Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.06.2020, Az. 25 W (pat) 538/19

25. Senat | REWIS RS 2020, 169

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Heer/HEERA (Unionsmarke)" – Einrede mangelnder Benutzung – abweichende Benutzungsform – keine Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Marke - zur Kennzeichnungskraft – Warenidentität und-ähnlichkeit – unmittelbare Verwechslungsgefahr


Tenor

In der [X.]

 …     

betreffend die Marke 30 2015 107 209

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] aufgrund der Beratung vom 8. Juni 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des [X.] vom 7. Januar 2019 aufgehoben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren der Klasse [X.]; Mehle; Salz; Soßen [Würzmittel]; Gewürze“ zurückgewiesen worden ist.

Wegen des Widerspruchs aus der [X.] wird die Löschung der Marke 30 2015 107 209 in Bezug auf die Waren der Klasse [X.]; Mehle; Salz; Soßen [Würzmittel]; Gewürze“ angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am 23. Oktober 2015 angemeldete Bezeichnung

2

[X.]

3

ist am 8. Februar 2016 unter der Nummer 30 2015 107 209 als Wortmarke für die nachfolgenden Waren der [X.] eingetragen worden:

4

[X.]: Kaffee; Tee; Kakao; Zucker; [X.]; Tapioca; Sago; Kaffeeersatzmittel; Mehle; Getreidepräparate; Brot; feine Backwaren; feine Konditorwaren; Speiseeis; Honig; Melassesirup; Hefe; Backpulver; Salz; Senf; Essig; Soßen [Würzmittel]; Gewürze; Kühleis.

5

Gegen die Eintragung der am 11. März 2016 veröffentlichten Marke hat die Widersprechende als Inhaberin der am 13. November 2008 eingetragenen [X.]

6

[X.]

7

am Montag den 13. Juni 2016 Widerspruch erhoben.

8

Die [X.]smarke genießt Schutz für die nachfolgenden Waren:

9

Klasse 29: [X.], getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; getrocknete Linsen; Fruchtmark; Speiseöle;

[X.]: [X.], Mehl; Getreide, Getreideprodukte und mehlhaltige Produkte, alle für die menschliche Ernährung; Lebensmittelpräparate zum Backen, soweit sie in [X.] enthalten sind; feine Backwaren, Soßen, Gewürzmischungen (ausgenommen ätherische Öle) und Würzmittel;

Klasse 31: Obst und Gemüse; Samenkörner, Nüsse und Sämereien.

Die Markenstelle für [X.] des [X.] hat mit Beschluss vom 7. Januar 2019 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen. Die Inhaberin der angegriffenen Marke habe rechtswirksam die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Da aber schon nach [X.] keine Verwechslungsgefahr bestehe, könnten [X.] dahingestellt bleiben. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke auch im Zusammenhang mit identischen Waren den erforderlichen [X.] ein. In schriftbildlicher Hinsicht folge nur in der älteren Marke auf den gerundeten Buchstaben „R/r“ am Wortende der aus geraden Linien gebildete Buchstabe A, was nicht unbemerkt bleiben werde. Auch beim klanglichen Vergleich der Zeichen bewirke der Buchstabe „A“ am Ende der Widerspruchsmarke „[X.]a“ einen ausreichend deutlichen Unterschied gegenüber der angegriffenen Marke. Insoweit wirke sich auch der Umstand aus, dass es sich bei den [X.] jeweils um Kurzbezeichnungen handle. [X.] bezeichne das Wort „[X.]“ in der [X.] die Gattin des Gottes [X.]. Dagegen sei ein „[X.]“ eine Landstreitmacht, so dass sich vorliegend keine Synonyme gegenüberstünden.

