Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.06.2021, Az. 3 B 19/20

3. Senat | REWIS RS 2021, 5113

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Voraussetzungen für die Anordnung einer Übermittlungssperre in den Fahrzeugregistern nach § 41 Abs. 2 StVG


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des ... [X.] vom ... wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde der [X.] bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegen die gerügten Verfahrensfehler vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

Der Kläger begehrt die Anordnung einer uneingeschränkten [X.] in den [X.] gemäß § 41 Abs. 2 des [X.] (StVG) für einen Pkw, dessen Halter er ist; nach dieser Regelung sind [X.]n auf Antrag der betroffenen Person anzuordnen, wenn sie glaubhaft macht, dass durch die Übermittlung ihre schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt würden.

3

Der Kläger handelt ... mit ..., die er auch transportiert und lagert. Seine Abnehmer sind insbesondere ...

4

Mit Bescheid vom 7. April 2016 ordnete die [X.] eine [X.] gemäß § 41 Abs. 2 StVG für den vom Kläger für Firmenzwecke genutzten Pkw an. Sie befristete die [X.] auf fünf Jahre und nahm von ihr unter Bezugnahme auf § 41 Abs. 3 StVG polizeiliche Anfragen und Anfragen von Bußgeldstellen aus.

5

Im Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht ... die [X.] verpflichtet, über eine Übermittlung einer [X.] nach § 41 Abs. 2 StVG unterliegender Daten des Antragstellers an Polizei oder Bußgeldstellen nur aufgrund einer einzelfallbezogenen Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Antragstellers und dem mit dem jeweiligen Auskunftsbegehren verfolgten öffentlichen Interesse zu entscheiden und den Antragsteller zuvor anzuhören, wenn nicht aufgrund aktenkundiger Umstände des Einzelfalls feststehe, dass die Anhörung dem Zweck der Übermittlung [X.]; im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde der [X.] hat das ... Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen.

6

Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht ... den Bescheid mit Urteil vom ... aufgehoben und die [X.] verpflichtet, für das Fahrzeug des [X.] eine [X.] nach § 41 Abs. 2 StVG ohne generelle Ausnahme von Anfragen von Polizei und Bußgeldstellen und ohne Befristung auf fünf Jahre zu erteilen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

7

Die Berufung der [X.] hat das ... Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom ... zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: [X.] sei die Verpflichtungsklage. Die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 StVG lägen vor. Sie seien erfüllt, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Wahrscheinlichkeit, dass dem Betroffenen eine Beeinträchtigung seiner Rechte drohe, gegenüber der Wahrscheinlichkeit für einen durchschnittlichen Fahrzeughalter mit dessen "allgemeinem Lebensrisiko" deutlich erhöht sei, und es zudem möglich erscheine, dass gerade die Übermittlung der Halterdaten zu einem solchen Angriff genutzt werde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen habe der Kläger durch seine im Berufungsverfahren wesentlich ergänzten und konkretisierten Angaben sowie die von ihm beigebrachten Unterlagen glaubhaft gemacht. Die Einschätzung des Senats werde durch die "Bescheinigung gemäß § 41 StVG" der Polizeidirektion ... vom 2. Dezember 2019 bestärkt, wonach er dort als gefährdet anzusehende Person betrachtet werde. Die Gründe dafür habe der in der Polizeidirektion für Gefährdungseinschätzungen zuständige Polizeibeamte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar erläutert. Die Gefährdungseinschätzung werde durch andere staatliche Stellen ... gestützt. Sei danach die Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Rechte drohe, deutlich erhöht, genüge die Möglichkeit, dass die Übermittlung der Halterdaten zur Herbeiführung dieser Beeinträchtigung genutzt werde, für die Annahme, sein schutzwürdiges Interesse würde durch die Übermittlung seiner Halterdaten beeinträchtigt. Weiterer gerichtlicher Aufklärungsmaßnahmen habe es danach nicht bedurft; insbesondere seien die von der [X.] in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge abzulehnen gewesen. Der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass ihm die [X.] erteilt werde, ohne dass Auskünfte an die Polizei und an Bußgeldstellen von der Sperre generell ausgenommen würden.

