verkäufer eine Woche später bei einem erneuten Treffen, anlässlich dessen er zugleich eine weitere Lieferung bestellte. [X.] ließ der Verkäufer kurz darauf etwa 1,5 Kilogramm Amphetamin und 50 Gramm Kokain aus den [X.] nach [X.]     verbringen. Nach Übernahme dieser Drogen wurde der Angeklagte festgenommen. Bei seiner polizeilichen Vernehmung benannte er mehrere Personen, die in [X.]     „mit Betäubungsmitteln handeln würden“. Diese waren ihm auch aufgrund seines eigenen [X.]s bekannt. Infolge der Aussage leiteten die Behörden mehrere Ermittlungsverfahren ein. Gegen eine Person wurde Anklage unter anderem wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erhoben.

3

2. Das [X.] hat das Geschehen als zwei Fälle der (Ketten-)Anstiftung zur Einfuhr gewertet, jeweils begangen in Tateinheit mit Handeltreiben und bezogen auf Betäubungsmittel in nicht geringer Menge. Ferner hat es die Voraussetzungen einer Aufklärungshilfe nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG bejaht. Seine Würdigung, dass die offenbarten mit den abgeurteilten Taten in Zusammenhang gestanden hätten, hat es damit begründet, dass der Angeklagte die mitgeteilten Kenntnisse durch die eigene Einfuhr- und Handelstätigkeit erlangt habe. Unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrunds des § 31 BtMG hat die [X.] beide Taten als minder schwere Fälle gewürdigt und jeweils den Strafrahmen des § 30 Abs. 2 BtMG zur Anwendung gebracht.

II.

4

1. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist wirksam. Dieser kann losgelöst vom Schuldspruch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht selbständig beurteilt werden. Das gilt unabhängig davon, ob die konkurrenzrechtliche Bewertung des Geschehens durch das [X.] als zwei in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB verwirklichte Taten rechtlich zutrifft (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 4 [X.], [X.]R BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Konkurrenzen 2 Rn. 6 f. mwN). Wird die Nachprüfung des Schuldspruchs von keiner Seite begehrt, ist das Revisionsgericht an die konkurrenzrechtliche Würdigung des Tatgeschehens durch die Vorinstanz gebunden ([X.], Urteile vom 14. Mai 1996 - 1 StR 149/96, juris Rn. 4; vom 28. März 2018 - 2 StR 176/17, juris Rn. 20; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, [X.] 2022, 371 Rn. 14; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 344 Rn. 10; [X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 318 Rn. 17a).

5

2. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, da die Annahme einer Aufklärungshilfe nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG durchgreifenden Bedenken begegnet.

6

a) Die getroffenen Feststellungen belegen nicht den für eine Aufklärungshilfe nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG erforderlichen Zusammenhang zwischen den aufgedeckten und den abgeurteilten Taten. Das Gebot des Zusammenhangs soll sowohl das in § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB normierte [X.] sicherstellen als auch das Aufbrechen von geschlossenen Täterkreisen ermöglichen; die Vorschrift privilegiert deshalb nur Kronzeugen, die ihre unmittelbare Tatschuld reduzieren, indem sie zu ihrer eigenen oder zu einer mit dieser verbundenen Tat Kenntnisse offenbaren und dadurch zugleich die eigenen Kriminalitätsstrukturen aufdecken (vgl. im Einzelnen BT-Drucks. 17/9695 S. 6 f. zu § 46b StGB). § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG setzt deshalb voraus, dass die aufgeklärten und die abgeurteilten Taten Einzeldelikte eines kriminellen Gesamtgeschehens sind, also einen inneren und verbindenden Bezug aufweisen. Dieser Bezug ist zum Beispiel gegeben, wenn der Kronzeuge das tatbestandliche Handeln eines Mittäters offenlegt, wenn sich die aufgedeckte Tat als Teil einer Serie des Mittäters erweist, an welcher der Aufklärungsgehilfe jedenfalls in anderen [X.] beteiligt war, oder wenn er weitere Geschäfte seines Betäubungsmittellieferanten enthüllt (s. insgesamt etwa [X.], Urteil vom 20. März 2014 - 3 [X.], [X.], 619 Rn. 10; Beschluss vom 3. Februar 2021 - 4 [X.], StraFo 2021, 214, 215; [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 6. Aufl., § 31 Rn. 39 ff.; jeweils mwN).