Gegen die Entscheidung der Markenstelle wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Die Markenstelle sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Widerspruchsmarke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme und dass sich die [X.] auf ähnlichen bzw. identischen Waren begegnen könnten. Allerdings weise die Widerspruchsmarke gegenüber der angegriffenen Marke lediglich den Unterschied auf, dass sich an deren Ende der Buchstabe „A“ befinde. Im Übrigen seien die [X.] in den ersten vier Buchstaben identisch. Dabei wirke sich zusätzlich der Umstand verwechslungsfördernd aus, dass der Verkehr [X.] regelmäßig stärker beachte. Im Ergebnis müsse deswegen von einer hochgradigen Zeichenähnlichkeit ausgegangen werden. Demgegenüber seien etwaige Sinngehalte, welche von der Markenstelle in die sich gegenüberstehenden Zeichen hineininterpretiert würden, nicht geeignet, die [X.] ausreichend sicher auseinanderzuhalten bzw. die hochgradige klangliche Ähnlichkeit zu neutralisieren. Selbst wenn man in dem Widerspruchszeichen „[X.]“ den Namen der [X.] Göttin „[X.]“ erkennen wollte und in der angegriffenen Marke den Sinngehalt „Streitmacht“, weise keine dieser möglichen Wortbedeutungen einen unmittelbar warenbezogenen Sinngehalt auf. Daher würden sich den beteiligten Verkehrskreisen bei der Wahrnehmung der [X.] in Zusammenhang mit den relevanten Waren die betreffenden Bedeutungsgehalte nicht aufdrängten.

Auf den [X.] des Senats vom 10. März 2020 hat die Widersprechende ihren Widerspruch mit Schriftsatz vom 5. Mai 2020 in Bezug auf die nachfolgenden Waren der angegriffenen Marke der [X.] zurückgenommen:

„Kaffee; Tee; Kakao; Zucker; Tapioca; Sago; Kaffeeersatzmittel; Getreidepräparate; Brot; feine Backwaren; feine Konditorwaren; Speiseeis; Honig; Melassesirup; Hefe; Backpulver; Senf; Essig; Kühleis“.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 7. Januar 2019 aufzuheben soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren der [X.] „[X.]; Mehle; Salz; Soßen [Würzmittel]; Gewürze“ zurückgewiesen worden ist und wegen des Widerspruchs aus der [X.] die Löschung der angegriffenen Marke 30 2015 107 209 in Bezug auf die vorbezeichneten Waren anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt,

die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründung führt sie aus, dass keine relevante Zeichenähnlichkeit vorliege. Wegen des fehlenden Buchstabens „A“ am Wortende halte die angegriffene Marke den erforderlichen [X.] ein. Der Vokal „A“ am Wortende der Widerspruchsmarke könne selbst bei undeutlicher Aussprache nicht überhört werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Vokalen beim klanglichen [X.] eine besondere Bedeutung zukomme. Vorliegend führe der zusätzliche Buchstabe darüber hinaus dazu, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um ein zweisilbiges Wort, bei der angegriffenen Marke jedoch um ein einsilbiges Wort handle. Dies falle umso mehr ins Gewicht, als die Widersprechende ihre Marke in einer besonderen Schreibweise benutze, nämlich wie „[X.]“. Weiterhin träten die schriftbildlichen Übereinstimmungen im Erinnerungsbild des angesprochenen Verkehrs gegenüber den klanglichen Unterschieden zurück. Auch der unterschiedliche Bedeutungsgehalt der [X.] sei dazu geeignet, etwaige klangliche Ähnlichkeiten der Zeichen zu neutralisieren. Das gelte ungeachtet der Tatsache, dass beide Zeichen im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren keinen sachbeschreibenden Sinngehalt aufwiesen. Bezugnehmend auf den [X.] vom 10. März 2020 führt die Markeninhaberin noch aus, dass es nach der Rechtsprechung des [X.] für die Bejahung der Verwechslungsgefahr nicht ausreiche, dass ein Zeichen geeignet sei, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen. Im Übrigen werde weiterhin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Widersprechende hat auf die Einrede der Nichtbenutzung im Widerspruchsverfahren verschiedene Unterlagen zum Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke vorgelegt, insbesondere eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 20. Januar 2017. Nach der [X.] hat der Senat den für den 14. Mai 2020 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung abgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für [X.], die Schriftsätze der Beteiligten, den [X.] des Senats vom 10. März 2020, den schriftlichen Hinweis vom 6. Mai 2020, die Abladungsverfügung vom 5./6. Mai 2020 sowie auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat im zuletzt beschwerdegegenständlichen Umfang Erfolg. Die Widersprechende hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für einen Teil der von ihr beanspruchten Waren der [X.] glaubhaft gemacht, nämlich für „[X.]; Mehle; Gewürzmischungen (ausgenommen ätherische Öle) und Würzmittel“. Ausgehend hiervon besteht in Bezug auf die zuletzt noch beschwerdegegenständlichen Waren der angegriffenen Marke, nämlich „[X.]; Mehle; Salz; Soßen [Würzmittel]; Gewürze“ Verwechslungsgefahr im Sinne von § 125b Nr. 1 i.V.m. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.], so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 [X.] anzuordnen war.

