Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2021, Az. 9 AZR 262/20

9. Senat | REWIS RS 2021, 6454

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Gegenstand

Arbeitszeugnis - Beurteilung in Tabellenform


Leitsatz

Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers nach § 109 GewO regelmäßig nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis in einer an ein Schulzeugnis angelehnten tabellarischen Darstellungsform beurteilt. Die zur Erreichung des Zeugniszwecks erforderlichen individuellen Hervorhebungen und Differenzierungen in der Beurteilung lassen sich regelmäßig nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis angemessen herausstellen.

Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2020 - 14 [X.] 1163/19 - aufgehoben.

2. Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Inhalt und Form eines Arbeitszeugnisses.

2

Der Kläger war bei der [X.]eklagten ab dem 1. September 2008 als Elektriker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung des [X.] mit Ablauf des 30. Juni 2018.

3

Die [X.]eklagte erteilte dem Kläger unter dem 30. Juni 2018 ein Arbeitszeugnis. Dieses hat - in der vom [X.] berichtigten Fassung - folgenden Inhalt:

        

„[X.]

        

[X.], geb. in [X.], war gemäß der Ausbildung zum Energieelektroniker [X.]etriebstechnik in unserem Unternehmen als Elektriker von 2008-09-01 bis 2018-06-30 eingestellt.

        

Die G GmbH & Co. KG, [X.], ist ein seit Jahrzehnten erfolgreicher Hersteller von Großserien für Wasch-, Pflege- und Reinigungsprodukte in der Kosmetik und den Haushalten, jeweils speziell für Endverbraucher in diversen EU-Märkten. Zudem produziert sie Spezialprodukte für die Industrie.

        

Aufgabenstellung: Nach jeweiliger [X.]orgabe, seinem Ausbildungs- und Fähigkeitsprofil entsprechend, dem [X.]etriebsbereich der Abfüllung zugeordnet zur Reparatur, Wartung, Prüfung, Montage, Einrichtung vorhandener und Mitaufbau elektrisch/pneumatisch betriebener Geräte im [X.]etriebs- und Produktionsbedarf bzgl. der [X.]ersorgung von [X.] bis Drehstrom, der Signalleitung von Sensoren, der Programmiersteuerung, der [X.]erdrahtung und [X.]ernetzung der Anlagen in Schaltschränken und der sonstigen, handwerklichen [X.]earbeitung diverser Materialien.

        

Fachkenntnisse allg.:

befriedigend

Entwicklung:

befriedigend

        

Sensoren-Techniken:

befriedigend

[X.]erdrahtung/[X.]ernetzung:

befriedigend

        

Programmierbare Steuerungen:

gut     

Sonstige Handwerkstätigkeiten:

befriedigend

                                            
        

Arbeits

- Qualität:

befriedigend

- Tempo:

gut     

                 

- Ökonomie:

befriedigend

- [X.]ereitschaft:

gut     

                 

- [X.]:

befriedigend

- Hygienevorgaben:

befriedigend

        

Erfüllung arbeitsrechtlicher Nebenpflichten:

befriedigend

Pünktlichkeit

befriedigend

        

Sauberkeit im Arbeitsfeld:

befriedigend

Dokumentationen

befriedigend

        

Leistungsbeurteilung insgesamt:

befriedigend

                 
                                            
                                            
        

[X.]erhaltensbeurteilung

teambereit und gruppenorientiert,

befriedigend

                 

- zu Gleichgestellten:

        

befriedigend

                 

- zu [X.]

        

befriedigend

                 

- zu [X.]orgesetzten:

höflich und zuvorkommend,

sehr gut

                                            
        

Das Arbeitsverhältnis endet fristgerecht auf eigenen Wunsch von [X.].

        

G GmbH & Co. KG

        

[X.], 2018-06-30“

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die [X.]eklagte habe seinen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht ordnungsgemäß erfüllt. Die mit „Aufgabenstellung“ überschriebene Tätigkeitsbeschreibung sei aus sich heraus nicht verständlich. Die (tabellarische) Darstellung der Leistungs- und [X.]erhaltensbeurteilung nach stichwortartigen, mit „Schulnoten“ versehenen [X.]ewertungskriterien sei unüblich und könne deshalb einen negativen Eindruck hervorrufen. Zudem seien die [X.]eurteilungen unzutreffend. Er habe stets gute Leistungen erbracht und sich gegenüber [X.]orgesetzten, Kollegen und Kunden stets einwandfrei verhalten.

