Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.05.2016, Az. 9 B 12/16

9. Senat | REWIS RS 2016, 11991

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Gegenstand

Auslegung einer Berufung als Antrag auf Zulassung der Berufung


Leitsatz

Eine durch einen Rechtsanwalt eingelegte Berufung kann nach Ablauf der Frist für die Beantragung der Zulassung der Berufung nicht mehr in einen Zulassungsantrag umgedeutet werden.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die auf die Revisionszulassungsgründe eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützt ist, hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

3

Der Kläger ist der Ansicht, der [X.]hof habe das eingelegte Rechtsmittel zu Unrecht als [X.]erufung angesehen und nach § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig verworfen. Der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung sei kein eigenständiges Rechtsmittel. Er könne daher auch in einem klar formulierten Antrag enthalten sein, der die Wörter "Zulassung der [X.]erufung" nicht enthalte. Damit kann er jedoch nicht durchdringen. Der [X.]hof ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger [X.]erufung eingelegt hat, obwohl wegen der fehlenden Zulassung der [X.]erufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO allein ein Antrag auf Zulassung der [X.]erufung statthaft gewesen wäre.

4

a) Das mit Schriftsatz vom 30. November 2015 eingelegte und ausdrücklich als [X.]erufung bezeichnete Rechtsmittel des [X.] kann nicht im Wege der Auslegung als Antrag auf Zulassung der [X.]erufung verstanden werden.

5

Prozesshandlungen der [X.]eteiligten unterliegen der Auslegung, zu der auch das Revisionsgericht ohne Einschränkung befugt ist. Die Auslegung hat den Willen des Erklärenden zu ermitteln. Dabei kommt es nicht auf den inneren, sondern auf den erklärten Willen an. Die Auslegung darf nicht am Wortlaut der Erklärung haften. Der maßgebende objektive Erklärungswert bestimmt sich danach, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss ([X.]VerwG, Urteil vom 27. August 2008 - 6 C 32.07 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 38 Rn. 23; [X.]eschlüsse vom 3. Dezember 1998 - 1 [X.] - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 6 S. 14, vom 9. Februar 2005 - 6 [X.] 75.04 - juris Rn. 8 und vom 10. Januar 2013 - 4 [X.] 30.12 - juris Rn. 2). Nach diesen Maßstäben kann der Schriftsatz des [X.] vom 30. November 2015 nicht als Antrag auf Zulassung der [X.]erufung, sondern nur als [X.]erufung verstanden werden.

6

Der Kläger hat ausdrücklich [X.]erufung gegen das Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2015 eingelegt. Dabei hat er das Wort "[X.]erufung" durch gesperrt gedruckte Großbuchstaben besonders hervorgehoben. Außerdem hat er beantragt, das Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2015 und den Grundsteuerbescheid der [X.]eklagten vom 27. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2014 aufzuheben. Er hat damit Anträge gestellt, wie sie nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO in der [X.]erufungsbegründung enthalten sein müssen. Eine auf die Zulassung der [X.]erufung gerichtete Antragstellung ist hingegen unterblieben. Darüber hinaus legt die Rechtsmittelbegründung im Schriftsatz vom 30. November 2015, wie dies zur [X.]egründung der [X.]erufung nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO erforderlich ist, die Gründe dar, aus denen das Urteil angefochten wird, nicht aber, welche Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegen.

7

Entgegen dem Vorbringen des [X.] umfasst die [X.]erufung nicht zugleich auch den Antrag auf Zulassung der [X.]erufung. Die beiden Rechtsbehelfe betreffen unterschiedliche Gegenstände. Der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung begehrt ausschließlich die Zulassung dieses Rechtsmittels durch das Oberverwaltungsgericht. Die [X.]erufung richtet sich gegen die Entscheidung des [X.] in der Sache. [X.]eide Rechtsbehelfe sind nicht austauschbar. Sie haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der [X.]erufung eröffnet die [X.] Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. März 1998 - 2 [X.] 20.98 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 2 S. 2 f.).

8

b) Die vom Kläger eingelegte [X.]erufung kann auch nicht im Hinblick darauf in einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung umgedeutet werden, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2015 gebeten hat, über die Zulassung zu entscheiden. Denn eine wie im Falle des sich selbst vertretenden [X.] durch einen Rechtsanwalt eingelegte [X.]erufung kann nach Ablauf der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht mehr in einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung umgedeutet werden ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 12. März 1998 - 2 [X.] 20.98 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 2 S. 3, vom 25. März 1998 - 4 [X.] 30.98 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 3 S. 4 und vom 10. Januar 2013 - 4 [X.] 30.12 - juris Rn. 4 m.w.N.). So liegt es hier.

9

Der Schriftsatz vom 21. Dezember 2015, auf den eine Umdeutung allein gestützt werden könnte, ist erst nach Ablauf der Antragsfrist beim [X.]hof eingegangen.

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Die vom Kläger der Sache nach für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen waren für die Entscheidung des [X.]hofs nicht maßgeblich. Sie betreffen sämtlich die [X.]egründetheit der [X.]erufung, weil sie sich auf die Rechtmäßigkeit des Grundsteuerbescheids beziehen, dessen Aufhebung der Kläger begehrt. Da der [X.]hof die [X.]erufung als unzulässig verworfen hat, brauchte er deren [X.]egründetheit jedoch nicht zu prüfen, so dass die genannten Fragen für ihn nicht entscheidungserheblich waren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Meta

9 B 12/16

02.05.2016

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 23. Dezember 2015, Az: 5 A 2691/15, Beschluss

§ 124a Abs 4 S 1 VwGO, § 124 Abs 2 VwGO, § 125 Abs 2 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.05.2016, Az. 9 B 12/16 (REWIS RS 2016, 11991)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11991

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Keine Auslegung einer "Berufung" in einen "Antrag auf Zulassung der Berufung"!


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