Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2011, Az. 9 AZR 386/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 1441

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Gegenstand

Arbeitszeugnis - Gebot der Zeugnisklarheit - Verwendung der Formulierung "kennen gelernt"


Leitsatz

Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in einem Zeugnis:

"Wir haben Herrn K. als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte",

handelt es sich nicht um eine dem Gebot der Zeugnisklarheit widersprechende verschlüsselte Formulierung (Geheimcode). Mit der Wendung "kennen gelernt" bringt der Arbeitgeber nicht zum Ausdruck, dass die im Zusammenhang angeführten Eigenschaften tatsächlich nicht vorliegen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2009 - 11 [X.] 1092/08 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Inhalt eines Arbeitszeugnisses.

2

Der Kläger war bei der [X.] in der [X.] vom 1. April 2004 bis zum 28. Februar 2007 als Mitarbeiter im [X.] Competence Center beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der [X.].

3

Unter dem Datum 28. Februar 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis. Dort heißt es auszugsweise:

        

„Wir haben Herrn K. als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Herr K. war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“

4

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Zeugnis sei nicht ordnungsgemäß. Der Gebrauch der Worte „kennen gelernt“ drücke stets das Nichtvorhandensein der im Kontext aufgeführten Fähigkeit aus.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

ihm unter dem Ausstellungsdatum 28. Februar 2007 ein korrigiertes Zeugnis nach folgender Maßgabe zu erteilen:

        

1.1     

Auf Blatt 1 wird der dritte Punkt in der Aufgabenbeschreibung durch das Wort „[X.]“ ergänzt und wie folgt gefasst:

                          

„Optimierung und Betreuung des Material Ledgers (Analyse, Prozessmodellierung, Konzeption, [X.], Spezialreporting)“.

        
        

1.2     

Auf Blatt 1 letzter Absatz ist der erste Satz wie folgt zu ändern:

                          

„Herr K. war dank seiner guten Fachkenntnisse stets in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben gut zu lösen.“

        
        

1.3     

Im ersten Absatz auf der zweiten Seite wird der Satz:

                          

„Wir haben Herrn K. als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte“,

        
                 

durch den Satz:

                          

„Herr K. war ein sehr interessierter und hochmotivierter Mitarbeiter, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte“,

        
                 

ersetzt.

        

1.4     

[X.] 2 des Zeugnisses ist wie folgt abzuändern:

                          

„Für seine persönliche und berufliche Zukunft wünschen wir Herrn K. weiterhin alles Gute und viel Erfolg.“

        

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das Zeugnis genüge den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses mit der Note „gut“. Sie habe die Schwerpunkte der Tätigkeit im Zeugnis richtig beschrieben. Das gute Zeugnis sei insgesamt positiv formuliert.

7

Der Kläger hat in der vom [X.] zugelassenen Revision nur noch den Antrag zu 1.3 gestellt.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht bestätigt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit dem begehrten Inhalt. Die Beklagte erfüllte ihre Verpflichtung nach § 109 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.], dem Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein schriftliches qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, mit dem von ihr unter dem Datum 28. Februar 2007 erteilten Zeugnis mit der beanstandeten Formulierung. Sein Anspruch ist deshalb gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

9

I. Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 [X.] entspricht. Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss sich das Zeugnis auf Führung (Verhalten) und Leistung erstrecken (qualifiziertes Zeugnis), § 109 Abs. 1 [X.]tz 3 [X.]. Dabei richtet sich der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl ([X.]Rspr., vgl. [X.] 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00  - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 97, 57 ). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt (vgl. bereits [X.] 8. Februar 1972 - 1 [X.]  - [X.]E 24, 112 ). Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2 [X.] auch ausdrücklich normierte Gebot der [X.] (vgl. [X.] 14. Oktober 2003 - 9 [X.] - zu III 2 der Gründe, [X.]E 108, 86). Genügt das erteilte Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen ([X.]Rspr., vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 13, [X.]E 127, 232; 14. Oktober 2003 - 9 [X.] - zu IV 2 b [X.] der Gründe, [X.]E 108, 86).