1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. [X.] [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 64 Rn. 9 – Maalox/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – [X.]/pure; [X.], 833 Rn. 30 – [X.]/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 – [X.]; [X.] 2019, 173 – Combit/Commit). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu [X.], 343 Rn. 48 – [X.]/[X.]; [X.], 64 Rn. 9 – Maalox/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – [X.]/pure; siehe auch [X.]/ Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Waren oder der Dienstleistungen, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen Wortmarke

[X.]

und der [X.]swiderspruchsmarke

[X.]

im Zusammenhang mit den zuletzt noch beschwerdegegenständlichen Waren eine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 125b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

1.1 Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat bereits im Verfahren vor der Markenstelle des [X.] mit Schriftsatz vom 15. August 2016 in rechtswirksamer Weise die Nichtbenutzungseinrede erhoben. Da der Widerspruch vor dem 14. Januar 2019 erhoben worden ist, ist § 43 Abs. 1 [X.] gemäß § 158 Abs. 5 [X.] in der vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung ([X.] aF) anzuwenden.

Die pauschal bzw. undifferenziert erhobene Einrede der Nichtbenutzung ist als zulässige Einrede nach § 125 b [X.] m. § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] auszulegen, wobei sich die Beurteilung, ob eine [X.]smarke rechtserhaltend benutzt worden ist, nach Art. 15 [X.] richtet. Soweit eine Nichtbenutzungseinrede undifferenziert ohne konkrete Bezeichnung der beiden nach dem Gesetz in § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.] grundsätzlich vorgesehenen Einreden erhoben wird, ist dies regelmäßig als Erhebung beider Einreden zu verstehen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind (vgl. [X.], 714 Rn. 23 – [X.]; BPatG [X.], 286, 288 – Yosaya/[X.]; vgl. auch [X.]/Hacker/ Thiering, [X.], 12. Aufl., § 43 Rn. 26 m. w. N.). Vorliegend konnte die von der Inhaberin der angegriffenen Marke bereits im Verfahren vor der Markenstelle des [X.] im Schriftsatz vom 15. August 2016 erhobene Nichtbenutzungseinrede wirksam erhoben werden, weil die Widerspruchsmarke bereits seit 2008 im [X.]smarkenregister eingetragen ist und seitdem Schutz genießt. Die fünfjährige Benutzungsschonfrist ist seit 2013 abgelaufen, wobei die Benutzungsschonfrist auch vor der [X.] der Eintragung der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke am 11. März 2016 abgelaufen war. Die Widersprechende hat demzufolge die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Zeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.] in der bis 14. Januar 2019 gültigen Fassung glaubhaft zu machen (§ 158 Abs. 5 [X.]). Dies sind die Zeiträume von 11. März 2011 bis 11. März 2016 und im Hinblick auf den Entscheidungstermin von 8. Juni 2015 bis 8. Juni 2020.