8

1. Die Rechtssache hat nicht die von der [X.] geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

9

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Regelung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das ist in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darzulegen und setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 S. 14).

a) Gemessen hieran hat die [X.] in Bezug auf die von ihr aufgeworfene Frage,

reicht die Glaubhaftmachung einer abstrakten Gefahr für die Annahme der Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen im Sinne von § 41 Abs. 2 StVG aus,

die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargetan.

Diese Frage würde sich im Revisionsverfahren nicht stellen. § 41 Abs. 2 StVG setzt für die Eintragung einer [X.] in den [X.] auf Antrag des Betroffenen, anders als das gemäß § 51 des Bundesmeldegesetzes ([X.]) für die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister der Fall ist, nicht eine "Gefahr" für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen voraus, sondern stellt darauf ab, ob der Betroffene glaubhaft macht, dass durch die Übermittlung seine schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt würden. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass mit Blick auf die in § 41 Abs. 2 StVG genannten Voraussetzungen die im Polizeirecht übliche Unterscheidung zwischen konkreter und abstrakter Gefahr nicht weiterführt ([X.]). Ausgehend davon hat es die vom Kläger insbesondere im Berufungsverfahren glaubhaft gemachten Umstände im Einzelnen angeführt und bewertet (vgl. dazu [X.] f. sowie nachfolgend unter 1.c), aus denen es herleitet, dass eine Übermittlung seiner Halterdaten zu einer Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen führen würde. Ob dieser Schluss zutrifft, ist eine Frage der Beurteilung des Einzelfalles und einer fallübergreifenden Klärung nicht zugänglich. Allein die Zugehörigkeit des [X.] zu einer bestimmten Berufsgruppe (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Februar 2017 - 6 B 49.16 - [X.] 402.42 § 51 [X.] Nr. 1) - hier der ...händler - hat das Berufungsgericht nicht ausreichen lassen, sondern auf seine individuelle berufliche Tätigkeit abgestellt. In der Sache wendet sich die [X.] in der Gestalt einer Grundsatzrüge gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Wertung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls.

b) Ebenso wenig rechtfertigt die Frage,

reicht die Einstufung, "eine Gefährdung ist nicht auszuschließen", für die Glaubhaftmachung der Annahme der Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen im Sinne von § 41 Abs. 2 StVG aus,

eine Revisionszulassung auf der Grundlage von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beantwortung dieser Frage wäre nicht entscheidungserheblich.

Bei dieser Frage bleibt unberücksichtigt, dass das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen von § 41 Abs. 2 StVG nicht deshalb selbständig tragend bejaht hat, weil der für die Gefährdungsbewertung innerhalb der Polizeidirektion ... zuständige Polizeibeamte den Kläger bei der Heranziehung des achtstufigen Prognoseschemas des [X.] auf der Stufe 7 eingeordnet hatte, was bedeute, dass eine Gefährdung nicht auszuschließen sei. Vielmehr hat das Berufungsgericht die vom Kläger im Berufungsverfahren insbesondere hinsichtlich des Umfangs und der Art der von ihm gehandelten ... wesentlich ergänzten und konkretisierten Angaben und die von ihm beigebrachten Unterlagen einer eigenständigen Prüfung und Bewertung unterzogen ([X.] f.). Darüber hinaus hat es den Polizeibeamten in der mündlichen Verhandlung als Zeugen gehört und zu den Gründen für diese Einstufung befragt (vgl. zu den Einzelheiten das Protokoll der mündlichen Verhandlung S. 2 ff.). Auf der Grundlage der daraus gewonnenen tatsächlichen Erkenntnisse ist das Berufungsgericht dann zu dem Ergebnis gelangt, die Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung drohe, sei gegenüber einem durchschnittlichen Fahrzeughalter deutlich erhöht. Danach - so das Berufungsgericht weiter - genüge die Möglichkeit, dass die Übermittlung der Halterdaten zur Herbeiführung einer solchen Beeinträchtigung genutzt werde, für die Annahme, sein schutzwürdiges Interesse würde "durch" die Übermittlung seiner Halterdaten beeinträchtigt ([X.]). Dem Einwand der [X.], das Ergebnis, eine "Gefährdung sei nicht auszuschließen" (Stufe 7), gelte immer und sei mithin für die Eintragung einer [X.] nicht ausreichend, ist das Berufungsgericht entgegengetreten. Die Stufe 7 stellt nach der Wertung des Berufungsgerichts weder nach ihrem Sinn und Zweck noch nach der tatsächlichen Handhabung im vorliegenden Fall die auch dem durchschnittlichen Fahrzeughalter zugestandene "Regeleinstufung" dar; sie spiegele ein besonderes Risiko des Betroffenen wider ([X.] f.).