II. Diesen Anforderungen genügt das von der Beklagten dem Kläger erteilte Zeugnis. Die Rüge der Revision, das [X.] habe zu Unrecht die Formulierung: „Wir haben [X.] als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt …“, als mit diesen Geboten vereinbar angesehen, geht fehl. Diese Formulierung verstößt nicht gegen die Gebote der Zeugniswahrheit und [X.].

1. Es ist grundsätzlich [X.]che des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen zu verfassen. Die Formulierung und Ausdrucksweise steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab ist dabei ein wohlwollender verständiger Arbeitgeber (vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 19, [X.]E 127, 232). Der Arbeitgeber hat insoweit einen Beurteilungsspielraum. Dies gilt insbesondere für die Formulierung von Werturteilen. Sie lässt sich nicht bis in die Einzelheiten regeln und vorschreiben (so bereits [X.] 12. August 1976 - 3 [X.] - zu I 1 a der Gründe, [X.] BGB § 630 Nr. 11 = EzA BGB § 630 Nr. 7). Solange das Zeugnis allgemein verständlich ist und nichts Falsches enthält, kann der Arbeitnehmer daher keine abweichende Formulierung verlangen.

2. Mit dem beanstandeten [X.]tz: „Wir haben [X.] als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte“, legte die Beklagte diese aus ihrer Sicht gegebenen (positiven) Eigenschaften des [X.] im Zeugnis nieder. Die von ihr hierfür gewählte Formulierung bringt für den Leser zum Ausdruck, dass der Kläger dank seines großen Interesses und seiner hohen Motivation stets sehr leistungsbereit war. Dieser Eindruck wird durch den [X.]: „Herr K. war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen“, unterstrichen.

Es handelt sich für den unbefangenen Leser um die Wiedergabe einer durchweg guten Einzelbewertung, die sich stimmig in die gute Gesamtbewertung der Leistung nach dem üblichen Beurteilungssystem mit „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ einfügt (vgl. zur üblichen Formulierung einer guten Gesamtleistung auch: [X.] 23. September 1992 - 5 [X.] - zu II der Gründe, EzA BGB § 630 Nr. 16).

3. Die Revision wendet ohne Erfolg ein, bei der gebrauchten Wendung „kennen gelernt“ handele es sich um eine verschleiernde Zeugnissprache. Mit dieser Wendung spreche der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die aufgeführten Fähigkeiten ab. Dem Kläger werde deshalb mit dem im ersten Absatz auf der zweiten Zeugnisseite enthaltenen [X.]tz in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation attestiert.

a) Es trifft zu, dass nach dem Gebot der [X.] gemäß § 109 Abs. 2 [X.]tz 1 [X.] das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss. Nach § 109 Abs. 2 [X.]tz 2 [X.] darf ein Zeugnis zudem keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der Wortwahl ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Daher ist es unzulässig, ein Zeugnis mit unklaren Formulierungen zu versehen, durch die der Arbeitnehmer anders beurteilt werden soll, als dies aus dem [X.] ersichtlich ist. Denn inhaltlich „falsch“ ist ein Zeugnis auch dann, wenn es eine Ausdrucksweise enthält, der entnommen werden muss, der Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärungen und der Arbeitnehmer werde in Wahrheit anders beurteilt, nämlich ungünstiger als im Zeugnis bescheinigt (vgl. [X.] 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 97, 57). Weder Wortwahl noch Auslassungen dürfen dazu führen, beim Leser des Zeugnisses der Wahrheit nicht entsprechende Vorstellungen entstehen zu lassen ( vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 21 mwN, [X.]E 127, 232; 21. Juni 2005 -  9 [X.]  - zu II 2 der Gründe, [X.]E 115, 130 ). Entscheidend ist dabei nicht, welche Vorstellungen der [X.] mit seiner Wortwahl verbindet. Maßgeblich ist allein der objektive Empfängerhorizont des [X.]s ( vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 18, aaO; 21. Juni 2005 -  9 [X.]  - zu II 2 der Gründe, aaO).

b) Solche verschlüsselten, dem Kläger nachteiligen Bewertungen enthält das Zeugnis nicht. Insbesondere wird entgegen der Auffassung der Revision nicht allein mit dem Gebrauch der Formulierung „kennen gelernt“ stets und unabhängig vom übrigen Zeugnisinhalt das Nichtvorhandensein der im Kontext dieser Worte angeführten Eigenschaften ausgedrückt.