5

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeugnisses vom 30. Juni 2018 ein Zeugnis mit folgendem Inhalt zu erteilen:

        

„Zeugnis

        

[X.], geb. in [X.], war in der [X.] vom 01.09.2008 bis zum 30.06.2018 in unserem Unternehmen als Elektriker beschäftigt.

        

Die G GmbH & Co. KG, [X.], ist ein seit Jahrzehnten erfolgreicher Hersteller von Großserien für Wasch-, Pflege- und Reinigungsprodukte in der Kosmetik und den Haushalten, jeweils speziell für Endverbraucher in diversen EU-Märkten. Zudem produziert sie Spezialprodukte für die Industrie.

        

[X.] war in der Abteilung Abfüllung eingesetzt. Im Wesentlichen umfasste sein Aufgabenbereich die Reparatur, Wartung, Prüfung und Einrichtung der elektrisch/pneumatisch betriebenen Produktionsmaschinen. Hierbei insbesondere:

                 

-       

[X.]ersorgung von [X.] bis Drehstrom

        
                 

-       

Signalleitungen der Sensoren

        
                                            
                 

-       

Programmiersteuerung

        
                 

-       

[X.]erdrahtung und [X.]ernetzung der Anlagen

        
        

[X.] verfügt über gute Fachkenntnisse, die er jederzeit sicher in der Praxis einsetzte. Aufgrund seiner raschen Auffassungsgabe war er in der Lage, für alle auftretenden Probleme stets optimale Lösungen zu finden. [X.] arbeitet sehr zügig, gewissenhaft und sorgfältig. Seine Arbeitsleistungen waren auch unter Termindruck qualitativ wie quantitativ stets gut. Er hat alle ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.

        
        

Sein [X.]erhalten gegenüber [X.]orgesetzten, Kollegen und Dritten war stets einwandfrei.

        
        

Das Arbeitsverhältnis von [X.] endet fristgerecht auf eigenen Wunsch.“

        
        

hilfsweise

                 
        

die [X.]eklagte zu verurteilen, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeugnisses vom 30. Juni 2018 ein Zeugnis mit folgendem Inhalt zu erteilen:

                 
                                   
        

„Zeugnis

        
        

[X.], geb. in [X.], war in der [X.] vom 01.09.2008 bis zum 30.06.2018 in unserem Unternehmen als Elektriker beschäftigt.

        
        

Die G GmbH & Co. KG, [X.], ist ein seit Jahrzehnten erfolgreicher Hersteller von Großserien für Wasch-, Pflege- und Reinigungsprodukte in der Kosmetik und den Haushalten, jeweils speziell für Endverbraucher in diversen EU-Märkten. Zudem produziert sie Spezialprodukte für die Industrie.

        
        

[X.] war in der Abteilung Abfüllung eingesetzt. Im Wesentlichen umfasste sein Aufgabenbereich die Reparatur, Wartung, Prüfung und Einrichtung der elektrisch/pneumatisch betriebenen Produktionsmaschinen. Hierbei insbesondere:

        
                 

-       

[X.]ersorgung von [X.] bis Drehstrom

        
                 

-       

Signalleitungen der Sensoren

        
                 

-       

Programmiersteuerung

        
                 

-       

[X.]erdrahtung und [X.]ernetzung der Anlagen

        
                                            
                                            
        

[X.] verfügt über gute Fachkenntnisse, die er sicher in der Praxis einsetzte. Aufgrund seiner raschen Auffassungsgabe war er in der Lage, für alle auftretenden Probleme gute Lösungen zu finden. [X.] arbeitet sehr zügig, gewissenhaft und sorgfältig. Seine Arbeitsleistungen waren auch unter Termindruck qualitativ wie quantitativ gut. Er hat alle ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.

        
        

Sein [X.]erhalten gegenüber [X.]orgesetzten, Kollegen und Dritten war vorbildlich.

        
        

Das Arbeitsverhältnis von [X.] endet fristgerecht auf eigenen Wunsch.“

        

6

Die [X.]eklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, das von ihr erteilte Zeugnis genüge den [X.]orgaben des § 109 GewO.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und im Tenor ein Zeugnis im Fließtext formuliert. Die dagegen von beiden Parteien eingelegten [X.]erufungen hatten jeweils teilweise Erfolg. Das [X.] hat die [X.]eklagte zur Erteilung eines Zeugnisses mit dem oben dargestellten Inhalt - Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeugnisses vom 30. Juni 2018 - verurteilt. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9

I. Der Anspruch des [X.] auf Erteilung eines schriftlichen qualifizierten Arbeitszeugnisses wird nicht dadurch erfüllt, dass die Beklagte ihm unter Datum des 30. Juni 2018 ein Zeugnis in der vom [X.] berichtigten Fassung erteilt.

1. Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf ein schriftliches Zeugnis, das nach § 109 Abs. 1 Satz 2 [X.] Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten muss. Der Arbeitnehmer kann gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 [X.] verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. § 109 Abs. 2 [X.] sieht vor, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss und keine Merkmale oder Formulierungen enthalten darf, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Sowohl der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses als auch dessen äußere Form richten sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken (st. Rspr., vgl. [X.] 15. November 2011 - 9 [X.] - Rn. 9 mwN, [X.]E 140, 15; 3. März 1993 - 5 [X.] - zu 2 der Gründe).

a) Ein qualifiziertes Zeugnis enthält gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 [X.] Angaben über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und dadurch Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, als Grundlage für die Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber sein Verhalten und seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2 [X.] auch ausdrücklich normierte Gebot der [X.] (vgl. [X.] 15. November 2011 - 9 [X.] - Rn. 9, [X.]E 140, 15). Auch seiner äußeren Form nach muss ein Zeugnis den Anforderungen entsprechen, wie sie im Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis gestellt und vom Leser als selbstverständlich erwartet werden ([X.] 21. September 1999 - 9 [X.] - zu II 2 a der Gründe).

b) Adressat des Zeugnisses ist ein größerer Personenkreis, der nicht zwangsläufig über ein einheitliches Verständnis verfügt. Dementsprechend ist als maßgeblicher objektiver Empfängerhorizont auf den Eindruck und Erkenntniswert eines durchschnittlich Beteiligten oder Angehörigen des vom Zeugnis angesprochenen Personenkreises abzustellen. Zur Beurteilung von Inhalt und äußerer Form des Zeugnisses ist auf die Sicht eines objektiven und damit unbefangenen Arbeitgebers mit Berufs- und Branchenkenntnissen abzustellen. Entscheidend ist, wie ein solcher [X.] das Zeugnis auffassen muss (vgl. zum Inhalt des Zeugnisses [X.] 15. November 2011 - 9 [X.] - Rn. 24, [X.]E 140, 15).

c) Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers nach § 109 [X.] durch Erteilung eines Zeugnisses, das nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Ihm obliegt es grundsätzlich, das Zeugnis im Einzelnen zu verfassen. Formulierungen und Ausdrucksweise stehen in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab ist dabei ein wohlwollender verständiger Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat insoweit einen Beurteilungsspielraum (st. Rspr., vgl. [X.] 15. November 2011 - 9 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 140, 15).

d) Genügt das Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer dessen Berichtigung oder Ergänzung beanspruchen. Mit einer Klage auf Berichtigung oder Ergänzung eines erteilten Arbeitszeugnisses macht der Arbeitnehmer weiterhin die Erfüllung seines [X.] geltend und keinen dem Gesetz fremden Berichtigungs- oder Ergänzungsanspruch (st. Rspr., vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 127, 232).

2. Mit der im Arbeitszeugnis vom 30. Juni 2018 vorgenommenen [X.] hat die Beklagte ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Die Annahme des [X.]s, die [X.] des [X.] in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach „Schulnoten“ genüge den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses nach § 109 [X.], hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier, das dessen persönliche Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis dokumentieren soll. Es stellt mithin eine individuell an den einzelnen Arbeitnehmer angepasste Beurteilung dar (vgl. [X.]/[X.] 2018, 1986, 1989). Diesen Anforderungen wird regelmäßig nur ein individuell abgefasster Text gerecht ([X.]/[X.] 8. Aufl. § 630 Rn. 37; [X.]/Preis [2019] § 630 Rn. 40; das Erfordernis eines Fließtextes bejahend [X.]/[X.] 21. Aufl. [X.] § 109 Rn. 14a; [X.]/[X.] 2018, 1986, 1989; aA [X.] ArbR-HdB/[X.] 18. Aufl. § 147 Rn. 16; [X.] 2019, 2520 ff.).