Die von der Widersprechenden in der eidesstattlichen Versicherung vom 20. Januar 2017 an Eides Statt versicherten Umsatzzahlen für die [X.] und 2016 decken beide Zeiträume jeweils für ein volles Jahr ab, was noch als ausreichend angesehen werden kann.

Auch im Hinblick auf den Umfang der Benutzung reichen die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung aus. [X.] benutzt wird die [X.]smarke, wenn sie in üblicher und sinnvoller Weise für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, in der [X.] verwendet wird, um für diese einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch verwendet wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die [X.]igkeit der Benutzung ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren (vgl. [X.] [X.] 2003, 425 Rn. 38 – [X.]/Ansul; [X.], 582, 584 Rn. 70 – [X.]; [X.], 662 Rn. 12 – Probiotik; [X.], 925 Rn. 38 – [X.]). Die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke in den nach § 43 Abs. 1 [X.] maßgeblichen Zeiträumen unterliegt abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Untersuchungsgrundsatz dem Beibringungsgrundsatz und Verhandlungsgrundsatz (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 43 Rn. 5, 66). Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung vom 20. Januar 2017 hat die Widersprechende die Widerspruchsmarke in den genannten Zeiträumen zur Kennzeichnung der Waren „[X.]; Mehl; Gewürzmischungen“ benutzt. Dabei ist nicht zu verkennen, dass insbesondere mit der Ware „Mehl“ nur sehr geringe Umsätze erzielt wurden. In den Jahren 2015 und 2016 betrug der jährliche Mindestumsatz in [X.] lediglich … [X.] Pfund. Dieser Betrag ist angesichts des Umstandes, dass es sich bei Mehl um ein billiges Massenprodukt handelt, das in großem Umfang gehandelt wird, sehr gering. Jedoch ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsmarke zumindest über einen Zeitraum von zwei Jahren kontinuierlich benutzt worden ist. Nachdem auch sonst keine Umstände ersichtlich sind, die für eine Benutzung der Widerspruchsmarke nur zu dem Zweck der Erhaltung des Markenrechts sprechen könnten, reichen vorliegend nach der gebotenen Gesamtschau auch die sehr geringen Umsätze aus, um eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware „Mehl“ noch zu bejahen.

Auch die abweichende Verwendungsform der Widerspruchsmarke steht vorliegend einer rechtserhaltenden Benutzung nicht entgegen. Die Widersprechende hat die Widerspruchsmarke ausweislich der vorgelegten Benutzungsunterlagen in der nachfolgend abgebildeten Form benutzt,

Abbildung

bei der die Widerspruchsbezeichnung „[X.]“ in eine Art Siegel bzw. Emblem eingebunden ist und mit einem Greifvogel mit ausgebreiteten Schwingen als Bildbestandteil sowie zwei weiteren Wortbestandteilen ergänzt wird. Diese Form der Benutzung verändert den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht in entscheidungserheblicher Weise, so dass sie noch als rechtserhaltend nach § 26 Abs. 3 Satz 1 [X.] in der bis 14. Januar 2019 maßgeblichen Fassung (§ 158 Abs. 5 [X.]) angesehen werden kann. Bei den hinzugefügten Wort- und Bildbestandteilen handelt es sich um werbeübliche dekorative Zusätze ohne eigene kennzeichnende Wirkung. Die Wortbestandteile „Quality“ und „Product“ sind gegenüber dem Wortbestandteil „[X.]“ größenmäßig deutlich untergeordnet und als werbliche Anpreisung für sich genommen ohne Kennzeichnungskraft. Das Bildelement eines Adlers mit ausgebreiteten Schwingen und die Siegelform sind häufig benutzte Bildelemente, die der Verkehr in der vorliegenden Form der Benutzung eher als dekoratives Hervorhebungsmittel wahrnehmen wird ([X.]/Hacker/ Thiering, [X.], 12. Aufl., § 26 Rn. 185, 186; zur „Siegelform“: 25 W (pat) 557/14 – [X.]; 29 W (pat) 515/16 – Best Basics; die Entscheidungen sind über die Homepage des [X.] öffentlich zugänglich). Der Senat teilt nicht die Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke, dass bei der oben dargestellten Form der Benutzung der Widerspruchsmarke der Buchstabe „R“ größenmäßig besonders hervorgehoben werde, so dass sich das Widerspruchszeichen wie „[X.]“ lesen lasse. Vielmehr sind die Buchstaben „e“ und „r“ fast gleich groß. Auch insoweit gilt es zu berücksichtigen, dass der angesprochene Verkehr Marken so aufnimmt, wie sie ihm gegenübertreten, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 248).