aa) Das [X.] hat bisher die Verwendung der Formulierung „kennen gelernt“ noch nicht als allgemeine verschlüsselte negative Beurteilung gewertet. Im Gegenteil entschied es in einem Schadensersatzprozess, dass sich der Arbeitgeber mangels entgegenstehender Vorbehalte an der Beurteilung: „... haben wir ... als einen fleißigen, ehrlichen und gewissenhaften Mitarbeiter kennen gelernt“, festhalten lassen müsse und deshalb auch einen schon früher festgestellten Inventurfehlbetrag nicht aus Mankohaftung nach dessen Ausscheiden verlangen könne (vgl. [X.] 8. Februar 1972 - 1 [X.] - [X.]E 24, 112).

[X.]) Die vereinzelte Rechtsansicht einer Kammer des [X.]s Hamm (27. April 2000 - 4 [X.] 1018/99 - zu 3.2.6 der Gründe; 28. März 2000 - 4 [X.] 648/99 - zu 3.2 der Gründe), dass der Ausdruck „kennen gelernt“ stets eine beschönigende Formulierung darstelle, die sich zwar nicht abwertend anhöre, aber dennoch stets das Nichtvorhandensein der angeführten Eigenschaften und damit eine negative Beurteilung bedeute, hat sich nicht durchgesetzt (vgl. zur Kritik: [X.] Arbeitszeugnis 19. Aufl. S. 183; [X.]/[X.] 12. Aufl. § 109 [X.] Rn. 36; [X.]/[X.] Arbeitszeugnisse in Textbausteinen 12. Aufl. S. 134 f.; [X.] 2001, 113, 118; [X.]/[X.] NZA 2011, 958, 960 f.; kritisch auch [X.]/[X.] 5. Aufl. § 630 Rn. 100).

[X.]) Die Revision verkennt, dass es auf die Sicht des objektiven Empfängerhorizonts und nicht auf eine vereinzelt geäußerte Rechtsauffassung ankommt, selbst wenn sie teilweise auch in sog. Übersetzungslisten zu Geheimcodes im [X.] und in der Literatur wiedergegeben wird.

(1) Ein entsprechendes Sprachempfinden hat sich nicht herausgebildet (vgl. [X.]/[X.] § 109 [X.] Rn. 36; [X.] 2001, 113, 118). Es gibt keine empirisch-statistischen Belege, dass mittlerweile eine allgemein verschlüsselte Bedeutung der Formulierung „kennen gelernt“ in der Zeugnissprache besteht (so zu den Entscheidungen des [X.]: [X.] [X.] 2001, 629; [X.]/[X.] S. 134; kritisch zur Möglichkeit, dies überhaupt empirisch zu belegen: [X.]/[X.] NZA 2011, 958, 960).

Auch aus diesem Grund wird die vom [X.] Hamm vorgenommene allgemeine Deutung der Formulierung „kennen gelernt“ als Nichtvorhandensein der im Kontext angeführten Eigenschaften zu Recht als eine nicht herleitbare und falsche Auslegung abgelehnt (vgl. [X.] 183; [X.]/[X.] § 109 [X.] Rn. 36; [X.]/[X.] S. 134 f.; [X.] 2001, 113, 118; [X.]/[X.] NZA 2011, 958, 960 f.; kritisch auch [X.]/[X.] § 630 Rn. 100).