Danach verfehlt die nach der Auffassung der [X.] revisionsgerichtlich zu klärende Frage die vom Berufungsgericht seiner Wertung zugrunde gelegten rechtlichen Obersätze. Ebenso wenig trifft vor dem Hintergrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die Behauptung zu, das Oberverwaltungsgericht sei lediglich vom allgemeinen und typischen Risiko eines ...[X.] ausgegangen. Letztlich wendet sich die [X.] auch hier gegen die Risikobeurteilung des Berufungsgerichts im vorliegenden Einzelfall, die sie für unzutreffend hält.

c) Die Frage,

reicht für die Annahme der Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen im Sinne von § 41 Abs. 2 StVG eine Bescheinigung der örtlichen Polizeidirektion aus, mit der lediglich festgestellt wird, dass der Kläger als gefährdet im Sinne des [X.] anzusehen sei,

führt ebenfalls nicht auf die von der [X.] begehrte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

Das Berufungsgericht bejaht das Vorliegen der Voraussetzungen von § 41 Abs. 2 StVG nicht deshalb, weil die Polizeidirektion ... dem Kläger unter dem 2. Dezember 2019 eine "Bescheinigung gemäß § 41 StVG" ausgestellt hatte, wonach er als gefährdet anzusehende Person im Sinne des Erlasses des ... betrachtet werde. Das Berufungsgericht sieht die Voraussetzungen von § 41 Abs. 2 StVG vielmehr deshalb als erfüllt an, weil der Kläger im Berufungsverfahren durch konkrete Angaben, die durch Belege gestützt würden, glaubhaft gemacht habe, dass er berufsbedingt allgemein einem deutlich höheren Angriffsrisiko ausgesetzt sei, und zwar zur Ermöglichung eines illegalen Zugriffs auf seine ... ([X.]).

Zu den tatsächlichen Umständen, die für diese Bewertung maßgeblich waren, hat das Berufungsgericht im Einzelnen gezählt ([X.] f.):

"Insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger nach seinen glaubhaften und durch Belege untermauerten Angaben zwei ... Lager unterhält, für die ihm Genehmigungen gemäß ... erteilt wurden, und er weitere Lagerstätten in anderen Bundesländern besitzt. Darüber hinaus wurden ihm ... weitgehend unbeschränkte Erlaubnisse ... zum Umgang mit ... erteilt. Dabei handelt er nach eigenen, mittels eidesstattlicher Versicherung und teilweise durch Belege glaubhaft gemachten und nicht substantiierten bestrittenen Angaben u.a. in nicht unerheblichem Umfang auch mit ...

Der Senat geht davon aus, dass der Umgang des [X.] mit den genannten ... Produkten zu einer gegenüber einem durchschnittlichen Fahrzeughalter deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung seiner Rechte führt. Das gilt insbesondere für das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden. Denkbar ist etwa, dass Dritte mittels Raub oder auch Entführung des [X.] versuchen werden, an ... zu gelangen."

