Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.04.2022, Az. 2 B 29/21

2. Senat | REWIS RS 2022, 2401

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Gegenstand

Auslegung bzw. Umdeutung einer Rechtsmittelschrift


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 7. April 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf einen Verfahrensmangel gestützte [X.]eschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht begründet.

2

1. Der im Jahr 1954 geborene Kläger war als Zollbetriebsinspektor im Dienst der [X.]eklagten beim [X.]auptzollamt [X.]... tätig. Er begehrt die Anerkennung eines Vorfalls als Dienstunfall.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen ohne die [X.]erufung zuzulassen. In der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung hat es darauf hingewiesen, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der [X.]erufung beantragt werden kann.

4

Innerhalb der Rechtsmittelfrist haben die [X.]evollmächtigten des [X.] einen mit "[X.]erufung" überschriebenen Schriftsatz beim Verwaltungsgericht eingereicht, in dem es heißt, dass gegen das Urteil des [X.] [X.]erufung eingelegt und die [X.]erufungsbegründung nachgereicht werde. Mit Verfügungen vom 22. Januar und 1. März 2021 hat das Oberverwaltungsgericht die [X.]eteiligten darauf hingewiesen, dass die [X.]erufung unzulässig sein dürfte und beabsichtigt sei, durch [X.]eschluss gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO zu entscheiden. Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, dass die "[X.]erufung" als "Antrag auf Zulassung der [X.]erufung" auszulegen sei. Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung des [X.] verworfen. Zur [X.]egründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das mit [X.] eingelegte Rechtsmittel könne nicht als Antrag auf Zulassung der [X.]erufung ausgelegt werden. Dem stehe der eindeutige Wortlaut des Schriftsatzes entgegen. Außerdem könne die [X.]erufung des [X.] jedenfalls deshalb nicht in einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung umgedeutet werden, weil die insoweit notwendige Klarstellung des wirklichen [X.]egehrens nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist erfolgt sei.

5

2. Die Revision ist nicht wegen eines [X.] gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

6

a) Sofern das [X.]eschwerdevorbringen bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung dahingehend zu verstehen sein sollte, es werde als [X.] gerügt, dass das Oberverwaltungsgericht den vom Kläger eingelegten Rechtsbehelf nicht unabhängig vom Schriftsatz vom 16. März 2021 als Antrag auf Zulassung der [X.]erufung gedeutet hat, wird damit kein Verfahrensfehler dargetan.

7

Prozesshandlungen der [X.]eteiligten eines Rechtsstreits unterliegen der Auslegung, zu der auch das Revisionsgericht ohne Einschränkung befugt ist. Die Auslegung hat den Willen des Erklärenden zu ermitteln. Dabei kommt es nicht auf den inneren, sondern auf den erklärten Willen an. Die Auslegung darf freilich nicht am Wortlaut der Erklärung haften. Der maßgebende objektive Erklärungswert bestimmt sich danach, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. März 2018 - 4 [X.] 14.18 - juris Rn. 5).

8

Danach ist hier nicht zweifelhaft, dass die [X.]evollmächtigten des [X.] mit dem Schriftsatz vom 14. Januar 2021 [X.]erufung eingelegt, nicht aber einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung gestellt haben. Der Schriftsatz ist mit "[X.]erufung" überschrieben und es wird die Einreichung einer [X.]erufungsbegründung angekündigt. Die [X.]eteiligten werden u.a. als "[X.]erufungskläger" bzw. "[X.]erufungsbeklagte" bezeichnet. Schließlich ist unter dem 12. Februar 2021 eine - auch ausdrücklich so bezeichnete - [X.]erufungsbegründung eingereicht worden. Angesichts der eindeutigen [X.]ezeichnung des Rechtsmittels und in Ermangelung jedes anderweitigen objektiven [X.] scheidet eine Auslegung des Rechtsmittels als Antrag auf Zulassung der [X.]erufung auch vor dem [X.]intergrund aus, dass allein dieser Rechtsbehelf statthaft gewesen wäre.

9

Eine Umdeutung des mit Schriftsatz vom 14. Januar 2021 eingelegten Rechtsmittels in einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung losgelöst von einer klarstellenden Erklärung des [X.] kommt nicht in [X.]etracht, weil [X.]erufung und Antrag auf Zulassung der [X.]erufung nicht auf das gleiche Ziel gerichtet sind (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 12. März 1998 - 2 [X.] 20.98 u.a. - [X.]uchholz 310 § 124a VwGO Nr. 2 S. 2 f., vom 7. Februar 2005 - 2 [X.] 104.04 - [X.]uchholz 310 § 67 VwGO Nr. 103 S. 11 und vom 15. März 2018 - 4 [X.] 14.18 - juris Rn. 7).

b) Auch die sonst vom Kläger gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

Der Kläger macht insoweit geltend, er habe erst am 1. März 2021 Kenntnis von der gerichtlichen Mitteilung vom 22. Januar 2021 erhalten, mit der auf die Unzulässigkeit der [X.]erufung hingewiesen worden sei. Daraufhin habe er innerhalb der gesetzten Stellungnahmefrist reagiert und beantragt, sein Rechtsmittel in einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung umzudeuten. Ihm sei somit jede Möglichkeit genommen worden, auf den [X.]inweis vom 22. Januar 2021 zu reagieren.

Aus diesem Vorbringen ergibt sich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Schon nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger auf den gerichtlichen [X.]inweis zur Unzulässigkeit der [X.]erufung reagiert und einen Antrag auf Umdeutung seines Rechtsmittels gestellt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs wird nicht dadurch verletzt, dass das Gericht einer vorgetragenen Rechtsansicht nicht folgt.

Im Übrigen ist der mit Schriftsatz vom 16. März 2021 gestellte [X.] des [X.] erst nach Ablauf der Frist für die Stellung eines Antrags auf Zulassung der [X.]erufung bei Gericht eingegangen. Nach Ablauf der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO kann eine [X.]erufung nicht (mehr) in einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung umgedeutet werden (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 12. März 1998 - 2 [X.] 20.98 u.a. - [X.]uchholz 310 § 124a VwGO Nr. 2 S. 3 und vom 10. Januar 2013 - 4 [X.] 30.12 - juris Rn. 4 m.w.N.).

Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, ob dem Kläger der ursprüngliche [X.]inweis vom 22. Januar 2021 zugegangen ist oder nicht, denn ein bereits auf diesen früheren [X.]inweis gestellter [X.] hätte ebenfalls wegen der auch zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenen Rechtsmittelfrist erfolglos bleiben müssen.

Weshalb der angegriffene [X.]eschluss angesichts der Tatsache, dass dem Kläger die Auffassung des [X.]erufungsgerichts zur Unzulässigkeit der [X.]erufung bekannt war, eine unzulässige Überraschungsentscheidung sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Vor dem [X.]intergrund der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Umdeutung von Rechtsbehelfen musste er vielmehr damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht keine Umdeutung seiner [X.]erufung in einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung vornehmen würde.

3. [X.] folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

2 B 29/21

27.04.2022

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 7. April 2021, Az: 5 Bf 18/21, Beschluss

§ 124a Abs 4 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.04.2022, Az. 2 B 29/21 (REWIS RS 2022, 2401)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2401

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9 ZB 23.79

9 ZB 22.1519

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