(2) Der Kläger selbst behauptet nicht substanziiert, es bestehe ein entsprechender Zeugnisbrauch als „Geheimcode“ (vgl. zur diesbezüglichen Darlegungslast: [X.]/[X.] § 109 [X.] Rn. 85). Vielmehr verweist er lediglich darauf, dass der Ausdruck „kennen gelernt“ auch in der Rechtsliteratur und Öffentlichkeit vielfach gleichfalls in der vom [X.] Hamm angeführten verschlüsselten negativen Weise interpretiert wird, und führt als Beleg hierfür eine Literaturfundstelle und vier [X.]fundstellen an. Es mag sein, dass sich in sog. Übersetzungslisten in der Literatur und im [X.] durchaus auch die vom [X.] Hamm konkret bemängelten Zeugnisformulierungen: „... wir lernten ihn als umgänglichen Mitarbeiter kennen“ sowie „Wir lernten ... als freundliche und äußerst zuverlässige Mitarbeiterin kennen“, wiederfinden. Dabei könnte allerdings die negative Bewertung des [X.]tzes: „... wir lernten ihn als umgänglichen Mitarbeiter kennen“, ebenso aus der Wahl des Worts „umgänglich“ folgen (vgl. [X.]/Gäntgen 4. Aufl. § 109 [X.] Rn. 31). Schließlich wird mit dem Wort „umgänglich“ eine Ironie in der Zeugnissprache verbunden ([X.] [X.] 2001, 629, 630). Doch geben die sog. Übersetzungslisten überwiegend lediglich Beispiele aus der Rechtsprechung völlig isoliert und zusammenhangslos wieder (vgl. anschaulich zur hiermit verbundenen Gefahr der Fehlinterpretation: [X.]/[X.] S. 142 f.). Deshalb kann allein aus der Aufnahme einer Formulierung in eine solche Aufzählung nicht abgeleitet werden, die dort angeführte Formulierung sei losgelöst vom restlichen Zeugnisinhalt stets im negativen Sinn zu verstehen. Denn einer gewählten Formulierung kommt gerade im Zeugnis nicht zwingend eine abschätzige Bedeutung unabhängig vom Gesamtzusammenhang zu. Vielmehr entscheiden häufig Kleinigkeiten über den Sinn der Aussage, wie anschaulich das sog. beredte Schweigen belegt. Ein bekanntes Beispiel hierfür bildet das Wort „bemühen“. Schweigt das Zeugnis zum Erfolg des Bemühens, so ist die Wortwahl als Ausdruck von Tadel zu verstehen (vgl. [X.] 23. Juni 1960 - 5 [X.] - zu I 2 der Gründe, [X.]E 9, 289).

(3) Die Revision verkennt bei ihrer Annahme eines Geheimcodes den maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont.

(a) Das Arbeitszeugnis dient regelmäßig als Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig als Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber ([X.]Rspr., vgl. zuletzt [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 16, [X.]E 127, 232). Adressat ist damit ein größerer Personenkreis, der nicht zwangsläufig über ein einheitliches Sprachverständnis verfügt. Dementsprechend ist als maßgeblicher objektiver Empfängerhorizont die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlich Beteiligten oder Angehörigen des vom Zeugnis angesprochenen Personenkreises zugrunde zu legen (vgl. allgemein zum Auslegungsmaßstab von Erklärungen an die Allgemeinheit: [X.]/[X.]. § 133 Rn. 12). Zur Beurteilung der beanstandeten Formulierung ist auf die Sicht eines objektiven und damit unbefangenen Arbeitgebers mit Berufs- und Branchenkenntnissen abzustellen. Entscheidend ist, wie ein solcher [X.] das Zeugnis und die enthaltenen Formulierungen auffassen muss (ähnlich auch [X.] 177; [X.]/Gäntgen § 109 [X.] Rn. 4). Benutzt der Arbeitgeber ein im Arbeitsleben übliches Beurteilungssystem, so ist das Zeugnis aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts so zu lesen, wie es dieser Üblichkeit entspricht (vgl. [X.] 14. Oktober 2003 - 9 [X.] - zu III 3 der Gründe, [X.]E 108, 86).

(b) Unter Zugrundelegung dieser Sichtweise wird das vorliegende Zeugnis vom [X.] auch in der bemängelten Formulierung der Einzelbewertung gerade nicht, wie die Revision meint, missverstanden werden.

Ein Zeugnis und dessen Formulierungen können regelmäßig nur im Zusammenhang des gesamten Inhalts ausgelegt werden. Das Zeugnis ist ein einheitliches Ganzes; seine Teile können nicht ohne die Gefahr der Sinnentstellung auseinandergerissen werden. Schließlich sind die einzelnen vom Arbeitgeber zu beurteilenden Qualifikationen des Arbeitnehmers so eng miteinander verflochten, dass die eine nicht ohne die Beziehung und den Zusammenhang zur anderen betrachtet werden kann (so bereits [X.] 23. Juni 1960 - 5 [X.] - zu I 1 der Gründe, [X.]E 9, 289). Deshalb verbietet es sich, einzelne [X.]tzteile losgelöst vom Zusammenhang mit dem übrigen Zeugnistext zu bewerten. Eine Formulierung erhält erst aus dem Zusammenhang, in dem sie verwendet wird, ihren Sinn. Es ist deshalb auch das nähere [X.] einer Aussage bei der Suche nach dem wahren Inhalt einzubeziehen (vgl. [X.]/[X.] S. 143 f.).