Diese Einschätzung werde - wie das Berufungsgericht dem noch hinzufügt - durch die Bescheinigung der Polizeidirektion ... vom 2. Dezember 2019 "bestärkt" ([X.] 14). Diese Einordnung der Bescheinigung durch das Berufungsgericht macht deutlich, dass es die Bescheinigung der örtlichen Polizeidirektion zwar ergänzend herangezogen hat, diese Bescheinigung die gerichtliche Wertung, es sei eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen des [X.] glaubhaft gemacht, aber nicht alleine trägt.

Die tatsächlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht zur Bejahung der Voraussetzungen von § 41 Abs. 2 StVG geführt haben, hat die [X.] in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen; diese Umstände wären daher auch in dem von der [X.] angestrebten Revisionsverfahren zugrunde zu legen (§ 137 Abs. 2 VwGO).

d) Schließlich rechtfertigt auch die Frage,

ist bei Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Rechte droht, gegenüber einem durchschnittlichen Fahrzeughalter deutlich erhöht (ist), ausreichende Grundlage dafür, dass die Übermittlung der Halterdaten zur Herbeiführung dieser Beeinträchtigung genutzt wird, um anzunehmen, dass die Übermittlung der Halterdaten zur Herbeiführung dieser Beeinträchtigung genutzt und so ein schutzwürdiges Interesse durch die Übermittlung der Halterdaten beeinträchtigt wird,

keine Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung verweist die Beschwerde darauf, dass das Berufungsgericht in seiner Entscheidung die Auffassung vertreten habe, alleine die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen des jeweiligen Antragstellers lasse den Rückschluss zu, dass mit einer Beeinträchtigung im Zusammenhang mit einer etwaigen Übermittlung der Halterdaten gerechnet werden müsse, ohne dass konkrete Tatsachen hierzu vorgetragen werden müssten. Diese Auffassung teile sie nicht, sondern meine, dass gerade die Kenntnis der Halterdaten notwendig sein müsse, um eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen zu ermöglichen.

Die aufgeworfene Frage kann auf der Grundlage des Wortlauts sowie dem Sinn und Zweck der Regelung beantwortet werden, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Schon aus dem Wortlaut von § 41 Abs. 2 StVG (..."durch die Übermittlung"...) erschließt sich, dass eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen des Fahrzeughalters gerade wegen der Offenbarung seiner Halterdaten drohen muss. Es muss danach ein Kausalitätsverhältnis zwischen der Mitteilung dieser Daten und einer solchen Beeinträchtigung bestehen.

Das Berufungsgericht hat die erforderliche Kausalität hier bejaht. Der sachkundige Polizeibeamte konnte zwar kein konkretes Szenario benennen, in dem eine fingierte Halteranfrage für eine Gefährdung des [X.] eine Rolle spielen könne. Das Berufungsgericht hat gleichwohl eine Gefährdung des [X.] durch die [X.], also insbesondere seines Namens, seiner Anschrift und der seinen Fahrzeugen zugeteilten Kennzeichen (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a StVG), angenommen. Dass seine Adressdaten bei verschiedenen Ämtern bekannt und teilweise einsehbar seien und die Geschäftsadresse zeitweilig auf der Homepage des [X.] öffentlich zugänglich gewesen sei, ändere daran nichts. Der Umgang mit ... erfolge nicht am Geschäftssitz, sondern an ... Auf welche Weise etwaige Täter vorgehen würden, um an ... zu gelangen, ob sie also etwa auf Anschriften des [X.] angewiesen seien oder die Kenntnis seiner [X.] ausreiche, sei offen. Ein konkretes [X.] sei aber auch bei [X.]n zugunsten anderer Personen(gruppen) nicht bekannt. Das Berufungsgericht ist mithin unabhängig von einem konkreten [X.] davon ausgegangen, dass gerade die [X.] von Namen und Anschrift des [X.] mit den seinen Kraftfahrzeugen zugeteilten Kennzeichen etwaigen Tätern den unbefugten Zugriff auf ... jedenfalls erleichtern könne. Dass die Täter die ...orte möglicherweise auch auf andere Weise, also ohne Kenntnis dieser Halterdaten ausspähen könnten, stellt nicht in Frage, dass auch die Übermittlung der Halterdaten zu einer Beeinträchtigung der Interessen des [X.] führen kann. Einen weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.