b) Das Arbeitszeugnis als individuelle Beurteilung der beruflichen Verwendbarkeit des Arbeitnehmers muss dem [X.] Auskunft über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis geben. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung hat der Arbeitgeber die Art und Weise darzustellen, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat ([X.]/[X.] 21. Aufl. [X.] § 109 Rn. 40). Dies erfolgt regelmäßig anhand von Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Beschäftigten ist insbesondere ihr Verhältnis gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen (vgl. [X.]. 14/8796 S. 25).

c) Die einzelnen Bewertungskriterien sind in einem einheitlichen Zeugnis vollständig darzustellen und haben die gesamte Vertragsdauer zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund treten einzelne Vorfälle - seien sie positiv oder negativ - in ihrer Bedeutung zurück und dürfen nicht hervorgehoben werden, wenn sie die Gesamtleistung und Gesamtführung nicht beeinflusst haben ([X.]/Pils § 109 [X.] Rn. 63; [X.]/[X.] 21. Aufl. [X.] § 109 Rn. 18). Die [X.] muss sich auf das Anforderungsprofil der vom Arbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben beziehen und steht damit in einem inneren Zusammenhang mit der Tätigkeitsbeschreibung (vgl. [X.] 20. Februar 2001 - 9 [X.] (1) der Gründe, [X.]E 97, 57). Der Arbeitgeber ist grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, welche Leistungen und Eigenschaften seines Arbeitnehmers er mehr hervorheben oder zurücktreten lassen möchte. Das Zeugnis muss wahr sein und darf dort keine Auslassung enthalten, wo der Leser eine positive Hervorhebung erwartet (vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 19, 21, [X.]E 127, 232).

d) Der verständige [X.] erwartet, dass das Zeugnis eine Gewichtung der Leistungen und Eigenschaften enthält. Erst diese verleiht dem Zeugnis die Aussagekraft, die für die Erreichung des [X.]s notwendig ist. Für den [X.] ist es von hohem Interesse, welche Einzelmerkmale für das konkrete Arbeitsverhältnis von besonderer Bedeutung waren und über welche besonderen Eigenschaften, Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer verfügt. Anhand dieser Angaben kann er erkennen, ob die durch das Zeugnis beurteilte Person über die erforderliche Qualifikation und Eignung für den von ihm zu besetzenden Arbeitsplatz verfügt. Diese Informationen haben maßgeblichen Einfluss auf seine Einstellungsentscheidung, sodass das berufliche Fortkommen eines Arbeitnehmers durch ein Arbeitszeugnis, das diese Aussagekraft nicht besitzt, unangemessen erschwert werden kann. Ein Zeugnis, in dem - wie vorliegend - eine Vielzahl einzelner Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufgeführt und mit „Schulnoten“ bewertet wird, verfügt nicht über den erforderlichen Informationswert. Die prägenden Merkmale verlieren im Kontext der übrigen Bewertungskriterien ihre Bedeutung. Besondere Eigenschaften, Kenntnisse oder Fähigkeiten, die den Arbeitnehmer für neue Arbeitgeber interessant machen könnten, lassen sich daraus nicht ableiten. Das Zeugnis entfaltet nur geringe Aussagekraft (vgl. [X.]/[X.] 2018, 1986, 1989). Es bleibt der Interpretation des [X.]s überlassen, welche Aspekte im Arbeitsverhältnis einen besonderen Stellenwert gehabt haben könnten.

