Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2011, Az. X B 43/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 10345

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Gegenstand

Grundsätzliche Bedeutung; Gesamtplan-Rechtsprechung


Leitsatz

NV: Es ist geklärt, dass die Rechtsfigur des Gesamtplans ein Anwendungsfall von § 42 AO ist.

Die Bedeutung des Gesamtplangedankens kann von der jeweiligen Fassung des § 42 AO abhängen.

Die rechtliche Möglichkeit und Zulässigkeit einer Gestaltung schließt eine Beurteilung nach den Maßstäben von § 42 AO nicht aus.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Er hatte einen Teil seines Einzelunternehmens in eine [X.] eingebracht, kurz darauf Anteile an der GmbH und Teile seines Kommanditanteils verkauft und begehrt für den Veräußerungserlös die Tarifbegünstigung nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres 1998. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) und das Finanzgericht ([X.]) behandelten den Vorgang unter Berufung auf § 42 der Abgabenordnung ([X.]) in der Fassung des Streitjahres und unter Bezugnahme auf die sogenannte [X.] des [X.] ([X.]) wie eine nicht tarifbegünstigte unmittelbare Einbringung des Einzelunternehmens in die [X.] unter gleichzeitiger Zuzahlung des neuen Beteiligten in sein Privatvermögen.

2

Der Kläger meint, Tragweite und Grenzen der Rechtsfigur des [X.] seien zu klären. Es sei gerade angesichts der Gesetzesänderung seit 2008 von grundsätzlicher Bedeutung, inwieweit die Figur des [X.] wie ein erweiternder Tatbestand zu § 42 [X.] eine teleologisch orientierte, auf dem wirtschaftlichen Sachverhalt aufbauende steuerrechtliche Wertung entbehrlich mache und schließlich ein Diktat des kürzesten und einfachsten Wegs der Gestaltung begründe, das zu einem gesetzgeberisch nicht gewollten allgemeinen Missbrauchsvorbehalt für die Umstrukturierung von Unternehmen führe. Die neuere Rechtsprechung unterstreiche den Klärungsbedarf. So sei die durch das [X.]-Urteil vom 6. September 2000 IV R 18/99 ([X.]E 193, 116, [X.] 2001, 229) maßgebend begründete [X.] durch das [X.]-Urteil vom 25. Februar 2010 IV R 49/08 ([X.]E 228, 486, [X.] 2010, 726) eingegrenzt worden. Die Ausführungen in dem [X.]-Urteil vom 25. November 2009 [X.] ([X.]E 227, 445, [X.] 2010, 471) sowie Äußerungen hierzu, die teilweise von einem anderen Grundverständnis des Gesamtplangedankens ausgingen, zeigten, zu welcher Unklarheit und Unsicherheit die [X.] geführt habe.

3

Auch der vorliegende Fall zeige [X.]. Der Große Senat des [X.] habe mit Beschluss vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98 ([X.]E 189, 465, [X.] 2000, 123) erkannt, bis Ende 1998 sei, ständiger Rechtsprechung folgend, die tarifbegünstigte Veräußerung von Bruchteilen eines Mitunternehmeranteils noch möglich. § 42 [X.] sei keine Grundlage, dies nachträglich zu ändern; der Hinweis des Großen Senats auf § 42 [X.] betreffe das --hier nicht vorliegende-- Zweistufen-Modell. Zudem habe der [X.] in seinem Urteil vom 24. Juni 2009 [X.] ([X.]E 225, 402, [X.] 2009, 993) die Begründung einer Beteiligung unter Zuzahlung in das Privatvermögen des bisherigen Betriebsinhabers wirtschaftlich als Anschaffung eines Mitunternehmeranteils betrachtet. Das müsse zwingend auch für den bisherigen Betriebsinhaber gelten. Eine sachgerechte zivilrechtliche Umsetzung dieses Vorgangs könne kein Missbrauch sein. Schließlich zeige die Möglichkeit, einen Teilbetrieb im Aufbau steuerbegünstigt zu veräußern ([X.]-Urteil vom 1. Februar 1989 [X.], [X.]E 156, 158, [X.] 1989, 458), dass die im Zusammenhang mit der Veräußerung erstmalige Begründung eines Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils unschädlich sei.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

5

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, s. etwa [X.] vom 24. Juli 2008 [X.], [X.], 1838). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das [X.] getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung des [X.], vgl. z.B. Beschluss vom 6. Mai 2004 [X.], [X.]E 205, 416, [X.], 748). Betrifft die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, müssen in der Beschwerdebegründung besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt (Senatsbeschluss vom 17. März 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 1141; vgl. auch Senatsbeschluss vom 3. November 2010 [X.]/10, nicht veröffentlicht).

6

Nach diesen Maßstäben fehlt es der Rechtssache aus mehreren Gründen an grundsätzlicher Bedeutung.

7

a) Die aufgeworfene Frage, ob die Figur des [X.] sich als eigenständiger Tatbestand gegenüber § [X.] verselbständigt hat, ist nicht nur aus gesetzessystematischen Gründen, sondern auch auf Grund der Rechtsprechung des [X.] eindeutig dahin zu beantworten, dass dies nicht der Fall ist, und bedarf daher keiner Klärung mehr. Die Vorstellung des [X.] dient dazu, § [X.] auszufüllen (vgl. [X.]-Urteile vom 13. Oktober 1992 [X.], [X.]E 169, 336, [X.] 1993, 477; vom 26. März 1996 [X.], [X.]E 180, 330, [X.] 1996, 443; vom 13. Oktober 1993 [X.], [X.]/NV 1994, 620). Auch das Urteil des I. Senats in [X.]E 227, 445, [X.] 2010, 471 beruht, anders als der Kläger meint, auf diesem Gedanken, wenn es erörtert, ob die dortige Gestaltung auf einem schädlichen Gesamtplan beruhe und deshalb § [X.] unterliege.