Die Folgefrage, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass es durch die Übermittlung der Halterdaten zu einer solchen Beeinträchtigung kommt, für die Anwendung von § 41 Abs. 2 StVG vorauszusetzen ist, beantwortet das Berufungsgericht dahin, es genüge, dass es möglich erscheine, dass gerade die Übermittlung der Halterdaten zu einem Angriff genutzt werde ([X.] 2. Absatz sowie [X.] 3. Absatz). Einleitend hatte es zuvor auf allgemeine Grundsätze des Gefahrenabwehrrechts verwiesen, die insoweit zur Auslegung des § 41 Abs. 2 StVG herangezogen werden könnten. Danach seien umso geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des betroffenen Halters zu stellen, je schwerer die ihm drohende Beeinträchtigung wiege. Das gelte insbesondere, wenn dem betroffenen Fahrzeughalter durch die Übermittlung seiner Fahrzeugdaten eine Beeinträchtigung von Freiheit, Leib oder gar Leben drohe ([X.] 1. Absatz). Demgegenüber ist die [X.] der Auffassung, dass sich die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen gerade daraus ergeben müsse, dass die Halterdaten bzw. die Kenntnis von den Halterdaten hierfür unbedingt erforderlich sei (Beschwerdebegründung S. 17).

Aus dem Sinn und Zweck der Regelung, die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person zu schützen, ergibt sich jedoch, dass der zu fordernde Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem es zu einer Beeinträchtigung dieser Interessen durch die Übermittlung der Halterdaten kommen wird, wesentlich auch davon abhängt, welche schutzwürdigen Interessen im konkreten Einzelfall inmitten stehen. Er kann deshalb nicht für alle Fallgestaltungen vorab einheitlich festlegt werden. Es liegt ausgehend von den bereits vom Berufungsgericht dargestellten allgemeinen Grundsätzen (vgl. dazu in Bezug auf die Annahme einer Gefahr: [X.], Beschluss vom 14. September 2017 - 3 [X.] 4.16 - [X.] 442.40 § 29 LuftVG Nr. 8 Rn. 19 m.w.N.) auf der Hand, dass ein geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad und damit gegebenenfalls auch bereits die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen durch die Übermittlung der Halterdaten genügt, wenn so hochwertige Schutzgüter wie Leib und Leben des Fahrzeughalters betroffen sein können. Von einer solchen Bedrohungslage auch für Leib und Leben ist das Berufungsgericht im Falle des [X.] ausgegangen. Es hat angenommen, dass bei ihm die deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung seiner Rechte bestehe. Das gelte insbesondere für das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden. Denkbar sei etwa, dass Dritte mittels Raub oder Entführung des [X.] versuchen würden, an ... zu gelangen ([X.] 14). [X.] Verfahrensrügen hiergegen hat die [X.] - wie nachfolgend noch im Einzelnen darzulegen sein wird - nicht erhoben.

2. Eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO scheidet ebenfalls aus; nach dieser Bestimmung ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Verfahrensmangel ergibt sich nicht daraus, dass das Berufungsgericht den drei von der [X.] in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht nachgegangen ist.

a) Nach dem ersten Beweisantrag sollte das Gericht ein Sachverständigengutachten zum Nachweis dafür einholen, dass weder Terroristen noch andere Kriminelle versucht hätten, an die vom Kläger vertriebenen ... zu gelangen.

Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Antrag wegen der fehlenden Benennung konkreter [X.] einen Beweisermittlungsantrag gesehen, dem es deshalb nicht nachgehen musste. Es hat ohne Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO angenommen, dass die [X.] nicht in der erforderlichen Weise dargelegt habe und auch sonst nicht ersichtlich sei, welche Daten, Dokumente, sonstigen Gegenstände und/oder Örtlichkeiten der Sachverständige auf fehlende Angriffsspuren oder -indizien untersuchen solle. Die vermisste Konkretisierung ihres Beweisantrages hat die [X.] auch nicht vorgenommen, nachdem das Berufsgericht ihren Beweisantrag aus diesem Grund in der mündlichen Verhandlung abgelehnt hatte. Zudem wäre die in der Vergangenheit liegende (negative) Tatsache, auf deren Feststellung sich der Beweisantrag gerichtet hat, ausgehend von der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Mit Blick auf die vom Berufungsgericht in Bezug auf den Kläger festgestellten tatsächlichen Umstände, deren Vorliegen die [X.] nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen in Frage gestellt hat, wäre selbst dann, wenn es bisher noch zu keinen solchen Versuchen gekommen sein sollte, ein solches Risiko für die Zukunft nicht auszuschließen. Diese Einschätzung lag, wie der Zeuge bestätigt hatte, bereits der Bewertung der Polizeidirektion ... vom 2. Dezember 2019 zugrunde. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

b) Der zweite Beweisantrag der [X.] richtet sich darauf, dass ein Sachverständigengutachten zum Nachweis dafür eingeholt werden solle, dass der Täter für eine etwaige Bedrohungslage weder Kenntnis von der Wohnanschrift noch von den Kennzeichen der vom Kläger gehaltenen Fahrzeuge haben müsse.

Mit der Ablehnung dieses Beweisantrages hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen. Deren Umfang richtet sich nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 [X.] 11.96 - [X.]E 106, 115 <119> m.w.N.). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass für die Annahme, die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen würden, wie in § 41 Abs. 2 StVG vorausgesetzt, durch die Übermittlung der Halterdaten beeinträchtigt, bereits die Möglichkeit ausreiche, dass sie zur Herbeiführung dieser Beeinträchtigung genutzt würden ([X.]). Mit Blick auf diesen vom Berufungsgericht zugrunde gelegten materiell-rechtlichen Maßstab kommt es nicht darauf an, dass eine Kenntnis der Halterdaten für eine solche Beeinträchtigung notwendig ist, was durch die von der [X.] vermissten Beweiserhebung geklärt werden sollte. Das Berufungsgericht hat diesen Beweisantrag daher zu Recht als unerheblich erachtet und abgelehnt ([X.] 19).

c) Zu Recht ist das Berufungsgericht schließlich auch dem dritten Beweisantrag der [X.] nicht nachgegangen, es solle ein Sachverständigengutachten zum Nachweis dafür einholen, dass der Kläger weder konkreten Bedrohungen noch einer konkreten Gefahr aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sei.

Dieser Beweisantrag geht sowohl was die zu klärende Frage einer "konkreten Gefahr" als auch was das Vorliegen einer "konkreten Bedrohung" betrifft, an der für den Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts vorbei, welche Voraussetzungen für eine [X.] nach § 41 Abs. 2 StVG erfüllt sein müssen. Das Berufungsgericht geht - wie gezeigt - davon aus, dass § 41 Abs. 2 StVG anders als etwa § 51 Abs. 1 [X.] seinem Wortlaut nach nicht eine "Gefahr", sondern (lediglich) eine glaubhaft gemachte Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen des Betroffenen durch die Übermittlung der Halterdaten voraussetze, so dass - wie das Berufungsgericht festhält - die Unterscheidung zwischen konkreter und abstrakter Gefahr nicht weiterführe ([X.]). Nichts Anderes ergibt sich in Bezug auf eine "konkrete Bedrohung" durch eine Übermittlung der Halterdaten, deren ([X.] nach dem Beweisantrag der [X.] ebenfalls im Wege eines Sachverständigengutachtens geklärt werden sollte. Auch an dieser Stelle liegt dem Beweisantrag nicht der für die gerichtliche Aufklärungspflicht maßgebliche materiell-rechtliche Maßstab des Gerichts zugrunde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Meta

3 B 19/20

10.06.2021

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

§ 41 Abs 2 StVG, § 51 Abs 1 BMG, § 86 Abs 1 VwGO, § 86 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.06.2021, Az. 3 B 19/20 (REWIS RS 2021, 5113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5113

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