e) Entgegen der Auffassung des [X.]s hat die von der Beklagten gewählte Tabellenform daher nicht die dem Zweck eines qualifizierten Zeugnisses genügende Aussagekraft. Unabhängig davon, ob die von der Beklagten gewählten Bewertungskriterien überhaupt einen ausreichenden Bezug zu der vom Kläger verrichteten Tätigkeit haben, erweckt die formal an ein Schulzeugnis angelehnte tabellarische Darstellungsform den unzutreffenden Eindruck einer besonders differenzierten, präzisen und objektiven Beurteilung. Anders als bei einem Schulzeugnis, bei dem sich die Notenvergabe nach dem Grad des Erreichens der im Curriculum festgelegten Lernzielvorgabe bemisst und regelmäßig in erheblichem Maße durch schriftliche [X.] gestützt wird, weisen weder die Bewertungskriterien einen objektiven Bezugspunkt auf noch beruhen die erteilten Noten in der Regel auf Leistungsnachweisen. Außerdem lässt sich die gebotene Individualisierung der [X.] eines Arbeitszeugnisses nicht mit einem Zeugnis erreichen, das auf eine Aufzählung von Einzelkriterien und „Schulnoten“ reduziert ist. Es brächte die besonderen Anforderungen und Verhältnisse des Betriebs und der individuellen Funktion des Arbeitnehmers innerhalb der vom Arbeitgeber gestalteten Organisationsstruktur nicht hinreichend zum Ausdruck. Individuelle Hervorhebungen und Differenzierungen lassen sich regelmäßig nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis angemessen herausstellen. Nur dann sind sie geeignet, die besonderen Nuancen des beendeten Arbeitsverhältnisses darzustellen und damit den [X.] als aussagekräftige Bewerbungsunterlage in Bezug auf seine konkrete Person zu erfüllen. Dies gilt unabhängig davon, ob heute noch regelmäßig ein Zeugnis im Fließtext erwartet wird oder im Geschäftsleben üblich ist (vgl. [X.]/[X.] 2018, 1986, 1989; [X.]/[X.] 21. Aufl. [X.] § 109 Rn. 14a).

3. Das [X.] ist außerdem unzutreffend davon ausgegangen, die im Zeugnis des [X.] vom 30. Juni 2018 vorgenommene Tätigkeitsbeschreibung genüge den gesetzlichen Anforderungen.

a) Bei der Tätigkeitsbeschreibung in einem Zeugnis steht dem Arbeitgeber nur ein stark eingeschränkter Beurteilungsspielraum zu. Die Tätigkeiten sind vollständig und genau zu beschreiben. Ein Dritter muss sich anhand des Zeugnisses ein klares Bild von der ausgeübten Tätigkeit machen können ([X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.] - Rn. 19, [X.]E 114, 320; [X.]/[X.] 21. Aufl. [X.] § 109 Rn. 29). Die Tätigkeitsbeschreibung soll Aufschluss über die während des Arbeitsverhältnisses unter Beweis gestellten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse des Dienstverpflichteten geben. Sie soll zeigen, in welchem Aufgabengebiet der Arbeitnehmer tatsächlich eingesetzt war (vgl. [X.] 12. August 1976 - 3 [X.] - zu I 2 b der Gründe; [X.]/[X.] BGB 16. Aufl. § 630 Rn. 12). Den Anforderungen kann der Arbeitgeber auch dadurch gerecht werden, dass er die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben lediglich in einer stichwortartigen Aufzählung darstellt, wenn sich dadurch die Lesbarkeit des Zeugnisses verbessert (vgl. [X.] 2. April 2019 - 2 [X.]/18 - zu I 3 a der Gründe; [X.]/[X.] aaO Rn. 14a).

b) Diesen Anforderungen genügt das durch die Beklagte erteilte Zeugnis nicht. Ein künftiger Arbeitgeber kann sich auf der Grundlage der „Aufgabenstellung“ kein klares Bild darüber machen, welche Tätigkeiten der Kläger tatsächlich ausgeübt hat.

aa) Soweit im Zeugnis angegeben wird, der Kläger habe „nach jeweiliger Vorgabe“ gearbeitet, bleibt der Grad seiner Gebundenheit an im Voraus getroffene Festlegungen offen. Für den [X.] ist nicht zu erkennen, ob der Kläger die ihm übertragenen Arbeiten nach konkreten Einzelanweisungen auszuführen oder ob und inwieweit er sich lediglich an allgemeinen Richtlinien zu orientieren hatte.

bb) Der Funktion des Zeugnisses, die an die arbeitsvertragliche Tätigkeit gestellten Anforderungen zu beschreiben, entspricht weder die Bezugnahme auf ein „Ausbildungs- und Fähigkeitsprofil“ noch die - gleichsam verschachtelte - Aufzählung „Betriebsbereich der Abfüllung zugeordnet zur Reparatur, Wartung, Prüfung, Montage, Einrichtung vorhandener und Mitaufbau elektrisch/pneumatisch betriebener Geräte im [X.] bzgl. der Versorgung von [X.] bis Drehstrom, der Signalleitung von Sensoren, der Programmiersteuerung, der Verdrahtung und Vernetzung der Anlagen in Schaltschränken“. Daraus lässt sich nicht entnehmen, in welcher Beziehung („bzgl.“) die im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten „Reparatur, Wartung, Prüfung, Montage, Einrichtung vorhandener und Mitaufbau elektrisch/pneumatisch betriebener Geräte“ zu „der Versorgung von [X.] bis Drehstrom, der Signalleitung von Sensoren, der Programmiersteuerung, der Verdrahtung und Vernetzung der Anlagen in Schaltschränken“ stehen. Die Beschreibung vermittelt damit kein hinreichend deutliches Bild über die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten. [X.] bleibt auch, welche Aufgaben mit „der sonstigen, handwerklichen Bearbeitung diverser Materialien“ beschrieben sein sollen.

II. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der [X.] kann auf der Grundlage der Feststellungen des [X.]s nicht selbst über den genauen Inhalt des dem Kläger zu erteilenden Zeugnisses entscheiden. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das [X.] die für die Formulierung des Arbeitszeugnisses notwendigen Tatsachenfeststellungen zur Art der vom Kläger verrichteten Tätigkeit und zur [X.] treffen müssen. Dabei ist Folgendes zu beachten:

1. Bei seiner Entscheidung ist das [X.] weder an die Formulierung des erteilten Zeugnisses noch an die des Klageantrags gebunden. Ein Zeugnis und dessen Formulierungen müssen regelmäßig im Zusammenhang des gesamten Inhalts betrachtet werden. Es handelt sich um ein einheitliches Ganzes, dessen Teile nicht ohne Gefahr der Sinnentstellung auseinandergerissen werden können (vgl. [X.] 15. November 2011 - 9 [X.] - Rn. 26, [X.]E 140, 15). Die Gerichte sind deshalb gehalten, das gesamte Zeugnis zu überprüfen, und berechtigt, es ohne Verstoß gegen § 308 ZPO unter Umständen selbst neu zu formulieren (vgl. [X.] 24. März 1977 - 3 [X.] - zu I der Gründe; [X.]/[X.] 21. Aufl. [X.] § 109 Rn. 75; [X.] ArbR-HdB/[X.] 18. Aufl. § 147 Rn. 33).

2. Das [X.] hat keine hinreichend konkreten Feststellungen zu den vom Kläger verrichteten Tätigkeiten sowie zu dessen Arbeitsleistung in qualitativer und quantitativer Hinsicht getroffen. Dies betrifft das Arbeitstempo sowie die Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt, mit der er seine Tätigkeiten verrichtete. Entsprechendes gilt für seine Fachkenntnisse, Auffassungsgabe, die Fähigkeit, auftretende Probleme zu lösen. Da über den zeugnisrechtlichen Erfüllungsanspruch nur einheitlich entschieden werden kann, war es dem [X.] nicht möglich, im Wege eines Teilurteils über einzelne vom Kläger begehrte „Berichtigungen“ zu erkennen (vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 26, [X.]E 127, 232).

3. Soweit der Kläger die Erteilung eines Zeugnisses mit einer überdurchschnittlichen [X.] geltend macht, besteht darauf jedenfalls auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kein Anspruch. Dies hat das [X.] zu Recht erkannt.

a) Unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des [X.]s zur Darlegungs- und Beweislast ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Beurteilung im Zeugnis erstrebt, entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen muss. Die Vorschrift des § 109 Abs. 1 Satz 3 [X.] begründet keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern „nur“ auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen ([X.] 18. November 2014 - 9 [X.] - Rn. 9 ff. mit ausführlicher Begründung, [X.]E 150, 66).

b) Die Annahme des [X.]s, der Kläger habe die ihm obliegende Darlegungslast nicht erfüllt, ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen einlassungsfähigen Sachvortrag gehalten, aufgrund welcher Tatsachen eine überdurchschnittliche Bewertung gerechtfertigt sein soll. Der bloße Verweis auf die ihm durch Arbeitskollegen attestierten Beurteilungen ist nicht ausreichend. Der Kläger will die Beurteilung der Beklagten ohne nähere Begründung durch die seiner Kollegen ersetzen.

        

    Kiel    

        

    Weber    

        

    Zimmermann    

        

        

        

    Lohbeck    

        

    A. Gell     

                 

Meta

9 AZR 262/20

27.04.2021

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Herford, 26. Juni 2019, Az: 1 Ca 791/18, Urteil

§ 109 GewO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2021, Az. 9 AZR 262/20 (REWIS RS 2021, 6454)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 2906 MDR 2022, 39-40 REWIS RS 2021, 6454

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3 Ta 223/23

18 Ca 5541/20

3 ZB 22.1220

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