(c) An diesen Maßstäben gemessen erweckt die im Zeugnis des [X.] enthaltene Formulierung, „als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt“, aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck, die Beklagte attestiere dem Kläger in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation.

(aa) Im allgemeinen Sprachgebrauch drückt „kennen gelernt“ aus, dass jemand selbst etwas erlebt, erfahren, festgestellt oder entdeckt hat. Es wird mit dieser Wortwahl in der Alltagssprache lediglich betont, dass das Geschilderte auf einem eigenen Eindruck beruht. Eine Mehrdeutigkeit kommt der Formulierung selbst nicht zu.

([X.]) In der Zeugnispraxis handelt es bei dem Ausdruck „kennen gelernt“ um eine gängige Formulierungsweise, die je nach Kontext Positives oder Negatives beschreiben kann (vgl. [X.]/[X.] S. 134). Dabei ist die Formulierung „kennen gelernt“ regelmäßig im Wortsinn gemeint (vgl. [X.]/[X.] § 109 [X.] Rn. 36; [X.] 183; [X.] 2001, 113, 118; [X.]/[X.] NZA 2011, 958, 961, [X.]/[X.] S. 134). Lediglich aus dem Zusammenhang, in dem diese Formulierung gebraucht wird, kann sich etwas anderes ergeben.

([X.]) Vorliegend wird nach diesen Grundsätzen aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts eines [X.]s dem Kläger bescheinigt, dass er tatsächlich sehr interessiert und hochmotiviert war. Dies folgt aus dem Kontext in dem die Formulierung steht, wie das [X.] zu Recht angeführt hat. Der vollständige [X.]tz lautet bereits: „Wir haben [X.] als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte.“ Für den [X.] folgt aus dem weitergehenden Nebensatz, dass die angeführten Eigenschaften tatsächlich vorlagen, da aus ihnen die des Weiteren attestierte sehr hohe Einsatzbereitschaft herrührt. Verstärkt wird dies noch durch den [X.], wie das [X.] ebenfalls zutreffend ausführt. Danach war der Kläger jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Schließlich wird in demselben Absatz noch die Leistung des [X.] mit der Gesamtnote „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und damit nach dem gebräuchlichen Beurteilungssystem mit der Note „gut“ bewertet (vgl. [X.] 23. September 1992 - 5 [X.] - zu II der Gründe, EzA BGB § 630 Nr. 16 ). Anhaltspunkte für den objektiv und unbefangen urteilenden [X.], dass sich die Beklagte als Arbeitgeberin durch die Verwendung der Formulierung „kennen gelernt als …“ vom buchstäblichen Wortlaut ihrer Erklärung distanziere, sind daher nicht gegeben.

III. Nach alledem ist daher die von der Beklagten verwendete Formulierung nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die von der Beklagten gewählte Formulierung durch eine ihm genehmere mit gleichem Aussagewert ersetzt wird. Sein Zeugnisanspruch ist deshalb mit dem erteilten Zeugnis erfüllt worden und nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

B. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

    Suckow    

        

        

        

    Jungermann    

        

    Leitner    

                 

Meta

9 AZR 386/10

15.11.2011

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 17. Juni 2008, Az: 14 Ca 7148/07, Urteil

§ 109 Abs 1 S 1 GewO, § 109 Abs 2 S 1 GewO, § 109 Abs 2 S 2 GewO, § 362 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2011, Az. 9 AZR 386/10 (REWIS RS 2011, 1441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1441


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 AZR 386/10

Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 386/10, 15.11.2011.


Az. 14 Ca 7148/07

Arbeitsgericht Köln, 14 Ca 7148/07, 17.06.2008.


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