8

Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis aus den Entscheidungen, die die Frage der betrieblichen Veranlassung von Ausgaben unter dem Aspekt des [X.] würdigen (vgl. [X.]-Urteile vom 18. Januar 2001 [X.], [X.]E 194, 377, [X.] 2001, 393; vom 22. Januar 2002 [X.]/00, [X.]E 197, 517, [X.] 2002, 685; vom 31. Juli 2002 [X.], [X.]/NV 2003, 26; und vom 27. Oktober 2005 [X.], [X.]E 212, 360, [X.] 2006, 359). Eine ausdrückliche Bezugnahme auf § [X.] ist im Rahmen der notwendig wertenden Betrachtung des mit betrieblicher "Veranlassung" ausgedrückten Kausalzusammenhangs entbehrlich.

9

Folgerichtig geht das [X.]-Urteil vom 16. September 2004 [X.] ([X.]E 207, 274, [X.], 1068), dem inhaltlich für eine anders gelagerte Konstellation der [X.] vom 17. Oktober 2006 [X.] ([X.]/NV 2007, 391) folgt, differenzierend davon aus, dass ein Gesamtplan --wenn auch ohne Verwendung dieses Begriffes-- nicht unbedingt zur Anwendung von § [X.] führen müsse.

b) Soweit der Kläger darüber hinaus Reichweite und Umfang des Gesamtplangedankens für klärungsbedürftig erachtet, namentlich, ob hieraus ein "Gebot des kürzesten Weges" herzuleiten sei und inwieweit die Gesamtplankonzeption ihrerseits durch die steuerlichen Wertungen der jeweils maßgebenden Rechtsvorschriften geprägt wird, sind diese Fragen im vorliegenden Fall teils nicht klärungsbedürftig, teils nicht klärungsfähig.

aa) Die diesbezügliche Rechtslage für das Streitjahr 1998 ist nicht (mehr) klärungsbedürftig. Da der Gesamtplangedanke ein Anwendungsfall von § [X.] ist (s.o. unter a), sind weitere Überlegungen zu seinem Geltungsanspruch stets vor dem Hintergrund der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Vorschrift anzustellen. § [X.] in der im Streitjahr geltenden Fassung ist jedoch ausgelaufenes Recht, so dass Rechtsfragen zu dessen Auslegung und Verständnis im Allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben. Besondere Gründe, warum es sich im konkreten Fall anders verhalte, bestehen nicht. Zwar ist davon auszugehen, dass der Gesamtplangedanke in der einen oder anderen Form auch unter § [X.] in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung fortwirken wird. Die Bestimmung von Reichweite und Grenzen der § [X.] ausfüllenden Rechtsfigur ist von deren jeweiliger Fassung abhängig, soweit sie angesichts der Vielfalt steuerrechtsrelevanter Sachverhalte und Gestaltungsmöglichkeiten überhaupt einer grundsätzlichen Klärung zugänglich ist.

bb) Die Bedeutung des Gesamtplangedankens unter der aktuellen Fassung von § [X.] ist hingegen im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig.

2. Die angedeuteten Divergenzen bestehen ebenfalls nicht.

a) Die Entscheidung des [X.] setzt sich nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.]E 189, 465, [X.] 2000, 123. Das [X.] hat nicht bestritten, dass die Veräußerung von Bruchteilen eines Mitunternehmeranteils im Streitjahr noch möglich war, sondern hat den Vorgang unter Zusammenschau mit der Schaffung der Mitunternehmerschaft beurteilt.

b) Das [X.]-Urteil in [X.]E 225, 402, [X.] 2009, 993 befasst sich mit der Behandlung eines im Rahmen einer Neugründung einer Personengesellschaft gegen Zuzahlung an den bisherigen Einzelunternehmer neu entstandenen Mitunternehmeranteils bei dem neu eingetretenen Sozius. Im Streitfall geht es um die Behandlung eines --nach Zusammenfassung der einzelnen Rechtsakte unter dem Aspekt des [X.]-- vergleichbaren Sachverhalts bei dem bisherigen Einzelunternehmer.

c) Soweit der [X.] mit seinem Urteil in [X.]E 156, 158, [X.] 1989, 458 die Möglichkeit anerkannt hat, einen Teilbetrieb im Aufbau steuerbegünstigt zu veräußern, hat er nicht ausgeschlossen, den Veräußerungsvorgang zusammen mit dem Aufbau des [X.] den Umständen entsprechend zu würdigen. Das [X.] hat seine Entscheidung nicht allein mit dem zeitlich engen Zusammentreffen zwischen der Begründung der Mitunternehmerschaft und der Veräußerung des Anteils, sondern den damit verfolgten Zielen begründet.

Meta

X B 43/10

19.01.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 20. Januar 2010, Az: 1 K 1137/08, Urteil

§ 42 AO, § 16 EStG, § 34 EStG, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2011, Az. X B 43/10 (REWIS RS 2011, 10345)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10345

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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