7

Einen derartigen Bezug zwischen den Taten des Angeklagten und dem von ihm bekundeten [X.] anderer Personen hat das [X.] nicht festgestellt. Der notwendige Konnex folgt entgegen seiner Wertung insbesondere nicht daraus, dass der Angeklagte die offenbarten Informationen anlässlich des eigenen deliktischen Verhaltens oder aufgrund seiner Kontakte in das Betäubungsmittelmilieu erlangte. Allein der Umstand, dass sich die von ihm bezichtigten Personen ebenfalls in der Drogenszene [X.]     s bewegten und dort [X.] tätigten, stellt den von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG geforderten Zusammenhang nicht her (vgl. [X.], Urteil vom 25. September 2018 - 5 StR 251/18, [X.]St 63, 210 Rn. 16; Beschluss vom 1. Juli 2020 - 2 [X.], NStZ-RR 2020, 304, 305; jeweils mwN).

8

b) Danach kann dahinstehen, ob die zur Aufklärungshilfe getroffenen Feststellungen auch im Übrigen defizitär sind. Grundsätzlich bedarf es insoweit allerdings einer zumindest groben Schilderung der getätigten Angaben und der hieraus gewonnenen Ermittlungsergebnisse, um dem Revisionsgericht die Überprüfung des Aufklärungserfolgs zu ermöglichen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 [X.], [X.], 377, 378 mwN; MüKoStGB/[X.], 4. Aufl., § 31 BtMG Rn. 160, 165, 186 f.).

9

3. Der Strafausspruch beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Denn das [X.] hat ausgeführt, dass es ohne die Aufklärungshilfe jeweils keinen minder schweren Fall angenommen, sondern in beiden Fällen den Regelstrafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG angewandt hätte. Ungeachtet der Möglichkeit, aufklärende Angaben, die nicht die Voraussetzungen des § 31 BtMG erfüllen, ebenfalls als positives Nachtatverhalten strafmildernd zu würdigen ([X.], Beschluss vom 1. Dezember 1994 - 1 [X.], [X.], 193), ist nicht auszuschließen, dass die [X.] ohne die jeweilige Annahme des vertypten Strafmilderungsgrunds zu anderen Strafen gelangt wäre. Das gilt hier insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Urteil die offenbarten Informationen und das Gewicht des Aufklärungserfolgs nicht mitteilt.

4. Die Feststellungen sind von dem aufgezeigten [X.] unberührt. Sie können deshalb aufrecht erhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 [X.]). Lediglich die die Aufklärungshilfe betreffenden Feststellungen unterliegen der Aufhebung, um der nunmehr zur Entscheidung berufenen [X.] insoweit widerspruchsfreie eigene Feststellungen zu ermöglichen. Für die neue Hauptverhandlung wird darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG für jede der beiden Taten gesondert zu prüfen sein werden (s. etwa [X.], Beschluss vom 11. Februar 2020 - 4 StR 22/20, NStZ-RR 2020, 148 mwN).

5. Die Überprüfung des Urteils hat im [X.] keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten (§ 301 [X.]) ergeben.

Schäfer     

  

Anstötz     

  

Erbguth

  

Kreicker     

  

Voigt     

  

Meta

3 StR 440/22

09.02.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 9. August 2022, Az: 6 KLs 2090 Js 4306/22

§ 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 31 S 1 Nr 1 BtMG, § 26 StGB, § 46 Abs 1 S 1 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.02.2023, Az. 3 StR 440/22 (REWIS RS 2023, 1024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1024

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 251/18 (Bundesgerichtshof)

Absehen von Strafe bei Betäubungsmitteldelikt: Anforderungen an die Ermessensentscheidung bei Aufklärungshilfe; Berücksichtigung der Gründe für …


2 StR 299/22 (Bundesgerichtshof)


1 StR 213/17 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Voraussetzungen der Zulässigkeit der Schätzung des Wirkstoffgehaltes; Anforderungen an die Darlegung einer Aufklärungshilfe im …


3 StR 429/13 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmittelrecht: Anwendung der sog. "Kronzeugenregelung"


4 StR 22/20 (Bundesgerichtshof)

(Fakultative Strafmilderung nach dem BtMG bei einer Aufklärungshilfe)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.