Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 475/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3994

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 475/14

Verkündet am:

14. Oktober 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 9.
September
2015 einge-reicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des
20.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
März 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 20.760,71

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und einer fondsgebundenen Le-bensversicherung.
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Diese wurden jeweils aufgrund eines Antrags [X.] mit [X.] zum 1.
Februar 1996 bzw. zum 1.
Juli 1998 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen [X.] (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen.
In den Jahren 2004 und 2005 kündigte [X.] beide Verträge; der Versicherer zahlte die [X.] Rückkaufswerte aus. Mit Schreiben vom
7.
Juli 2010 und vom 15.
Juni 2010 erklärte [X.] jeweils "den Widerspruch gem. §
5a [X.] a.F.
bzw. nach §
8 [X.], bzw. den Widerruf nach §
355 BGB".

Mit der Klage verlangt [X.] Rückzahlung aller auf die Verträge
geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt 20.760,71

.

Nach Auffassung [X.] sind die Versicherungsverträge
nicht wirk-sam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Ge-meinschaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

Der Versicherer hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt [X.] das Klagebegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe [X.] zwar nicht über das Widerspruchsrecht belehrt. Die Verträge
seien
aber je-weils gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der [X.] Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB.

a) Die zwischen den Parteien geschlossenen
Versicherungsverträ-ge
schaffen
keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Sie sind infolge der
Widersprüche
[X.] nicht wirksam zustande gekommen. Die
Wider-sprüche
waren
-
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer [X.] nicht i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. über das Widerspruchsrecht.
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Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen [X.] bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der [X.] und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn [X.] -
wie hier
-
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die vorherige Kündigung der Versicherungsverträge
steht dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom
7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung 13
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ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Aus den
wirksamen Widerspruchserklärungen
folgende berei-cherungsrechtliche Ansprüche waren bei Erhebung der Klage im Dezem-ber 2010
noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB nicht abgelau-fen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2010
beginnen, da [X.] erst in diesem Jahr die
Widersprüche
erklärte. Der nach einem Wider-spruch gemäß
§
5a [X.] a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte der Versiche-rungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 700 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.; vgl. weiter zur Rückabwicklung Senatsurteile vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 384/14, [X.], 1101
Rn.
35
ff.; [X.], [X.], 1104 Rn.
33
ff.).

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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.07.2011 -
9 [X.]/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 02.03.2012 -
20 U 178/11 -

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Meta

IV ZR 475/14

14.10.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 475/14 (REWIS RS 2015, 3994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3994

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 76/11

IV ZR 103/15

IV ZR 384/14

IV ZR 448/14

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