1.2 Die noch beschwerdegegenständlichen Waren auf Seiten der angegriffenen Marke und die auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Produkte sind für die breiten Kreise der Verbraucher bestimmt. Dabei werden die Verbraucher dem Kauf dieser preisgünstigen Waren des täglichen Lebens, nur einen relativ geringen Grad an Aufmerksamkeit zukommen lassen.

1.3 Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich. Die originäre Kennzeichnungskraft einer Marke wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.], 75 Rn. 19 – [X.]; [X.], 283 Rn. 10 – [X.]/[X.] DEUTSCHE [X.]). Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die Eigenschaften, die die Marke von Haus aus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise gehören, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (st. Rspr.; [X.] [X.] Int 1999, 734 – [X.]; [X.] Int 2000, 73 – [X.]; [X.], 763 – [X.]/[X.]; [X.] [X.], 833 Rn. 41 – [X.]/[X.]; [X.], 1071 Rn. 27 – [X.]; [X.], 1066 Rn. 33 – Kinderzeit; [X.], 766 Rn. 30 – [X.]; [X.], 672 Rn. 21 – [X.]). Der Begriff „[X.]a“ weist im Zusammenhang mit den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren keinen sachbeschreibenden Sinngehalt auf, so dass insoweit von einer originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist. Hinweise für eine Schwächung oder Stärkung der originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft sind weder von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

1.4 Die sich gegenüberstehenden Waren sind identisch bzw. hochgradig ähnlich. Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren bzw. der Dienstleistungen besteht, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der [X.] wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten regelmäßig aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 59, vgl. z. B. [X.], 241, 243 – GeDIOS; [X.] 2015, 176 Rn. 16 – [X.]/[X.]). Die Waren „Mehle“ bzw. „Mehl“ und „[X.]“ werden von den [X.] identisch beansprucht. Die angegriffenen Waren „Salz; Soßen [Würzmittel]; Gewürze“ sind gegenüber den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren „Gewürzmischungen (ausgenommen ätherische Öle) und Würzmittel“ identisch bzw. hochgradig ähnlich. Gewürzmischungen enthalten regelmäßig sowohl Gewürze als auch Salz. So handelt es sich beispielsweise bei dem Produkt „Kräutersalz“ um eine Mischung aus Salz und getrockneten Kräutern bzw. Gewürzen. Weiterhin stammen die Vergleichswaren „Salz; Soßen [Würzmittel]; Gewürze“ und „Gewürzmischungen“ regelmäßig von denselben Herstellungsbetrieben her und sind für denselben Zweck bestimmt. Darüber hinaus werden im allgemeinen Sprachgebrauch die Begriffe „Gewürz“ und „Gewürzmischung“ synonym gebraucht. So wird das Produkt „Currypulver“ häufig als „Gewürz“ bezeichnet, auch wenn es sich bei Currypulver stets um eine „Gewürzmischung“ handelt.

1.5 Ausgehend hiervon wird die angegriffene Marke den strengen Anforderungen an den erforderlichen [X.] nicht mehr gerecht. Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im ([X.], im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.]. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. [X.], 79 Rn. 37 – [X.]/[X.] Club). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (so z.B. [X.] in [X.], 283 Rn. 37 – [X.] m.w.N.). Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente.

In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die [X.] zwar in Bezug auf die Vokalfolge, die Wortlänge und die [X.] aufgrund des in der Widerspruchsmarke zusätzlich vorhandenen Vokals „a“. Auf der anderen Seite stimmen sie im erfahrungsgemäß stärker beachteten Wortanfang bzw. in den ersten vier Buchstaben „[X.]“ identisch überein, wobei die jüngere Marke nur aus diesen vier Buchstaben besteht. Die angegriffene Marke ist damit vollständig in der Widerspruchsmarke enthalten. Auch in schriftbildlicher Hinsicht stimmen die [X.] in den ersten vier Buchstaben überein, wobei in beiden [X.] der schriftbildlich auffällige [X.] „[X.]“ enthalten ist. Ausgehend hiervon besteht die Gefahr, dass es bei der Kennzeichnung von identischen Waren trotz der vorhandenen verwechslungsmindernden Faktoren zu fehlerhaften Zuordnungen in Bezug auf die betriebliche Herkunft der so gekennzeichneten Waren kommt, so dass eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist. Nach Auffassung des Senats wirkt sich auch der Sinngehalt der [X.] nicht verwechslungsmindernd aus. Insbesondere handelt es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Fantasiewort, da der Name der [X.] Göttin „[X.]“ ohne [X.] geschrieben wird. Soweit die Bezeichnung „[X.]“ eine [X.]keit im Sinne des militärischen Begriffs der Landstreitkräfte darstellt („[X.], [X.], [X.]“), ist auch dieser Umstand nicht geeignet, die Verwechslungsgefahr in relevantem Umfang zu reduzieren, weil auch durch die Widerspruchsmarke aufgrund des [X.]s „[X.]“ entsprechende Assoziationen ausgelöst werden bzw. ausgelöst werden können.

1.6 Unter Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der [X.] bzw. faktischen [X.] und dem geringen Grad der Aufmerksamkeit des angesprochenen Verkehrs, sind die Unterschiede zwischen den [X.] nicht mehr ausreichend, um eine Gefahr von Verwechslungen zu verneinen, so dass der angegriffene Beschluss insoweit aufzuheben war.

2. Ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung war nur von der Widersprechenden gestellt worden, die im zuletzt beschwerdegegenständlichen Umfang voll obsiegt hat. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war demzufolge nicht mehr erforderlich, § 69 Nr. 1 und 3 [X.].

3. Zur Auferlegung der Kosten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] bietet der Streitfall keinen Anlass. Das markenrechtliche Registerverfahren ist von dem Grundsatz geprägt, dass jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat. Nur in Ausnahmefällen kann es aus Billigkeitsgründen aufgrund besonderer Umstände angezeigt sein, die Kosten ganz oder teilweise einem Beteiligten aufzuerlegen. Solche besonderen Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist bzw. der Verfahrensbeteiligte in einer nach anerkannten [X.] aussichtslosen Situation sein Interesse an dem Erhalt der Marke bzw. an der Löschung der angegriffenen Marke durchzusetzen versucht ([X.] [X.] 1972, 600, 601 – [X.]; [X.] 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung; siehe auch [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 71 Rn. 13 m. w. N.). Hiervon kann vorliegend schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil die Widersprechende nach der Teilrücknahme ihres Widerspruchs im Übrigen obsiegt hat.

Meta

25 W (pat) 538/19

08.06.2020

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 125b Nr 1 MarkenG, Art 15 EGV 207/2009, Art 18 EUV 2017/1001, § 125b Nr 4 MarkenG, § 158 Abs 5 MarkenG, § 43 Abs 1 MarkenG vom 25.10.1994, § 26 Abs 3 MarkenG vom 25.10.1994

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.06.2020, Az. 25 W (pat) 538/19 (REWIS RS 2020, 169)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 169

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